BGH 29. Juni 2022
XII ZR 6/21
BGB §§ 249, 252 S. 1, 536a Abs. 1

Schadensersatzanspruch des Alleingesellschafters einer GmbH; Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen

letzte Aktualisierung: 6.10.2022
BGH, Urt. v. 29.6.2022 – XII ZR 6/21

BGB §§ 249, 252 S. 1, 536a Abs. 1
Schadensersatzanspruch des Alleingesellschafters einer GmbH; Trennung von Gesellschafts-
und Gesellschaftervermögen

Für den auf einen Mietmangel gestützten Schadensersatzanspruch des Mieters, der
Alleingesellschafter einer GmbH ist, kommt es auch dann nur auf seine Vermögenslage – und nicht
auf die „seiner“ GmbH – an, wenn der Schaden aus einem Auftragsverhältnis resultiert, bei dem die
GmbH Auftraggeberin und der Alleingesellschafter Auftragnehmer ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils
und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat seine in MDR 2021, 760 veröffentlichte Entscheidung
wie folgt begründet:

Die Klägerin habe gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz
nach § 536 a Abs. 1 BGB. Es könne dahinstehen, ob die angemieteten
Räume ausreichend beheizbar gewesen seien. Jedenfalls sei ein Schaden der
Klägerin mangels schlüssigen Vortrags nicht feststellbar. Denn der Klägerin als
Alleingesellschafterin der GmbH sei nicht bereits dadurch ein Schaden entstanden,
dass sie aufgrund der ausgefallenen Schulungen nur verminderte Zahlungen
von ihrer Tochtergesellschaft, der GmbH, erhalten habe. Für einen Schaden
der Klägerin als Muttergesellschaft der GmbH komme es vielmehr darauf an, ob
und inwiefern die GmbH ihrerseits wegen der Schulungsausfälle von ihrem Auftraggeber
keine Vergütung erhalten habe. Denn nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs sei eine Kapitalgesellschaft, die - wie die GmbH - einen Alleingesellschafter
habe, schadensrechtlich als ein in besonderer Form verwalte-
ter Teil des dem Alleingesellschafter gehörenden Vermögens anzusehen; enttet
werden, als treffe der Schaden den Alleingesellschafter persönlich. Dies bedeute
für den vorliegenden Fall im Umkehrschluss, dass verminderte Zahlungen
seitens der GmbH an die Klägerin nur dann als Schaden der Klägerin zu werten
seien, wenn die GmbH ihrerseits - - entsprechende
Vermögenseinbußen erlitten habe. Dies habe die Klägerin jedoch nicht
hinreichend dargelegt.

Da somit nicht feststellbar sei, dass der GmbH ein Schaden entstanden
sei, könne die Klägerin auch keine Freistellung von der Vertragsstrafe beanspruchen.

II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Revision macht zu Recht geltend, dass ein der Klägerin entstandener
Schaden im Sinne von §§ 249 ff. BGB mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung nicht verneint werden kann. Denn entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts ist hierfür unerheblich, ob auch bei der GmbH als Tochtergesellschaft
der Klägerin ein Schaden eingetreten ist.

a) Ausgangspunkt einer Schadensberechnung ist die sogenannte Differenzhypothese.
Hiernach beurteilt sich die Frage, ob und inwieweit ein nach den
§§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, nach einem Vergleich
der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage
mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Senatsurteile
vom 15. März 2000 - XII ZR 81/97 - NZM 2000, 496, 498 und BGHZ 123, 96 =
NJW 1993, 2527 mwN). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle
von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst
(BGH Urteil vom 18. Februar 2016 - IX ZR 191/13 - NJW-RR 2017, 52 Rn. 9
mwN).

Bezugspunkt dieses anzustellenden Gesamtvermögensvergleichs ist
grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter
(BGH Urteile vom 8. September 2016 - IX ZR 255/13 - NJW-RR 2017, 566 Rn. 12
mwN und vom 5. Februar 2015 - IX ZR 167/13 - FamRZ 2015, 853 Rn. 8). Es ist
somit streng zwischen den Vermögensmassen unterschiedlicher Beteiligter zu
unterscheiden und festzustellen, ob in der Person, der dem Grunde nach ein Anspruch
zusteht, ein Schaden eingetreten ist. Gesellschaft und Gesellschafter sind
hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbständige
Zuordnungssubjekte zu behandeln (BGH Urteil vom 18. Februar 2016
- IX ZR 191/13 - NJW-RR 2017, 52 Rn. 11 mwN).

b) Gemessen daran ist für die schadensersatzrechtliche Beurteilung im
vorliegenden Fall nur die Vermögenslage der Klägerin maßgeblich.

aa) Die Klägerin ist als Vertragspartei der Beklagten die Person, der - was
revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche
gemäß § 536 a Abs. 1 BGB dem Grunde nach zustehen. Deshalb
ist schadensersatzrechtlich auch auf ihr Vermögen abzustellen, weil sie die Geschädigte
ist.

Auf das Vermögen der GmbH kommt es hingegen nicht an. Denn für das
Vermögen der Klägerin und das Gesellschaftsvermögen der GmbH gilt nach § 13
Abs. 1 und 2 GmbHG das sogenannte Trennungsprinzip. Danach sind die GmbH
und die Klägerin - als deren Alleingesellschafterin - nicht nur selbstständige, voneinander
grundsätzlich unabhängige Rechtsträger, sondern sie verfügen auch
über gesonderte Vermögensmassen (vgl. BGHZ 156, 310 = NJW 2004, 217,
218). Dies gilt unabhängig davon, ob die GmbH - wie hier - nur einen Gesellschafter
hat (vgl. BGH Urteil vom 7. November 1991 - IX ZR 3/91 - NJW-RR
1992, 290, 291 f. mwN). Da schadensersatzrechtlich streng zwischen den Vermögensmassen
der verschiedenen Beteiligten zu unterscheiden ist, ist für die
Frage des Vorliegens eines Schadens der Klägerin das Vermögen der GmbH
ohne Bedeutung. Mithin ist vorliegend unerheblich, ob der GmbH ebenfalls ein
Schaden entstanden ist.

Gleiches gilt hinsichtlich des Anspruchs auf Freistellung von der Vertragsstrafe.
Denn auch dieser Anspruch setzt den Eintritt eines Schadens bei der
GmbH - als Gläubigerin der Vertragsstrafe - nicht voraus (vgl. BGHZ 63, 256 =
NJW 1975, 163, 164 f. mwN; BGH Urteil vom 27. November 1968 - VIII ZR 9/67 -
NJW 1969, 461, 462; BGHZ 33, 163 = NJW 1960, 2332, 2334).

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt aus der von ihm
herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen eines
Schadens bei dem Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft nichts anderes.

(1) Allerdings kann im Verhältnis zu einem Schädiger unter bestimmten
Umständen ein Schaden als den Alleingesellschafter einer GmbH persönlich treffend
angesehen werden, wenn der Alleingesellschafter von einem Dritten schuldhaft
geschädigt worden und der Schaden an seinem Sondervermögen , nämlich
seiner Gesellschaft, eingetreten ist (vgl. dazu BGH Urteile vom 18. Mai 2000
- III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2675 mwN und vom 25. Februar 1999
- III ZR 53/98 - NJW 1999, 1407, 1408 mwN). In einem solchen Fall kann bei der
Bemessung des Schadens des Alleingesellschafters der bei der Gesellschaft entstandene
Schaden als Passivposten des Gesellschaftsvermögens in die Schadensberechnung
über das Vermögen des Alleingesellschafters einzubeziehen
sein (vgl. BGH Urteil vom 8. Februar 1977 - VI ZR 249/74 - NJW 1977, 1283,
1284).

(2) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch in seiner Ansicht,
aus dieser Rechtsprechung folge, dass - im Umkehrschluss - ein Schaden
eines Alleingesellschafters einer GmbH ausscheide, wenn kein entsprechender
Schaden im Gesellschaftsvermögen der GmbH eingetreten sei, weshalb vorliegend
maßgeblich sei, ob auch die GmbH einen Schaden erlitten habe.

Denn mit dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die rechtliche
Verselbständigung der Ein-Mann-Gesellschaft gegenüber dem Alleingesellschafter
nicht aufgehoben, sondern lediglich auf die Bedeutung zurückgeführt,
die eine im Zusammenhang mit Schadensersatzfragen gebotene wirtschaftliche
Betrachtung erfordert (BGH Urteil vom 15. November 1990
- III ZR 246/89 - NJW-RR 1991, 551, 552; vgl. auch BGH Urteil vom 7. November
1991 - IX ZR 3/91 - NJW-RR 1992, 290, 291 f.). Ein Schädiger soll in derartigen
Fällen nicht aus allein formalen Gründen Vorteile ziehen, auf die er im Ergebnis
deshalb keinen Anspruch hat, weil der Alleingesellschafter vermittelt durch Einbußen
im Gesellschaftsvermögen (BGH Urteil vom 6. Oktober 1988
- III ZR 143/87 - NJW-RR 1989, 684) wirtschaftlich in dieser Höhe einen eigenen
Schaden erlitten hat (BGH Urteil vom 8. Februar 1977 - VI ZR 249/74 - NJW
1977, 1283, 1284; BGHZ 61, 380 = NJW 1974, 134, 135).

Dieser Gesichtspunkt kommt in der hier zu entscheidenden Fallgestaltung
jedoch nicht - in umgekehrter Richtung - zum Tragen, weshalb der vom Berufungsgericht
befürwortete Umkehrschluss rechtlich nicht trägt. Denn der Umstand,
dass der Gesellschaft (hier der GmbH) kein Schaden entstanden ist, sie
ihrem Alleingesellschafter (hier der Klägerin) somit keinen Schaden vermittelt,
bedeutet nicht umgekehrt, dass dadurch ein im Vermögen des Alleingesellschafters
anderweitig eingetretener Schaden entfällt.

So wäre im vorliegenden Fall ein Schaden der GmbH zu verneinen, wenn
sie von ihrer Auftraggeberin die ungeschmälerte Vergütung erhalten hätte, weil
sie die auf Seiten der Klägerin ausgefallenen Schulungen ohne Mehrkosten im
Vergleich zu der mit der Klägerin vereinbarten Vergütung selbst durchgeführt hat
oder durch Dritte in Ersatzvornahme hat durchführen lassen. Auch in diesem Fall
verbliebe der Klägerin aber infolge der Zahlungsausfälle, die sie gegenüber der
GmbH erlitten hat, ein wirtschaftlicher Nachteil. Denn auch dann stünden ihr
diese entgangenen Einnahmen nicht zur Deckung ihrer fortlaufenden Geschäftskosten
(wie Personalkosten) oder als Gewinn zur Verfügung.

Somit ist im vorliegenden Fall insgesamt für eine wertende, wirtschaftliche
Gesichtspunkte berücksichtigende Korrektur der Differenzrechnung (vgl. dazu
BGHZ 76, 179 = NJW 1980, 1386, 1387; vgl. auch BGHZ GSZ 98, 212 = NJW
1987, 50, 51) kein Raum. Denn diese ist nur dann angebracht, wenn nach einer
umfassenden Bewertung der gesamten Interessenlage, wie sie durch das schädigende
Ereignis zwischen dem Schädiger, dem Geschädigten und gegebenenfalls
dem leistenden Dritten besteht, sowie unter Berücksichtigung von Sinn und
Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen die Differenzbilanz der Schadensentwicklung
nicht gerecht wird (vgl. BGH Urteil vom 29. Oktober 2019
- VI ZR 45/19 - NJW 2020, 144 Rn. 15 mwN). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

(3) Mithin kann die Klägerin ihren Eigenschaden ungeachtet ihrer Stellung
als Alleingesellschafterin der GmbH ersetzt verlangen (vgl. dazu auch Bayer in
Lutter/Hommelhoff GmbHG 20. Aufl. § 13 Rn. 49; Bitter in Scholz GmbHG
12. Aufl. § 13 Rn. 182). Deshalb kann dahinstehen, ob, wie die Revision weiter
vorbringt, der vom Berufungsgericht befürwortete Umkehrschluss zur Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs auch deshalb nicht trägt, weil es sich im vorliegenden
Fall - anders als bei den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen -
bei der Alleingesellschafterin der GmbH, der Klägerin, nicht um eine natürliche,
sondern um eine juristische Person handelt.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ausgehend von vorstehenden
Grundsätzen hat die Klägerin das Vorliegen eines Schadens im Sinne von
§§ 249 ff. BGB hinreichend dargetan.

a) Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs beruft sie sich darauf, sie habe im
Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin, der GmbH, Einnahmeausfälle erlitten, weil
aufgrund des Sachmangels an den Mieträumlichkeiten Schulungen ausgefallen
seien.

aa) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist dieser Vortrag geeignet,
einen Schaden der Klägerin zu begründen. Denn damit macht sie einen
Vermögensschaden in Form entgangenen Gewinns im Sinne von §§ 249 Abs. 1,
252 Satz 1 BGB geltend. Dieser umfasst alle Vermögensvorteile, die dem Geschädigten
im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zustanden,
ohne dieses Ereignis aber angefallen wären (BGH Urteil vom 8. Mai 2018
- VI ZR 295/17 - VersR 2018, 1067 Rn. 16). Wäre im vorliegenden Fall ohne den
- mangels Feststellungen im angefochtenen Urteil im Revisionsverfahren zu unterstellenden
- Sachmangel der Mietvertrag von den Beklagten ordnungsgemäß
erfüllt worden, hätte die Klägerin die seitens der GmbH beauftragten Schulungen
vollständig durchführen können. In diesem Fall hätte sie die vertraglich vereinbarte
Vergütung ungekürzt von der GmbH erhalten.

bb) Die Revisionserwiderung macht weiter ohne Erfolg geltend, dass der
Vortrag der Klägerin nicht ausreiche, einen Zurechnungszusammenhang zwischen
dem Beheizbarkeitsmangel als dem schadensauslösenden Umstand und
den Einnahmeausfällen als dem Schaden zu begründen.

(1) Die Beklagten führen hierzu aus, die einvernehmlich zwischen der
GmbH und der Klägerin zustande gekommenen Vergütungskürzungen seien ungerechtfertigt.
Denn da die GmbH von ihrer Auftraggeberin die volle Vergütung
erhalten habe, habe sie keinen Anspruch gehabt, die Vergütung gegenüber der
Klägerin zu kürzen. Dies folge aus der werkvertraglichen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in -
greife. Mangels Anspruchs der GmbH, die Vergütung der Klägerin zu kürzen,
hätte diese nachvollziehbar darlegen müssen, weshalb sie sich dennoch auf solche
Kürzungen als Ergebnis von Verhandlungen mit der GmbH eingelassen
habe. An einem solchen Vortrag fehle es.

(2) Zwar nimmt die Revisionserwiderung im Ausgangspunkt zutreffend an,
dass in Fällen, in denen ein Geschädigter mit einem Dritten infolge eines Schadensfalls
einen Vergleich schließt, der - wenn ein Anspruch des Dritten gegen
den Geschädigten nicht bestanden hat - einen Schaden erst herbeiführt, eine
Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs im Einzelfall in Betracht
kommt (vgl. BGH Urteil vom 7. März 2002 - VII ZR 41/01 - NJW 2002, 2322,
2323; vgl. auch BGH Urteil vom 8. September 2016 - IX ZR 255/13 - NJW-RR
2017, 566 Rn. 24).

Der Einwand der Revisionserwiderung geht verfahrensrechtlich jedoch
schon deshalb ins Leere, weil im angefochtenen Urteil keine Feststellungen dazu
getroffen sind, ob die Vergütungskürzungen seitens der GmbH tatsächlich im
Wege eines Vergleichs (§ 779 Abs. 1 BGB) mit der Klägerin zustande gekommen
sind. Zudem ist die Auffassung rechtsirrig, der GmbH habe gegen die Klägerin
trotz Schulungsausfällen kein Anspruch auf Kürzung der Vergütung zugestanden.
Zwar kann nach der von der Revisionserwiderung angeführten Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ein (Haupt-)Auftragnehmer nach dem Rechtsgedanken
der Vorteilsausgleichung daran gehindert sein, seinerseits Ansprüche
wegen Mängeln gegen seinen Nachunternehmer geltend zu machen, wenn im
Rahmen einer werkvertraglichen Leistungskette feststeht, dass der (Haupt-)Auftragnehmer
von seinem Auftraggeber wegen Mängeln am Werk nicht mehr in
Anspruch genommen wird (vgl. BGH Beschluss vom 20. Dezember 2010
- VII ZR 100/10 - NJW-RR 2011, 377 Rn. 2 mwN). Grundlage dieser Rechtsprechung
ist, dass ein Auftraggeber im Verhältnis zu seinem (Haupt-)Auftragnehmer
eine nicht vertragsgemäße Leistung hinnimmt, was letztlich auch dem Nachunternehmer
zugutekommen soll.

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn mit der vollständigen Zahlung
der öffentlichen Auftragsverwaltung als der Auftraggeberin an die GmbH hat
die Auftraggeberin nicht etwa eine nicht vertragsgemäße Leistung der GmbH hingenommen.
Vielmehr beruhten die Zahlungen nach dem revisionsrechtlich als
zutreffend zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin darauf, dass die GmbH die
auf Seiten der Klägerin ausgefallenen Schulungen auf eigene Kosten durchgeführt,
also gegenüber ihrer Auftraggeberin die geschuldete Leistung erbracht hat.
Mithin hat die GmbH durch die Zahlungen auch keinen Vorteil, sondern lediglich
die vertraglich geschuldete Gegenleistung von ihrer Auftraggeberin erhalten und
war somit gemessen am Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung (vgl. insoweit
BGH Urteil vom 21. Oktober 2021 - IX ZR 9/21 - MDR 2022, 99 Rn. 16 f. mwN)
auch nicht daran gehindert, ihre Ansprüche im Wege von Vergütungskürzungen
gegen die Klägerin geltend zu machen.

b) Zum Freistellunganspruch hat sich die Klägerin darauf berufen, sie habe
infolge der Mängel an den Mieträumlichkeiten die mit der GmbH vereinbarte Vertragsstrafe
verwirkt. Entgegen der Revisionserwiderung ist dieser Vortrag nicht
deshalb unschlüssig, weil die Klägerin offengelassen hat, welche - die Vertragsstrafe
begründende - Vertragsverletzung sie infolge der Mängel gegenüber der
GmbH begangen und zu vertreten hat. Denn in ihrer Klageschrift vom 26. April
2018 hat die Klägerin als maßgeblichen Grund der Verwirkung der Vertragsstrafe
hinreichend deutlich den (mangelbedingten) Ausfall von Schulungen im Sinne
von § 9 iVm § 8 Nr. 3 des Vertrags mit der GmbH benannt. Darüber hinaus hat
sie in der Klageschrift auch Vortrag zum Vertretenmüssen gehalten. Schließlich
hat die Klägerin vorgebracht, die GmbH habe sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe
ihr gegenüber auch vorbehalten. Jedenfalls deshalb kann - ohne das
Hinzutreten weiterer Umstände - nicht davon ausgegangen werden, dass, wie
die Revisionserwiderung weiter meint, die Geltendmachung des Freistellungsbegehrens
durch die Klägerin gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB verstößt
(vgl. dazu BGH Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 35/11 - NJW 2012, 1717 Rn. 9
mwN).

Mithin ist der Vortrag der Klägerin auch insoweit geeignet, das Vorliegen
eines Schadens zu begründen. Denn die Belastung mit einer Verbindlichkeit wie
hier mit einer Vertragsstrafe stellt grundsätzlich einen zu ersetzenden Schaden
im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB dar, weshalb der Belastete als Naturalrestitution
die Freihaltung von der Verbindlichkeit, mit der er tatsächlich beschwert ist, verlangen
kann (vgl. BGHZ 208, 372 = NJW 2016, 2032 Rn. 26; BGH Urteil vom
11. Juni 1986 - VIII ZR 153/85 - NJW-RR 1987, 43, 44 mwN). Dass die an die
GmbH als Tochtergesellschaft gegebenenfalls zu leistende Vertragsstrafe das
Vermögen der Klägerin im Ergebnis nicht belastet, ist bislang nicht eingewandt
(vgl. BGH Urteil vom 21. Oktober 2021 - IX ZR 9/21 - MDR 2022, 99 Rn. 16 f.
mwN).

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben
und der Rechtsstreit ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden,
weil bezüglich der Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs
einschließlich der Schadenshöhe noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen
sind.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

29.06.2022

Aktenzeichen:

XII ZR 6/21

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
GmbH
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 249, 252 S. 1, 536a Abs. 1