OLG Schleswig 03. April 2024
2 Wx 57/23
GmbHG §§ 55, 57, 57j

Kapitalerhöhung bei einer GmbH aus Gesellschaftsmitteln; Verbot disquotaler Erhöhung; quotale Aufstockung bzgl. Gesamtbeteiligung eines Gesellschafters, nicht bzgl. der einzelnen Geschäftsanteile

letzte Aktualisierung: 15.7.2024
OLG Schleswig, Beschl. v. 3.4.2024 – 2 Wx 57/23

GmbHG §§ 55, 57, 57j
Kapitalerhöhung bei einer GmbH aus Gesellschaftsmitteln; Verbot disquotaler Erhöhung;
quotale Aufstockung bzgl. Gesamtbeteiligung eines Gesellschafters, nicht bzgl. der
einzelnen Geschäftsanteile

Die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH macht es nicht in jedem Fall erforderlich, alle
Geschäftsanteile proportional zu erhöhen, wenn das Beteiligungsverhältnis der einzelnen
Gesellschafter hierdurch nicht verändert wird.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit vier
Gesellschafterinnen und Gesellschaftern. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug bisher
170.000,00 € verteilt auf zwölf Geschäftsanteile. Die Gesellschafter H. und A. X sind Inhaber
von je drei Geschäftsanteilen, die in der Summe 45,0 % des Stammkapitals umfassen. Die
Gesellschafter M. und K. X halten jeweils zwei Geschäftsanteile, die in der Summe je 5 % des
Gesellschaftsanteils umfassen.

Die Gesellschafter beschlossen am 14.08.2023 notariell beurkundet die Erhöhung des
Stammkapitals auf 1.000.000,00 € durch Erhöhung der Geschäftsanteile aus einer
Gewinnrücklage in Höhe von 830.000,00 €. Zugrunde lag ein von einer
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigter Jahresabschluss. Die Gesellschafter beschlossen die
Erhöhung der jeweiligen Geschäftsanteile dergestalt, dass nur jeweils einer der von den
jeweiligen Gesellschaftern gehaltenen Gesellschaftsanteile erhöht wurde. Zusammen mit den
unveränderten Geschäftsanteilen blieben Frau M. und Herr K. X Inhaber von je 5 %, die
übrigen zwei Gesellschafter Inhaber von je 45 % des Stammkapitals.

Der beurkundende Notar hat beim Registergericht die Kapitalerhöhung und Satzungsänderung
sowie die aktualisierte Gesellschafterliste zur Eintragung angemeldet. Das Amtsgericht hat mit
Verfügung vom 28.08.2023 darauf hingewiesen, dass der Antrag unvollständig sei und aus
rechtlichen Gründen zur Rücknahme des Antrages aufgefordert. Der Beschluss zur
Kapitalerhöhung sei nichtig, da alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teilnehmen
müssten. Nachdem der Notar die geforderten Unterlagen übersandt hatte, hat das Amtsgericht
mit Schreiben vom 20.09.2023 erneut auf seine Rechtsauffassung zur Kapitalerhöhung
hingewiesen. Der Notar hat zwischenzeitlich einen ergänzenden Beschluss der Gesellschafter
vom 15.09.2023 übersandt. Mit diesem Beschluss änderten die Gesellschafter die Erhöhung der
Geschäftsanteile. Der Beschluss enthält nunmehr eine proportionale Erhöhung jedes einzelnen
Geschäftsanteiles. Das Amtsgericht hat nach Mitteilung, dass es den ursprünglichen Beschluss
weiterhin für nichtig halte, sodass dieser nicht abgeändert werden könne, den angefochtenen
Beschluss erlassen, mit dem es den Antrag zurückgewiesen hat. Werde als Art der
Kapitalerhöhung gem. § 57h GmbHG die Aufstockung der Geschäftsanteile gewählt, müssten
gem. § 57j S. 1 GmbHG alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teilnehmen. Dies
sei nicht erfolgt, sodass die Nichtigkeitsfolge des § 57j S. 2 GmbHG greife. Dies gelte trotz des
einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter. Somit habe der Beschluss durch diese auch nicht
mehr abgeändert werden können und die Anmeldungen seien zurückzuweisen. Die
Gesellschafterlisten seien ebenfalls nicht einzutragen, da sie erst nach Eintragung der
Kapitalerhöhung eintragungsfähig seien.

Hiergegen richtet sich die GmbH mit ihrer Beschwerde. § 57j GmbHG diene dem Zweck, eine
Veränderung der Beteiligungsverhältnisse durch Gesellschafterbeschluss zu verhindern. Im
vorliegenden Fall einer Aufstockung, bei der das Verhältnis der den Gesellschaftern insgesamt
zustehenden Geschäftsanteile unverändert bleibe, sei kein Grund ersichtlich, das
Quotalitätsgebot auf jeden einzelnen Anteil zu beziehen; entscheidend sei die Gesamtbeteiligung
der jeweiligen Gesellschafter. Der Wortlaut des § 57j GmbHG stehe dem nicht entgegen. Etwas
anderes gelte nur, wenn die verschiedenen Anteile eines Gesellschafters mit unterschiedlichen
Rechten und Belastungen verbunden seien. Im vorliegenden Fall seien auch alle Geschäftsanteile
vollständig einbezahlt. Selbst wenn der zunächst gefasste Beschluss als nichtig angesehen werde,
habe durch den nachfolgenden Beschluss eine Änderung erfolgen können. Die Gesellschafter
hätten gem. § 139 BGB durch den nachfolgenden Beschluss gezeigt, dass sie die Beschlüsse im
Übrigen ohne den nichtigen Teil aufrechterhalten wollten.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt.

II.
Die gem. § 58 FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beschluss vom 14.08.2023 war wirksam, sodass er nachfolgend geändert werden konnte.
Das Amtsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass eine Erhöhung des
Stammkapitals einer GmbH im Wege der Erhöhung des Nennbetrages der bisherigen
Geschäftsanteile im Grundsatz zu einer proportionalen Erhöhung dieser Anteile führt, § 52h
Abs. 1 Alt. 2, § 52j S. 1, § 57l Abs. 1 GmbHG, auch wenn mehrere Geschäftsanteile in einer
Hand liegen (Altmeppen, 11. Aufl. 2023, GmbHG § 57h Rn. 6). Hintergrund der Regelungen
ist, dass mit der „Umbuchung“ von Rücklagen der Gesellschaft in das Stammkapital keine reale
Veränderung des Eigenkapitals der Gesellschaft einhergeht. Zudem soll durch die Norm des
§ 57j GmbHG sichergestellt werden, dass die Beteiligung der Gesellschafter an der GmbH
durch die Erhöhung nicht verändert wird (BeckOK GmbHG/Rühland, Stand 01.11.2023, § 57j
Rn. 1). Dies legt auch der Wortlaut des § 57j S.1 GmbHG nahe: „Die neuen Geschäftsanteile
stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu“. Bezugspunkt
der Zuordnung der neuen Geschäftsanteile sind damit die Gesellschafter und nicht die
bisherigen Geschäftsanteile. Die Zuordnung der Kapitalerhöhung proportional zur bisherigen
Beteiligung der jeweiligen Gesellschafter entspringt somit damit der rechtlichen Systematik (vgl.
Neumayer/Grädler, beck-online Großkommentar GmbHG, Stand 01.120.2023, § 57j Rn. 2).
Die Norm des § 57j GmbHG findet trotz ihres Wortlautes, der auf die „neuen“ Geschäftsanteile
Bezug nimmt, auch für die Kapitalerhöhung im Wege der Nennbetragserhöhung Anwendung
(vgl. BeckOK GmbHG/Rühland, a. a. O.). Wie die Beschwerdeführerin dargelegt hat, ist zudem
in bestimmten Situationen eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Geschäftsanteile
notwendig, insbesondere, wenn diese mit unterschiedlichen Rechten oder Belastungen versehen
sind, z. B. abweichenden Stimmrechten. Auch für lediglich teilweise eingezahlte Geschäftsanteile
besteht gem. § 57l Abs. 2 GmbHG Anlass zu einer auf den jeweiligen Geschäftsanteil
bezogenen Betrachtung. Eine Differenzierung ist allerdings bei der Frage möglich, wie die
Kapitalerhöhung ausgeführt wird. So kann es zulässig sein, die Kapitalerhöhung bei einem
Gesellschafter durch Nennbetragserhöhung und bei einem anderen Gesellschafter durch
Ausgabe neuer Geschäftsanteile oder eine Kombination von beiden Arten durchzuführen
(BeckOK GmbHG/Rühland, § 57j Rn. 8). Eine weitere Grenze der Gestaltungsfreiheit zieht
zudem § 57m GmbHG. Dieser soll verhindern, dass sich die Beziehungen der Gesellschafter
untereinander oder gegenüber Dritten verändern (BeckOK GmbHG/Rühland, Einleitung zu
§ 57m).

In Fällen wie dem vorliegenden, in denen alle Geschäftsanteile vollständig eingezahlt sind und
keine unterschiedlichen Stimmrechte mit den Geschäftsanteilen verbunden sind zudem keinerlei
andere Unterschiede in den Rechten, Pflichten und Belastungen im Verhältnis der Gesellschafter
oder gegenüber Dritten vorliegen, sind keine Gründe ersichtlich, bei einem einstimmigen
Gesellschafterbeschluss eine abweichende Verteilung in den Grenzen des § 57m Abs. 1
GmbHG vorzunehmen. Insbesondere der Umstand, dass die Erhöhung des Stammkapitals in
derartigen Fällen auch durch Schaffung neuer Geschäftsanteile oder Mischformen erfolgen
könnte, führt dazu, dass es nicht zwingend ist, alle vorhandenen Geschäftsanteile proportional
zu erhöhen. Dies entspricht der zwischenzeitlich herrschenden Auffassung in der Literatur (vgl.
nur Altmeppen, a. a. O. Rnrn. 5-7, MüKo-GmbHG/Liener, 4. Aufl. 2022, § 57 h Rn. 9,
Schemmann, NZG 2009, 241, 244; Servatius in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl.,
2022, § 57h Rn. 5; wohl auch BeckOK GmbHG/Rühland, § 57j Rn. 5 mit einer auf die in der
Person der Gesellschafter bezogenen Betrachtung).

War die von den Gesellschaftern getroffene abweichende Vereinbarung wie dargestellt wirksam,
konnte sie durch den nachfolgenden Beschluss, der eine proportionale Erhöhung aller
Geschäftsanteile vorsieht, wirksam geändert werden. Dieser in der erforderlichen Form
vorgelegte Antrag ist daher zur Grundlage der Eintragung zu machen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Registergericht auch für den Fall, dass der
Beschluss im Hinblick auf die Verteilung der Kapitalerhöhung auf die einzelnen
Geschäftsanteile nichtig gewesen wäre, Anlass gehabt hätte zu prüfen, ob eine Eintragung auf
Basis des Änderungsbeschlusses hätte erfolgen müssen. Schließlich haben die Gesellschafter
durch diesen Änderungsbeschluss deutlich gemacht, das Rechtsgeschäft, soweit es sie
Kapitalerhöhung als solche betroffen hat, aufrechterhalten zu wollen, § 139 BGB. Insoweit hätte
eine Ersetzung des nichtigen Teils erfolgen können.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

03.04.2024

Aktenzeichen:

2 Wx 57/23

Rechtsgebiete:

GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GmbHG §§ 55, 57, 57j