OLG Rostock 08. Mai 2015
3 W 94/14
GrdstVG §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3

Freigrenzen nach GrdstVG bei Veräußerung einer Teilfläche; Größe der Teilfläche maßgeblich; Prüfungskompetenz des Grundbuchamts

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 9.12.2015
OLG Rostock, 8.5.2015 - 3 W 94/14

GrdstVG §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3
Freigrenzen nach GrdstVG bei Veräußerung einer Teilfläche; Größe der Teilfläche
maßgeblich; Prüfungskompetenz des Grundbuchamts

1. Das Grundbuchamt hat selbstständig zu prüfen, ob ein Rechtsvorgang in den Bereich des
Grundstücksverkehrsgesetzes fällt oder ob ein Befreiungstatbestand vorliegt. Dabei ist es weder
berechtigt noch verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Es hat vielmehr aufgrund der ihm
vorliegenden Erkenntnisquellen zu entscheiden, ob Genehmigungsfreiheit besteht.
2. Gemäß § 1 Abs. 3 GrdstVG ist Grundstück i. S. d. Gesetzes – und damit auch des
Ausführungsgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum Grundstücksverkehrsgesetz
(AGGrdstVG M-V) – auch ein Teil eines Grundstücks. Demzufolge ist im Fall einer normierten
Freigrenze bei Veräußerung eines realen Teils eines Grundstücks für die
Genehmigungsbedürftigkeit die Größe des veräußerten Teils entscheidend und nicht die des
Gesamtgrundstücks.

Gründe

I.
Bei dem im Rubrum näher bezeichneten Grundstück handelt es sich - ebenso
wie bei den weiteren im selben Grundbuchblatt unter den laufenden Nummern
5 und 6 gebuchten Grundstücken - im Wesentlichen um landwirtschaftlich
genutzte Flächen.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 05.05.2014 (UR-Nr. 515/2014 der
Notarin W.) übertrug die eingetragene Eigentümerin einen Teil des im Rubrum
genannten Grundstücks, nämlich das Flurstück 67/10 mit einer Größe von
2.102 m² an ihre Tochter, die weitere Beteiligte. Mit Urkunde vom gleichen Tag
übertrug sie das Flurstück 67/11 mit einer Größe von 2.051 m² an ihre weitere
Tochter und ihren Schwiegersohn.
Auf den Antrag der Urkundsnotarin vom 19.05.2014 auf Eintragung der
Eigentumsumschreibung hat das Amtsgericht unter dem 22.05.2014 eine
Zwischenverfügung erlassen, in der es wie folgt heißt:
"Der beantragten Eintragung steht folgendes Hindernis entgegen: Zum Vollzug
der Eigentumsumschreibung ist die Genehmigung nach § 2 des
Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) vorzulegen, ggfs. ein Negativzeugnis
nach § 5 GrdstVG. Nach der Rechtsprechung ist unter dem Grundstück i. S. d.
Mecklenburg-Vorpommern: Das Dienstleistungsportal
Grundstücksverkehrsgesetzes das Grundstück im Rechtssinne zu verstehen,
also ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der unter derselben
laufenden Nummer im Bestandsverzeichnis im Grundbuch eingetragen ist. Ein
Grundbuch-Grundstück kann dabei aus mehreren Flurstücken bestehen. Bei der
Veräußerung von Teilen solcher Grundbuch-Grundstücke wird bezüglich der
Freigrenzenregelung auf die Größe des Ursprungsgrundstückes (in diesem Fall
87.972 m²) abgestellt (Aussage E. H. vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft
und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte vom 23.08.2013). Zur Behebung der
Eintragungshindernisse wird eine Frist bis einschließlich 03.07.2014 gesetzt.
Nach fruchtlosem Fristablauf wird der Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen."
Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich die Urkundsbeteiligten mit ihrer
Beschwerde. Sie führen aus, dass das Grundbuchamt in eigener Zuständigkeit
zu prüfen habe, ob eine Genehmigungspflicht nach landwirtschaftlichen
Bestimmungen über die Genehmigungsfreiheit bei Verfügung über
Kleingrundstücke entfalle (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG, Ausführungsgesetz zum
Grundstücksverkehrsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (AGGrdstVG
M-V)). Das Grundbuchamt dürfe den Vollzug eines Vertrages von
Kleingrundstücken nebst Auflassung nur dann von der Vorlage eines
Negativattestes oder des Nachweises der Genehmigung abhängig machen,
wenn konkrete Anhaltspunkte (bestimmte Tatsachen) berechtigte Zweifel an
der Genehmigungsfreiheit begründeten. Einer besonderen Erklärung
(Versicherung) des Veräußerers hierzu bedürfe es daher nicht. Unrichtig sei es,
bei jeder Veräußerung eines in einer Landgemeinde liegenden Grundstücks
generell Genehmigung oder Negativzeugnis zu verlangen. Anhaltspunkte für ein
sogenanntes Zerstückelungsgeschäft lägen nicht vor, da mit den beiden
Verträgen vom 05.05.2014 Flurstücke, die unter der Genehmigungsfreigrenze
gem. AGGrdstVG M-V lägen, an verschiedene Erwerber übertragen worden
seien. Da der veräußerte und aufgelassene Grundbesitz kleiner als 2 Hektar
groß sei, bedürfe es keiner Genehmigung nach § 2 GrdstVG.
Unter dem 06.06.2014 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen
und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Unter Bezugnahme
auf die Gründe der angefochtenen Zwischenverfügung hat es ausgeführt, dass
das Grundbuchamt zum einen zu prüfen habe, ob der Rechtsvorgang seiner Art
nach in den Geltungsbereich des Grundstücksverkehrsgesetzes falle und zum
anderen, ob eine Genehmigung erforderlich sei. Beides sei der Fall. Da das
Gesamtgrundstück eine Größe von über 2 Hektar habe, liege kein
Befreiungstatbestand nach dem AGGrdstVG M-V vor. Nach der Auskunft der
zuständigen Genehmigungsbehörde komme es in den Fällen wie diesem auf die
Größe des Ausgangsgrundstücks an. Ob eine Zersplitterung vorliegen könne,
könne vom Grundbuchamt nicht geprüft werden; dies obläge der
Genehmigungsbehörde.

II.
Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1, 73 GBO zulässig und auch in der Sache
dergestalt begründet, dass die angefochtene Zwischenverfügung aufgehoben
wird.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bestand zum Erlass der
angefochtenen Zwischenverfügung keine Veranlassung, denn es kann nicht
festgestellt werden, dass der beantragten Eintragung das vom Amtsgericht
benannte Hindernis i. S. v. § 18 Abs. 1 GBO entgegensteht.
Das Grundbuchamt hat grundsätzlich selbstständig zu prüfen, ob ein
Rechtsvorgang überhaupt in den Bereich des Grundstücksverkehrsgesetzes fällt
oder ob ein Befreiungstatbestand vorliegt. Dabei ist es weder berechtigt noch
verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Es hat vielmehr aufgrund der ihm
vorliegenden Erkenntnisquellen zu entscheiden, ob Genehmigungsfreiheit
besteht. Nur bei konkreten Zweifeln daran hat es eine Zwischenverfügung zu
erlassen (vgl. zu Vorstehendem nur: Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 125
m. w. N.).
Vorliegend ist das Amtsgericht vom Grundsatz her zutreffend davon
ausgegangen, dass der Übertragungsvertrag mit Auflassung zu den
genehmigungspflichtigen Geschäften i. S. v. § 2 Abs. 1 GrdstVG gehört. Dies
ziehen auch die Antragsteller nicht in Zweifel. Dennoch bedarf es im hier zu
entscheidenden Fall unter Berücksichtigung der aus der Akte entnehmbaren
Erkenntnisse keiner Genehmigung gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG i. V. m. § 1
AGGrdstVG M-V. Hiernach bedarf die Veräußerung eines Grundstücks, dessen
Größe weniger als 2 Hektar beträgt, keiner Genehmigung nach § 2 Abs. 1
GrdstVG. Um einen derartigen Fall handelt es sich vorliegend, denn das
veräußerte Flurstück ist lediglich 0,2102 Hektar groß. Zwar führt das
Amtsgericht zu Recht aus, dass nach der Rechtsprechung unter dem
Grundstück i. S. d. Grundstücksverkehrsgesetzes - und auch i. S. d. AGGrdstVG
M-V - das Grundstück im Rechtssinne zu verstehen ist (vgl. nur Demharter a.
a. O., Rn. 123 m. w. N.), also der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche,
der unter derselben laufenden Nummer im Bestandsverzeichnis im Grundbuch
eingetragen ist. Dies führt hier jedoch nicht weiter und ist letztlich unerheblich,
da vorliegend die Übertragung eines Teils eines Grundstücks im Rechtssinne in
Rede steht. Gemäß § 1 Abs. 3 GrdstVG ist Grundstück i. S. d. Gesetzes - und
damit auch des AGGrdstVG M-V - aber auch ein Teil eines Grundstücks.
Demzufolge entspricht es seit langem der Rechtsprechung und auch der ganz
überwiegenden Literatur, dass im Fall einer normierten Freigrenze bei
Veräußerung eines realen Teils eines Grundstücks für die
Genehmigungsbedürftigkeit die Größe des veräußerten Teils entscheidend ist
und nicht die des Gesamtgrundstücks (vgl. BGH, Beschl. v. 06.02.1962, V BLw
27/61, RdL 1962, 98; Beschl. v. 08.12.1959, V BLw 19/59, RdL 1960, 35;
BayObLG, Beschl. v. 03.04.1963, BReg 2 Z 166/62, RPfleger 1964, 121;
Demharter a. a. O., Rn. 124; Hügel, GBO, 2. Aufl.,
Verfügungsbeeinträchtigungen, Rn. 65; Stavorinus, NotBZ 2010, 208; Gehse,
RNotZ 2007, 61 (82); Hötzel, AgrarR 1983, 176; wohl auch Netz, GrdstVG, 5.
Aufl., Anm. 4.2.8.2.4). Dem schließt sich der Senat an.
Aufgrund vorstehender Grundsätze kommt eine Zwischenverfügung aufgrund
konkreter Zweifel an der Genehmigungsfreiheit daher nur in Betracht, wenn ein
Umgehungsgeschäft in Rede steht. Dies kann der Fall sein, wenn aus einem
Grundstück, das oberhalb der Freigrenze liegt, mehrere Trennstücke, die
unterhalb der Freigrenze liegen, gebildet werden, diese dann gleichzeitig oder
nacheinander veräußert werden - entweder an einen Erwerber oder auch an
mehrere Erwerber - und sie in der Summe wiederum größer als die Freigrenze
sind (vgl. hierzu z. B. Hitz, a. a. O., Anm. 4.2.8.2.3 und 4.2.8.2.4). Abgesehen
davon, dass vorliegend auch bei Berücksichtigung beider Übertragungsverträge
vom 05.05.2014 die übertragenen Flurstücke auch in der Summe bei weitem
nicht die Freigrenze von 2 Hektar erreichen, ist zudem erforderlich, dass jene
Veräußerungen einem nach einheitlichem Plan angelegten und
durchzuführenden sogenannten Zerstückelungsgeschäft dienen (vgl. hierzu nur
Hitz, a. a. O. m. w. N.). Nach den aus der Akte zu gewinnenden Erkenntnissen
ist dies genauso wenig ersichtlich wie etwa die Annahme, die eingetragene
Eigentümerin plane weitere Teilveräußerungen, die dann insgesamt die
Freigrenzen überschreiten. Ebenso wenig sind Umstände ersichtlich, die einen
Versagungsgrund gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 GrdstVG nahelegen
könnten (vgl. dazu auch Gehse a. a. O. m. w. N.).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Rostock

Erscheinungsdatum:

08.05.2015

Aktenzeichen:

3 W 94/14

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht

Erschienen in:

notar 2016, 129-131

Normen in Titel:

GrdstVG §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 3