Voraussetzungen an die Anordnung des Wechselmodells
letzte Aktualisierung: 15.10.2020
OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.7.2020 – 13 UF 26/20
Voraussetzungen an die Anordnung des Wechselmodells
1. Die Anordnung des Wechselmodells hat folgende Voraussetzungen: (1) hinreichende,
ungefähr gleiche Erziehungskompetenzen beider Eltern, (2) sichere Bindungen des Kindes zu
beiden Eltern, (3) gleiche Beiträge beider Eltern zur Entwicklungsförderung und
Kontinuitätssicherung, (4) autonom gebildeter, stetiger Kindeswille, (5) Kooperations- und
Kommunikationsfähigkeit beider Eltern zur Bewältigung des erhöhten Abstimmungs- und
Kooperationsbedarfs, (6) keine Erwartung oder Verschärfung eines Loyalitätskonflikts des Kindes
durch die Konfliktbelastung der Eltern.
2. Die Feststellung eines der Anordnung des Wechselmodells entgegenstehenden Zerwürfnisses
zwischen den Eltern hängt nicht davon ab, zu welchem Anteil jeder Elternteil hierfür die
Verantwortung trägt. Maßstab ist allein das Kindeswohl, nicht hingegen die Erwartungen und
Wünsche der Eltern.
3. Maßgebliche Kriterien des Kindeswohls zur Bestimmung des richtigen Maßes an Umgang sind
das Alter des Kindes, die Qualität der Bindungen des Kindes zum Umgangsberechtigten, das
Verhältnis der Eltern zueinander, die sonstigen Bindungen des Kindes und die Entfernung der
Wohnorte der beiden Elternteile voneinander.
4. Eine gerichtliche Umgangsregelung muss zum Zweck der Vollstreckbarkeit hinreichend konkrete
Angaben hinsichtlich Wochentag und Uhrzeit enthalten.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den
Willen der mitsorgeberechtigten Antragstellerin, der Mutter des gemeinsamen Kindes S…
C….
Die seit 2014 verheirateten, seit November 2017 dauerhaft getrennt lebenden und
inzwischen geschiedenen Eltern betreuten ihre Tochter von der Trennung bis zum
Zeitpunkt der Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung Anfang Februar 2020
paritätisch. Seitdem wird das Kind überwiegend von der Mutter betreut und pflegt
Wochenendumgang im 14-tägigen Rhythmus mit dem Vater (Bl. 667R). Mit
verfahrenseinleitendem Antrag vom 01.02.2018 (Bl. 1) hat der Antragsteller die
Regelung des Umgangs im Wege des Wechselmodells im Rhythmus von drei Tagen
beantragt unter Hinweis auf die innige Vater-Tochter-Beziehung und den Umstand, dass
die Haushalte der Eltern direkt benachbart und damit die Wechsel gut praktikabel sind.
Die Antragsgegnerin ist dem mit der Begründung mangelnder Absprachefähigkeit, eines
hohen Konfliktniveaus zwischen den Eltern und der überwiegend durch sie erfolgten
Betreuung des Kindes in der Vergangenheit entgegengetreten und hat beantragt,
Wochenendumgang des Vaters mit dem Kind im 14-tägigen Rhythmus anzuordnen (Bl.
63). In der Folge haben sich die Eltern mit gerichtlichen Zwischenvergleichen vom
13.03.2018 (Bl. 69), 25.09.2018 (Bl. 160) und 07.03.2019 (Bl. 201) jeweils vorläufig auf
die Fortsetzung des praktizierten Wechselmodells, die Wahrnehmung professioneller
Elternberatung und das Ruhen des erstinstanzlichen Umgangsverfahrens bis zum
Vorliegen des im parallel geführten Sorgerechtsverfahren zum Aktenzeichen 6 F 528/18
in Auftrag gegebenen Erziehungsfähigkeitsgutachtens geeinigt.
In Ansehung der seit September 2018 aktenkundigen (Bl. 158), von der Antragsgegnerin
nicht geteilten Befürchtung des Antragsgegners, das betroffene Kind sei im Sommer
2018 im mütterlichen Haushalt durch deren Freund sexuell missbraucht worden, haben
die Antragsbeteiligten im Rahmen der erstinstanzlichen Anhörung am 10.10.2018 (Bl.
160) vereinbart, gemeinsame Beratung beim S.T.I.B.B. e.V. wahrzunehmen; diese führte
indes nicht zu einem Einvernehmen. Das gegen den vom Antragsteller Verdächtigten im
September 2018 eingeleitete Ermittlungsverfahren (Bl. 675) ist mit Verfügung der
Staatsanwaltschaft Potsdam vom 03.03.2020 zum Aktenzeichen 476 Js 46944/18 gemäß
Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Ermittlungsverfahrens in
ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 17.09.2018 (Bl. 673) bekundet, davon
auszugehen, dass ein sexueller Missbrauch ihrer Tochter nicht stattgefunden habe.
Mit Beschluss vom 19.06.2019 (Bl. 246) hat das Amtsgericht die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur bestmöglichen Umgangsgestaltung unter
Berücksichtigung des Wechselmodells angeordnet. Die Sachverständige Dipl.-Psych. M…
F… hat das Gutachten vom 28.11.2019 (Bl. 258ff.) vorgelegt, auf dessen Inhalt der Senat
Bezug nimmt.
Das Kind ist persönlich angehört worden (Bl. 492). Insoweit wird auf den
Anhörungsvermerk vom 29.01.2020 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 29.01.2020 (Bl. 498), auf dessen Inhalt der Senat Bezug nimmt, hat
das Amtsgericht - den übereinstimmenden Empfehlungen der Sachverständigen, des
Verfahrensbeistands (Bl. 455) und des Jugendamts (Bl. 383) folgend - den Antrag des
Antragstellers auf Regelung des Umgangs im Wege des paritätischen Wechselmodells
abgewiesen und einen Umgang des Vaters mit dem Kind 14-tägig von Freitag bis
Sonntag, während jeweils der Hälfte der brandenburgischen Schulferien und der hohen
Feiertage im jährlichen Wechsel angeordnet, die Einzelheiten indes nicht geregelt. Es hat
eine der Anordnung des Wechselmodells aus Kindeswohlgründen entgegenstehende
Hochstrittigkeit der Eltern, die das an beide Eltern eng gebundene Kind stark belastet,
eine stärker ausgebildete Bindungstoleranz der Mutter bei im Übrigen gleichgewichtigen
Erziehungs- und Förderkompetenzen beider Eltern und einen auf den
schwerpunktmäßigen Verbleib bei der Mutter gerichteten Kindeswillen festgestellt. Das
Bestehen einer zu amtswegigem Einschreiten veranlassenden Gefahr sexueller Übergriffe
auf das Kind im Haushalt der Mutter hat das Amtsgericht nicht festgestellt.
Mit seiner Beschwerde (Bl. 535) begehrt der Antragsteller weiterhin die Regelung des
Umgangs im Wege des paritätischen Wechselmodells, hilfsweise die Anordnung
regelmäßigen 14-tägigen Wochenend- und hälftigen Ferienumgangs zwischen der
Antragsgegnerin und dem gemeinsamen Kind. Weiter hält er den Ausspruch für nicht
hinreichend bestimmt und beanstandet die fehlende Vollstreckbarkeit. Die
Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells stützt er auf den nach seiner Meinung
erstinstanzlich unzutreffend ermittelten Willen seiner Tochter, gleich viel Zeit mit beiden
Eltern zu verbringen und eine von der Antragsgegnerin nur zum Zweck des
Hinausdrängens des Vaters aus dem Leben des Kindes inszenierte elterliche
Hochstrittigkeit. Seinen Hilfsantrag begründet er mit mangelnder Bindungstoleranz und
unzureichender Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin sowie ihrer verlautbarten
Absicht, mit dem Kind in eine andere Stadt zu ziehen, wodurch er einen Abbruch der
sozialen und räumlichen Beziehungen des Kindes befürchtet. Weiter beanstandet er die
Ergebnisse der Sachverständigen in dem von ihr vorgelegten Gutachten.
Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde (Bl. 628) und verweist
auf die Hochstrittigkeit der Eltern und die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ergebnisse
der sachverständigen Begutachtung.
Hinsichtlich des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftwechsel der
Beteiligten im Beschwerderechtszug verwiesen. Der Senat entscheidet, wie angekündigt
(Bl. 646R), ohne Durchführung eines Termins,
ausführlichen Anhörungsprotokolle vom 13.03.2018 (Bl. 69), 25.09.2018 (Bl. 160),
19.06.2019 (Bl. 242) und 29.01.2020 (Bl. 492) und der anschauliche Vermerk der
Kindesanhörung vom 29.01.2020 (Bl. 493) zeichnen ein umfassendes Bild der
Beteiligten. Der umfangreiche erst- und zweitinstanzliche Schriftwechsel der Beteiligten,
die ausführlichen Stellungnahmen des Jugendamts vom 27.02.2018 (Bl. 49), 17.08.2018
(Bl. 147), 08.01.2019 (Bl. 171) und 17.12.2019 (Bl. 383) und des Verfahrensbeistands
vom 20.09.2018 (Bl. 156), 08.06.2019 (Bl. 221), 17.01.2020 (Bl. 451) und 01.03.2020
(Bl. 582) vermitteln detaillierte Informationen zum Sach- und Streitstand, die durch das
schriftliche Gutachten vom 28.11.2019 und die hierauf erfolgten, ausführlichen
Stellungnahmen des Antragstellers vom 27.12.2019 (Bl. 384), 27.01.2020 (Bl. 456), und
der Antragsgegnerin vom 13.01.2020 (Bl. 422) zusammen mit dem ausführlichen
Schriftwechsel der Antragsbeteiligten im Beschwerderechtszug anschaulich vertieft
werden. Angesichts dessen sind von einem weiteren Termin keine zusätzlichen
Erkenntnisse zu erwarten.
II.
1.
Die gemäß
in der Sache in vollem Umfang unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt
keine über die erstinstanzlichen Regelung des Umgangs des Kindes mit dem Antragsteller
hinausgehenden Umgangskontakte aus Gründen des Kindeswohls, insbesondere nicht die
gerichtliche Anordnung des Wechselmodells.
Ob die Betreuung eines Kindes getrennt lebender Eltern nach dem sogenannten
paritätischen Wechselmodell hoheitlich angeordnet werden darf, wenn nur ein Elternteil
dieses Betreuungsmodell wünscht, der andere es aber ablehnt, ist umstritten. Die
höchstrichterliche Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung
sieht, hält eine solche Anordnung als Gegenstand einer Umgangsregelung inzwischen für
zulässig, weil dem Gesetz ein entgegenstehendes Verbot nicht zu entnehmen ist, knüpft
indessen die Anordnung an mehrere Anforderungen, die von den Eltern und den
betroffenen Kindern und deren Beziehung zueinander zu erfüllen sind (BGH NZFam 2020,
116;
Auf dieser Grundlage unterliegt die Beschwerde in Ansehung der Hauptsache der
Zurückweisung, da die Voraussetzungen für die hoheitliche Anordnung des
Wechselmodells nicht erfüllt sind und eine auf das Wechselmodell gerichtete
Umgangsregelung deshalb nicht dem Wohl des betroffenen Kindes entspricht. Die an die
hoheitliche Anordnung des Wechselmodells gestellten Bedingungen sind: (1)
hinreichende, ungefähr gleiche Erziehungskompetenzen beider Eltern, (2) sichere
Bindungen des Kindes zu beiden Eltern, (3) gleiche Beiträge beider Eltern zur
Entwicklungsförderung und Kontinuitätssicherung, (4) autonom gebildeter, stetiger
Kindeswille, (5) Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern zur
Bewältigung des erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs, (6) keine Erwartung
oder Verschärfung eines Loyalitätskonflikts des Kindes durch die Konfliktbelastung der
Eltern (BGH,
Der Antragsteller hat der erstinstanzlich festgestellten Kindeswohlschädlichkeit des
Wechselmodells keine tragfähigen Gründe entgegenzusetzen vermocht. Seiner
Auffassung, ein hochstrittiger, das Kind belastender Elternkonflikt bestehe nicht
tatsächlich, sondern sei von der Antragsgegnerin nur konstruiert, steht erstens sein
eigener Vortrag zur mangelnden Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz der Mutter
entgegen, und zweitens die Offenkundigkeit eines tiefgreifenden elterlichen
Zerwürfnisses angesichts der von der Mutter nicht geteilten und weder durch das
staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren noch durch das Ergebnis des erstinstanzlich
eingeholten Sachverständigengutachtens erhärteten Befürchtung des Vaters, das Kind sei
sexuell missbraucht worden. Dies wird durch die Einschätzung der Sachverständigen
bestätigt (Bl. 352f.), wonach Intensität und Qualität des Elternkonflikts eine
Verbundenheit der Eltern auch in Zukunft nicht ermöglichen werden, weil jeder Elternteil
durch die Meinungsverschiedenheit über den behaupteten sexuellen Missbrauch einen
massiven Verlust an Selbstwirksamkeit erlebt und die Verantwortung dafür dem anderen
Elternteil zuweist. Das Bestehen eines hochstrittigen, nicht beizulegenden Elternkonflikts
wird weiter vom Verfahrensbeistand (Bl. 454) geteilt und spiegelt sich in den
wiederholten, indes stets erfolglosen Bemühungen der Eltern um Herstellung eines
Einvernehmens mit professioneller Hilfe bei ansteigendem Konfliktniveau im Lauf des
Verfahrens wider.
Die Feststellung eines der Anordnung des Wechselmodells entgegenstehenden
Zerwürfnisses zwischen den Eltern hängt nicht davon ab, zu welchem Anteil jeder
Elternteil hierfür die Verantwortung trägt. Anders als der Antragsteller insbesondere im
Beschwerderechtszug meint (Bl. 656f.), kann er der Ablehnung des Wechselmodells nicht
seine subjektive Einschätzung entgegen setzen, er selbst trage keinerlei Anteil an dem
Elternkonflikt. Im Interesse des Kindes kommt es nicht darauf an, ob der Elternstreit
eventuell mehr auf das Verhalten des einen oder des anderen Elternteils zurückzuführen
ist, da der Maßstab allein das Kindeswohl ist, nicht hingegen die Erwartungen und
Wünsche der Eltern (BGH,
indes durch den andauernden, eskalierenden Elternkonflikt während des Verfahrenslaufs
bereits in zunehmendem Ausmaß beeinträchtigt worden, wie sich aus den Berichten des
Jugendamts vom 17.08.2018 (Bl. 147), 08.01.2019 (Bl. 171), der Sachverständigen (Bl.
343 – gravierende emotionale Belastung, Verunsicherung, verminderte Resilienz,
Tendenzen einer Parentifizierung; Bl. 355 – Einkoten, Verstopfung, Schlafstörungen,
Einnässen), den Einschätzungen des Verfahrensbeistands vom 19.06.2019 (Bl. 243) und
03.03.2020 (Bl. 585), dem durch den Elternstreit verursachten Polizeieinsatz vom
29.03.2020 (Bl. 633) und dem Vortrag des Antragsgegners vom 02.06.2020 (Bl. 656)
ergibt, der u. a. eine Notarztvorstellung des Kindes am 28.03.2020 wegen eines
Hautausschlags (Bl. 670) mitteilt. Die kindeswohlschädliche Belastung des Kindes durch
den Trennungsstreit der Eltern ist offenkundig.
Auch der Hinweis des Antragstellers auf den verlautbarten Wunsch des Kindes, von
beiden Eltern im selben Ausmaß betreut zu werden, vermag nicht die Anordnung des
Wechselmodells zu rechtfertigen. Das Amtsgericht hat sich bei der Ermittlung des
Kindeswillens zu Recht auf das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung, die
Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 17.01.2020 (Bl. 451) und die persönliche
Anhörung des Kindes gestützt, in der das Mädchen zwar zu verstehen gegeben hat, bei
beiden Eltern gleich, auf keinen Fall jedoch weniger lang bei der Mutter sein zu wollen.
Die Sachverständige hat beschrieben, das Kind habe ihr in mehreren Gesprächen (Bl.
347, 348) erklärt, mehr Zeit bei der Mutter verbringen zu wollen, weil sie von dieser
besser getröstet werden könne, dies aber nicht beiden Eltern mitteilen zu können.
Überzeugend hat die Sachverständige diese Verlautbarung dahingehend interpretiert (Bl.
348), dass das Mädchen wegen des Elternkonflikts unter Verlustängsten leidet,
deretwegen sie befürchtet, den Vater zu verlieren, wenn sie ihm ihre Gefühle offenbart,
so dass sie sich entgegen ihrer wahren Gefühle verhält, indem sie sich der
Erwartungshaltung des Vaters gemäß äußert.
2.
Die erstinstanzlich getroffene Umgangsregelung, durch die der Antragsgegnerin das
Schwergewicht der Betreuung und dem Antragsteller Wochenendumgang mit zwei
Übernachtungen im Abstand von zwei Wochen sowie hälftiger Ferien- und
Weihnachtsumgang zukommt, entspricht dem Kindeswohl am besten, § 1684 Abs. 1
BGB, weshalb die Beschwerde auch auf den Hilfsantrag ohne Erfolg bleibt.
Gemäß
zum Umgang mit seinem Kind. Der Umgang kann nach
oder ausgesetzt werden, wenn dies aus Kindeswohlgesichtspunkten erforderlich ist.
Insoweit steht das Wohl des Kindes über dem Grundrecht des betroffenen Elternteils. In
der Regel ist davon auszugehen, dass es dem Wohle eines jeden Kindes entspricht,
persönlichen Umgang mit beiden Elternteilen zu haben, § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der
Umgang ist Ausdruck der verwandtschaftlichen bzw. familiären Bindungen, die auch zu
dem Elternteil bestehen, bei dem das Kind nicht lebt. Für diesen ist ein regelmäßiger
Umgang zudem von Bedeutung, um sich von dem Wohlergehen und der Entwicklung
seines Kindes zu überzeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen
(vgl. insoweit schon BVerfG
Abs. 2 GG ebenso geschützt wie das Elternrecht des betreuenden Elternteils. Können sich
die Eltern über die Ausübung des Umgangs nicht einigen, haben die Gerichte die
Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern
als auch das Wohl des Kindes berücksichtigt.
Die erstinstanzliche Umgangsregelung dient dem Wohl des Mädchens gemäß § 1684 Abs.
1 BGB am besten, da durch die Regelmäßigkeit und Dauer der Wochenendumgänge und
des Ferien- und Weihnachtsumgangs dem Bedürfnis des Kindes und des Antragstellers
nach Aufrechterhaltung der Bindung und zusammen verbrachter Lebenszeit hinreichend
Rechnung getragen wird.
Maßgebliche Kriterien des Kindeswohls zur Bestimmung des richtigen Maßes an Umgang
sind das Alter des Kindes, die Qualität der Bindungen des Kindes zum
Umgangsberechtigten, das Verhältnis der Eltern zueinander, die sonstigen Bindungen des
Kindes und die Entfernung der Wohnorte der beiden Elternteile (Veit in BeckOK BGB,
Hau/Poseck, 54. Ed., Stand 01.11.2019, § 1684 Rn. 29). Der Umstand, dass die
Antragsgegnerin einen Wegzug in eine andere Stadt plant, ist für die Umgangsregelung,
anders als der Antragsteller meint, ohne Belang. Da eine paritätische Betreuung im Wege
des Wechselmodells hier nicht in Betracht kommt und vorliegendes Verfahren
ausdrücklich nicht die elterliche Sorge oder Teile von ihr, etwa das
Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, ist für die Kindeswohldienlichkeit der hiesigen
Umgangsregelung der für die Sorgerechtszuweisung maßgebliche
Kindeswohlgesichtpunkt Kontinuität der räumlichen, sozialen und erzieherischen
Verhältnisse (BGH
Das Alter des Mädchens und der bereits intensiv erprobte Wechsel zwischen den
Haushalten der Eltern ermöglichen es, den regelmäßigen Umgang mit jeweils zwei
Übernachtungen am Stück anzuordnen und den Sommerferienumgang auf drei Wochen
am Stück zu erstrecken. Angesichts der sicheren Bindung und emotionalen Beziehung,
die das Kind ausweislich der überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen (Bl. 335)
zum Antragsteller hat, ist nicht zu befürchten, dass die Vater-Tochter- Beziehung durch
die Abkehr von der paritätischen Betreuung Schaden nimmt oder der geplante Umzug
der Mutter in eine andere Stadt zum Verlust der sozialen Beziehungen des Kindes am
Wohnort des Antragstellers führt.
Wegen der Hochstrittigkeit des Elternkonflikts scheidet ein häufigerer Wechsel des Kindes
zwischen den elterlichen Haushalten, etwa ein nachmittäglicher Umgang in der Woche
zwischen den Wochenendumgängen, aus. Wegen der bevorstehenden Einschulung des
Kindes kommt eine Umgangsübergabe an einem anderen Ort als dem mütterlichen
Haushalt noch nicht in Betracht. Die Übergabe zum Umgang direkt im Anschluss an den
Schul- oder Schulhortbesuch stellt an ein gerade erst eingeschultes Kind eine erhöhte
Anforderung, die im Verhältnis zum Nutzen - die Vermeidung von Teilnahme am
Elternstreit - nicht im Verhältnis steht.
Soweit der Hilfsantrag weiter gehend auf einen ständigen „Umgang“ des Vaters mit dem
betroffenen Kind abzielt, das nur 14-tägig an den Wochenenden und während der
hälftigen Ferienzeiten in den Haushalt der Mutter zurückkehren soll, zielt er im Ergebnis
auf eine das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffende Sorgerechtsentscheidung ab, die
auf diese Weise im Umgangsverfahren nicht zu erreichen ist und allenfalls dem parallel
geführten Sorgerechtsverfahren vorbehalten zu bleiben hat.
3.
Die erstinstanzlich ausgesprochenen Anordnungen zum Regelumgang sowie die Ferienund
Feiertagsregelung bedürfen mangels hinreichender Bestimmtheit der
Konkretisierung. Der Ausspruch einer Umgangsregelung muss zum Zweck der
Vollstreckbarkeit außerdem hinreichend konkrete Angaben hinsichtlich Wochentag und
Uhrzeit enthalten (Senat,
angefochtenen Entscheidung enthaltene Hinweis auf die Erforderlichkeit einer
einvernehmlichen Absprache der Antragsbeteiligten genügt mangels Vorliegens
übereinstimmender Erklärungen der Antragsbeteiligten, insoweit keiner gerichtlichen
Regelung zu bedürfen, nicht den Konkretisierungsanforderungen. Schließlich wird durch
Bezugnahme auf den im Anhörungstermin am 10.10.2018 geschlossenen
Zwischenvergleich (Bl. 161) der Umgang während der Weihnachtsferien nicht hinreichend
geregelt, da durch die Bezugnahme nur die Tage vom 24.12. bis zum 01.01. erfasst
werden. Eine Umgangsregelung für die Osterferien und die Pfingstfeiertage liegt mangels
Bezugnahme auf eine konkrete Regelung nicht vor; die mit Zwischenvergleich vom
13.03.2018 getroffene Vereinbarung (Bl. 70) zum Umgang an Ostern und Pfingsten weist
keinen konkreten Inhalt auf.
Gemäß
brandenburgischen Schulferien im jährlichen Wechsel anzuordnen. Die Unterordnung
sämtlicher Feier- und Geburtstage mit Ausnahme der Weihnachtstage unter den
Rhythmus des Ferienumgangs dient der Vermeidung häufiger kurzzeitiger Wechsel des
Kindes zwischen den Haushalten der Eltern. Durch den jährlich wechselnden
Umgangsrhythmus während der Weihnachtstage und Osterferien ist der Kontakt
zwischen dem Antragsteller und seinem Kind zu den hohen Feiertagen hinreichend
gewahrt.
Der Sommerferienumgang ist erst ab dem Jahr 2021 zu regeln, da die diesjährigen
brandenburgischen Sommerferien bereits begonnen haben und zu befürchten steht, dass
es ansonsten aufgrund gegebenenfalls schon getroffener anderweitiger Dispositionen zu
weiteren, das Kindeswohl beeinträchtigenden Zerwürfnissen zwischen den Eltern
kommen könnte, wenn sie gezwungen wären, ihre bestehenden Planungen kurzfristig
ändern zu müssen.
III.
Die Notwendigkeit der Belehrung über die Festsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen
beruht auf
Umgangsregelung führt zu der von § 86 Abs. 1 Ziff. 1 FamFG vorgesehenen
Vollstreckbarkeit einer Umgangsanordnung (vgl. BGH
Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl. 2020
Die Kostenentscheidung beruht auf
einer konkretisierenden Abänderung der angefochtenen Entscheidung geführt; diese
Konkretisierung stellt jedoch keinen zur Anwendung der Kostenregelung in
veranlassenden (Bartels in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018 § 84 Rn. 7)
Teilerfolg des Antragstellers dar, dessen Beschwerde sich in der Sache auf eine nicht
erreichte inhaltliche Abänderung der getroffenen Umgangsregelung gerichtet hat.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (70 Abs. 2 FamFG).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:06.07.2020
Aktenzeichen:13 UF 26/20
Rechtsgebiete:
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
BGB § 1684 Abs. 1