Bestandteilszuschreibung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zum Erbbaurecht; Unzulässigkeit
letzte Aktualisierung: 27.6.2019
OLG Hamm, Beschl. 30.1.2019 – 15 W 320/18
BGB §§ 890 Abs. 1, 925, 928; ErbbauRG § 11 Abs. 1;
Bestandteilszuschreibung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zum Erbbaurecht;
Unzulässigkeit
Die Bestandteilzuschreibung des mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks zu dem auf ihm
lastenden Erbbaurecht ist unzulässig (Abweichung von OLG Jena
KG
G r ü n d e :
I.
Im Grundbuch von G2 Blatt #### sind unter der laufenden Nr. 2 das Grundstück
Gemarkung G2, Flur X, Flurstück X, und unter der laufenden Nr. 4 das Grundstück
Gemarkung G2, Flur X, Flurstück X, verzeichnet. Für diese Grundstücke ist ein
Erbbaurecht durch die Bewilligungen vom 01.12.1966 und vom 07.05.1968 begründet
worden. Das Erbbaurecht ist eingetragen im Erbbaugrundbuch von G2 Blatt ####.
Im Grundbuch von G2 Blatt #### ist weiterhin unter der laufenden Nr. 3 das Grundstück
Gemarkung G2, Flur X, Flurstück X, verzeichnet. Für dieses Grundstück ist ein
Erbbaurecht durch die Bewilligungen vom 01.12.1966 und vom 07.05.1968 begründet
worden. Das Erbbaurecht ist eingetragen im Erbbaugrundbuch von G2 Blatt ####.
Im Grundbuch von G2 Blatt #### sind unter der laufenden Nr. 3 das Grundstück
Gemarkung G2, Flur X, Flurstück X, und unter der laufenden Nr. 4 das Grundstück
Gemarkung G2 Flur X, Flurstück X, verzeichnet. Für diese Grundstücke ist ein
Erbbaurecht durch die Bewilligungen vom 01.12.1966 und vom 07.05.1968 begründet
worden. Das Erbbaurecht ist eingetragen im Erbbaugrundbuch von G2 Blatt ####.
Die vorgenannten Erbbaurechte sind für die Rechtsvorgängerin der Beteiligten bestellt
worden. Seit Februar 2017 ist die Beteiligte auch die Eigentümerin der
Erbbau(rechts)grundstücke.
Mit Schriftsätzen jeweils vom 26.04.2018 hat die Beteiligte beantragt, die oben
bezeichneten Erbbau(rechts)grundstücke jeweils dem auf ihnen lastenden Erbbaurecht als
Bestandteil zuzuschreiben. Danach sollen die im Grundbuch von G2 Blatt #### unter den
laufenden Nr. 2 und 4 verzeichneten Grundstücke Bestandteil des im Erbbaugrundbuch
von G2 Blatt #### verzeichneten Erbbaurechts werden, das im Grundbuch von G2 Blatt
#### unter der laufenden Nr. 3 verzeichnete Grundstück soll Bestandteil des im
Erbbaugrundbuch von G2 Blatt #### verzeichneten Grundstücks werden und die im
Grundbuch von G2 Blatt #### unter den laufenden Nummern 3 und 4 verzeichneten
Grundstücke sollen Bestandteil des im Erbbaugrundbuch von G2 Blatt #### werden.
Den vom Grundbuchamt geäußerten Bedenken an der rechtlichen Zulässigkeit, das
Erbbau(rechts)grundstück zum Bestandteil des auf ihm lastenden Erbbaurechts zu
machen, ist die Beteiligte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Thüringer
Oberlandesgerichts (Beschluss vom 6.11.2017 – 3 W 344/17 –
getreten. Die Beteiligte möchte nach ihren Angaben durch die Bestandteilszuschreibungen
der Erbbau(rechts)grundstücke zum Erbbaurecht erreichen, dass sich die auf den
Erbbaurechten lastende Gesamtgrundschuld nach § 1131 BGB auf die Erbbau(
rechts)grundstücke erstreckt. Im Anschluss daran sollen die Erbbaurechte
aufgehoben und gelöscht werden; die Grundpfandrechte würden dann als Belastung des
Grundstücks fortbestehen. Würde man die von ihr beabsichtigten
Bestandteilszuschreibungen nicht zulassen, müsste die auf den Erbbaurechten lastende
Gesamtgrundschuld für die Grundstücke neu begründet / nachverpfändet werden. Die
dafür entstehenden Kosten möchte die Beteiligte sparen.
Mit Beschlüssen vom 05.09.2018 und 20.09.2018 hat das Grundbuchamt die Anträge
zurückgewiesen.
Gegen diese Beschlüsse richten sich die Beschwerden der Beteiligten vom 25.09.2018,
denen das Grundbuchamt nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt hat.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten sind in der Sache nicht begründet.
Das Grundbuchamt hat die Anträge der Beteiligten, das jeweilige Erbbau-
(rechts)grundstück durch Zuschreibung zum Bestandteil des auf ihm lastenden
Erbbaurechts zu machen, im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Dass ein
Erbbau(rechts)grundstück im Wege der Zuschreibung nach
Bestandteil des auf ihm lastenden Erbbaurechts wird, ist aus rechtlichen Gründen
ausgeschlossen.
Die Zulässigkeit der Zuschreibung des Erbbau(rechts)grundstücks zu dem auf ihm
lastenden Erbbaurecht nach
ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während eine Rechtsmeinung diese
Zuschreibung für unbedenklich und aus Gründen der Praktikabilität und Kostenersparnis
für geboten hält (Thüringer Oberlandesgericht a. a. O.; Staudinger/ Rapp, Kommentar zum
BGB, Neubearbeitung 2017, § 11 ErbbauRG Rn. 14; Bauer/ Schaub/Waldner, GBO, 4.
Auflage, §§ 5,6 Rn. 15; RGRK zum BGB/Räfele, 12. Auflage, § 11 ErbbVO Rn. 21;
Ingenstau/Hustedt/Bardenhewer, ErbbauRG, 11. Auflage, § 11 Rn. 27; Beck-OK
BGB/Maaß, 47. Edition, § 11 ErbbauRG Rn. 17), lehnt eine andere Rechtsmeinung diese
Form der Zuschreibung aus dogmatischen Gründen ab (KG Berlin
Staudinger/Gursky, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2013, § 890 Rn. 19;
Münchener Kommentar zum BGB/Heinemann, 7. Auflage, ErbbauRG § 11 Rn. 33;
Münchener Kommentar zum BGB/Kohler, § 890 Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
15. Auflage, Rn.1845; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Auflage, § 6 Rn. 8; Demharter, GBO, 31.
Auflage, § 6 Rn. 6; Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Auflage, Rn. 179).
Der Senat schließt sich aus den nachfolgend ausgeführten Gründen der letztgenannten
Rechtsmeinung an.
Entgegen der von der Beteiligten vertretenen Rechtsmeinung ergibt sich die rechtliche
Zulässigkeit der hier in Frage stehenden Zuschreibung nicht bereits aus dem
Gesetzeswortlaut. Zwar verweist der
890 BGB.
anderen Grundstücks gemacht werden kann. In direkter Anwendung des § 890 Abs. 2
BGB auf das Erbbaurecht lässt sich daraus nur ableiten, dass ein Erbbaurecht zum
Bestandteil eines anderen Erbbaurechts gemacht werden kann. Der Wortlaut des § 890
Abs. 2 BGB spricht daher zunächst einmal dafür, dass die Rechte, die im Wege der
Zuschreibung zum Bestandteil eines anderen Rechts werden sollen, gleichartig sein
müssen. Die Auslegung des
ein ihm gleichgestelltes dingliches Recht zum Bestandteil eines anderen dinglichen Rechts
gemacht werden kann, geht daher über den Wortlaut hinaus. Es bedarf daher einer
besonderen Begründung / Rechtfertigung für diese erweiternde Auslegung.
Aus den Motiven zum BGB lässt sich nicht ableiten, dass der Gesetzgeber die Vereinigung
/ Zuschreibung von nicht gleichartigen dinglichen Rechten vorausgesetzt hat. Erst recht
finden sich in den Motiven zum BGB keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Grundstück
durch Zuschreibung zum Bestandteil eines auf ihm lastenden dinglichen Rechts werden
könnte.
Entgegen der zum Teil vertretenen Auffassung (Thüringer Oberlandesgericht, a. a. O.;
Bauer/Schaub/Waldner, GBO, 4. Auflage, §§ 5, 6 Rn. 15) kann auch aus der Existenz des
§ 143 Abs. 3 GBO nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber von der
uneingeschränkten Zulässigkeit der Vereinigung / Zuschreibung von nicht gleichartigen
Rechten ausgeht. Nach dieser Vorschrift sollen Vereinigungen und Zuschreibungen
zwischen Grundstücken und Rechten, für die nach Landesrecht die Vorschriften über
Grundstücke gelten, nicht vorgenommen werden. Die Vorschrift ist mithin auf dingliche
Rechte zugeschnitten, für die nach Landesrecht die Vorschriften über Grundstücke gelten
sollen. Eine Aussage zur Zulässigkeit der Vereinigung und Zuschreibung von nach den
Rechtsvorschriften des BGB und anderer bundesgesetzlich begründeter dinglicher Rechte
wird damit gerade nicht getroffen. Diese kann nach § 890 BGB auch über dessen Wortlaut
hinausgehend im Verhältnis nicht gleichartiger dinglicher Rechte und im Verhältnis
Grundstück und dinglichem Recht zulässig sein, falls sich für die Art der angestrebten
Vereinigung / Zuschreibung eine besondere Rechtfertigung anführen lässt.
Für den hier zu beurteilenden Fall, dass das Erbbau(rechts)grundstück zum Bestandteil
des auf ihm lastenden Erbbaurechts gemacht werden soll, finden sich keine diese
erweiternde Auslegung rechtfertigenden Gründe. Entgegen der Auffassung des Thüringer
Oberlandesgerichts kann das Motiv der Kostenersparnis für den betroffenen Antragsteller
eine erweiternde Auslegung einer Gesetzesnorm nicht rechtfertigen. Nach einhelliger
Auffassung schafft § 890 BGB die Voraussetzungen dafür, die rechtliche Zersplitterung
einer wirtschaftlichen Einheit in mehrere Einheiten zu beseitigen (Staudinger/Gursky, a. a.
O., § 890 Rn. 1; Münchener Kommentar zum BGB/Heinemann, a. a. O., § 11 ErbbauRG
Rn. 33). Wenn aber die Intention des § 890 BGB die Schaffung von wirtschaftlichen
Einheiten durch die Vereinigung (Abs. 1) oder Zuschreibung (Abs. 2) ist, dann zielt diese
Vorschrift darauf ab, dass die dadurch geschaffene Einheit von Dauer oder zumindest auf
eine gewisse Dauer angelegt ist. Damit lässt es sich nicht vereinbaren, dass das
Grundstück – wie im vorliegenden Fall beabsichtigt – nur kurzfristig dem Erbbaurecht
zugeschrieben wird, um so mit einem juristischen „Trick“ eine möglichst kostengünstige
Variante für die Erstreckung der Belastungen (§ 1131 BGB) bei nachfolgend geplanter
Aufhebung des Erbbaurechts zu finden.
Letztlich sprechen auch dogmatische Gründe aus Sicht des Senats zwingend gegen die
Zuschreibung des Erbbau(rechts)grundstücks zu dem auf ihm lastenden Erbbaurecht.
Wie oben dargelegt, dient § 890 BGB der Schaffung einer Rechtseinheit. Diese auf Dauer
angelegte Rechtseinheit kann im Falle eines Erbbau(rechts)grundstück und eines auf ihm
lastenden Erbbaurechts aber nicht erreicht werden und soll es in den meisten Fällen in der
Praxis auch gar nicht.
Eine auf Dauer angelegte Rechtseinheit kann nicht geschaffen werden, da sich die für die
Übertragung anzuwendenden Vorschriften unterscheiden: § 925 BGB ist nicht auf das
Erbbaurecht anwendbar. Das Eigentum kann nach
während diese Vorschrift auf das Erbbaurecht nicht anwendbar ist. Das Erbbaurecht ist in
der Praxis – so auch hier – in der Regel zeitlich begrenzt (Münchener Kommentar zum
BGB/Heinemann, a. a. O., § 11 ErbbauRG Rn. 33; Winkler/Schlögel, a. a. O.), so dass
kaum handhabbare Probleme auftreten, wenn das Erbbaurecht, dem das
Erbbau(rechts)grundstück als Bestandteil zugeschrieben worden wäre, durch Zeitablauf
endet.
Gegen die Zuschreibung des Erbbau(rechts)grundstücks zu dem auf ihm lastenden
Erbbaurecht spricht auch die Zweckwidrigkeit der Konstruktion (Staudinger/Gursky, a. a.
O.). Das Erbbaurecht braucht begrifflich ein Grundstück, auf dem es lastet und in dessen
Grundbuchabteilung II es eingetragen ist. Das Rechtsverhältnis, das in der Belastung
besteht, steht auch hier der Behandlung als eine Sache entgegen. Soll das Erbbaurecht
bestehen bleiben, muss es bei einer Veräußerung gemäß § 925 BGB doch als Grundstück
behandelt werden. Soll es aufgehoben werden, so kann es nicht mehr - wie in § 890 Abs.
1 BGB,
einheitlichen Sache sein (KG Berlin, a. a. O.).
Letztlich würde durch die Zuschreibung des Erbbau(rechts)grundstücks zu dem auf ihm
lastenden Erbbaurecht auch ein subjektiv-dingliches Erbbaurecht entstehen und der
numerus clausus der Realrechte de facto gesprengt (Staudinger/Gursky, a. a. O.;
Winkler/Schlögel, a. a. O.). Inhaber des Erbbaurechts wäre bei dieser Konstruktion
zwingend der jeweilige Eigentümer des Erbbau(rechts)grundstücks. Als subjektivdingliches
Recht kann ein Erbbaurecht nach einhelliger Meinung aber nicht begründet
werden (statt vieler vgl. nur Münchener Kommentar zum BGB/Heinemann, a. a. O., § 1
ErbbauRG Rn. 60). Das Argument der Gegenmeinung, die Konstruktion sei ja gerade nicht
auf Dauer angelegt, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist auch die nur
vorübergehende Schaffung eines im numerus clausus der Realrechte nicht vorgesehenen
Rechts ein Verstoß gegen diesen. Zum anderen würde mit der entsprechenden Eintragung
dieses subjektiv-dingliche Recht geschaffen, ohne dass das Grundbuchamt auf dessen
zeitnahe Aufhebung hinwirken könnte. Es könnte daher gerade zur Perpetuierung des
nicht vorgesehenen subjektiv-dinglichen Erbbaurechts kommen.
Eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, da
nach dem Kostenverzeichnis zum GNotKG lediglich eine Festgebühr für die
Zurückweisung der Beschwerden anzusetzen ist (KV Nr.14160 Ziffer 3, KV Nr.14400,
Abschnitt 5 Vorbemerkung 1.4.5, KV Nr.19116).
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Allerdings bestehen nicht die von der Beteiligten angeführten Abweichungen der
Entscheidung zu den Entscheidungen des Senats vom 7.09.1973 (15 W 195/72 – NJW
1974, 280) und des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 2.11.1995 (2Z BR 58/95 –
Zuschreibung gleichartiger Rechte – in der Entscheidung des Bayerischen
Oberlandesgerichts um die Vereinigung zweier Erbbaurechte und in der Entscheidung des
Senats um die Zuschreibung eines Grundstücks zu einem anderen, mit einem Erbbaurecht
belasteten Grundstück.
Jedoch weicht der Senat mit seiner Entscheidung von der oben angeführten Entscheidung
des Thüringer Oberlandesgerichts ab, das die Zuschreibung des Erbbau(rechts)-
grundstücks als Bestandteil zu dem auf ihm lastenden Erbbaurecht gerade für zulässig
erachtet hat. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist daher zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 GBO).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist aufgrund der Zulassung der Rechtsbehelf der
Rechtsbeschwerde gegeben.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem
Rechtsbeschwerdegericht – hier: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe
– einzulegen.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die
Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss
Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerde ist zu
unterschreiben.
Die Rechtsbeschwerde kann, außer im Verfahren über die Ausschließung und Ablehnung
von Gerichtspersonen und im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe, wirksam nur durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht werden.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:30.01.2019
Aktenzeichen:15 W 320/18
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Erbbaurecht
BGB §§ 890 Abs. 1, 925, 928; ErbbauRG § 11 Abs. 1; ErbbVO § 11