Eintragung des Insolvenzverwalters im Grundbuch ohne Angabe des Wohnorts und Geburtsdatums
letzte Aktualisierung: 28.9.2022
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.8.2022 – 19 W 111/21 (Wx)
Eintragung des Insolvenzverwalters im Grundbuch ohne Angabe des Wohnorts und
Geburtsdatums
Vom Insolvenzverwalter kann auch in Ansehung des § 15 Absatz 1 Nr. 1 GBV nicht verlangt
werden, dass er seinen privaten Wohnort oder sein Geburtsdatum zur Eintragung in das Grundbuch
angibt.
Gründe
I.
Der Gläubiger - ein Insolvenzverwalter - wendet sich gegen eine Zwischenverfügung, mit der die Eintragung
einer Sicherungszwangshypothek von der Angabe seines Geburtsdatums oder seines Wohnortes abhängig
gemacht wird.
Der Gläubiger ist Insolvenzverwalter. Am 20. August 2021 beantragte er - wobei er im Rubrum die
Parteibezeichnung „A. H. als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H. P., (…)“ verwendete -, eine
Sicherungszwangshypothek am Miteigentumsanteil an dem im Rubrum näher bezeichneten Grundstück wegen
einer Forderung von EUR 41.867,47 einzutragen.
Das Grundbuchamt erließ daraufhin eine Zwischenverfügung, in der es die Eintragung davon abhängig
machte, dass entweder das Geburtsdatum oder der Wohnort des Antragstellers angegeben wird; das
entsprechende Erfordernis ergebe sich aus dem Wortlaut des § 15 Absatz 1 Nr. 1 GBV.
Mit Schreiben vom 27. September 2021 nahm der Gläubiger auf die Zwischenverfügung Bezug und vertrat die
Auffassung, dass zur Erreichung des Zwecks des
erforderlich sei. Der Zweck des
dadurch gewährleistet, dass anstatt dem Wohnort der Ort der Kanzlei des Insolvenzverwalters angegeben
wird. Dies sei vorliegend sogar sinnvoll, da auch in dem Insolvenzeröffnungsbeschluss, seiner
Bestallungsurkunde und dem zugrunde liegenden Titel der Ort der Kanzlei angegeben sei. Den Beteiligten, so
auch der Grundstückseigentümerin, sei der Wohnort des Insolvenzverwalters gar nicht bekannt. Eine
eindeutige Zuordnung, auch gegenüber Dritten, erfolge über den Kanzleiort. Dies entspreche auch der
Handhabung in anderen Rechtsbereichen, etwa im Prozess- und Steuerrecht. Auf Anfrage des
Grundbuchamts teilte der Antragsteller telefonisch mit, dass sein Schreiben als Beschwerde ausgelegt werden
solle. Seinen Wohnort wolle er auf keinen Fall im Grundbuch eingetragen wissen; zu seinem Geburtsdatum
äußere er sich nicht.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Abweichungen von den Grundsätzen des
sehe das Gesetz nicht vor. Da die Kanzlei nicht Gläubiger der Sicherungshypothek ist, könne auch nicht deren
Kanzleiort im Grundbuch eingetragen werden. Im Übrigen sei es dem Antragssteller zumutbar, sein
Geburtsdatum anzugeben.
II.
Die nach
Erfolg. Das Grundbuchamt kann die begehrte Eintragung nicht davon abhängig machen, dass der
Insolvenzverwalter seinen Wohnort oder sein Geburtsdatum angibt.
A.
Das Grundbuchamt hat das Schreiben des Gläubigers vom 27. September 2021 zutreffend als
Beschwerdeschrift ausgelegt. Zwar enthält dieses weder das Wort „Beschwerde“ noch die ausdrückliche
Erklärung, dass gegen die Zwischenverfügung ein Rechtsmittel eingelegt werde. Dass die Entscheidung zur
Überprüfung gestellt werden sollte, ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus der Bezugnahme auf
diese und der Weiterverfolgung der Ansicht, dass die Angabe von Wohnort oder Geburtsdatum nicht notwendig
sei. Das Auslegungsergebnis wird durch die telefonische Mitteilung des Gläubigers vom 14. Oktober 2021 - die
als solche mangels Formeinhaltung allerdings nicht als Beschwerde angesehen werden kann - zusätzlich
gestützt.
B.
Bei Beteiligung von Insolvenzverwaltern als Gläubigern steht § 15 Absatz 1 GBV der Eintragung des
Kanzleisitzes anstelle des Wohnortes nicht entgegen.
1. Allerdings steht die Systematik des § 15 Absatz 1 GBV einer Auslegung entgegen, die es generell
ermöglichen würde, anstelle des Wohnsitzes den Kanzlei- oder Geschäftssitz einer freiberuflich oder
gewerblich handelnden Person anzugeben. Dass die Norm (nur) juristischen Personen, Handels- und
Partnerschaftsgesellschaften die Angabe ihres Sitzes vorschreibt (§ 15 Absatz 1 b) GBV), zeigt im
Umkehrschluss, dass dies nicht für natürliche Personen gilt.
2. Mit diesem Befund kann es indes nicht sein Bewenden haben. Der Annahme des Grundbuchamtes, das
Gesetz lasse Ausnahmen von der Verpflichtung zur Wohnortangabe bei fehlendem Geburtsdatum nicht zu,
steht die Formulierung des Gesetzes entgegen, wonach der Wohnort eingetragen werden „soll“. Als Soll-
Vorschrift gilt eine gesetzliche Bestimmung, die ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zwar für den Regelfall,
aber nicht zwingend vorschreibt (Weber, Rechtswörterbuch, 6. Edition, Stichwort „Soll-Vorschrift“).
Eine vom Regelfall abweichende Handhabung ist hier gerechtfertigt.
a) Die Bezeichnung des Berechtigten - hier des Gläubigers einer Sicherungszwangshypothek - im Grundbuch
soll diesen so genau kennzeichnen, dass nach Möglichkeit jeder Zweifel über seine Person und jede
Verwechselung ausgeschlossen ist und hierdurch die Klarheit des Grundbuchs erhalten wird (BayObLGZ 1981,
391, 393; Schöner/Stöber, 16. Auflage, Rn. 229).
b) Diesem Zweck kann auch genügt werden, indem der Kanzleisitz des Gläubigers eingetragen wird, etwa
ergänzt um die Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder die klarstellende Angabe „Kanzleisitz“ vor der
Ortsangabe. Jedenfalls mit solchen Zusätzen ist die Auffindbarkeit und Unterscheidbarkeit des Gläubigers in
jeder Weise gewährleistet. Anders als bei privaten Gläubigern könnte mit solchen Angaben sogar mit Hilfe
eines allgemein und ohne Nachweis eines berechtigten Interesses zugänglichen Verzeichnisses
(Rechtsanwaltsverzeichnis nach § 31 Absatz 2 BRAO) die genaue Anschrift des Insolvenzverwalters ohne
weiteres ermittelt werden. Dass § 15 Absatz 1 GBV die Angabe weiterer Identifikationsmerkmale - wie etwa
des Berufs oder des Zusatzes „Kanzleisitz“ - nicht ausdrücklich nennt, steht ihrer Eintragungsfähigkeit nicht
entgegen. Das zeigt schon der Umstand, dass es beispielsweise bei einem Berechtigten mit einem häufig
vorkommenden Namen in einer Großstadt erforderlich sein kann, zusätzliche Identifikationsmerkmale
einzufügen (Schöner/Stöber, 16. Auflage, Rn. 229, Fn. 695).
c) Es ist auch nachvollziehbar, dass der Insolvenzverwalter die Angabe seines Geburtsdatums und seines
Wohnortes im Grundbuch vermeiden möchte. Die Angaben im Grundbuch sind - wenn auch nur bei Nachweis
eines berechtigten Interesses - einem im Voraus nicht bestimmbaren Kreis von Personen zugänglich;
insbesondere wird der Insolvenzschuldner in vielen Fällen Einsicht in die Eintragung erlangen können. Da es
zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, Insolvenzschuldnern nachteilige und ihre Lebensführung
möglicherweise erheblich belastende Entscheidungen zu treffen, erscheint es ohne weiteres nachvollziehbar,
dass er ein Bekanntwerden von Geburtsdatum und/oder Wohnanschrift vermeiden möchte. Derartige Angaben
sind nämlich geeignet, Belästigungen des Insolvenzverwalters und Übergriffe in dessen privaten Bereich
deutlich zu erleichtern. Das müsste der Insolvenzverwalter als Ausfluss seines Berufes hinnehmen, wenn eine
andere Möglichkeit zur unterscheidungskräftigen Bezeichnung nicht bestünde. Das ist aber hier aus den oben
näher ausgeführten Gründen nicht der Fall.
d) Für die vom Gläubiger begehrte Ausnahme spricht ferner der Umstand, dass ein Insolvenzverwalter in dem
seinem Eintragungsantrag zugrunde liegenden Titel mit seiner Kanzleianschrift bezeichnet zu werden pflegt.
Dem Interesse an Klarheit und Übersichtlichkeit ist daher sogar besser gedient, wenn im Grundbuch derjenige
Ort verlautbart wird, der als Sitz des Gläubigers auch im zugrunde liegenden Titel angegeben ist.
3. Die Entscheidungen der Oberlandesgerichte München (
stehen nicht entgegen. Deren tragende Gründe befassen sich lediglich mit der Frage, ob ein das verwaltete
Vermögen kennzeichnender Zusatz in das Grundbuch einzutragen ist. Es bedarf daher auch keiner Vertiefung,
ob die gegen diese Rechtsprechung in einem Teil des Schrifttums geäußerte Kritik (Schneider
Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, § 15, Rn. 6; Staudinger/Wolfsteiner [2019], BGB § 1115, Rn.
28) stichhaltig ist.
III.
1. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nach § 25 Absatz 1 GNotKG nicht erhoben. Eine
Entscheidung, die notwendigen Auslagen des (einzigen) Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen, kommt im
Grundbuchbeschwerdeverfahren auch nicht bei Erfolg des Rechtsmittels in Betracht (BeckOK FamFG/Weber,
43. Edition, § 81 Rn. 4, beck-online).
2. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:02.08.2022
Aktenzeichen:19 W 111/21 (Wx)
Rechtsgebiete:Grundbuchrecht
Normen in Titel:GBV § 15 Abs. 1 Nr. 1; GBO §§ 18, 71; RPflG § 11