OLG München 17. Juli 2007
31 Wx 060/06
AktG § 304, § 305

Berücksichtigung der Wertsteigerung durch steuerlichen Verlustvortrag bei Ermittlung des Unternehmenswertes für Ausgleichszahlung und Abfindungsangebot an außenstehende Aktionäre bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages und Gewinnabführungsvertrages

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Dokumentnummer: 31 wx 060/06
letzte Aktualisierung: 22.07.2007
OLG München, 17.07.2007 - > 31 Wx 060/06
AktG § 304, § 305
Berücksichtigung der Wertsteigerung durch steuerlichen Verlustvortrag bei Ermittlung
des Unternehmenswertes für Ausgleichszahlung und Abfindungsangebot an außenstehende Aktionäre bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages und Gewinnabführungsvertrages
1. Ein steuerlicher Verlustvortrag ist ein werterhöhender Faktor des Unternehmens, welcher bei der Berechnung von Abfindung und Ausgleich zu berücksichtigen ist. Für die Höhe des Wertes ist der Barwert der zu erwartenden Steuerersparnis maßgebend.
2. Es bestehen keine Einwände gegen die Berücksichtigung latenter Steuern bei
der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.
3. Aus dem Stichtagsprinzip folgt, dass nur solche Umstände für die Bewertung
maßgeblich sein können, welche man bei angemessener Sorgfalt kennen konnte und welche absehbar waren.
4. Bei der Bemessung des Ausgleichs kann nicht betriebsnotwendiges Vermögen, dessen Veräußerung unmittelbar zum Stichtag bevorsteht, berücksichtigt
werden.
5. Für die Berechnung des Ausgleichs ist die Heranziehung eines risikoangepassten Berentungszinssatzes nahe liegend.


-2Sachverhalt:
Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 (Gesellschaft) war im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand Beschaffung, Veredelung, Verarbeitung, Vertrieb, Handel, Transport und Vermittlung von folgenden Erzeugnissen, deren Vor-,
Zwischen-, Neben- und Abfallprodukte sowie von ähnlichen Waren: Holz, Zellstoff,
Papier, Pappe, Verpackungsmittel, Werbemittel, Druckerzeugnisse, Kunststoffe, Fasern, Fließstoffe, Pharmazeutika, Erzeugnisse der Chemie, Watte, Reinigungsmittel,
Erzeugnisse der Gesundheits- und Körperpflege, Nahrungsmittel sowie von dazugehörigen Geräten, Maschinen und Produktionsmittel sowie mit dem Geschäftsgegenstand der Erbringung und Vermittlung von zusammenhängenden Dienstleistungen eingetragen.
Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 schloss am 29.8.1997 mit der Antragsgegnerin zu 2 als herrschender Gesellschaft einen Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag. Die Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft hat mit Beschluss vom 17.10.1997 dem Vertrag zugestimmt. Der Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag sieht in § 4 eine Barabfindung in Höhe von DM 281,-- je Aktie im Nennbetrag von DM 50,-- und in § 3 einen Ausgleich von DM 17,-- je Aktie im Nennbetrag
von DM 50,-- vor.
Das Grundkapital der Gesellschaft betrug am 17.10.1997 je DM 354.600.900,--. Es
war eingeteilt in 7.092.018 Inhaberstammaktien zum Nennwert von je DM 50,--. Der
Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag wurde am 27.10.1997 im Handelsregister
eingetragen. Die Antragsgegnerin zu 2 hielt am 17.10.1997 75,65 % am Grundkapital
der beherrschten Gesellschaft.
Die Gesellschaft wies im Wesentlichen drei Kerngeschäftsfelder auf:
Ergänzend hierzu wurden unterstützende Geschäfte betrieben.
Das Geschäftsfeld Feinpapiere wurde zum 1.10.1999 in ein hälftiges Joint Venture mit
der Gesellschaft (im Folgenden: Mo Do) eingebracht. Das Gemeinschaftsunternehmen wurde im Jahr 2000 an die Metsä Serla Corporation zu einem anteiligen Gesamtkaufpreis von DM 1,6 Mrd. verkauft.
Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme mit Beschluss vom
14.10.2004 die Barabfindung aus dem Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag auf
188,67 € je Aktie im Nennbetrag von DM 50,-- und den Ausgleich auf 17,32 € brutto je
Aktie im Nennbetrag von DM 50,-- abzüglich der auf inländische Erträge (41 %) entfallenden Körperschaftsteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden Tarifs festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss legten folgende Verfahrensbeteiligte Rechtsmittel ein:
die Antragstellerin zu 13
am 3.11.2004
der Antragsteller zu 20
am 8.11.2004
die Antragstellerin zu 5
am 9.11.2004
die Antragsteller zu 7 und 24
am 9.11.2004
die Antragstellerin zu 15
die Antragstellerin zu 16
die Antragstellerin zu 19
der Antragsteller zu 14
der Antragsteller zu 17
die Antragsteller zu 2, 3, 4 und 10
der Antragsteller zu 9
die Antragstellerin zu 23
die Antragstellerin zu 8
am 9.11.2004
am 11.11.2004
am 10.11.2004
am 10.11.2004
am 10.11.2004
am 10.11.2004
am 10.11.2004
am 11.11.2004
am 29.11.2004.
Die Antragsgegnerinnen legten gegen die Festsetzung des Geschäftswerts in erster
Instanz am 12.11.2004 Beschwerde ein.
Die Antragsgegnerinnen legten am 18.4.2005 Anschlussbeschwerde ein.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die kommissarische Einvernahme der schwedischen Zeugen G G und S M sowie durch Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Z in der mündlichen Verhandlung am 15.5.2007. Die Rechtsmittel der Verfahrensbeteiligten haben in unterschiedlichem Umfang Erfolg. Über sie ist nach den Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 SpruchG).
Der Senat setzt nach Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung
vom 15.5.2007 die Abfindung auf 231,60 € zuzüglich Zinsen je Aktie im Nennwert von
50,- DM fest. Sie ist somit höher als im Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag vom
29.8.1997 vorgesehen.
Aus den Gründen:
1. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag muss gemäß § 305 Abs. 1
AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3
AktG) muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer
Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG).
Maßgeblicher Stichtag ist somit der 17.10.1997.
Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen
wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284;
100, 289/304; BGH AG 2003, 627/628; BayObLG NJW-RR 1996, 25/26; Hüffer AktG
7. Aufl. § 305 Rn. 8; MünchKomm AktG/Bilda 2. Aufl. § 305 Rn. 59). Zur ermitteln ist
der Grenzwert, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136/140).
2. Der in erster Instanz vom Gericht bestellte Sachverständige, dessen gutachtliche
Stellungnahmen auch Grundlage für die weiteren Berechnungen des Senats sind, hat
bei der Ermittlung des Werts die Ertragswertmethode angewendet. Dies entspricht der
nahezu durchgängigen Praxis der Gerichte (vgl. BGH AG 2003, 627/628; BayObLGZ
1998, 231/235). Eine bestimmte Bewertungsmethode zur Ermittlung der angemessenen Abfindung ist allerdings rechtlich nicht vorgeschrieben (vgl. OLG München AG
2007, 411; KK-SpruchG/Riegger Anhang zu § 11 Rn. 4). Nach der Ertragswertmethode bestimmt sich der Unternehmenswert nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens. Er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Der Ertragswert eines Unternehmens ist der Unternehmenswert, der durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen
abgeleitet werden, gewonnen wird (vgl. IDW S1 Tz. 111).
Zu berücksichtigen ist bei der gerichtlichen Bewertung der die Unternehmenswerte
ermittelnden Gutachten jedoch, dass sie nach ihren zugrunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein können, mathematisch einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert am Stichtag festzustellen. Dem Gericht kommt somit die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert, der Grundlage für die Abfindung ist, im Wege der Schätzung nach
§ 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (BGH ZIP 2001, 734/736; OLG Stuttgart ZIP 2004,
712/714). Nachdem auch das gutachtliche Ergebnis letztlich nur eine Schätzung des
Unternehmenswerts darstellt, müssen es die Verfahrensbeteiligten hinnehmen, dass
eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung existiert
(vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41/43) und das erkennende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGH NJW -RR
2002, 166/167; Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 287 Rn. 10) hieraus einen Wert festsetzt.
Der auf der Grundlage eines so ermittelten Unternehmenswerts festgesetzte angemessene Abfindungsbetrag bedarf gegebenenfalls einer Korrektur anhand des Börsenkurses (vgl. BVerfGE 100, 289/307). Eine solche verfassungsrechtlich gebotene
Korrektur ist hier jedoch nicht vorzunehmen, da der berücksichtigungsfähige Aktienkurs deutlich unterhalb der rechnerisch ermittelten Abfindung liegt.
3. Der Senat schätzt unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze den Unternehmenswert als Ausgangsparameter für die Bemessung der angemessenen Abfindung
zum Stichtag auf 3.212 Mio. DM (§ 287 Abs. 2 ZPO). Grundlage für die Schätzung
sind die Gutachten des Sachverständigen, seine mündlichen Erläuterungen in der
Verhandlung vor dem Senat, die Erwägungen der Verfahrensbeteiligten hierzu sowie
die eigenen Berechnungen und die Rechtsauffassung des Senats.
Der Senat folgt für die Schätzung des Unternehmenswertes nur überwiegend dem
Landgericht und dem Sachverständigen.
a) Der Ansatz eines für die Planungsphasen I und II gespaltenen Basiszinssatzes entspricht auch nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen heute nicht mehr
der üblichen Bewertungspraxis. Zwar bestehen keine rechtlichen Hinderungsgründe,
für die beiden Planungsphasen unterschiedliche Basiszinssätze zu verwenden (vgl.
BayObLG AG 2006, 41/44). Nachdem aber der Anwendung eines einheitlichen Basiszinssatzes im Beschwerdeverfahren nichts entgegensteht, ist diese Vorgehensweise
vorzugswürdig. Der Sachverständige und mit ihm das Landgericht legen für die erste
Prognosephase von etwas mehr als drei Jahren die Umlaufrendite von öffentlichen
Anleihen mit einer Restlaufzeit von drei bis vier Jahren zugrunde. Eine solche Vorgehensweise würde dazu führen, dass sich der Basiszinssatz für die Planungsphase I
nach der letztlich nicht normierten Länge dieses Zeitraums bestimmt. In den verschiedenen Spruchverfahren ist es keineswegs so, dass dieser erste Planungszeitraum
stets in etwa drei Jahre beträgt. Bei Zugrundelegung eines auf die Länge des ersten
Planungszeitraums bezogenen Basiszinssatzes würde nicht zureichend dem Umstand
Rechnung getragen, dass bei der Kapitalisierung der Unternehmenserträge in der Regel von der unbegrenzten Zeitdauer des Unternehmens ausgegangen wird.
Es ist betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu
kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss (IDW S1 Tz 124). Daher hält der Senat die Ermittlung des Basiszinssatzes unter Hinzuziehung der Nelson-Siegel-Svensson-Funktion für geeignet (vgl.
OLG München ZIP 2006, 1722/1725; AG 2007,411/412; Reuter AG 2007, 1/2; IDW S1
Tz 127). Unter Berücksichtigung dieser Berechnungsweise ergibt sich nach der Methode des IDW zur Berechnung eines internen Zinsfußes für den Stichtag ein Wert
von 6,35 %. Dieser Wert entspricht in etwa dem Basiszinssatz von 6,5 %, den der
Sachverständige für die Planungsphase II zugrunde legt. Nachdem keine durchgreifenden Gründe für die Spaltung des Basiszinssatzes in den verschiedenen Planungsphasen ersichtlich sind, nimmt der Senat als Schätzungsgrundlage für die Bemessung
des Unternehmenswertes für die Kapitalisierung der Erträge in allen Planungsphasen
einen Wert von 6,5 Prozentpunkten an.
b) Den vom Sachverständigen und ihm folgend vom Landgericht angenommenen Risikozuschlag sieht der Senat als nicht geeignet an, um hier zu einer angemessenen
Abfindung zu gelangen. Der Ansatz eines Risikozuschlags zur Abgeltung des sich im
Vergleich zu den Erträgen aus öffentlichen Anleihen aus unternehmerischer Betätigung ergebenden zusätzlichen Risikos ist im Grundsatz anerkannt (vgl. BGHZ 156,
57/63; BayObLG AG 2006, 41/44; OLG Stuttgart AG 2007, 128/133; OLG München
ZIP 2007, 375/378; OLG Düsseldorf AG 2004, 324/329), aber nicht unbestritten (vgl.
Großfeld Unternehmens- und Anteilsbewertung 4. Aufl. S. 125 f m.w.N).
Der Sachverständige hat seinen Wert im Hinblick auf die Höhe der Risikozuschläge,
die bisher von der Rechtsprechung anerkannt worden sind, sowie in Würdigung der
Tatsache, dass die speziellen Risiken insbesondere aufgrund der gutachterlichen Korrekturen ausschließlich im Risikozuschlag erfasst werden, mit 4 % bemessen. Dabei
weist der Sachverständige in seinem Gutachten vom 29.1.2001 darauf hin, dass in der
Vergangenheit die von der Rechtsprechung anerkannten Risikozuschläge größenordnungsmäßig bei etwa 2 % lagen (vgl. Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. 3. Kap Rn. 130). Neuere Kapitalmarktstudien, das CAPM und der
Umstand, dass die Risken der unternehmerischen Betätigung nunmehr allein im Risikozuschlag abgebildet werden, haben den Sachverständigen dazu bewogen, einen
Risikozuschlag von 4 % für angemessen zu erachten.
Demgegenüber folgt der Senat insbesondere bei Sachverhalten, die noch nicht unter
den Anwendungsbereich der Bewertungsvorschriften IDW S 1 vom 18.10.2005 fallen,
weiterhin der Auffassung, wonach Risikozuschläge abweichend von 2 % einer besonderen Begründung bedürfen (BayObLG AG 2006, 41/44; OLG München AG 2007,
287/290;OLG München AG 2007, 411/412). An dieser Auffassung wird festgehalten,
weil diese Vorgehensweise in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit in der Lage war, der gesetzlichen Anforderung, eine
angemessene Abfindung für die beeinträchtigten Aktionäre festzusetzen, gerecht zu
werden. Es besteht von Rechts wegen keine Verpflichtung auf das CAPM zur Ermittlung des Risikozuschlags zu wechseln, da sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand
nicht der Nachweis führen lässt, dieses Modell sei der bisherigen Zu-/Abschlagsmethode überlegen und weniger willkürlich (Reuter AG 2007, 1/5 und 12). Die Bemessung des Risikozuschlags nach CAPM ist bei dem hier gegebenen Stichtag ohnehin nicht einschlägig, da die damals geltenden Bewertungsgrundsätze der Wirtschaftsprüfer diese Methode noch nicht vorgegeben hatten.
Bei jeder Bemessung eines Risikozuschlag in Spruchverfahren bedarf es der Beachtung, dass der Risikozuschlag ein Manipulationsinstrument erster Ordnung ist (so:
Großfeld S. 128). Während die Antragsteller an einem möglichst niedrigen Risikozuschlag interessiert sind, verfechten die Antragsgegner einen möglichst hohen, der zu
niederen Unternehmenswerten und somit zu geringeren Abfindungen führt. Neue Methoden zur Berechnung des Risikozuschlags müssen somit hinterfragt werden, ob sie
methodisch langfristig besser geeignet sind als die bisherige Vorgehensweise.
Die eingehende Erörterung der Struktur des zu bewertenden beherrschten Unternehmens in den beiden Instanzen hat keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass es besonderen Risiken im Marktumfeld ausgesetzt ist, welche eine nachhaltige Erhöhung
des vom Senat regelmäßig als angemessen angesehenen Risikozuschlags fordern
würden. Der Sachverständige hat aufgezeigt, dass die zur Bewertung der Risikoklasse heranzuziehenden Betafaktoren bei einer Gesamtbetrachtung eher eine unterdurchschnittliche Größenordnung aufweisen. Auch war die starke Marktstellung des
bewerteten Unternehmens nicht umstritten. Bei dem Geschäftsfeld „Hygienepapiere“,
welches den Hauptumsatz des bewerteten Unternehmens ausmachte, herrschte zum
Bewertungsstichtag ein stark konzentrierter Markt mit wenigen großen Mitbewerbern.
Dabei war die Gesellschaft selbst zweitgrößte Tissue-Produzentin Europas. Als
Hauptschwierigkeit sah der Sachverständige die starken Preisschwankungen auf den
Absatz- und Beschaffungsmärkten an. Ferner wurde der Preisdruck hervorgehoben,
welcher von den großen Handelsketten ausgeht. Der Sachverständige führte in der
Anhörung in erster Instanz schließlich aus, dass er angesichts der Lage des Unternehmens das Risiko eher am unteren Rand ansiedle. Der Sachverständige führte für
seinen Risikozuschlag schließlich an, dass die speziellen Risiken des Unternehmens
nicht mehr bei der Bemessung der künftig zu erzielenden Überschüssen angesetzt
worden sind, sondern allein beim Risikozuschlag. Nachdem die vom Sachverständigen für die Jahre 1997 und 1998 angestellten Prognosen sich im Vergleich zu den IstWerten als nicht verfehlt herausgestellt haben, wie sich aus der für den Senat erstellten Stellungnahme vom 7.5.2007 ergibt, sieht der Senat zur Festsetzung einer angemessenen Abfindung keine Notwendigkeit, den Risikozuschlag nachhaltig anzuheben.
Unter Berücksichtigung aller Umstände hält der Senat einen Risikozuschlag von 2,5 %
für angemessen und ausreichend (vgl. auch OLG München AG 2007, 411/413).
c) Zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung ist es ferner gerechtfertigt, für den
Zeitraum der ewigen Rente einen Wachstumsabschlag vorzusehen (vgl. BayObLG
AG 2006, 41/44; OLG Stuttgart AG 2007, 128/135; IDW S1 Tz. 107). Der Ansatz eines
Wachstumsabschlags ist geboten, nachdem in der ewigen Rente ein nominales
Wachstum nicht berücksichtigt ist. Folglich könnten ohne Ansatz eines Wachstumsabschlags die nominalen finanziellen Überschüsse aufgrund von Preissteigerungen oder
aufgrund von Mengen- und Strukturveränderungen nicht mehr berücksichtigt werden.
Der Sachverständige hält einen Wachstumsabschlag von 1 % für gerechtfertigt. Der
angesetzte Wert hält sich im Rahmen dessen, was die Rechtsprechung als geeignet
für die Ermittlung einer angemessenen Abfindung angesehen hat (vgl. BayObLG DB
2002, 36/37; OLG München AG 2007, 290; OLG Stuttgart AG 2007, 128/135). Ein
höherer Wert wäre nicht gerechtfertigt, nachdem der Sachverständige begründet dargelegt hat, dass die beherrschte Gesellschaft insbesondere auf ihrem Kernmarkt mit
starken Preisschwankungen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten zu kämpfen
hatte.
d) In Bezug auf die kontroversen Auffassungen, ob der Unternehmenswert vor oder
nach persönlichen Steuern zu bemessen ist, folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Das Landgericht hat entsprechend den damals zum
Bewertungsstichtag geltenden Bewertungsgrundsätzen des HFA 2/1983 eine Bewertung vor persönlichen Steuern vorgenommen. Hiergegen sind keine Einwände zu erheben. Der Sachverständige hat jedoch unter Berücksichtigung der neueren Erkenntnisse der Ermittlung des Unternehmenswerts und unter Berücksichtigung der Zahlungsstromorientierung den Unternehmenswert nach Abzug der persönlichen Steuern
der Unternehmenseigner festgesetzt (vgl. IDW S1 Tz. 24, 101). Die Nachsteuerbetrachtung ist derzeit herrschend (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 536; AG 2007,
128/134; OLG München ZIP 2007, 375/379; ZIP 2006, 1722/1725; Reuter AG 2007,
1/6), wenngleich sich Einwände in der betriebswirtschaftlichen Literatur finden (vgl.
hierzu: OLG Stuttgart ZIP 2007, 530/536 f.). Für eine Nachsteuerbetrachtung mag
§ 305 AktG sprechen, wonach der außenstehende Aktionär angemessen zu entschädigen ist. Diese Vorschrift legt die individuelle Betrachtung des einzelnen Aktionärs
nahe. Die Entschädigung muss sich bei einer solchen Betrachtung der Anspruchsgrundlage folglich danach bemessen, was der einzelne Aktionär nach den individuellen Verhältnissen für eine etwaige Wiederanlage zur Verfügung hat (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2007, 530/536; Reuter AG 2007, 1/6). Da allerdings eine Vielzahl von außenstehenden Aktionären betroffen ist, kommt man für die Festsetzung einer angemessenen Abfindung nicht umhin, den Ertragssteuersatz zu typisieren. Die für Unternehmensbewertungen gemeinhin angenommene pauschalierte Steuerbelastung von 35
% begegnet keinen grundlegenden methodischen Einwendungen und ist von der
Rechtsprechung überwiegend anerkannt, einen tauglichen Parameter für die Ermittlung des Unternehmenswerts darstellen zu können (OLG München ZIP 2007,
375/379; ZIP 2006, 1722/1725; OLG Stuttgart AG 2007, 128/134; Reuter AG 2007,
1/8). Es bestehen ferner keine grundlegenden Einwände dagegen, eine Nachsteuerbetrachtung auf Sachverhalte anzuwenden, bei welchen die Bewertungsrichtlinien der
Wirtschaftsprüfer eine solche noch nicht vorgesehen haben (vgl. OLG München AG
2007, 411/414).
e) Auch die weiteren Einwendungen der Verfahrensbeteiligten haben die vom Sachverständigen dargelegten Annahmen bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nicht
widerlegen können.
aa) Der Sachverständige hat in beiden Rechtszügen im Einzelnen und überzeugend
dargelegt, weshalb er welche Änderungen bei den Planungen der bewerteten Gesellschaft vorgenommen hat. Dabei handelte es sich um Ergebnis mindernde Korrekturen
von Rechenfehlern sowie um Ergebnis erhöhende Korrekturen aufgrund unplausibler
Planungsprämissen. Die Einwendungen der Antragsgegnerinnen, der Sachverständige habe zu hohe Planwerte angenommen, konnte durch einen Vergleich zwischen
den Planwerten für die Jahre 1997 sowie 1998 und den Ist-Werten für diese Geschäftsjahre widerlegt werden. Der Umstand, dass die Geschäftszahlen der bewerteten Gesellschaften in den Jahren 1999 und 2000 die Planungsdaten nicht mehr erreichen konnten, spricht nicht gegen die methodische Vorgehensweise des Sachverständigen, sondern ist systemimmanente Folge von Prognosen, welche zu einem bestimmten Stichtag erstellt werden müssen.
bb) Mit dem Sachverständigen ist von einem steuerlichen Sonderwert nach persönlichen Steuern in Höhe von 188 Mio. DM bei der Bemessung des Unternehmenswerts
auszugehen.
Ein steuerlicher Sonderwert ergibt sich hier bei der bewerteten Gesellschaft einmal
aufgrund erheblicher Verlustvorträge in Deutschland und im Ausland. Ein Verlustvortrag ist ein werterhöhender Faktor. Dieser ist mit dem Wert anzusetzen, der ihm objektiv zukommt, und zwar unabhängig von den speziellen Verhältnissen eines möglichen
Erwerbers. Entscheidend für die Höhe des Wertes ist der Barwert der zu erwartenden
Steuerersparnis (OLG Düsseldorf NZG 2000, 1081; Peemöller S. 764 f.). Der Sachverständige hat seine Berechnung in beiden Instanzen nachvollziehbar dargelegt.
Der steuerliche Sonderwert ergibt sich zum anderen aus verwendbarem Eigenkapital.
Im Beschwerdeverfahren hat der Sachverständige darauf aufmerksam gemacht, dass
bei den bisherigen Berechnungen offensichtlich eine Eigenkapitalveränderung durch
die Ausschüttung nach der Hauptversammlung im Mai 1997 nicht berücksichtigt worden ist. In der mündlichen Anhörung vor dem Senat hat er ausgeführt, dass sich hierdurch eine Verminderung des bisher angesetzten steuerlichen Sonderwerts um 10
Mio. DM nach Steuern ergibt. Dies hat der Senat bei seinen Berechnungen berücksichtigt. Da hier die Bemessung des Unternehmenswerts nach persönlichen Steuern
erfolgt, ist auch der steuerliche Sonderwert nach persönlichen Steuern anzusetzen.
cc) Schließlich bestehen keine methodischen Einwände gegen die Vorgehensweise
des Sachverständigen, bei der Berechnung des Liquidationswerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens die steuerlichen Folgen einer Veräußerung anzusetzen. Die
Berücksichtigung persönlicher Steuern bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ist in Literatur und Rechtsprechung strittig (vgl. BayObLG AG 2006,
41/44; Großfeld S. 172 f.). Gegen die Berücksichtigung von latenten Steuern bestehen
insbesondere nach neurer Auffassung keine grundsätzlichen Einwände (vgl. OLG
München ZIP 2007, 375/379 m.w.N.). Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil die
Veräußerung des weit überwiegenden Teils des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zum Stichtag bereits erfolgt bzw. fest geplant war.
4. Mit dem Landgericht und dem Sachverständigen ist entgegen der Auffassung der
Antragsteller der Verkauf der Anteile der Gesellschaft an dem die FeinpapierAktivitäten betreibenden Gemeinschaftsunternehmen MoDo Paper AB bei der Schätzung des Unternehmenswertes nicht zu berücksichtigen.
a) Für die Unternehmensbewertung zur Ermittlung der angemessenen Abfindung gilt
das Stichtagsprinzip (vgl. § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG; BGHZ 138, 136/140; 140,
35/38;). Die Bewertung ist unter dem Blickwinkel der Verhältnisse des Stichtags des
Beschlusses der Hauptversammlung über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorzunehmen. Maßgeblich ist grundsätzlich, was man bei angemessener
Sorgfalt zum Stichtag wissen konnte und was absehbar war (KK-SpruchG/Riegger
Anh. zu § 11 Rn. 11; vgl. BayObLG DB 2001, 1928/1929; OLG Stuttgart AG 2004,
43/44). Zukünftig nachweisbare Erfolgschancen können bei der Bewertung der Ertragskraft nur berücksichtigt werden, wenn die Voraussetzung der Nutzung dieser
Chancen bereits am Stichtag im Ansatz geschaffen sind (vgl. BGHZ 140, 35/38). Als
Ausgangspunkt für die Ermittlung des Ertragswerts des Unternehmens kommen nur
Organisationsverhältnisse und Strukturen in Betracht, die am Stichtag vorhanden waren (vgl. BGH aaO). Jedoch müssen Entwicklungen, die erst später eintreten, aber
schon in den am Stichtag bestehenden Verhältnissen angelegt sind, berücksichtigt
werden (BGHZ 138, 136/140; OLG München AG 2005, 486/488; Großfeld S. 59 f.;
Hüffer § 305 Rn. 23; KK-SpruchG/Riegger Anh. zu § 11 Rn. 12).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landgericht zu Recht zu der Auffassung
gelangt, dass der Kaufpreis aus dem Unternehmensverkauf im Jahr 2000 bei der
Festlegung des Unternehmenswerts zum 17.10.1997 nicht zu berücksichtigen ist.
Verschiedene Antragsteller leiten die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Verkaufs der Joint-Venture-Beteiligung an MoDo Paper AB insbesondere aus einer Mitteilung der Antragsgegnerin zu 1 an ihre Aktionäre im Juli 1999 her, in welcher um Zustimmung für die Zusammenführung des Geschäftsbereichs Graphische Papiere mit
den Feinpapier-Aktivitäten von MoDo in der neuen MoDo Paper AB bei der Hauptversammlung am 20.8.1999 geworben wurde. Die Antragsteller halten die Berücksichtigung der Erlöse aus dieser Organisationsmaßnahme für geboten, weil die Verlautbarung an die Aktionäre die Aussage enthielt, dass mit dem Verkauf das seit 1995 verfolgte strategische Konzept einer „Fokussierung auf Hygiene-Produkte“ abgeschlossen werden solle.
Das Landgericht hat zu diesem Fragenkreis verschiedene Zeugen vernommen und
kam zu dem Ergebnis, dass es zum Stichtag keine hinreichenden Überlegungen zum
Verkauf der Feinpapier-Aktivitäten der Antragsgegnerin zu 1 gegeben hatte. Diese
nicht zu beanstandende Schlussfolgerung wurde auch nicht durch die ergänzende
Beweisaufnahme des Senats in Frage gestellt. Der Senat hat auf Antrag der Antragsteller zu 17 und 18 zwei zum Zeitpunkt des Stichtags maßgebliche Mitglieder der
Konzernmuttergesellschaft SCA in Schweden kommissarisch einvernommen.
Das Aufsichtsratsmitglied der SCA G G konnte nicht bestätigen, dass es zum Stichtag
oder davor strategische Überlegungen gegeben hatte, die Feinpapier-Aktivitäten der
Gesellschaft zu veräußern bzw. auszugliedern. Seiner Erinnerung nach war Strategie
des Konzerns, die drei wesentlichen Geschäftsbereiche zu behalten. Auch der frühere
CEO der SCA S M verneinte, dass es seit 1995 Konzernstrategie der SCA gewesen
sei, die Gesellschaft auf den Bereich der Hygiene-Papiere zu fokussieren. Vielmehr
zielte die Strategie darauf ab, die Aktivitäten von SCA und PWA (Gesellschaft) auf
den Kerngebieten Tissue-Papier, Feinpapier und Verpackungen optimal zu koordinieren. Der Zeuge konnte sich ferner nicht daran erinnern, dass die SCA jemals eine
Entscheidung getroffen habe, sich nur auf den Bereich der Tissue-Papiere zu konzentrieren. Nach dessen Erinnerung gab es im Oktober 1998 im Aufsichtsrat der SCA
Überlegungen, ob alle Feinpapier-Aktivitäten verkauft werden sollten. Ein Beschluss
des Aufsichtsrats, dass sich SCA auf dem Bereich der Hygiene-Papiere konzentrieren
solle, sei aber nie getroffen worden. Zur PWA führte der Zeuge aus, weder im Oktober
1997 noch früher sei anderes entschieden worden, als dass die Gesellschaft aus den
drei genannten Geschäftsbereichen bestehen solle. Noch im Frühjahr 1998 habe es
bei PWA Verhandlungen über eine Erweiterung des Bereichs der graphischen Papiere
gegeben. Erst im Herbst 1998 habe es einen Vorschlag zur Veräußerung des Bereichs der Feinpapiere gegeben. Ende Oktober 1998 seien hierzu die Entscheidungen
getroffen worden.
Der Senat berücksichtigt das Interesse der Zeugen an dem Verfahrensausgang. Die
insbesondere von dem früheren Vorsitzenden angegebene zeitliche Dimension findet
sich aber auch in der bereits zitierten Mitteilung an die Aktionäre aus dem Monat Juli
1999 wieder, in welcher ausgeführt wird, dass die vollständige Konzentration der Gesellschaft auf Hygiene-Produkte ursprünglich im Herbst 1998 erfolgen sollte. Seinerzeit sei vorgesehen gewesen, die Geschäftsbereiche Verpackungen und graphische
Papiere an andere Gesellschaften des SCA-Konzerns zu veräußern und hierfür die
Zustimmung der Aktionäre in einer außerordentlichen Hauptversammlung am
21.10.1998 einzuholen. Eine Veräußerung an eine SCA-Gesellschaft war damals
auch für die graphischen Papiere ins Auge gefasst worden, weil hierdurch die Fokussierung auf Hygiene-Produkte am schnellsten und unkompliziertesten hätte realisiert
werden können. Vor dem Hintergrund einer unerwarteten Belebung des Interesses
Dritter am Geschäftsbereich Graphische Papiere habe sich die Geschäftsleitung jedoch kurzfristig entschieden, von der Herbeiführung einer Beschlussfassung auf der
Hauptversammlung am 21.10.1998 abzusehen, um im Interesse aller Beteiligten die
plötzlich eröffneten strategischen Handlungsoptionen erneut zu bewerten. Hieraus
lässt sich schließen, dass selbst im Jahr 1998 noch nicht eindeutig entschieden war,
das Geschäftsfeld der graphischen Papiere der Gesellschaft endgültig abzugeben.
Unter Berücksichtigung aller Beweismittel in beiden Instanzen vermag der Senat nicht
zu der Überzeugung zu gelangen, dass die Ausgliederung des bezeichneten Geschäftsbereichs am Stichtag bereits in einer Weise absehbar war, welche es erforderlich macht, die Aktionäre an dem Erlös der erst im Jahr 2000 erfolgten Veräußerung
des Geschäftsfelds der graphischen Papiere zu beteiligen. Die Erlöse aus der JointVenture-Beteiligung an der MoDo Paper AB sind bei dem Unternehmenswert nicht zu
berücksichtigen, weil es sich bei dieser Beteiligung nicht um einen Umstand handelte,
welcher bereits kausal in weiterem Sinne in den Verhältnissen des Stichtags angelegt
war (vgl. BGHZ 138, 136/140). Nachdem der Geschäftsbereich Graphische Papiere
zum Stichtag tragender Teil der Gesellschaft war, besteht auch für die Behandlung
dieses Geschäftsfelds als nicht betriebsnotwendiges Vermögen der Gesellschaft kein
Raum. Dieses Ergebnis entspricht auch den Ermittlungen des Sachverständigen, die
dieser zuletzt in seiner Stellungnahme vom 7.5.2007 zusammengefasst hat.
5. Nach alledem erfolgt die Berechnung der Abfindung wie folgt:
Basiszinsfuß
Phase I
6,50%
Phase II
6,50%
Risikozuschlag
Wachstumsabschlag
Steuersatz
Kapitalisierungszins
Stichtag
Jahre bis Stichtag
Zufluß
Ausschüttungsf. Ergebnis
(in Mio. DM)
Zinssatz
Barwertfaktor
Barwert
Summe Barwerte
(in Mio DM)
nichtbetriebsnotw Verm.
Sonderwerte Steuer
Unternehmenswert
Abfindung
2,50%
0,00%
35,00%
5,85%
2,50%
1,00%
35,00%
4,85%
17.10.1997
0,70
1,70
2,70
Rente
30.06.1998 30.06.1999 30.06.2000 30.06.2001 30.06.2001
5,850%
0,96083
5,850%
0,90773
5,850%
0,85756
5,850%
0,81017
4,850%
16,70450
2.456
DM
EUR
452,90
231,57
2.900
3.212
Abfindung
Anzahl der Aktien
3,70
7.092.018
Somit ergibt sich ein (gerundeter) Abfindungsbetrag von 231,60 € je Aktie. Dieser Betrag unterliegt der vom Landgericht bereits ausgesprochenen gesetzlichen Verzinsung
(§ 305 Abs. 3 Satz 3 AktG). Für eine zusätzliche Verzinsung in entsprechender Anwendung von § 288 BGB gibt es keine Rechtsgrundlage.
III.
Der Senat setzt den Ausgleich auf 16,20 € brutto je Aktie fest.
1. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag für die außenstehenden Aktionäre eine angemessene Ausgleichszahlung durch eine auf die
Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung vorsehen. Für die
Bemessung des festen Ausgleichs ist nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG der durchschnittliche, auf die einzelnen Aktionäre zu verteilende Gewinnanteil zu ermitteln, der sich
nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten ergibt, die sie als unabhängiges, durch einen Beherrschungsvertrag nicht gebundenes Unternehmen hätte (BGHZ 138, 136/140; 156, 57/60). Der Ausgleichsanspruch
tritt an die Stelle der notwendig ausfallenden Dividende (vgl. BGHZ 156, 57/61; BayObLG AG 2002, 390/301).
2. Bei der Berechnung des angemessenen Ausgleichs ist nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Bruttogewinnanteil je Aktie abzustellen. Hiervon ist die
Körperschaftsteuerbelastung in der jeweils gesetzlich angegebenen Höhe abzusetzen
(BGHZ 156, 57/61). Der Bruttogewinnanteil ist aus dem Ertragswert herzuleiten
(BGHZ 156, 57/63; OLG München AG 2007, 287/292).
Bei der Ermittlung des Ertragswerts für die Bemessung des Ausgleichs sind persönliche Steuern nicht zu berücksichtigen (OLG München AG 2007,411/414), denn seit der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.7.2003 ist der Ausgleich als durchschnittlicher Bruttogewinnanteil je Aktie zu bestimmen (BGHZ 156, 57). Der Senat
schätzt den für die Bemessung des angemessenen Ausgleichs heranzuziehenden
Unternehmenswert auf 2.894 Mio. DM (§ 287 Abs. 2 ZPO).
a) Der Senat folgt dem Sachverständigen insoweit, als er nicht betriebsnotwendiges
Vermögen und steuerliche Sonderwerte bei der Bemessung des Ausgleichs berücksichtigt. Nach herrschender Rechtsprechung sind Vermögenswerte, die auf den Ertrag
keinen Einfluss haben, grundsätzlich nicht in die Berechnung des Ausgleichs mit einzubeziehen (BGHZ 156, 57/64; OLG München AG 2007, 287/291; BayObLG AG
2006, 41/45; OLG Stuttgart AG 2004, 43; a.A. Simon/Leverkus SpruchG Anh. zu § 11
Rn. 24). Abweichend hiervon ist ein Wertansatz nicht betriebsnotwendigen Vermögens auch bei Berechnung des Ausgleichs anzusetzen, soweit zum Stichtag bereits
eine Veräußerung erfolgt ist (vgl. BayObLG AG 2002, 390/391; OLG Düsseldorf AG
2000, 323/325; KK-AktG/Koppensteiner 3. Aufl. § 304 Rn. 67). Dabei handelt es sich
genau genommen um eine Umwandlung von nicht betriebesnotwendigem Vermögen
in Finanzmittel, welche stets die Vermutung der Betriebsnotwendigkeit für sich haben
(BayObLG AG 2006, 41/44). Der Ansatz eines Sonderwerts für das veräußerte nicht
betriebsnotwendige Vermögen ist methodisch nicht zu beanstanden, da die erlösten
Finanzmittel einen künftigen Beitrag zu dem Finanzergebnis der Gesellschaft leisten.
Somit sind sie für die Bemessung der Ausgleichszahlung als durchschnittlicher Bruttodividende zu berücksichtigen. Nichts anderes gilt für die steuerlichen Sonderwerte in
Gestalt der Verlustvorträge und des verfügbaren Eigenkapitals. Die Berücksichtigung
als Sonderwert erscheint methodisch sachgerecht.
b) Für die Bemessung des Verrentungszinssatzes legt der Senat einen risikoadjustierten Zinssatz in Höhe von 7,75 % zugrunde. Abweichend von den Berechnungen des
Sachverständigen hält es der Senat bei der Berechnung des angemessenen Ausgleichs nicht für geboten, den Kapitalisierungszinssatz zur Gänze für die Verrentung
des ausgleichsbezogenen Unternehmenswerts heranzuziehen (vgl. OLG München
AG 2007, 411/414). Der Senat folgt jedoch den überzeugenden theoretischen Darlegungen des Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7.5.2007,
wonach wegen der unterschiedlichen Risikostruktur zwischen der Dividende und dem
Ausgleich ein risikoangepasster Verrentungszinssatz nahe läge (vgl. auch Peemöller
S. 739/740). Die Ytong-Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht einer solchen Berechnungsweise nicht entgegen, da sich das Gericht nicht näher mit der rechtlich gebotenen Art und Weise der Berechnung des angemessenen Ausgleichs auseinandergesetzt hat. Die Darlegungen des Sachverständigen in seinen Stellungnahmen vom
27.7.2004 und 7.5.2007 bestimmen die Überlegungen des Senats ferner dahingehend, hier bei dem Verrentungszinssatz keinen Wachstumsabschlag zu berücksichtigen.
c) Der Senat folgt dem Landgericht hinsichtlich des eingeschränkten Abzugs der Körperschaftsteuerbelastung von der Bruttodividende. Die Gesellschaft unterliegt nur mit
ihren inländischen Erträgen der Körperschaftsteuer. Diese machen in den betrachteten Zeiträumen nach den Darlegungen des Sachverständigen durchschnittlich 41 %
der Gesamterträge aus. Dieser Umstand kann bei der Festlegung des angemessenen
Ausgleichs als Bruttobetrag nicht außer Ansatz bleiben. Das Landgericht hat in seiner
Entscheidung dahingehend tenoriert, dass von dem Bruttoausgleichsbetrag je Aktie
41 % der entfallenden Körperschaftsteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden
Tarifs abzuziehen sind. Eine solche Vorgehensweise hielt der Sachverständige bei
der Erörterung vor dem Senat für methodisch brauchbar und angemessen. Es sind im
Übrigen keine Anhaltspunkte erkennbar, welche sachlich gegen die vom Landgericht
gewählte Tenorierung sprechen könnten.
Für die Berechnung des Ausgleichs ergibt sich nach alledem folgendes Bild:
Basiszinsfuß
Risikozuschlag
Wachstumsabschlag
Steuersatz
Kapitalisierungszins
Stichtag
Jahre bis Stichtag
Zufluß
Ausschüttungsf. Ergebnis
Phase I
6,50%
2,50%
0,00%
Phase II
6,50%
2,50%
1,00%
9,00%
8,00%
17.10.1997
0,70
30.06.1998
1,70
2,70
3,70
Rente
30.06.1999 30.06.2000 30.06.2001 30.06.2001
9,000%
0,94123
9,000%
0,86352
9,000%
0,79222
9,000%
0,72681
Sum. BWZinssatz
Barwertfaktor
Barwert
Summe Barwerte
(in Mio DM)
Sonderwerte Steuer
nichtbetriebsnotw. Verm.
8,000% Faktor
9,08506
12,40884
2.062
2.706
Verrentungszinssatz
7,75%
MioDM
224,29
DM
Unternehmenswert Ausgleich
Anzahl der Aktien
2.894
Ausgleich
EUR
31,63
16,17
7.092.018
Hieraus ergibt sich ein Ausgleichsbetrag brutto von 16,17 € je Aktie, gerundet 16,20 €.
Der Ausgleichsbetrag ist somit geringer als in der Entscheidung des Landgerichts
festgesetzt. Insoweit hat die Anschlussbeschwerde teilweise Erfolg.
IV.
1. Für die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens ist das Spruchverfahrensgesetz anwendbar (§ 17 Abs. 2
SpruchG). Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG sind die Gerichtskosten zweiter Instanz
von den Antragsgegnerinnen zu tragen. Das Ergebnis des Verfahrens der sofortigen
Beschwerde gibt keinen Anlass, eine abweichende Entscheidung zu treffen. Nach §
15 Abs. 4 SpruchG war anzuordnen, dass die Antragsgegnerinnen die den Antragstellern entstandenen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu erstatten
haben, nachdem dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Beschwerdeverfahrens der Billigkeit entspricht. Das Beschwerdeverfahren führte zu einer Heraufsetzung
des Abfindungsbetrags je Aktie gegenüber dem landgerichtlichen Beschluss von
188,67 € auf 231,60 €. Insoweit hatte die Beschwerde der Antragsteller in erheblichem
Umfang Erfolg. Demgegenüber wurde der Abfindungsbetrag von 17,32 € brutto je Aktie auf 16,20 € brutto je Aktie herabgesetzt. Das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde hatte insoweit nur in geringerem Umfang Erfolg. Angesichts des Ausgangs
des Verfahrens erscheint es sachgerecht, entgegen dem nach neuem Recht nunmehr
geltenden Grundsatz, wonach jede Verfahrenspartei ihre eigenen Kosten selbst trägt,
eine Kostenerstattung anzuordnen (vgl. KK-SpruchG/Rosskopf § 15 Rn. 48).
2. Zu den Geschäftswerten der beiden Instanzen ist Folgendes zu bemerken:
a) Der Geschäftswert für das Verfahren zweiter Instanz ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2,
§ 15 Abs. 1 Satz 4 SpruchG von Amts wegen festzusetzen. Als Geschäftswert ist der
Betrag anzunehmen, der von allen in § 3 SpruchG genannten Antragsberechtigten
nach der Entscheidung des Gerichts zusätzlich zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt gefordert werden kann; er beträgt mindestens 200.000 € und höchsten
7,5 Mio. € (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts ist der Tag nach Ablauf der Antragsfrist anzusetzen (§ 15 Abs. 1
Satz 3 SpruchG). Unter Berücksichtigung des angebotenen Abfindungsbetrags je Aktie von 281 DM und der nunmehr vom Senat getroffenen Festsetzung ist nach der berücksichtigungsfähigen Anzahl an Aktien der Höchstwert von 7,5 Mio. € festzusetzen.
b) Auf die Geschäftswertbeschwerde der Antragsgegnerinnen ist der Geschäftswert
für die erste Instanz ebenfalls auf 7,5 Mio. € herabzusetzen. Die Festsetzung dieses
Geschäftswerts beruht auf § 306 Abs. 7 Satz 5 und 6 AktG a.F., § 30 Abs. 1 KostO.
Danach ist der Wert in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nach freiem Ermessen zu bestimmen, sofern er sich nicht aus den Vorschriften der Kostenordnung
ergibt oder auch sonst nicht feststeht. Im Spruchverfahren wird daher der Geschäftswert nach freiem Ermessen bestimmt (vgl. BayObLG AG 1999, 273; ZIP 2004,
1952/1956). Bei der Festsetzung des Geschäftswerts stellt die gerichtliche Praxis unter Anwendung des früheren Rechts maßgeblich auf die Differenz ab, die zwischen
der vertraglich angebotenen und der angemessenen Leistung je Aktie besteht, multipliziert mit der Anzahl der Aktien, die außenstehende Aktionäre halten (BayObLG AG
1996, 276; OLG Stuttgart AG 2001, 314; OLG Hamburg NZG 2001, 471). Allerdings
ist zu beachten, dass der Beschluss im aktienrechtlichen Spruchverfahren, der den
Anträgen stattgibt, keine unmittelbare Verpflichtung zu einer Zahlung ausspricht, sondern nur rückwirkend den Unternehmensvertrag umgestaltet. Deshalb dient der rechnerisch ermittelte Betrag nur als Ausgangspunkt und Maßstab für die Festsetzung; im
Übrigen können auch sämtliche weitere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden (vgl. BayObLG AG 1996, 275/276; 1999, 273; 2003, 633/634; OLG Karlsruhe AG
1998, 141). Bei der nach § 30 Abs. 1 KostO zu treffenden Ermessensentscheidung
kann deshalb nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der
Entscheidung des Landgerichts am 14.10.2004 der Gesetzgeber bereits nähere Vorgaben für die Konkretisierung der Ermessensentscheidung getroffen hatte. Insbesondere kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass nunmehr als Geschäftswert ein
Höchstbetrag von 7,5 Mio. € bestimmt worden ist. Es erscheint sachgerecht, die Leitlinien des Gesetzgebers für die Bemessung des Geschäftswerts in Spruchverfahren
nach dem 1.9.2003 auch für die Festsetzung des Geschäftswerts in Altverfahren
nutzbar zu machen. Hiergegen sind grundsätzliche Bedenken nicht ersichtlich (OLG
München AG 2007, 411/415; OLG Frankfurt AG 2005, 658). Es ist nicht verfehlt, den
nunmehr vorgesehenen Höchstbetrag von 7,5 Mio. € auch bei der Festsetzung von
Geschäftswerten in Altfällen in Erwägung zu ziehen. Denn es ist zu berücksichtigen,
dass § 30 Abs. 2 KostO bereits eine Deckelung des Geschäftswerts auf 500.000 €
vorsieht, welche aber in Spruchverfahren nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung gefunden hat (vgl. BayObLG FGPrax 2001, 84). Wenn nun der Gesetzgeber
es für angemessen hält, eine Deckelung des Geschäftswerts in Spruchverfahren vo rzusehen, ist es nicht unbillig, diesen Gesichtspunkt bei der Ausübung des gerichtlichen Ermessens nach § 30 Abs. 1 KostO zu berücksichtigen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

17.07.2007

Aktenzeichen:

31 Wx 060/06

Rechtsgebiete:

Konzernrecht

Normen in Titel:

AktG § 304, § 305