Veräußerung einer Teilfläche eines nach WEG aufgeteilten Grundstücks
letzte Aktualisierung: 25.1.2024
OLG Köln, Beschl. v. 4.7.2023 – 2 Wx 82/23, 2 Wx 93/23, 2 Wx 94/23
Veräußerung einer Teilfläche eines nach WEG aufgeteilten Grundstücks
Die Abschreibung eines realen Grundstückteils eines Wohnungseigentumsgrundstücks ist ohne
Aufhebung sämtlicher Sondereigentumsrechte möglich. Es bedarf nur als Verfügung über das
Gemeinschaftseigentums der Zustimmung aller Eigentümer.
Gründe:
I.
Mit Teilungserklärung vom 18.03.2002 (URNr. N01 des verfahrensbevollmächtigten Notars,
Bl. 3 ff. in Grundakte N02) begründeten Frau U. A.-J. und Herr M. J., an dem zuvor
gekauften im Grundbuch von S., Blatt N03, verzeichneten Grundbesitz Gemarkung S., Flur
X,
Flurstück N04, als werdende Eigentümer zwei Wohnungseigentumseinheiten mit
Miteigentumsanteilen von 58,08/100 bzw. 41,92/100 Anteil. Der entsprechende
Miteigentumsanteil der Frau A.-J. wurde in Blatt N02 und der entsprechende
Miteigentumsanteil
des Herrn J. wurde in Blatt N08 eingetragen.
Mit Vertrag vom selben Tage (UR Nr. N12, Bl. 82 ff. in Grundakte N03)
verkauften sie der Beteiligten zu 2. unter Bezugnahme auf einen Lageplan eine noch zu
vermessende Teilfläche aus dem vorgenannten Flurstück. Zu Gunsten der Beteiligten
Eigentumsübertragungsvormerkung in Bezug auf die Teilfläche eingetragen.
Nach dem Tod der Frau A.-J. schloss der Beteiligte zu 1. am
2.12.2011 mit seinen beiden Schwestern einen Teil-Erbauseinandersetzungsvertrag,
zu 2. wurde im Grundbuch gemäß Bewilligung eine in welchem der in Blatt N02
verzeichnete
Miteigentumsanteil dem Beteiligten zu 1. zugewiesen wurde und entsprechende
Auflassungen
erklärt wurden (Bl. 32 ff. in Grundakte Blatt N02). Am 21.03.2012 wurde der Beteiligte zu 1.
in
Blatt N02 im Wege der Berichtigung „auf Grund Erbfolge (Amtsgericht Siegburg, 46 IV
468/94) und
Auflassung vom 22.12.2011“ als Eigentümer eingetragen.
Durch Vertrag vom 02.04.2012 (Bl. 4 in Grundakte Blatt N08) verkaufte Herr J.
seinen in Blatt N08 verzeichneten Miteigentumsanteil an den Beteiligten zu 1., der am
08.05.2012 aufgrund der im vorgenannten Vertrag erklärten Auflassung als
Eigentümer eingetragen wurde.
Im Jahre 2016 wurde nach Vermessung das genannte Flurstück N04 in die Flurstücke
N05 (Verkehrsfläche, 28 qm) und N06 (Gebäude- und Freifläche, 1646 qm)
fortgeschrieben. Durch Erklärung vom 04.04.2017 (UR Nr. N07, Bl. 54 ff. in
Grundakte Blatt N02) änderte der Beteiligte zu 1. die Verbindung von
Miteigentumsanteil und Sondereigentum an dem vorbenannten Grundbesitz und
bildete drei Miteigentumsanteile, die unter Schließung der Grundbuchblätter N02 und
N08 in den Wohnungsgrundbuchblättern N09, N10 und N11 eingetragen
wurden.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2022 hat der Notar zum „Grundbuch von S. Blatt
N02 und N08 bzw. Folgestellen“ unter Bezugnahme auf seine Urkunde N12
vom 18.03.2002 die Freigabe des Flurstücks N06 aus der Eigentumsvormerkung II/1
nebst Löschung und die Eintragung des Eigentumswechsels auf den in der Urkunde
bezeichneten Käufer (die Beteiligte zu 2.) bewilligt und beantragt (Bl. 1). Mit Schriftsatz
vom 27.02.2023 hat er – da laut einem Gutachten des Deutschen Notarinstituts eine
Genehmigung des Beteiligten zu 1. nur wegen der Rechtsnachfolge durch Auflassung
erforderlich sei – eine mit beglaubigter Unterschrift versehene Genehmigung des
Beteiligten zu 1. vom 23.02.2023 zu der Urkunde Nr. N12 vom 18.03.2002
nachgereicht (Bl. 12 f.).
Mit Zwischenverfügung vom 07.03.2023 hat die Grundbuchrechtspflegerin die
Auffassung vertreten, es sei die Aufhebung des Wohnungseigentums an der
vermessenen und katasteramtlich fortgeschriebenen Teilfläche erforderlich. Zum
Zeitpunkt der Auflassung am 18.03.2002 sei das Wohnungseigentum noch nicht im
Grundbuch eingetragen gewesen; in der Auflassung der Teilfläche könne daher nicht
die konkludente Erklärung über die Aufhebung des Wohnungseigentums enthalten
gewesen sein. Der Notar hat die Ansicht vertreten, eine Teilaufhebung der WEGAufteilung
an der veräußerten Teilfläche sei nicht notwendig, sodass sich die Frage,
ob die Auflassung eine solche Aufhebung enthalte, gar nicht erst stelle. Zudem sei es
für eine konkludente Aufhebung des Wohnungseigentums unerheblich, ob das
Wohnungseigentum bereits eingetragen war. Daraus, dass die Teilungserklärung
zuvor am selben Tag beurkundet worden sei, ergebe sich die entsprechende
Auslegung zwanglos.
Nachdem der Notar dieser Auffassung entgegengetreten war, hat die
Grundbuchrechtspflegerin durch am 12.04.2023 erlassenen Beschluss vom
06.04.2023, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, den Antrag vom 11.10.2022
zurückgewiesen (Bl. 30 ff.).
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz des Notars vom 25.04.2023 namens der
Beteiligten eingelegte Beschwerde, mit welcher der bereits zuvor dargelegte
Standpunkt unter Vertiefung weitervertreten wird (Bl. 56 ff.). Das Grundbuchamt hat
der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur
Entscheidung vorgelegt (Bl. 107 f.).
II.
Die nach
Erfolg, als sie zur Aufhebung der Zurückweisung des Antrages führt. Denn das vom
Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.
Die Eigentumsumschreibung an der verkauften Teilfläche (jetzt Flurstück N05) aus dem
ursprünglichen Flurstück N04 setzt nicht voraus, dass eine Aufhebung des
Wohnungseigentums erklärt wird.
Nach – soweit ersichtlich – heute nicht mehr bestrittener Auffassung setzt eine
Realteilung unter Berücksichtigung des
das Wohnungseigentum insgesamt (vorliegend also in Bezug auf beide Flurstücke
N05 und N06 als die Bestandteile des früheren Flurstücks N04) aufgehoben wird,
sondern ist die Abschreibung eines realen Grundstückteils ohne Aufhebung sämtlicher
Sondereigentumsrechte möglich, wenn sich die abzuschreibende Grundstücksfläche
nicht im räumlichen Bereich von Sondereigentum befindet (KG NJOZ 2012, 604 f.).
Befindet sich die Teilfläche nicht im Bereich des Sondereigentums, bedarf es keiner
Aufhebung eines Sondereigentums, sondern als Verfügung über Gemeinschaftseigentum
nur der Zustimmung aller Eigentümer (Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 8. Aufl. 2019,
Soweit in der vom Grundbuchamt herangezogenen Fundstelle
(Abramenko in Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2022, § 6 Rn. 6) von einer Aufhebung des
„Wohnungseigentums“ die Rede ist, kann darunter nichts Anderes als "Sondereigentum“
verstanden werden.
Dass im vorliegenden Fall das vermessene Flurstück N05 („Verkehrsfläche“) nicht in
den räumlichen Bereich eines Sondereigentums fällt, lässt sich auf der Grundlage des
der Verkaufsurkunde vom 18.03.2022 beigefügten Lageplanes (A-B-C-D) in
Verbindung mit dem Kartenauszug aus TIM-online (Bl. 17) hier mit hinreichender
Gewissheit feststellen; hierbei handelt es sich um eine am Rand des ursprünglichen
Flurstücks N04 gelegene streifenförmige Teilfläche, welcher der kaufenden Beteiligten
zu 2. als Verkehrsfläche dienen sollte. Soweit das Grundbuchamt im
Nichtabhilfebeschluss einen Nachweis vermisst, dass „Nebenbestimmungen zum
Inhalt des Sondereigentums (z.B. Sondernutzungsrechte) unberührt sind“, bedarf es
eines solchen Nachweises nicht. Denn etwaige Regelungen über die Nutzung von
Gemeinschaftseigentum, wie etwa Sondernutzungsrechte, hindern nicht eine
Veräußerung unter Beteiligung aller Eigentümer.
Auch wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen eine Aufhebung des
Wohnungseigentums in Bezug auf die verkaufte Teilfläche erforderlich wäre, ist hier
eine solche erfolgt: Diese ist von den Verkäufern konkludent durch die in der
Verkaufsurkunde vom 18.03.2002 enthaltene Auflassung der im Plan dargestellten
und noch nicht vermessenen Teilfläche erklärt worden, indes aufschiebend bedingt
auf die Buchung der Teilfläche als eigenes Flurstück. Auch sachenrechtliche
Willenserklärungen sind der Auslegung zugänglich (zur Auslegung der Veräußerung
einer Teilfläche als konkludente Aufhebung vgl. Keller/Munzig a.a.O. sowie Weber in:
Kölner Formularbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2023, Rn. 371). Es ist davon
auszugehen, dass die verkaufenden Eigentümer einen Vollzug des Verkaufs nach
Buchung der Teilfläche nicht durch die am selben Tage wie der Verkauf erfolgte
Bildung von Wohnungseigentum vereiteln wollten. Einer solchen Auslegung steht,
anders als das Grundbuchamt meint, nicht entgegen, dass das Wohnungseigentum
bei Erklärung der Auflassung der Teilfläche noch nicht eingetragen war. Denn es
genügt, dass das Wohnungseigentum im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der
Aufhebungserklärung entstanden war: Die Aufhebungserklärung in Bezug auf die
Teilfläche muss nicht wirksam werden, bevor die Teilfläche durch Buchung als eigenes
Flurstück umschreibungsfähig wird; aufgrund dessen kann der Auflassungserklärung
eine entsprechend aufschiebend bedingte Aufhebungserklärung entnommen werden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Köln
Erscheinungsdatum:04.07.2023
Aktenzeichen:2 Wx 82/23, 2 Wx 93/23, 2 Wx 94/23
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
WEG
GBO § 7; WEG § 16