Prozessvollmacht für abberufenen Geschäftsführer
letzte Aktualisierung: 31.8.2021
OLG Brandenburg, Urt. v. 17.2.2021 – 4 U 211/20
Prozessvollmacht für abberufenen Geschäftsführer
1. Ein Anerkenntnisurteil ist prozessual unwirksam, wenn es in einem unzulässigen Insichprozess
ergangen ist.
2. Ein unzulässiger Insichprozess liegt in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Abberufung
des Klägers als Geschäftsführer vor, wenn der Kläger zugleich als Vertreter der Beklagten handelte,
indem er – auf zudem gesellschaftsrechtlich unwirksame Weise – die Prozessvollmacht
unterzeichnete.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Beklagte betreibt einen Reisedienst, der Kläger war zunächst ihr einziger Geschäftsführer. Mit Beschluss vom 14. Mai 2020 bestellte die Gesellschafterversammlung der Beklagten Herrn O… L… als zweiten Geschäftsführer. Der Kläger einerseits und O… L… andererseits führten am 29. Juni 2020 an jeweils unterschiedlichen Orten Gesellschafterversammlungen durch, auf denen Beschlüsse zur Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers getroffen worden sind.
Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage insbesondere gegen seine Abberufung als Geschäftsführer auf einer der am 29. Juni 2020 durchgeführten Versammlungen und hat erstinstanzlich beantragt,
die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29. Juni 2020 zu den Tagesordnungspunkten 3-5, wonach Herr O… L… zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft berufen wird und Herr H… Z… als Geschäftsführer abberufen wird und seine Gesellschaftsanteile eingezogen werden, für nichtig zu erklären.
Erstinstanzlich hat sich die Kanzlei … als Prozessbevollmächtigte der Beklagten, vertreten durch den Geschäftsführer O… L…, bestellt und den Klageanspruch anerkannt. Die Prozessvollmacht für die auf Seiten der Beklagten auftretende Kanzlei hat der Kläger erteilt. Das Landgericht hat daraufhin am 20. August 2020 ein klagestattgebendes Anerkenntnisurteil erlassen, gegen das die Beklagte durch die Kanzlei Sch…, deren Prozessvollmacht O… L… erteilt hat, Berufung eingelegt hat.
Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung,
das Anerkenntnisurteil des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen 52 O 59/20 vom 20. August 2020 aufzuheben und die Klage vom 28. Juli 2020 abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit wieder an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
Der Kläger schließt sich dem auf Aufhebung und Zurückverweisung gerichteten Antrag an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß
Das Anerkenntnisurteil vom 20. August 2020 ist prozessual unwirksam. Es ist prozessrechtlich unabhängig davon, ob § 181 BGB anwendbar ist, nicht möglich, einen Rechtsstreit mit sich selbst, und zwar auch nicht als Vertreter eines anderen zu führen (st. Rspr. etwa BGH, Urteil vom 11. Juli 1983 – II ZR 114/82 –, juris; BGH, Beschluss vom 27. November 1974 – IV ZB 42/73 –, Rn. 12, juris; RG, Urteil vom 22. Juni 1907 – I 40/07 –,
Die Vertretung der Beklagten durch den Kläger bei Erteilung der Prozessvollmacht an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist auch gesellschaftsrechtlich unwirksam. Im Prozess mit dem abberufenen Geschäftsführer um die Wirksamkeit der Abberufung wird die Gesellschaft - solange die Gesellschafter so wie vorliegend gemäß
Daher ist das Anerkenntnisurteil infolge prozessualer Unwirksamkeit aufzuheben und das Verfahren auf den gestellten Antrag der Beklagten an das Landgericht zurückzuverweisen sein. Der Senat kann dabei offenlassen, ob die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für eine Zurückverweisung vorliegen. Denn die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses führt auf die Berufung der Beklagten schon im Wege einer analogen Anwendung von
Die Zurückverweisung ist sachgerecht, da die Parteien bei einer Sachentscheidung des Senats den Verlust einer Tatsacheninstanz hinzunehmen hätten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 –, Rn. 32, juris) und das Verfahren erstinstanzlich bislang ohne inhaltliche Erörterung geblieben ist. Aus diesem Grund ist der Rechtsstreit auch auf den nur hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten an das Landgericht zurückzuweisen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 31. Mai 2007 – 5 U 123/07 –, Rn. 7, juris; siehe auch KG Berlin, Beschluss vom 10. Juli 2006 – 12 U 217/05 –, Rn. 6, juris, einen hilfsweise gestellten Antrag auf Zurückverweisung als logisch vorrangig ansehend).
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
Eine Kostenentscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem landgerichtlichen Schlussurteil vorbehalten (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:17.02.2021
Aktenzeichen:4 U 211/20
Rechtsgebiete:
In-sich-Geschäft
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
ZPO § 307; BGB § 181; GmbHG § 46 Nr. 8