BFH 06. April 2000
IX R 90/97
EigZulG § 9 Abs. 2 Satz 3, § 11 Abs. 6 Satz 3; EStG § 26

Eigenheimzulage bei Ehegatten

Öffentliches Recht
27. VwVfG §§ 54, 56, 59 Abs. 2 Nr. 4; BauGB §§ 131, 133;
VwGO §137 Abs. 1 Nr. 2 (Nichtigkeit eines Vertrages wegen
Verstoß gegen Koppelungsverbot nach Rückforderung erbrachter Leistungen)
1. Macht eine Gemeinde die Änderung eines Bebauungsplans (hier: Ausweisung eines Außenbereichsgrundstücks als Wohngebiet) in einem verwaltungsrechtlichen
Vertrag davon abhängig, dass der bauwillige Eigentümer an Stelle eines nicht mehr festsetzbaren Erschließungsbeitrages an sie einen Geldbetrag für einen
gemeinnützigen Zweck (hier: Unterhaltung städtischer Kinderspielplätze) leistet, so verletzt sie damit
das sog. Koppelungsverbot; der Vertrag ist gemäß §59
Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig.
2. Dem auf einem nichtigen verwaltungsrechtlichen Vertrag beruhenden Erstattungsanspruch eines Beteiligten steht der Grundsatz von Treu und Glauben nicht
schon deshalb entgegen, weil eine Rückabwicklung
der vom anderen Teil erbrachten Leistung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist.
BVerwG, Urteil vom 16.5.2000 – 4 C 4/99 –
Steuerrecht
28. EigZulG §9 Abs. 2 Satz 3, §11 Abs. 6 Satz 3; EStG §26
(Eigenheimzulage bei Ehegatten)
1. Ehegatten können als Miteigentümer einer Wohnung
gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG den Fördergrundbetrag jeweils nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen, auch wenn bei ihnen die
Voraussetzungen des §26 Abs. 1 EStG vorliegen.
2. Erwirbt ein Anspruchsberechtigter, der bereits zuvor
Miteigentümer einer eigengenutzten Wohnung ist,
einen weiteren Miteigentumsanteil hinzu, kann er
gemäß §9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG den Fördergrundbetrag nur entsprechend dem neu hinzuerworbenen
Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen.
BFH, Urteil vom 6.4.2000 – IX R 90/97 –
Zum Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war zusammen mit
seiner Mutter Eigentümer in fortgesetzter Gütergemeinschaft des
Hausgrundstücks B 7 in H. Mit notariellem Vertrag vom 18.7.1996
wurde die Gütergemeinschaft auseinander gesetzt, indem das Grundstück zu 3/4 auf den Kläger und zu 1/4 auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übertragen wurde. Der Übernahmepreis wurde
auf 200 000 DM festgesetzt. Unter Anrechnung des auf den Kläger
entfallenden hälftigen Anteils wurde eine Herauszahlung an die Mutter des Klägers in Höhe von 100 000 DM bestimmt.
Am 1.8.1996 stellten die Kläger beim Beklagten und Revisionskläger
(Finanzamt – FA –) einenAntrag auf Eigenheimzulage. Das FA setzte
daraufhin am 23.8.1996 die Eigenheimzulage auf 4 250 DM jährlich fest. Dieser Betrag setzte sich aus dem zur Hälfte gewährten
Fördergrundbetrag in Höhe von l 250 DM und einer Kinderzulage
von 3 000 DM zusammen.
Mit ihrem Einspruch wandten sich die Kläger gegen die hälftige Kürzung des Fördergrundbetrages. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück, da die Kläger das bereits zur Hälfte im Eigentum des
Klägers stehende Grundstück nur zu 1/2 erworben hätten. Gemäß § 9
Abs. 2 Satz 3 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) könne der
Fördergrundbetrag nur entsprechend diesem Miteigentumsanteil in
Anspruch genommen werden.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt und
verpflichtete das FA, die Eigenheimzulage unter Berücksichtigung
des vollen Fördergrundbetrages festzusetzen (Entscheidungen der
Finanzgerichte – EFG – 1998, 177).
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung von § 9 Abs. 2 Satz 3
EigZulG. Die Wertung des FG, dass im Fall des Hinzuerwerbs von
Miteigentumsanteilen an einer Wohnung zu Alleineigentum §9 Abs. 2
Satz 3 EigZulG keine Anwendung finde, berücksichtige weder Sinn
und Zweck der Regelung noch Systematik und Entstehungsgeschichte des EigZulG. Darüber hinaus sei zu klären, ob Miteigentum
von zusammen veranlagten Ehegatten im Rahmen des § 9 Abs. 2
Satz 3 EigZulG zusammen zu betrachten und insoweit nur von einem
Anspruchsberechtigten auszugehen sei.
Die Revision hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG kann ein Anspruchsberechtigter den Fördergrundbetrag nur entsprechend seinem
Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen, wenn mehrere Anspruchsberechtigte Eigentümer einer Wohnung sind. Diese
Kürzungsregelung gilt grundsätzlich auch für Ehegatten, die
die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gemäß
§26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllen. §9
Abs. 2 Satz 3 EigZulG ist auch in den Fällen anzuwenden, in
denen ein Miteigentümer einen weiteren Miteigentumsanteil
an einer eigengenutzten Wohnung hinzuerwirbt. Der Fördergrundbetrag kann in diesen Fällen nur in Höhe des neu hinzuerworbenen Miteigentumsanteils in Anspruch genommen
werden.
a) Ehegatten können gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG den
Fördergrundbetrag nur entsprechend ihrem jeweiligen Miteigentumsanteil an einer Wohnung in Anspruch nehmen, auch
wenn bei ihnen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG
vorliegen. Die Ehegatten sind nach dem EigZulG nicht als ein
Anspruchsberechtigter zu behandeln.
Gemäß §1 EigZulG haben unbeschränkt Steuerpflichtige i.S.
des EStG Anspruch auf Eigenheimzulage nach der Maßgabe
der folgenden Vorschriften des EigZulG. Anspruchsberechtigt
ist danach die jeweils einzelne natürliche Person. Bei Ehegatten, die gemeinsam eine Wohnung herstellen oder anschaffen, ist jeder Ehegatte selbständig anspruchsberechtigt i.S. des
§ 1 EigZulG. Sind die Ehegatten Miteigentümer einer Wohnung, kann jeder von ihnen gemäß §9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG
den Fördergrundbetrag nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen (Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 2. Aufl., §9 Rdnr. 51; Wilde, Eigenheimzulagengesetz
§ 9 Rdnr. 29 f.; a.A. Boeker in Lademann, Kommentar zum
Einkommensteuergesetz, §9 EigZulG Anm. 21, m.w.N.).
Das EigZulG enthält keine § 26b EStG vergleichbare Regelung, die anordnet, dass Ehegatten gemeinsam als ein Anspruchsberechtigter zu behandeln seien. Es fehlt auch eine
Verweisung auf § 26b EStG, die eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im EigZulG ermöglichen würde. Hätte
der Gesetzgeber eine eigenständige Anspruchsberechtigung
zusammen veranlagter Ehegatten regeln wollen, müsste dies
im EigZulG durch eine entsprechende ausdrückliche Anweisung zum Ausdruck kommen.
Aus den verschiedenen Regelungen für Ehegatten in §§ 5, 6,
11 und 13 EigZulG lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass
Ehegatten wie ein Anspruchsberechtigter zu behandeln sind.
Es handelt sich vielmehr um Sonderregelungen, die für die
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Einkunftsgrenze, die Objektbeschränkung, die Festsetzung
und die Auszahlung der Eigenheimzulage den Besonderheiten bei Ehegatten Rechnung tragen. § 5 EigZulG knüpft an
den Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG an, der
für nach § 26b EStG zusammen veranlagte Ehegatten gemeinsam festgestellt wird. § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG regelt
ausschließlich die Frage der Objektbeschränkung, bildet jedoch keine Rechtsgrundlage für eine eigenständige Anspruchsberechtigung von Ehegatten (a. A. Boeker, a.a.O.).
Zwar gelten die jeweiligen Miteigentumsanteile von Eheleuten an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung
gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG nicht als selbständige Objekte. Aber bereits für die Eigenheimförderung des § 10 e
EStG hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass auch
im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten für jeden
Miteigentumsanteil selbständig zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen der Eigenheimförderung vorliegen (BFH-Entscheidung vom 15.11.1995 X R 59/95, BStBl II 1996, 356). Auch
aus §11 Abs. 6 Satz 3 und §13 Satz 3 EigZulG lässt sich keine
eigenständige Anspruchsberechtigung zusammen veranlagter
Ehegatten ableiten. Die besonderen Regelungen über die
Festsetzung und Auszahlung der Eigenheimzulage an Ehegatten setzen vielmehr voraus, dass nach der Systematik des
EigZulG jeder Ehegatte einen eigenen, auch eigenständig zu
prüfenden Anspruch auf Eigenheimzulage hat.
b) Erwirbt ein Anspruchsberechtigter, der bereits zuvor Miteigentümer einer eigengenutzten Wohnung ist, einen weiteren
Miteigentumsanteil hinzu, kann er gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3
EigZulG den Fördergrundbetrag nur entsprechend dem neu
hinzuerworbenen Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen.
Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG ergibt sich
nicht eindeutig, in welchem Umfang ein Anspruchsberechtigter den Fördergrundbetrag in Anspruch nehmen kann, wenn er
zu vorhandenem Miteigentum einen weiteren Miteigentumsanteil erwirbt. Zwar ermöglicht die Regelung auch eine
Auslegung, dass der Fördergrundbetrag entsprechend dem
nach dem Erwerb vorhandenen gesamten Miteigentumsanteil
gewährt wird. Der Systematik und dem Zweck des EigZulG
entspricht es jedoch, den Fördergrundbetrag nur entsprechend
dem jeweils neu hinzuerworbenen Miteigentumsanteil zu gewähren. In den Fällen des Hinzuerwerbs eines Miteigentumsanteils zu einem vorhandenen Eigentumsanteil bleibt die getrennte Anspruchsberechtigung für den jeweiligen Miteigentumsanteil auch dann bestehen, wenn die selbständigen Zulagenobjekte zivilrechtlich durch Anteilsvereinigung untergehen (zum Hinzuerwerb von Miteigentumsanteilen zu Alleineigentum: Wacker, a.a.O., Rdnr. 81).
Das EigZulG geht davon aus, dass die Eigenheimzulage
– ebenso wie die Steuerbegünstigung gemäß § 10e EStG
generell nur wohnungsbezogen gewährt wird (Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., S. 142 Rdnr. 410;
Kohlrust-Schulz, Deutsches-Steuerrecht – DStR – 1998, 477,
478; Fischer-Tobies, Die Information über Steuer und Wirtschaft – Inf – 1997, 449, 451; Bartsch, Betrieb und Wirtschaft
– BuW –, 1998, 129). Begünstigt ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1
EigZulG die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in
einem im Inland belegenen eigenen Haus und einer im Inland
belegenen eigenen Eigentumswohnung. In den Fällen des
Miteigentums an einer Wohnung ist jeder Miteigentümer zur
anteiligen Inanspruchnahme der Eigenheimzulage berechtigt.
Jeder Erwerbsvorgang ist in Miteigentumsfällen bezogen auf
den Miteigentumsanteil eigenständig zu werten, mit der Folge
eines jeweils eigenständigen Förderzeitraums, einer nur
quotalen Zulagengewährung und des grundsätzlich vollen
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Objektverbrauchs (Wacker, a.a.O., § 2 Rdnr. 70). Dementsprechend regelt § 6 Abs. 2 EigZulG, dass für den Objektverbrauch der Anteil an einer Wohnung einer Wohnung gleichsteht, während §9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG sicherstellt, dass der
Fördergrundbetrag nur anteilig in Anspruch genommen werden kann. Der enge Zusammenhang zwischen diesen beiden
Regelungen wird durch die gleichartige Formulierung der
Tatbestandsvoraussetzungen verdeutlicht.
Auch der Zweck des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG spricht für
eine anteilige Gewährung des Fördergrundbetrages bei dem
Erwerb eines Miteigentumsanteils zu vorhandenem Miteigentum. Diese Regelung soll sicherstellen, dass bei einer Mehrheit von Miteigentumsanteilen die Eigenheimzulage für jeden
Anteilsberechtigten nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil gewährt wird. Dadurch soll eine Vervielfältigung des
Fördergrundbetrages entsprechend der Anzahl der Anteile
verhindert werden. Der Fördergrundbetrag soll wohnungsbezogen nur einmal in voller Höhe gewährt werden. Diesem
Zweck entspricht es, jeden Miteigentumsanteil auch für den
Fördergrundbetrag eigenständig zu bewerten. Zu Recht weist
das BMF darauf hin, dass die Auffassung des FG in vielen
Fällen des sukzessiven Erwerbs von Miteigentumsanteilen zu
wenig einsichtigen Ergebnissen führt, die auch durch die
Kappungsgrenze des § 9 Abs. 6 EigZulG nicht korrigiert werden können (vgl. die Beispiele bei Stephan, Der Betrieb – DB
– 1996, 2458).
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, ein Systembruch liege vor, weil die Kürzung dazu führen kann, dass die
gewährte Eigenheimzulage unter dem bei der Anschaffung
von Genossenschaftsanteilen nach § 17 EigZulG festgelegten
Förderbetrag liegt. Die Eigenheimzulage bei Anschaffung
von Genossenschaftsanteilen stellt einen eigenständigen
Subventionstatbestand dar, der dem Regelungssystem des
EigZulG fremd ist (Wacker, a.a.O., § 17 Rdnr. 2; Hausen/
Kohlrust-Schulz, a.a.O., Rdnr. 532; Wilde, a.a.O., §17 Rdnr. 3).
Eine systemwidrige Vorschrift kann jedoch nicht als Maßstab
für die Systemgerechtigkeit einer anderen Regelung herangezogen werden.
Das Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 9
Abs. 2 Satz 3 EigZulG bestätigt. Aus den Gesetzesmaterialien
ergibt sich, dass die bisherigen Rechtsgrundsätze für Miteigentumsanteile unverändert übernommen werden sollten. In
der Begründung zu § 9 EigZulG heißt es: „Miteigentümer
einer Wohnung können entsprechend der zu § 10 e EStG geltenden Rechtslage den Fördergrundbetrag im Verhältnis ihrer
Miteigentumsanteile in Anspruch nehmen“ (BRDrucks 498/95,
S. 35). Zu § 10 e EStG hat der BFH entschieden, dass Miteigentumsanteile für die Steuerbegünstigung auch dann
selbständige Objekte bleiben, wenn sie zivilrechtlich durch
Anteilsvereinigung untergehen (BFH-Urteil vom 10.7.1996,
X R 72/93, BStBl II 1998, 111). Danach käme eine Steuerbegünstigung auch nur in Höhe der neu hinzuerworbenen Miteigentumsanteile in Betracht.
2. Danach ist das Urteil des FG aufzuheben und die Klage
abzuweisen. Das FA hat den Klägern zu Recht den Fördergrundbetrag nur entsprechend den neu hinzuerworbenen Miteigentumsanteilen gewährt.
Die Kläger haben jeweils nur 1/4 Miteigentumsanteil an dem
Grundstück in H. neu hinzuerworben. Bei der Auseinandersetzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft des Klägers und
seiner Mutter sind auf den Kläger 3/4 und auf die Klägerin 1/4
des Grundstücks übertragen worden. Da der Kläger bereits
zuvor an der Gütergemeinschaft beteiligt war, hat er lediglich
das Hausgrundstück bereits vor Auseinandersetzung der
Gütergemeinschaft im Eigentum des Klägers.
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG können die Kläger den
Fördergrundbetrag nur entsprechend diesen neu hinzuerworbenen Miteigentumsanteilen in Anspruch nehmen. Sie haben
nach § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG Anspruch auf jeweils ein Viertel des Fördergrundbetrages von
2 500 DM. Da die Kläger Ehegatten sind, hat das FA zu Recht
die Eigenheimzulage gemäß § 11 Abs. 6 Satz 3 EigZulG gemeinsam auf die Hälfte des Fördergrundbetrages festgesetzt.
Anmerkung der Schriftleitung:
Vgl. auch den Beitrag von Wälzholz, MittBayNot 2000, 206.
Außerdem erwarb und veräußerte die Klägerin folgende Objekte:
Ankauf
Eigentumswohnung H 65
in K
F 15
in M
Mietwohngrundstück W 4
(Mehrfamilienhaus) in S
Verkauf
12.3.1987
45 000DM
30.11.1989
83 000 DM
1.7.1990
300 000 DM
29.9.1989
117 000DM
18.7.1990
95 000 DM
14.8.1992
460 000 DM
Das FA vertrat die Auffassung, mit den vier Verkäufen innerhalb von
fünf Jahren habe die Klägerin einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben, und erließ für die Streitjahre 1989, 1990 und 1992
Gewinnfeststellungsbescheide. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten nur hinsichtlich der Höhe der festgestellten Gewinne
teilweise Erfolg.
Das FG hat der Klage stattgegeben.
Die vom FA eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
29. EStG § 15 Abs. 2 (Gewerblicher Grundstückshandel bei
Mehrfamilienhaus)
1. Objekt im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten sog. Drei-Objekt-Grenze zur Abgrenzung einer privaten Vermögensverwaltung vom gewerblichen
Grundstückshandel kann auch ein Mehrfamilienhaus
sein (Anschluss an BFH-Urteil vom 18.5.1999 I R
118/97, BStBl II 2000,28 [= MittBayNot 1999, 589];
gegen Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 20.12.1990 IV
B 2 – S 2240-61/90, BStBl I 1990, 884 [= MittBayNot
1991, 182], und BMF-Schreiben vom 21.1.2000 IV C 2
– S 2240 – 2/00, BStBl I 2000, 133 [= MittBayNot 2000,
152]).
2. War das verkaufte Grundstück im Wege der Erbfolge
auf den Veräußerer übergegangen, ist hinsichtlich der
Frage des sachlichen und zeitlichen Zusanunenhangs
zwischen Anschaffung und Veräußerung die Besitzdauer des Erblassers grundsätzlich nicht wie eine
eigene Besitzzeit des Veräußerers zu werten (gegen
Tz. 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 884).
BFH, Urteil vom 15.3.2000 – X R 130/97 –
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hatte von ihrer am
1.4.1989 verstorbenen Mutter den hälftigen Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geerbt, zu deren Gesamthandsvermögen fünf in der M-Straße in B belegene Eigentumswohnungen
gehörten. Diesen Anteil veräußerte sie am 1. 12.1989 zum Kaufpreis
von 380 000 DM. Die Mutter hatte den Gesellschaftsanteil am
22.9.1988 zum Preis von 223 000 DM angeschafft.
Die Brüder der Klägerin haben die Erbschaft nach ihrer Mutter ausgeschlagen. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung
vor dem Finanzgericht (FG) und vor dem Senat unwidersprochen
vorgetragen: Nach Eintritt des Erbfalls habe sie die Angelegenheiten
ihrer vier Brüder regeln müssen. Diese hätten in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt; sie seien ehemalige Sonderschüler
und hätten teilweise keinen festen Wohnsitz. Die Brüder hätten auf
Vorschlag des Nachlassgerichts das Erbe zu ihren, der Klägerin,
Gunsten ausgeschlagen. Dadurch habe sie die Möglichkeit gehabt,
die Anteile an den Wohnungen in der M-Straße zu veräußem. Sie
habe dann ihren Brüdem „deren Anteile am Verkaufserlös“ ausgezahlt und zahle ihnen noch auf ihr Erbe Raten, da diese nicht nüt Geld
umgehen könnten. Hierzu hat der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt – FA –) erklärt, der festgestellte Gewinn aus Gewerbebetrieb könne gemindert werden, „wenn die Klägerin die an ihre Brüder
gezahlten Beträge nachweist“.
1. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin
mit der Anschaffung und Veräußerung der hier fraglichen
Grundstücke keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Die Klägerin hat weniger als vier Objekte angeschafft
und verkauft. Das Mehrfamlienhaus in S ist ein Objekt i.S.
der Drei-Objekt-Grenze (unten 3.). Hinsichtlich des von der
Mutter ererbten Anteils an der grundstücksbesitzenden GbR
(M-Straße) sind der Klägerin die Anschaffung durch ihre
Mutter sowie deren Vorbesitz für eine Beurteilung am Maßstab des §15 EStG nicht zuzurechnen (unten 4.). Die Klägerin
hat die Anteile ihrer Brüder nicht zur Veräußerung für eigene
Rechnung erworben (unten 5.).
2. Hinsichtlich der Besteuerung von Grundstücksgeschäften
als gewerblicher Grundstückshandel geht der Senat von den
folgenden Grundsätzen aus:
a) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft
noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere
selbständige Tätigkeit anzusehen ist. Außerdem darf es sich
nicht um private Vermögensverwaltung handeln (Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 25.6.1984 GrS 4/82, BStBl
II 1984, 751). Die Absicht, gewerbliche Gewinne zu erzielen,
muss durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird (Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 17.1.1972 GrS 10/70, BStBl
II 1972, 700, unter II. 2.). Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und der nicht steuerbaren Sphäre ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit,
soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung
fremd ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
3.7.1995 GrS 1/93, BStBl II 1995, 617, unter C. I.). Nach
ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der
privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von
Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden
Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (Beschluss in BStBl II 1995, 617, unter C. I.).
MittBayNot 2000 Heft 5

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

06.04.2000

Aktenzeichen:

IX R 90/97

Erschienen in:

MittBayNot 2000, 474-476

Normen in Titel:

EigZulG § 9 Abs. 2 Satz 3, § 11 Abs. 6 Satz 3; EStG § 26