OLG Brandenburg 23. März 2020
15 UF 68/17
BGB §§ 1671 Abs. 1 S. 2, 1969 Abs. 1

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil als Gewähr für die Umsetzung des Wechselmodells

letzte Aktualisierung: 13.1.2021
OLG Brandenburg, Urt. v. 23.3.2020 – 15 UF 68/17

BGB §§ 1671 Abs. 1 S. 2, 1969 Abs. 1
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil als Gewähr für die
Umsetzung des Wechselmodells

1. Sorge- und Umgangsrecht sind zwei eigenständige Verfahrensgegenstände, sodass eine im
Verfahren zum Umgangsrecht erlassene Entscheidung keine übergreifende Bindungswirkung auch
für den anderen Verfahrensgegenstand entfaltet. Auf eine erstmalige Entscheidung über das
Aufenthaltsbestimmungsrecht ist § 1696 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden.
2. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Anordnung des Wechselmodells für das
Umgangsrecht gegen den Willen eines Elternteils können auch im Rahmen der Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts herangezogen werden.
3. Gerade wenn ein Elternteil das Wechselmodell ablehnt, ist es geboten, sofern das Wechselmodell
dem Kindeswohl am besten entspricht, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht demjenigen Elternteil zu
übertragen, der die Gewähr für dessen Umsetzung bietet.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

I.
Die Eltern streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren gemeinsamen Sohn
M…, der seit der Trennung bei der Mutter lebt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das
Amtsgericht den Antrag des Vaters auf Übertragung des alleinigen
Aufenthaltsbestimmungsrechts, mithilfe dessen er ein Wechselmodell etablieren wollte,
sowie den gegenläufigen Antrag der Mutter zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
Beschwerde des Vaters, der nach wie vor ein Wechselmodell anstrebt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der
Senat auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.
Der Vater meint, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei eine gesteigerte
Kommunikationsfähigkeit der Eltern vorhanden. Abgesehen davon, dass sich die Eltern
über eine Ausweitung des Umgangs verständigt hätten, seien auch regelmäßige
Absprachen zur Wahrnehmung von Terminen (Logopädie, Kiefernorthopädie und
sonstiger Arzttermine), zur Teilnahme an Kursen, zum Informationsaustausch zu Fragen
der Kita und zur Abstimmung von Urlaubs- bzw. Umgangstagen möglich. Da M… zu
beiden Eltern gleich starke Bindungen habe und sich in beiden Haushalten gerne
aufhalte, sei das Wechselmodell für ihn das beste Betreuungsmodell. Angesichts des
jungen Alters sei der Kindeswille kein geeignetes Kriterium, da M… die Tragweite seiner
Äußerungen noch nicht überschauen könne.
Der Vater beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und ihm das alleinige
Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
Die Mutter beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, für die Entscheidung sei der Maßstab des §§ 1696 Abs. 1 BGB heranzuziehen,
da die Eltern eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung geschlossen hätten, die
nicht dadurch unterlaufen werden könne, dass der Vater anstelle eines
Umgangsabänderungsverfahrens ein Sorgerechtsverfahren betreibe.
In der Sache hält sie den angefochtenen Beschluss für richtig. Die Kommunikation
zwischen den Eltern sei keinesfalls so reibungslos, wie der Vater dies darstelle. Zum
einen finde sie nur selten statt, und zum anderen sei sie für die Mutter überwiegend
unangenehm und schwierig, weil es dem Vater schwerfalle, sich zu mäßigen. Er trete
regelmäßig aggressiv auf, werde unsachlich und würdige sie herab. Wenn der Vater mit
den Gesprächsergebnissen unzufrieden sei, weise er regelmäßig darauf hin, dass eine
Klärung im Wege weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen stattfinden müsse.
Insbesondere über die Teilnahme an Kursen seien die Eltern uneinig; aber auch
hinsichtlich der Unterhaltszahlungen seien Streitigkeiten abzusehen, da der Vater bereits
jetzt im Hinblick auf sein umfangreiches Umgangsrecht nicht den geforderten, der
Düsseldorfer Tabelle entsprechenden Unterhalt (144 % des Mindestunterhalts) zahle.
Dem Vater gehe es im Wesentlichen um seine Gleichberechtigung; insbesondere wolle er
bei den Fragen des alltäglichen Lebens mitbestimmen. Hingegen habe die Psychologin,
die M… behandelt habe, sich dafür ausgesprochen, dass der Junge vor allem Stabilität
brauche. Die vom Vater angestrebten Veränderungen entsprächen daher nicht dem
Kindeswohl.

Der Verfahrensbeistand hält aus Sicht des Kindes ein Wechselmodell für wünschenswert,
hat aber Bedenken geäußert, ob es gegen den Willen der Mutter durchsetzbar sei.
Das Jugendamt hat berichtet, dass die Eltern grundsätzlich in der Lage seien, sich zu
wichtigen Dingen, ihren Sohn betreffend, zu verständigen. Sie seien allerdings sehr
unterschiedlich.

Der Senat hat ein psychologisches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt,
welche Aufenthaltsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht, insbesondere, ob die
Kommunikationsfähigkeiten der Eltern die Betreuung in einem paritätischen
Wechselmodell zulassen.

Die Sachverständige, Frau Dipl.-Psych. W… in B…, kommt in ihrem Gutachten vom
05.06.2018 im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: Aus ihrer Sicht sei ein
Wechselmodell nicht nur realisierbar, sondern im Sinne des Kindes die am besten
geeignete Betreuungsform. M… habe zu beiden Eltern enge emotionale Beziehungen und
sichere Bindungen entwickelt. Eine eindeutige elterliche Präferenz habe er nicht
signalisiert. Außerdem scheine er von den sehr unterschiedlichen Lebensmodellen seiner
Eltern zu profitieren und die Erziehungsvielfalt zu genießen. Beide Eltern seien für sich
genommen vollkommen geeignet, ihren Sohn zu betreuen und zu erziehen.
Einschränkungen hinsichtlich der Bindungstoleranz und Kommunikationsfähigkeit der
Eltern seien mithilfe von Fachkräften zu kompensieren und rechtfertigten eine
Einschränkung von Betreuungszeiten nicht. Es bestehe jedenfalls eine hinreichende
Kooperationsfähigkeit und –bereitschaft. Es habe bisher keine anhaltenden hochstrittigen
Auseinandersetzungen zwischen den Eltern gegeben, sondern überwiegend
einvernehmliche Konfliktlösungen. Die Praktizierung eines Wechselmodells stelle zwar
eine Veränderung im Leben des Kindes dar, die jedoch nicht als Belastung, sondern in der
Summe für die kindliche Entwicklung als bereichernd, förderlich und wünschenswert
angesehen werde.

Der Senat hat die Beteiligten, auch den betroffene Minderjährigen, das Jugendamt und
die Sachverständige zur Erläuterung ihres Gutachtens persönlich angehört. Hinsichtlich
des Ergebnisses dieser Anhörungen wird auf die Anhörungsvermerke vom 30.11.2017
und vom 15.11.2018 Bezug genommen.

Die Akten 44a F 94/16 und 44a F 126/16 AG Potsdam waren beigezogen.

II.
Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Vaters
ist begründet. Sie führt dazu, dass ihm gemäß § 1671 BGB das alleinige
Aufenthaltsbestimmungsrecht für M… übertragen wird.

1.
Entgegen der Ansicht der Mutter ist § 1696 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden. Nach der
gesetzlichen Systematik handelt es sich bei Sorge- und Umgangsrecht um eigenständige
Verfahrensgegenstände, sodass die im Verfahren über einen Verfahrensgegenstand
erlassene Entscheidung keine übergreifende Bindungswirkung auch für den anderen
Verfahrensgegenstand entfaltet (vgl. BGH, FamRZ 2020, 255). Bei der vom Vater
angestrebten Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht handelt es sich um
eine erstmalige gerichtliche Regelung.

2.
Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge für den Teilbereich
Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Übertragung allein auf den Vater entspricht dem
Wohl des Minderjährigen am besten und ist aufgrund der Meinungsverschiedenheiten der
Eltern über seinen Lebensmittelpunkt geboten.
a) Leben die ganz oder in Teilbereichen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, wie hier,
nicht nur vorübergehend getrennt, ist gemäß § 1671 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BGB auf Antrag
einem Elternteil die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am
besten entspricht. Diese Regelung bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der
gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt wird.
Eben so wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche
Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist.
Einer solchen Regelung stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in
der Realität nicht verordnen lässt (grundlegend BGH, NJW 2000, 203, 204; ebenso
BVerfG, FamRZ 2004, 354). Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen
elterlichen Sorge ist deshalb grundsätzlich - und auch der Senat hat dies wiederholt
ausgesprochen - eine auch nach der Trennung fortbestehende Fähigkeit und Bereitschaft
der Eltern zur Kooperation in den das gemeinsame Kind betreffenden Belangen, setzt
also insoweit eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene zwischen ihnen
voraus (BVerfG, a.a.O.). Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die
begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein
werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv
und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene
Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich
(BGH, FamRZ 2008, 592). Dabei ist es unerheblich, welcher Elternteil die Verantwortung
für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (BGH, a. a. O; OLG Frankfurt, FuR
2014, 1374).

Hinsichtlich des hier allein streitigen Aufenthaltsbestimmungsrechts kann das
gemeinsame Sorgerecht daher keinen Bestand haben, weil die Eltern sich nicht über den
zukünftigen Lebensmittelpunkt ihres gemeinsamen Sohnes verständigen können. Die
Mutter will, dass M… weiterhin den Lebensmittelpunkt in ihrem Haushalt hat und
Umgänge mit dem Vater entsprechend der gerichtlich gebilligten Vereinbarung
stattfinden. Der Vater hingegen strebt das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht an, um
ein paritätisches Wechselmodell zu installieren.

b) Die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater
entspricht dem Wohl des Minderjährigen am besten.

aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Mutter sich gegen ein Wechselmodell
ausgesprochen hat.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15 –
(= FamRZ 2017, 532 ff.) kann grundsätzlich auch gegen den Willen eines Elternteils das
Wechselmodell angeordnet werden. Soweit der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, dass
zur hoheitlichen Anordnung des Wechselmodells bei gemeinsamem Sorgerecht auch
gegen den Willen eines Elternteils eine Umgangsregelung ausreichend sei, können die
dort aufgestellten Grundsätze auch im Rahmen eines Antrags auf Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts mit dem Ziel, das Wechselmodell zu praktizieren,
herangezogen werden. Zwar hat der Bundesgerichtshof seine Entscheidung im Rahmen
eines Umgangsverfahrens getroffen. Er hat jedoch offen gelassen, ob dies auch durch die
Alleinzuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erfolgen kann. Gerade in dem Fall,
dass ein Elternteil das Wechselmodell ablehnt, ist es aus Sicht des Senates aber geboten,
dann, wenn das Wechselmodell dem Kindeswohl am besten entspricht, dem Elternteil das
alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, der die Gewähr für dessen
Umsetzung bietet (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.02.2018 – 4 UF 226/17,
juris).

bb) Bei der Frage, welchem Elternteil das Sorgerecht bzw. Teile davon zu übertragen
sind, ist eine Abwägung nachfolgender Gesichtspunkte vorzunehmen, wobei deren
Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. BGH, MDR
2020,103, m. w. N.):
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der
Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und
Betreuung, einschließlich der Bindungstoleranz, also der Bereitschaft, den
persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu
fördern,
- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,
- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität
der Erziehungsverhältnisse abstellt, sowie
- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter
und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist.
Die einzelnen Kriterien stehen nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander.
Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung der
Frage sein, welche Regelung dem Kindeswohl am besten entspricht (vgl. hierzu BGH,
FamRZ 2011, 796; FamRZ 2010, 1060).

cc) Nach der an Hand dieser Gesichtspunkte vorgenommenen Überprüfung und nach
Anhörung der Eltern, des Minderjährigen, des Verfahrensbeistands und des Jugendamtes
schließt sich der Senat der Einschätzung der Sachverständigen in ihrem Gutachten an,
dass es dem Wohl von M… am besten entspricht, wenn der Vater das
Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübt. Nach den überzeugenden Ausführungen der
Sachverständigen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Praktizierung eines
Wechselmodells dem Kindeswohl hier am besten entspricht.

Die Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass beide Eltern auf ihre jeweilige
Art und Weise gleichermaßen erziehungsgeeignet sind. Sie sind in der Lage, die
Bedürfnisse ihres Sohnes zu erkennen und ihn altersangemessen und seinen Interessen
entsprechend zu fördern und zu unterstützen. Dabei setzen sich beide für seine
musikalische Förderung und sportliche Betätigung ein, fördern seiner sozialen Kontakte
und Interessen und geben ihm Sicherheit durch eine klare Tagesstruktur. Beide Eltern
verfügen auch über eine hinreichende Bindungstoleranz. Insbesondere sprachen sie
während der Begutachtung in wertschätzender Art und Weise über den jeweils anderen
und waren sich dessen hoher emotionaler Bedeutsamkeit für das Kind bewusst.
M… hat zu beiden Elternteilen sehr enge emotionale Beziehungen und sichere Bindungen.
Beide sind für ihn Hauptbezugspersonen, ohne dass es eine eindeutige emotionale
Präferenz für ein Elternteil gebe.

Bis zur Trennung seiner Eltern lebte M… im gemeinsamen Haushalt der Eltern. Seitdem
hat er zwar seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Durch den umfangreichen Umgang
ist ihm aber auch der Vater als Hauptbezugsperson erhalten geblieben. Die räumliche
Kontinuität wurde zum Teil dadurch gewahrt, dass er auch nach dem Umzug der Mutter
weiterhin die Kita in Wohnortnähe besuchen konnte. M… hat in der Umgebung beider
Elternteile Freunde gefunden. Die Sachverständige hat überdies gut nachvollziehbar
dargelegt, dass die mit der Betreuung in beiden Haushalten einhergehende
Erziehungsvielfalt nicht als Belastung, sondern als bereichernd für die Entwicklung von
M… angesehen werden muss.

Angesichts dessen, dass der Vater M… ohnehin bereits an 6 von 14 Tagen betreut, steht
der Kontinuitätsgrundsatz einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den
Vater nicht entgegen.

Die gilt auch für den Kindeswillen. M… hat sich im Laufe des Verfahrens zwar eher dafür
ausgesprochen, dass alles so bleiben solle wie es sei, insbesondere hat er nicht
ausdrücklich gefordert, bei beiden Eltern gleich viel Zeit zu verbringen. Nach den
Ausführungen der Sachverständigen ist aber davon auszugehen, dass er sich letzteres
auch vorstellen kann und akzeptieren wird, sofern die Eltern nur aufhören zu streiten.
Beide Elternteile sind für ihn – auch in emotionaler Hinsicht – gleich wichtig. Sofern er im
Elternkonflikt mal für den Vater, mal für die Mutter Partei ergriffen hat, beruht dies auf
seiner Ambivalenz. Er fand für beide Positionen eher rationale Begründungen (Schulweg
auf der einen Seite, Gerechtigkeit auf der anderen). Sein vordergründiger Wille bezieht
sich auf die Beendigung des Elternstreits, nicht jedoch auf ein Betreuungsmodell.
Es fehlt den Eltern auch nicht an der für ein paritätisches Wechselmodell erforderlichen
Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Wie die Sachverständige zutreffend
ausgeführt hat, konnten sich die Eltern bislang in allen wesentlichen Dingen –
ausgenommen im Streit um das Wechselmodell – verständigen, und zwar weitgehend
ohne gerichtliche Hilfe. So ist es ihnen beispielsweise gelungen, gemeinsam die Schule zu
bestimmen, die M… nun besucht. Dass die Eltern sich nicht über jede Freizeitaktivität
einigen können, ist kein Grund, ein Wechselmodell nicht zu praktizieren. Auch bei Eltern,
die nicht getrennt leben, kommen solche Meinungsverschiedenheiten vor. Die
Kommunikation, die überwiegend über E-Mails erfolgt, ist sachlich und auf die Belange
des gemeinsamen Kindes beschränkt. Beiden Elternteilen fehlt es darüber hinaus nicht an
der für eine gleichberechtigte Elternschaft erforderlichen grundsätzlichen Wertschätzung
des jeweils anderen. Da die Eltern im Übrigen gemeinsam sorgeberechtigt sind, wäre es
im Interesse ihres Sohnes ohnehin wünschenswert, wenn die Eltern weiter an der
Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit arbeiten.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG; der Wert des Beschwerdeverfahrens
ergibt sich aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 2 Ziffer 1 FamGKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Brandenburg

Erscheinungsdatum:

23.03.2020

Aktenzeichen:

15 UF 68/17

Rechtsgebiete:

Erbenhaftung
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 1671 Abs. 1 S. 2, 1969 Abs. 1