Rechtswahl umfasst auch den Vatersnamen nach russischem Recht
letzte Aktualisierung: 11.11.2021
OLG Hamburg, Beschl. v. 11.3.2021 – 2 W 50/20
Rechtswahl umfasst auch den Vatersnamen nach russischem Recht
1. Die Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasst auch den Vatersnamen nach russischem
Recht.
2. Der Vatersname nach russischem Recht verstößt nicht gegen den Grundsatz des ordre public
(Art. 6 EGBGB).
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eltern des am ....2018 geborenen Beteiligten zu 5.). Sie sind
verheiratet und führen den Namen F... als Familiennamen. Die Antragstellerin verfügt über
die deutsche Staatsangehörigkeit, der Antragsgegner über die russische Staatsangehörigkeit.
Das Kind ist sowohl deutscher als auch russischer Staatsangehöriger.
Durch Anzeige vom 23.10.2018 gegenüber dem Standesamt bestimmten die Eltern den
Vornamen des Kindes mit F.... Angaben zum Vatersnamen enthielt die Anzeige nicht.
Beide Eltern führen jeweils neben ihrem Vor- und Familiennamen noch ihren Vatersnamen.
Der Beteiligte zu 5.) wurde am 2.11.2018 mit dem Vornamen F... und dem Geburtsnamen
F... in das Geburtsregister eingetragen.
Am 6.12.2018 beantragten die Antragsteller zur Niederschrift auf der Geschäftsstelle des
Amtsgerichts, für das Kind im Geburtsregister einen Vatersnamen zwischen dem Vor- und
Familiennamen einzufügen. Hinsichtlich der Schreibweise dieses Namens haben die
Antragsteller zuletzt beantragt, dass der Namen „F...“ als Vatersname eingetragen wird. Sie
stützten ihren Antrag zunächst auf § 48 PStG, weil die Eintragung des Vatersnamens bereits
ursprünglich hätte vorgenommen werden müssen, versehentlich aber unterblieben sei. Das
Geburtsregister sei daher zu berichtigen. Am 3.12.2019 wählten die Antragsteller durch
Erklärung gegenüber dem Standesamt die Anwendung des russischen Rechts auch für den
Vatersnamen. Das Standesamt lehnte eine Eintragung des Vatersnamens in das
Geburtsregister ab. Die Eltern beantragen nunmehr, das Standesamt gem. § 49 PStG
anzuweisen, die Eintragung des Vatersnamen in das Geburtsregister vorzunehmen.
Jedenfalls die von ihnen vorgenommene Rechtswahl führe zur Anwendung des russischen
Rechts auf den Vatersnamen. Dieser sei daher in das Geburtsregister einzutragen. Die
Eintragung des Vatersnamens im Geburtsregister sei deswegen erforderlich, weil eine
Übernahme des Vatersnamens in den russischen Pass für das Kind nur möglich sei, wenn
ein solcher zuvor im deutschen Geburtsregister eingetragen sei. Die Eintragung des
Vatersnamen als zweiter Vorname genüge nicht, weil es sich bei dem Vatersnamen eben um
keinen zweiten Vornamen handele.
Das Standesamt ebenso wie die Standesamtsaufsicht treten dem Antrag entgegen. Der
Name des Kindes richte sich gem. Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht. Das
deutsche Namensrecht kenne aber keinen Vatersnamen. Daran habe die durchgeführte
Rechtswahl der Eltern nichts geändert. Die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 10 Abs. 3
EGBGB beziehe sich allein auf den Familiennamen, nicht aber auf den Vatersnamen.
Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 9.3.2020, der Standesamtsaufsicht am
18.3.2012 zugestellt, stattgegeben und das Standesamt angewiesen, die begehrte Eintragung
des Vatersnamens vorzunehmen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die
Rechtswahlmöglichkeit des Art. 10 Abs. 3 EGBGB auch den Vatersnamen erfasse. Denn
jedenfalls sei die Eintragung vorzunehmen, um eine unzumutbare Härte zu vermeiden. Die
russischen Heimatbehörden des Kindes würden sich weigern, den Vatersnamen in den
russischen Pass des Kindes aufzunehmen, weil dieser nicht im deutschen Geburtsregister
eingetragen sei.
Mit am 16.4.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz legt die Standesamtsaufsicht
gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat. Die Standesamtsaufsicht meint, dass eine unzumutbare Härte nicht vorliege.
Der Vatersname des Kindes könne ohne weiteres als zweiter Vorname in das
Geburtsregister aufgenommen werden. Dann werde er auch in den russischen Pass
übertragen. Eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB in Bezug auf den Vatersnamen
sei nicht möglich. Die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB beziehe sich
allein auf den Familiennamen. Der Vatersname russischen Rechts sei aber kein
Familienname. Er leite sich vom Vornamen des Vaters ab und werde an die nächste
Generation nicht weitergegeben. Der Gesetzgeber habe die Rechtswahlmöglichkeit bewusst
auf den Familiennamen beschränkt.
Nach Hinweis des Senats auf die bislang mangels öffentlicher Beglaubigung unwirksame
Rechtswahl der Antragsteller haben die Antragsteller am 10.2.2021 erneut, nunmehr in
öffentlich beglaubigter Form, die Anwendung des russischen Rechts auf die
Namensführung des Kindes gewählt.
II.
Die gem. §§ 51 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 2 PStG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde
der Standesamtsaufsicht ist teilweise begründet.
Das Amtsgericht hat zu Recht die Eintragungsfähigkeit des Vatersnamens angenommen
(1.). Die Eintragung in das Geburtsregister ist vorliegend aber im Wege der Berichtigung
nach § 48 PStG und nicht durch Anweisung nach § 49 PStG vorzunehmen (2.).
1.
Aufgrund der wirksam nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffenen Rechtswahl trägt das Kind
den Vatersnamen „F...“. Zwar richtet sich das Namensrecht des Kindes im Ausgangspunkt
nach deutschem Recht (a.), die Eltern haben aber wirksam die Anwendung des russischen
Namensrecht auf den Familiennamen gewählt (b.) und diese Rechtswahl erfasst auch den
Vatersnamen nach russischem Recht (c.).
a)
Das Namensrecht des Kindes richtet sich im Ausgangspunkt nach deutschem Recht. Gem.
Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, der die
Person angehört. Da das Kind gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StAG aufgrund der deutschen
Staatsangehörigkeit der Antragstellerin ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt,
findet auf das Namensrecht des Kindes das deutsche Sachrecht Anwendung. Daran ändert
die parallel bestehende russische Staatsangehörigkeit des Kindes nichts, weil gem. Art. 5
Abs. 1 S. 2 EGBGB bei doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit
vorgeht.
Das deutsche Namensrecht kennt keinen Vatersnamen, sondern lediglich den Vor- und
Familiennamen einer Person. Dabei enthält das deutsche Namensrecht keine gesetzliche
Definition des Vor- noch des Familiennamens (BeckOGK-BGB/Kienemund, Stand
01.08.2020, § 1616 Rn. 19, 26). Inhaltlich beruhen die Regelungen zum Familiennamen auf
dem Prinzip, dass sich der vom Kind zum Zeitpunkt seiner Geburt zu führende
Familienname (der sogn. Geburtsname, vgl. § 1355 Abs. 6 BGB) von dem Familiennamen
seiner Eltern ableitet (§§ 1616, 1617 BGB). Der Familienname wiederum kann durch
spätere Heirat des Kindes von einem dann zu bestimmenden Ehenamen als neuem
Familiennamen abgelöst werden (vgl. § 1355 BGB). Auch der Ehename kann allerdings
nicht frei gewählt werden, sondern leitet sich gem. § 1355 BGB von dem Familiennamen
eines der beiden Ehegatten ab. Demgegenüber unterliegt die Bildung des Vornamens einer
Person nach deutschem Recht keinen speziellen gesetzlichen Regelungen. Als Ausdruck der
Individualität einer jeden Person kann er vielmehr bis zur Grenze der
Kindeswohlgefährdung von den Eltern für ihr Kind frei bestimmt werden
(Staudinger/Coester, Neubearbeitung 2020, Vorb. zu den §§ 1616 – 1625 Rn. 20). Die von
den Antragstellern gewünschte Eintragung eines Vatersnamens des Kindes, der sich vom
Vornamen des Kindes ableitet, kennt das deutsche Namensrecht daher nicht. Auch das
deutsche Registerrecht sieht einen solchen Namensbestandteil nicht vor, weil § 21 Abs. 3
PStG nur die Eintragung des Vor- und Geburtsnamens des Kindes in das Geburtsregister
vorsieht.
b)
Die Eltern haben aber aufgrund ihrer Rechtswahl wirksam das russische Recht als für den
Familiennamen maßgebliches Sachrecht gewählt.
Nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB kann der Inhaber der elterlichen Sorge gegenüber dem
Standesamt bestimmen, dass sein Kind den Familiennamen nach dem Recht eines Staates
erhalten soll, dem ein Elternteil angehört. Hier haben die Antragsteller gegenüber dem
Standesamt erklärt, dass sich der Familienname des Kindes nach russischem Recht richten
soll, dem Heimatrecht des Vaters. Diese Rechtswahl haben die Antragsteller wirksam
ausgeübt. Sie sind zunächst in rechtlicher Hinsicht Eltern des Kindes und ihnen steht für
das Kind auch die elterliche Sorge zu. Da das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland hat, richtet sich sowohl die Abstammung (Art. 19 Abs. 1 S. 1 bzw. S. 3
EGBGB) als auch die elterliche Sorge (Art. 16 KSÜ) nach deutschem Recht. Danach ist die
Antragstellerin Mutter des Kindes, weil sie das Kind geboren hat (§ 1591 BGB) und der
Antragsteller ist Vater des Kindes, weil er mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt
verheiratet war (§ 1592 Nr. 1 BGB). Ihnen steht die elterliche Sorge für das Kind
gemeinsam zu, weil sie miteinander verheiratet sind (§ 1626 BGB). Soweit sich die
Abstammung des Kindes auch nach dem Heimatrecht des Vaters richtet (Art. 19 Abs. 1 S. 2
EGBGB), folgt hieraus nichts anderes, weil auch das russische Recht den Mann dem Kind
als Vater zuordnet, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war (Art. 48
des russischen Familiengesetzbuches vom 29.12.195 (folgend russ. FGB, abgedruckt bei
Bergmann/Ferid/Lorenz, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, russische
Förderation, Stand 20.6.2019). Die Antragsteller haben gegenüber dem Standesamt auch in
öffentlich beglaubigter Form bestimmt, dass sich der Familienname einschließlich des
Vatersnamen nach russischem Recht richten soll. Diese Rechtswahl ist, anders als noch bis
zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechts-Reformgesetz vom 16.12.1994 (BGBl. I 2942),
auch nach der Geburt des Kindes möglich, setzt nur anders als vor der Geburt die
öffentliche Beglaubigung voraus. Eine Rück- oder Weiterverweisung findet im Falle der
Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht statt, weil es sich um eine
Sachnormverweisung gem. Art. 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB handelt (MüKo-BGB/Lipp, 8.
Auflage 2020, Art. 10 EGBGB Rn. 147).
c)
Die Wahl des russischen Rechts führt dazu, dass das Kind den Vatersnamen nach
russischem Recht trägt (aa), weil sie sich auch auf den Vatersnamen erstreckt (bb).
aa)
Gem. Art. 58 Abs. 1 des russ. FGB hat jedes Kind einen Anspruch auf einen Vornamen,
Vatersnamen und Familiennamen. Der Vorname wird dem Kind im Einvernehmen der
Eltern gegeben, der Vatersname wird nach dem Vornamen des Vaters verliehen und der
Familienname nach dem Familiennamen entweder der Mutter oder des Vaters je nach Wahl
der Eltern (Art. 58 russ. FGB). Das russische Namensrecht behandelt damit den Vor- und
Familiennamen strukturell dem Vor- und Familiennamen deutschen Rechts gleich. Der
Vorname wird individuell gebildet und der Familiennamen des Kindes leitet sich von dem
Familiennamen seiner Eltern ab. Anders als das deutsche Recht kennt das russische
Namensrecht aber noch den Vatersnamen als vom Vornamen des Vaters abgeleiteten
weiteren Namensbestandteil.
bb)
Die Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB erstreckt auch auf den Vatersnamen nach
russischem Recht. Art 10 Abs. 3 EGBGB ermöglicht eine Rechtswahl allerdings nicht
bezüglich des Namensrechts insgesamt, sondern lediglich in Bezug auf den Familiennamen.
Der Begriff des Familiennamens i.S.d. Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasst aber auch den
Vatersnamen nach russischem Recht. Diese Frage ist allerdings umstritten. Das OLG
Dresden lehnt eine Einbeziehung des Vatersnamen in den Anwendungsbereich des Art. 10
Abs. 3 EGBGB ab (OLG Dresden v. 5.4.2017, 3 W 214/17,
Vatersnamen nach russischem Recht handele es sich schon deswegen nicht um einen
Familiennamen i.S.d. Art. 10 Abs. 3 EGBGB, weil sich der Vatersname nicht vom
Familiennamen der Eltern, sondern dem Vornamen des Vaters ableite und auch nicht
generationsübergreifend weitergegeben werde. Ihm würden daher wesentliche Merkmale
eines Familiennamens fehlen (OLG Dresden v. 5.4.2017, 3 W 214/17,
Die Gegenauffassung sieht auch den Vatersnamen als der Rechtswahl zugänglichen
Familiennamen i.S.d. Art. 10 Abs. 3 EGBGB an (Fachausschuss der Standesämter,
Stellungnahme Nr. 3566 vom 11./12.11.1999,
Neubearbeitung 2019, Art. 10 EGBGB Rn. 389). Der Begriff des Familiennamens i.S.d. Art.
10 Abs. 3 EGBGB erfasse all diejenigen Namensbestandteile, die die Zugehörigkeit des
Kindes zu seinen Eltern oder zu seiner Familie zum Ausdruck bringen. Dies gelte nach
russischem Recht sowohl für den Familiennamen als auch den Vatersnamen.
Der Senat folgt der zweiten Ansicht. Ausgangspunkt ist, dass der in Art. 10 Abs. 3 EGBGB
verwendete Begriff des Familiennamens rein kollisionsrechtlich (autonom) zu bestimmen ist
(BGH v. 9.5.2018, XII ZB 47/17,
Umstand, dass der Familienname deutschen Sachrechts keinen dem Vatersnamen
russischen Rechts entsprechenden Namensbestandteil kennt, folgt nicht der Schluss, dass
der Vatersname russischen Rechts nicht von Art. 10 Abs. 3 EGBGB erfasst wäre. Ob der in
Art. 10 Abs. 3 EGBGB verwendete Begriff des Familiennamens nur den Familiennamen
nach deutschem Sachrechtsverständnis erfasst, ist vielmehr durch eine Auslegung dieser
Kollisionsnorm gerade erst zu ermitteln. Dies ist aber nicht der Fall. Der Wortlaut der
Norm steht der Einordnung des Vatersnamens als Familienname nicht entgegen, er spricht
vielmehr für die Einbeziehung auch des Vatersnamens russischen Rechts in den
Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 EGBGB. Denn nicht nur der Familienname,
sondern (auch) der Vatersname russischen Rechts bringt die familiäre Zugehörigkeit des
Kindes zu einem bestimmten Mann als seinem Vater zum Ausdruck, kann also durchaus als
Name der Familie väterlicherseits und damit als Familienname verstanden werden.
Unerheblich ist es dabei, dass sich der Vatersname vom Vornamen des Vaters ableitet und
nicht generationsübergreifend weitergegeben wird (a.A. OLG Dresden v. 5.4.2017, 3 W
214/17,
auszudrücken, nichts. Die Grenze des Wortlauts der Norm ist erst dann erreicht, wenn man
Art. 10 Abs. 3 EGBGB auch auf solche Zwischennamen anwenden wollte, die rein
individuell bestimmt werden (vgl. BGH v. 9.5.2018, XII ZB 47/17,
zum Nachnamen nach australischem Recht und Fachausschuss Nr. 3774 vom 10.11.2005,
der nach dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 3 EGBGB notwendige familiäre Bezug.
Demgegenüber ist ein enges Verständnis des Familiennamens nicht angezeigt. Ein solches
enges Verständnis lässt sich zunächst aus den Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls nicht
entnehmen. Der Gesetzgeber hat die Problematik der Vaters- oder generell Zwischennamen
nach ausländischem Recht im Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 EGBGB vielmehr
überhaupt nicht gesehen und Überlegungen hierzu damit auch nicht zum Gegensand seines
Gesetzeswillens gemacht (vgl. S. 137 der Gesetzesbegründung zum KindRG v. 13.6.1996,
BT-Drks. 13/4899). Der Sinn und Zweck des Art. 10 Abs. 3 EGBGB spricht für eine
Einbeziehung des Vatersnamens in den Anwendungsbereich dieser Norm. Art. 10 Abs. 3
EGBGB will dem Kind ermöglichen, seinen Familiennamen nach dem Namensrecht eines
beliebigen Heimatrechts seiner Eltern zu bilden. Damit trägt der Gesetzgeber dem
schutzwürdigen Interesse der Kinder binationaler Eltern Rechnung, ihre familiäre
Verbundenheit namensrechtlich über die freie Wahl eines ihrer Heimatrechte zum
Ausdruck bringen zu können. Dieser gesetzliche Sinn und Zweck würde aber verfehlt, wenn
Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht alle nach dem gewählten Namensrecht relevanten
Namensbestandteile erfassen würde, die nach dem gewählten Recht die familiäre
Verbundenheit des Kindes zu seiner Familie ausdrücken. Das Ergebnis der von Art. 10
Abs. 3 EGBGB ermöglichten Rechtswahl bliebe unvollständig, wenn sich wie vorliegend im
Ergebnis der Familienname zwar nach russischem Recht richten würde, der daneben nach
russischem Recht weitere Vatersname aber nicht bzw. nur als zweiter Vorname getragen
werden könnte. Dies berührt auch die schutzwürdigen Belange des Kindes. Aus den
Regelungen des russischen Namensrechts ergibt sich, dass das Kind nur dann keinen
Vatersnamen trägt, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt weder verheiratet war noch
Angaben zum Namen des Vaters im Rahmen der Eintragung in das Geburtenbuch gemacht
hat (Art. 58, 51 russ. FGB). Dem Kind das Tragen des Vatersnamens bei Wahl des
russischen Namensrechts zu verwehren, setzt ihm in seinem Heimatrechtskreis dem
falschen Anschein aus, dass die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt weder mit einem Mann
verheiratet war noch in der Lage oder Willens war, einen Mann als Vater des Kindes zu
benennen. Dies ist geeignet, das Ansehen des Kindes negativ zu beeinflussen, mindestens
aber Nachfragen zu provozieren.
Der Vatersname russischen Rechts verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des ordre
public (Art. 6 EGBGB). Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Vatersname russischen
Rechts mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Namensrechts offensichtlich
unvereinbar wäre. Das ist aber nicht anzunehmen (so auch BGH v. 26.04.2017, XII ZB
177/16,
Recht setzt für einen bürgerlichen Namen zwingend einen Namensbestandteil voraus, der
mit der Übertragbarkeit auf den Ehegatten und die Kinder die Aufgabe des Familiennamens
erfüllen kann und einen anderen Namensteil, der als Vorname die Mitglieder einer Familie
und allgemein die Träger des gleichen Familiennamens voneinander unterscheidbar macht
(BGH v. 26.04.2017, XII ZB 177/16,
deutschen Namensrechts verstößt der Vatersname russischen Rechts als weitere
Namensbestandteil neben dem Vor- und Familiennamen nicht. Auch die aus dem Tragen
eines Vatersnamen folgenden Probleme bei der Registerdarstellung vermögen weder einen
ordre public Verstoß zu begründen, noch sind sie überhaupt geeignet, der Rechtswahl
entgegenzustehen. Denn das Registerrecht hat als dienendes Formalrecht dem Sachrecht zu
folgen und nicht umgekehrt (BGH v. 26.04.2017, XII ZB 177/16,
d)
Der Vatersname ist auch in der von den Antragstellern gewünschten Form einzutragen.
Gem. Art. 58 Nr. 2 S. 2 Russ. FGB wird der Vatersname nach dem Vornamen des Vaters
verliehen. Der Vorname des Antragstellers lautet transliteriert F.... Der Vatersname wird
sodann unter Hintanstellung des Suffix „ovič“ an diesen Vornamen gebildet, was dem
Antrag entspricht (Himmelreich, Personennamen und Recht in Russland, Namenskundliche
Informationen (NI), 2015, 244, 249).
2.
Die Eintragung des Vatersnamens in das Geburtsregister hat allerdings im Wege der
Berichtigung nach § 48 PStG und nicht im Wege der Anordnung nach § 49 PStG zu
erfolgen. Auf die Beschwerde der Standesamtsaufsicht war der Beschluss des Amtsgerichts
daher entsprechend abzuändern.
Denn das Kind trägt nach dem aufgrund der Rechtswahl maßgeblichen russischem
Namensrecht den Vatersnamen rückwirkend seit seiner Geburt, so dass der Geburtseintrag
unrichtig ist und daher die Eintragung des Vatersnamens im Wege der Berichtigung nach §
48 PStG und nicht durch Anweisung nach § 49 PStG zu erfolgen hat. Zwar wirkt die
Rechtswahl als solche nur ex nunc (BeckOGK-BGB/Kroll-Ludwigs, Stand 1.3.2020, Art.
10 EGBGB Rn. 54.1). Ob die aufgrund der Rechtswahl eintretende Namensänderung aber
Rückwirkung bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt entfaltet, bestimmt sich nach dem
aufgrund der Rechtswahl zur Anwendung gelangendem Sachrecht (OLG Hamm v.
2.9.2010,15 Wx 213/10,
gewählten Sachrecht auf den Zeitpunkt der Geburt zurück, hat dies zur Folge, dass auch der
Geburtseintrag von Anfang an unrichtig wird und damit die Eintragung im Wege der
Berichtigung (§ 48 PStG) und nicht der Folgebeurkundung (§ 27 PStG) (und im
Weigerungsfall auf Anordnung des Gerichts, § 49 PStG) vorzunehmen ist. Vorliegend
kommt dem Namenserwerb nach russischem Recht Rückwirkung zu. Art. 58 und Art. 59
des russischen FGB differenzieren zwischen dem Namenserwerb einerseits und der
Namensänderung andererseits. Das Kind hat nach Art. 58 Abs. 1 russisches FGB einen
Anspruch auf einen Vornamen, Vatersnamen und Familienamen. Die Norm geht ersichtlich
davon aus, dass dieser Anspruch als Namenserwerb ab Geburt des Kindes besteht.
Demgegenüber sieht Art. 59 russ. FGB verschiedene Möglichkeiten der Eltern vor, den
Vor- oder Familiennamen ihres Kindes später zu ändern. Aus dem Zusammenspiel beider
Normen folgt, dass das Kind im Rahmen des Namenserwerbs nach Art. 58 russ. FGB die
Namen und damit auch den Vatersnamen ab seiner Geburt erwirbt. Die nachträgliche
Rechtswahl des russischen Namensrechts führt damit zu einer auf die Geburt des Kindes
zurückwirkenden Namensänderung.
Dass die Eltern erstinstanzlich zuletzt keinen Berichtigungsantrag nach § 48 PStG, sondern
einen Anordnungsantrag nach § 49 PStG gestellt haben und das Amtsgericht auch keine
Berichtigung sondern eine Anordnung nach § 49 PStG ausgesprochen hat, ist unschädlich.
Denn entscheidend ist das Rechtschutzbegehren der Antragsteller. Diese begehren aber eine
Eintragung des Vatersnamens in das Geburtsregister, gleich ob dies unmittelbar auf
Grundlage des § 48 PStG oder durch Anweisung nach § 49 PStG erfolgt. Das Gericht, und
damit auch der Senat als Beschwerdegericht, ist befugt, innerhalb dieses
Rechtschutzbegehrens der Antragsteller den hierfür registerrechtlich zulässigen
Verfahrensweg zu wählen. Auf einen Antrag nach § 49 PStG kann das Gericht daher eine
Berichtigung nach § 48 PStG aussprechen, wenn dies dem Rechtschutzziel des
Antragstellers entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, keine Kosten
zu erheben und die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil der Senat von der Entscheidung des OLG
Dresden ( v. 5.4.2017, 3 W 214/17,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamburg
Erscheinungsdatum:11.03.2021
Aktenzeichen:2 W 50/20
Normen in Titel:EGBGB Art. 6, 10 Abs. 3