OLG Schleswig 10. Januar 2024
3 Wx 24/23
BGB §§ 2259, 2300; FamFG § 348; BeurkG § 34a

Aufhebung eines Erbvertrags; Ablieferung an das Nachlassgericht

letzte Aktualisierung: 4.4.2024
OLG Schleswig, Beschl. v. 10.1.2024 – 3 Wx 24/23

BGB §§ 2259, 2300; FamFG § 348; BeurkG § 34a
Aufhebung eines Erbvertrags; Ablieferung an das Nachlassgericht

Zur Frage der Ablieferungs- und Eröffnungspflicht von einen Erbvertrag aufhebenden notariell
beurkundeten Verträgen.

Gründe

I.
Der Erblasser schloss mit seinen drei Kindern, den Beteiligten zu 2. bis 4., am 23.07.1998 einen
Erbvertrag, in dem er vertragsmäßige Verfügungen traf. Diesen hob er mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 05.06.2015 mit seinen Kindern, bei dem zwei durch das dritte Kind
zunächst vollmachtlos vertreten waren, wieder auf. Die beiden vertretenen Kinder genehmigten
den Aufhebungsvertrag mit Erklärungen vom 23.06. und 05.08.2015. Nach dem Tod des
Erblassers übermittelte der beschwerdeführende Notar eine beglaubigte Abschrift des
Aufhebungsvertrages an das Nachlassgericht. Dieses hat den Notar erfolglos zur Vorlage des
Originals aufgefordert. Das Nachlassgericht hat am 12.09.2022 ein gemeinschaftliches
Testament des Erblassers und seiner Ehefrau vom 11.11.2015 sowie den Erbvertrag vom
23.07.1998 eröffnet und im Protokoll vermerkt, dass der Aufhebungsvertrag nicht habe eröffnet
werden können, weil das Original nicht vorliege.

Die Beschwerdeführerin hat die Eröffnung des Aufhebungsvertrags unter Vorlage einer
beglaubigten Abschrift des Vertrages beantragt. Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat
mit unter dem 10.05.2023 unterschriebenen Beschluss, der spätestens am 12.05.2023 erlassen
worden ist (Erlassvermerk fehlt), festgestellt, dass der Aufhebungsvertrag nicht eröffnet werden
könne, weil er nicht in Urschrift vorliege.

Gegen den Beschluss richten sich die Beschwerden beider Beschwerdeführer. Der Notar macht
geltend, dass zwar Erbverträge abzuliefern seien, nicht aber ein bloßer Aufhebungsvertrag als
actus contrarius, der selbst kein Erbvertrag sei. Die Beschwerdeführerin meint ebenfalls, dass
keine Verpflichtung zur Eröffnung des Aufhebungsvertrages bestehe. Abzuliefern sei nur ein
Erbvertrag, auch ein aufgehobener, nicht aber die Aufhebungsvereinbarung selbst.
Das Nachlassgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.

II.
Die Entscheidung beruht auf § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG. Beide Beschwerden sind bereits
unzulässig.

1. Dem beschwerdeführenden Notar fehlt es an der notwendigen Beschwerdeberechtigung nach
§ 59 Abs.1 FamFG. Durch den feststellenden Beschluss des Nachlassgerichts, dass der
Aufhebungsvertrag vom 05.06.2015 nicht eröffnet werden könne, wird er nicht in Rechten
beeinträchtigt. Das ist dem Notar auch selbst bewusst, wenn er ausführt, dass der Beschluss
keinen Adressaten habe. An die Feststellung des Nachlassgerichts sind zudem keine
Rechtsfolgen geknüpft. Das wäre ggf. anders, wenn dem Notar durch Beschluss Zwangsmittel
angedroht worden wären, um ihn zur Ablieferung der Urschrift des Aufhebungsvertrages zu
veranlassen.

2. a) Die am 29.06.2023 eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den ihr am
12.05.2023 zugestellten Beschluss ist nicht rechtzeitig eingelegt worden, worauf das
Nachlassgericht im Nichtabhilfebeschluss zutreffend hingewiesen hat.

Unabhängig davon hat der Beschluss - wörtlich genommen - keinen anfechtungsfähigen Inhalt.
Er beschränkt sich auf die Feststellung, dass eine dem Gericht nicht vorliegende Urkunde auch
nicht eröffnet werden kann. Eröffnung meint die Inaugenscheinnahme der Urkunde und ihres
Inhalts durch das Gericht. Liegt die Urkunde nicht körperlich dem Gericht vor, kann sie nicht
eröffnet werden. Das ist trivial und hätte keiner besonderen Feststellung durch Beschluss
bedurft. Im Hinblick auf den Antrag der Beschwerdeführerin, den Aufhebungsvertrag zu
eröffnen, kann der Beschluss aber auch so ausgelegt werden, dass das Nachlassgericht deren
Antrag zurückweisen wollte, die vorgelegte beglaubigte Abschrift zu eröffnen. Auch bei diesem
Verständnis ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin aber nicht zulässig, weil verfristet.

b) Nicht zu entscheiden hat der Senat, ob sie - rechtzeitig eingelegt - Erfolg hätte haben können.

aa) Offen ist, ob ein Aufhebungsvertrag unter § 348 FamFG fällt und überhaupt - unabhängig
ob als Original oder beglaubigte Abschrift - zu eröffnen wäre. Dagegen spricht, dass es ein
Vertrag unter Lebenden ist, der eine Verfügung von Todes wegen mit unmittelbarer Wirkung
nur aufhebt, selbst aber eine solche nicht enthält. Dafür könnten Zweckmäßigkeitserwägungen
sprechen gerade im Hinblick auf Grundbuchberichtigungen auch ohne Nachweis der
Erbenstellung durch Erbschein gemäß §§ 83 S. 2, 35 GBO. Das ist hier nicht zu entscheiden,
wobei ein Schutz der Beteiligten und des Rechtsverkehrs allerdings auch dadurch erreicht
werden kann, dass das Nachlassgericht in die Eröffnungsniederschrift die Umstände aufnimmt,
die die Geltung eines Erbvertrags oder eines Testaments in Frage stellen können (vgl. auch
Senat v. 22.06.2020 - 3 Wx 19/20, n.v.). Das ist hier geschehen, weil das Eröffnungsprotokoll
vom 12.09.2022 einen Hinweis auf den Aufhebungsvertrag enthält.

bb) Für eine Pflicht, Aufhebungsverträge im Original abzuliefern, die das Nachlassgericht
offenbar als sein Handeln bestimmend angesehen hat, spricht jedenfalls heute kaum noch etwas.
Die Literatur ist sich allerdings bisher nicht einig, ob ein sich auf die Aufhebung eines
Erbvertrags beschränkender Vertrag der Ablieferungspflicht des Originals nach §§ 2259, 2300
BGB unterliegt (verneinend Staudinger-Baumann § 2259 BGB Rn. 7; Bauermeister in jurisPKBGB
§ 2259 BGB Rn. 4; Sticherling in MüKo-BGB § 2259 BGB Rn. 4; Lauck in
Burandt/Rojahn § 2259 BGB Rn. 2; Grziwotz in BeckOGK § 2259 BGB Rn. 2; Kroiß in NKBGB
§ 2259 BGB Rn. 5; Litzenburger in BeckOK BGB § 2259 BGB Rn. 2; bejahend dagegen
Grüneberg-Weidlich § 2248 Rn. 4; Kappler in Erman § 2259 BGB Rn. 2; Soergel/Runge-
Rannow § 2259 BGB Rn. 4). Baumann schränkt a.a.O. allerdings ein (wohl de lege ferenda), dass
Aufhebungsverträge der Ablieferungspflicht unterliegen sollten, damit im Nachlassverfahren
keine unrichtigen Erbscheine erteilt werden. Im übrigen finden sich in der zitierten Literatur
praktisch keine Begründungen für die jeweilige Meinung.

Zitiert wird in der Literatur in diesem Zusammenhang jedoch eine Entscheidung des OLG
Düsseldorf (v. 23.05.1973 - 3 W 80/73, MittRhNotK 1973, 199ff). Dieses hat ausgeführt,
abzuliefern seien nach §§ 2259, 2300 BGB Testamente und Erbverträge. Für den
Aufhebungsvertrag bestehe keine Ablieferungspflicht für das Original, weil er weder Testament
noch Erbvertrag sei. Testament sei eine einseitige letztwillige Verfügung (§ 1937 BGB), kein
Vertrag. Ein Erbvertrag könne nur vorliegen, wenn er Erbeinsetzungen, Vermächtnisse,
Auflagen oder Rechtswahl enthalte (§ 2278 Abs. 2 BGB). All das treffe auf einen
Aufhebungsvertrag nicht zu. Weiter argumentiert das Gericht unter Berufung auf §§ 2260f
(a.F.), 2300 BGB, es sei nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen, alle Verfügungen von Todes
wegen dem Eröffnungszwang (und demzufolge auch einer Ablieferungspflicht) zu unterwerfen.
Das zeige sich schon daran, dass ein Widerruf wechselbezüglicher Verfügung in einem
gemeinschaftlichen Testament durch eine dem anderen Ehegatten gegenüber abzugebende
Willenserklärung erfolgen müsse (§§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 3 BGB) und die Rücknahme eines
öffentlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung, was auch eine Verfügung von Todes
wegen sei, einer Eröffnung nach dem Tod des Erblassers nicht zugänglich sei, da sie formlos
erfolgen könne. Die Möglichkeit der Aufhebung eines Erbvertrags durch Testament in den
Fällen der §§ 2291, 2292 BGB sei nicht mit Rücksicht auf eine Eröffnung angeordnet worden,
sondern solle eine Formerleichterung sein. Wollte man den Aufhebungsvertrag einer
Ablieferungs- und Eröffnungspflicht unterwerfen, müsse man das auch für den Rücktritt vom
Erbvertrag und den Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung eines Ehegattentestaments
tun. Diese Argumentation knüpft an den früheren § 2260 BGB, der die Eröffnung von
"Testamenten" regelte und der nach § 2300 BGB auf Erbverträge entsprechend anzuwenden ist.
Inzwischen ist die Eröffnungspflicht aber nicht mehr dort, sondern in § 348 FamFG geregelt
und diese Bestimmung spricht allgemeiner von Verfügungen von Todes wegen. Das OLG
Düsseldorf hatte seinerzeit den Aufhebungsvertrag als solche angesehen, was dann für eine
Eröffnungs- und daraus resultierend auch Ablieferungspflicht sprechen könnte. Der
Ausgangspunkt des OLG Düsseldorf ist aber wie schon ausgeführt durchaus zweifelhaft.
Letztlich ist das überholt. Denn nach dem 2009 in Kraft getretenen § 34a Abs. 3 S. 2 BeurkG
sind sonstige notarielle Urkunden, die Erklärungen enthalten, nach deren Inhalt die Erbfolge
geändert werden kann, vom Notar dem Nachlassgericht nach Eintritt des Erbfalls in
beglaubigter Abschrift vorzulegen. Das weit formulierte Merkmal sonstige Urkunden in S. 2
knüpft an die für Erbverträge geltende Regelung in S. 1 der Bestimmung und meint also alle
anderen erbfolgerelevanten Urkunden. Es umfasst dann jedenfalls auch den Aufhebungsvertrag.
Ausdrücklich wird dieses systematisch zu gewinnende Ergebnis bestätigt durch § 78d Abs. 2
BNotO, auf den § 34a Abs. 1 BeurkG Bezug nimmt und in dem klargestellt wird, dass
"insbesondere Aufhebungsverträge" solche erbfolgerelevanten Urkunden sind. Es gibt danach
also heute eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, dass Aufhebungsverträge dem Gericht in
beglaubigter Abschrift mitzuteilen sind. Das genügt auch in ausreichender Weise dem Interesse
der Beteiligten, von erbfolgerelevanten Willenserklärungen Kenntnis zu erlangen. Wenn aber
dem Gericht nur eine beglaubigte Abschrift vorzulegen ist, liegt auf der Hand, dass allenfalls
auch nur eine solche einer eventuellen Eröffnungspflicht des § 348 FamFG unterliegen kann.
Originale verlangt die Bestimmung nicht. Es ist anerkannt, dass bei Fehlen von Originalen
beglaubigte Abschriften zu eröffnen sind (Sternal-Zimmermann § 348 FamFG Rn. 14;
Bahrenfuss-Wick § 348 FamFG Rn. 10; MüKoFamFG-Muscheler § 348 FamFG Rn. 12; Zorn
in: Prütting/Helms, § 348 FamFG Rn. 15; Rellermeyer in: Dutta/Jacoby/Schwab § 348 FamFG
Rn. 4).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht dem Beteiligten,
der ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt hat, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegen.
Es gibt keinen Grund, hier ausnahmsweise von dieser Regel abzuweichen.

Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst. Für das Verfahren entsteht die Festgebühr nach
Nr. 19116 KV GNotKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

10.01.2024

Aktenzeichen:

3 Wx 24/23

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Grundbuchrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform

Normen in Titel:

BGB §§ 2259, 2300; FamFG § 348; BeurkG § 34a