Innenausgleich der GmbH-Gesellschafter bei Übernahme von Bürgschaften in unterschiedlicher Höhe für eine Gesellschaftsverbindlichkeit
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Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 23.12.2016
BGH, Urt. v. 27.9.2016 - XI ZR 81/15
BGB §§ 426, 765, 769, 774 Abs. 2
Innenausgleich der GmbH-Gesellschafter bei Übernahme von Bürgschaften in
unterschiedlicher Höhe für eine Gesellschaftsverbindlichkeit
Übernehmen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Verbindlichkeit
der Gesellschaft Bürgschaften bis zu unterschiedlichen Höchstbeträgen, richtet sich die Höhe des
Innenausgleichs grundsätzlich nach dem Verhältnis der mit den Bürgschaften jeweils
übernommenen Höchstbeträge.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet, soweit sie zugelassen ist. Sie führt im Umfang
der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Ausgleichsanspruch gemäß
300.000 € gezahlt habe. Soweit er über den von ihm übernommenen Höchstbetrag
von 300.000 € hinaus gezahlt habe, stehe ihm ein Aufwendungsersatzanspruch
gemäß
Die Höhe des Ausgleichs- und des Aufwendungsersatzanspruches richte
sich nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Bürgschaftshöchstbeträge. Dieser
Grundsatz sei spezieller gegenüber dem Grundsatz, dass Mitgesellschafter
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die sich für eine Gesellschaftsschuld
verbürgt haben, im Innenverhältnis im Zweifel entsprechend ihrer Beteiligungsquote
hafteten. Wenn die Gesellschafter sich gleichzeitig auf der Grund-
lage einer gemeinsamen Absprache mit der kreditgebenden Bank für die Verpflichtungen
der Gesellschaft aus einer bestimmten Rechtsbeziehung gemeinsam
zu unterschiedlichen Höchstbeträgen verbürgten, brächten sie damit
zum Ausdruck, dass sie auch intern in dem Verhältnis Risiken übernehmen
wollten, in dem sie nach außen hafteten. Da der Anteil des Beklagten an der
Summe der vier Bürgschaften 20,69% betrage, habe er dem Kläger 20,69% der
gesamten Zahlung in Höhe von 404.934,43 €, d.h. 83.780,93 € zu zahlen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, dass
die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Klägers nach § 774 Abs. 2, § 426
Abs. 1 Satz 1 BGB sich nicht nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile der
Mitbürgen, sondern nach dem Verhältnis der Höchstbeträge ihrer Bürgschaften
richtet.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Höchstbetragsbürgschaften,
wenn nichts anderes vereinbart ist, der Innenausgleich zwischen
den Bürgen nach dem Verhältnis der jeweils übernommenen Höchstbeträge
durchzuführen (BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 IX
ZR 274/96,
ZR 11/99,
ZR 588/07,
OLG Stuttgart,
1997, 710, 717; MünchKommBGB/Bydlinski, 7. Aufl., § 426 Rn. 52; Federlin in
Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 12.284; Grüneberg,
WM 2010, SB 2, 27; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 774 Rn. 23;
Staudinger/Carsten Herresthal (2014), Das Recht der Kreditsicherung, Rn. 69;
Kanka, JherJb 87 (1937/38), 123, 167; Mediger,
Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearb. 2012, § 426 Rn. 263; jurisPKBGB/
Prütting, 7. Aufl., § 774 Rn. 15; Schmölz, jurisPR-BKR 3/2010 Anm. 4; aA
Bayer,
Tiedtke,
Ebenso ist anerkannt, dass Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung, die für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft Bürgschaften
übernommen haben, im Innenverhältnis im Zweifel anteilig in Höhe ihrer jeweiligen
Anteile am Gesellschaftsvermögen haften (BGH, Urteile vom 19. Dezember
1985 III ZR 90/84,
ZR 101/88,
ZR 195/91,
ZR 279/08,
vgl. auch BGH, Urteile vom 14. Juli 1983 IX
ZR 40/82,
vom 11. Dezember 1997 IX ZR 274/96,
in
249; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 774 Rn. 24; Staudinger/Horn,
BGB, Neubearb. 2012, § 774 Rn. 53; Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearb.
2012, § 426 Rn. 254; Piekenbrock, Bankrecht und Bankpraxis, Stand:
121. Lieferung, Rn. 4/1194; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, 5. Aufl., Rn. 414).
Nach welchem dieser Maßstäbe der Ausgleichsanspruch zu beurteilen
ist, wenn die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für
eine Verbindlichkeit der Gesellschaft Bürgschaften bis zu unterschiedlichen
Höchstbeträgen übernommen haben, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bislang nicht ausdrücklich erörtert und abschließend entschieden
worden (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2008 XI ZR 588/07, WM 2009,
213 Rn. 20; zust. Mediger,
S. 239, 240; siehe hingegen auch BGH, Urteil vom 24. September 1992 IX
ZR 195/91,
13. Aufl., § 60 IV 3 b).
b) Im vorliegenden Fall richtet sich der Ausgleichsanspruch des Klägers
nach dem Verhältnis der mit den Bürgschaften jeweils übernommenen Höchstbeträge.
aa) Der Ausgleichsanspruch zwischen Mitbürgen wird gemäß § 774
Abs. 2,
anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus einer gesetzlichen
Regelung, einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung,
der Natur der Sache oder dem Inhalt und Zweck des in Frage stehenden
Rechtsverhältnisses ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1958 III
ZR 139/57,
ZR 41/62,
ZR 34/82,
vom 11. Juni 1992 IX ZR 161/91,
bb) Im Streitfall hat das Berufungsgericht unangegriffen festgestellt, dass
sich die Mitbürgen auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache mit der
Gläubigerin für die Verpflichtungen der Hauptschuldnerin gemeinsam zu unterschiedlichen
Höchstbeträgen verbürgt haben. Damit haben sie, wie das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei angenommen hat, stillschweigend zum Ausdruck
gebracht, dass sie auch intern in dem Verhältnis haften wollten, in dem sie eine
Haftung nach außen übernahmen.
(1) Dass die Übernahme der Höchstbetragsbürgschaften auf der Grundlage
einer gemeinsamen Absprache erfolgte, spricht dafür, dass die Mitbürgen
nicht nur im Fall ihrer vollen Inanspruchnahme bis zum jeweiligen Höchstbetrag,
sondern auch bei einer nur teilweisen, die Summe der Höchstbeträge nicht erreichenden
Inanspruchnahme im Innenverhältnis nach dem Verhältnis der jeweils
übernommenen Höchstbeträge haften wollten.
(2) Dies wird dadurch bestätigt, dass die Übernahme der Bürgschaften
zeitlich nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen erfolgte. Durch die
Übernahme von Bürgschaften mit Höchstbeträgen, deren Verhältnis zueinander
vom Verhältnis ihrer Gesellschaftsanteile abweicht, haben die Mitbürgen zu erkennen
gegeben, dass sie im Hinblick auf die Bürgschaften an der dem Verhältnis
der jeweiligen Gesellschaftsanteile folgenden Risikoverteilung nicht festhalten wollten.
(3) Durch die Übernahme unterschiedlicher Höchstbeträge sind die einzelnen
Bürgen im Außenverhältnis unterschiedliche Risiken eingegangen. Der
in der Übernahme eines höheren Höchstbetrags zum Ausdruck kommende Wille,
ein größeres Risiko als andere Bürgen zu übernehmen, zieht folgerichtig
auch eine höhere Haftung im Innenverhältnis nach sich (vgl. OLG Hamm, WM
1997, 710, 717; Kanka, JherJb 87 (1937/38), 123, 167; Larenz/Canaris, Lehrbuch
des Schuldrechts II 2, 13. Aufl., § 60 IV 3 b; Theobald, Gesamthaftungsverhältnisse,
1994, S. 122 ff.). Die Festlegung unterschiedlicher Höchstbeträge
und der darin zum Ausdruck kommende Wille, das Haftungsrisiko in unterschiedlicher
Weise zu begrenzen, ist für die Bürgschaftsübernahmen derart
prägend, dass eine Haftungsverteilung nach dem Verhältnis dieser Höchstbeträge
auch im Innenverhältnis gerechtfertigt ist.
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht hingegen bei der Beurteilung
der Höhe des Ausgleichsanspruchs des Klägers die im Jahre 2002 von
dem damaligen fünften Gesellschafter der Hauptschuldnerin übernommene
Höchstbetragsbürgschaft unberücksichtigt gelassen.
a) Allerdings kommt eine Haftung des damaligen fünften Gesellschafters
der Hauptschuldnerin nur in Betracht, wenn die von diesem übernommene
Bürgschaft sich auf diejenigen Forderungen erstreckt hat, hinsichtlich derer der
Kläger mit der vorliegenden Klage Ausgleich im Innenverhältnis begehrt. Dies
ergibt sich aus dem Wortlaut des
auch Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 769 Rn. 1 und MünchKommBGB/
Habersack, 6. Aufl., § 769 Rn. 2).
b) Das Ausgleichsverhältnis unter Mitbürgen gemäß § 774 Abs. 2, § 426
BGB entsteht bereits mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses, d.h. bei
Übernahme der Bürgschaften (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1990 IX
ZR 268/89,
den Gläubiger. Die vom Gläubiger vorgenommene Entlassung eines Bürgen
aus dem gesamtschuldnerischen Haftungsverband berührt die Ausgleichsverpflichtung
grundsätzlich nicht (BGH, Urteile vom 20. Dezember 1990 IX
ZR 268/89,
ZR 161/91,
U 59/12, juris Rn. 24; Federlin in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl.,
Rn. 12.283 und 12.284; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 769 Rn. 8;
Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2012, § 769 Rn. 8 und 10 sowie § 774
Rn. 50).
c) Dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der fünfte Gesellschafter
mit Abschluss der neuen Bürgschaftsverträge im Jahre 2004 aus
der Bürgschaft entlassen wurde, rechtfertigt es deshalb nicht ohne Weiteres,
dessen Bürgschaft bei der Beurteilung der Höhe des Ausgleichsanspruchs des
Klägers außer Ansatz zu lassen. Dies kommt nur unter weiteren Voraussetzungen
in Betracht, wenn etwa die übrigen Bürgen mit einer solchen Privilegierung
ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden gewesen sind (vgl. BGH, Urteil
vom 11. Juni 1992 IX ZR 161/91,
Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 12.284; MünchKommBGB/
Habersack, 6. Aufl., § 769 Rn. 8; Kanka, JherJb 87 (1937/38), 123, 164 f.) oder
der fünfte Gesellschafter von einem ihm bereits zum Zeitpunkt seiner Verbürgung
von der Gläubigerin eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht
hat oder in Folge Zeitablaufs (
geworden ist. Dies ist aber vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.
d) Den Feststellungen des Berufungsurteils ist auch nicht eindeutig zu
entnehmen, ob der fünfte Gesellschafter inzwischen aus der Gesellschaft ausgeschieden
ist. In einem solchen Fall ist, wenn keine besondere Vereinbarung
getroffen wurde und sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls nichts anderes
ergibt, anzunehmen, dass nach dem Willen der Vertragsparteien der den
Anteil des ausscheidenden Gesellschafters übernehmende Gesellschafter auch
für die Erfüllung der Bürgschaftsschuld des ausscheidenden Gesellschafters
einzustehen hat und der Ausscheidende aus seiner internen Mithaftung für eine
von den Gesellschaftern zugunsten der Gesellschaft eingegangene Bürgschaftsverbindlichkeit
entlassen wird (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1973
VIII ZR 178/72,
ZR 101/88,
12 U 100/08, juris Rn. 32; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 774
Rn. 24; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2012, § 774 Rn. 53; Staudinger/
Looschelders, BGB, Neubearb. 2012, § 426 Rn. 254; Piekenbrock, Bankrecht
und Bankpraxis, Stand: 121. Lieferung, Rn. 4/1194; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung,
5. Aufl., Rn. 415). Auch hierzu fehlen die erforderlichen Feststellungen.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang aufzuheben (
reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung, gegebenenfalls nach ergänzendem
Parteivortrag, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:27.09.2016
Aktenzeichen:XI ZR 81/15
Rechtsgebiete:
Bürgschaft u.a. Personalsicherheiten
Allgemeines Schuldrecht
BGB §§ 426, 765, 769, 774 Abs. 2