BayObLG 26. August 1993
1Z BR 80/93
BGB §§ 1944; 1994

Beginn der Sechs-Wochen-Frist für Erbausschlagung bei juristischen Laien

Die Löschungsbewilligung ist eine Unterart der Eintragungsbewilligung (KEHE/Ertl, § 19 GBO, Rd.-Nr. 7). Die Eintragungsbewilligung ist eine auf die Herbeiführung oder Rechtfertigung
einer Grundbucheintragung gerichtete Erklärung. Der Gebrauch bestimmter Worte ist nicht vorgeschrieben (Senat in
OLGZ 1980, 100 = Rpfleger 1980, 63). Aber die Erklärung muß
wenigstens im Wege der Auslegung erkennen lassen, daß der
Betroffene an eine Grundbucheintragung gedacht hat und daß
er sein Einverständnis mit dieser Eintragung bekunden wollte
(BayObLG Rpfleger 1985, 288; KEHE/Ertl, § 19 GBO, Rd.Nr. 31). Im vorliegenden Fall läßt sich bei unbefangener Betrachtung des Wortlauts und des Zusammenhangs der genannten Klausel des Vertrages vom 5. 1. 1990 mit den übrigen dort
getroffenen Vereinbarungen nicht zweifelsfrei und eindeutig
feststellen, daß die Bet. zu 2) die Löschung der Eigentumsübertragungsvormerkung bewilligen wollte. Andernfalls hätte es
nahe gelegen, die Erklärung der Bet. zu 2) aufzunehmen, sie
bewillige die Löschung der Vormerkung, statt die Worte „ist verpflichtet, diese Vormerkung zur Löschung zu bewilligen", die
eher auf einen schuldrechtlichen Anspruch des Bet. zu 1) gegen die Bet. zu 2) auf Bewilligung der Löschung hindeuten.
Auch eine ergänzende Auslegung liefert, selbst wenn man sie
mit den strengen Auslegungsregeln des Grundbucheintragungsverfahrens überhaupt für vereinbar hält, hier nicht einen
unbedingt zwingenden und eindeutigen Schluß.
Zur Löschung einer Auflassungsvormerkung gern. § 22 Abs. 1
GBO bedarf es der sonst erforderlichen Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) nur dann nicht, wenn die Unrichtigkeit des
Grundbuchs nachgewiesen ist. Diese Bestimmung gilt nicht nur
für dingliche Rechte, sondern entsprechend auch für die
schwächere Vormerkungsberechtigung, der das Gesetz Wirkungen beigelegt hat, die denjenigen des dinglichen Rechts
ähnlich sind (BayObLG MittBayNot 1989, 312, 313). Unrichtig
ist das Grundbuch, wenn der Buchstand von dem Sachstand
abweicht. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs in bezug auf eine
Vormerkung ist dann nachgewiesen, wenn der durch sie gesicherte Anspruch weggefallen ist; denn als Sicherungsmittel
hängt die Vormerkung in ihrem Bestand von dem des Anspruchs ab, zu dessen Sicherung sie bestellt ist. Das GBA hat
die Löschung einer Auflassungsvormerkung nach § 22 GBO
ferner dann vorzunehmen, wenn bei einer bedingten oder befristeten Vormerkung (vgl. dazu Ertl, Rpfleger 1977, 345, 353)
das Recht aus der Vormerkung erlischt durch Ausfallen der der
Vormerkung selbst (nicht dem Anspruch) gesetzten aufschiebenden Bedingung oder durch Eintritt der ihr gesetzten auflösenden Bedingung oder Befristung (Staudinger/Gursky, 12.
Aufl., § 886 BGB, Rd.-Nr. 15).
An den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs sind, wie
das LG im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, strenge
Anforderungen zu stellen, weil sonst am Verfahren nicht beteiligte Personen geschädigt werden können. Ein gewisser Grad
von Wahrscheinlichkeit für die behauptete Unrichtigkeit genügt
nicht. Der Antragsteller hat vielmehr lückenlos alle Möglichkeiten auszuräumen, die der Richtigkeit der Eintragung entgegenstehen können. Ganz entfernte Möglichkeiten brauchen aber
nicht widerlegt zu werden, da das GBA von dem nach der
allgemeinen Lebenserfahrung Regelmäßigen ausgehen darf,
sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände auf das Gegenteil
hinweisen (BayObLG Rpfleger 1980, 278 und NJW-RR 1990,
722, 723; LG München MittBayNot 1988, 43 mit Anm. Promberger; KEHE/Ertl, § 22 GBO, Rd.-Nr. 58; Horber/Demharter, § 22
GBO, Anm. 11; Meikel/Böttcher, 7. Aufl., § 22 GBO, Rd.Nr. 104; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 9. Aufl.,
Rd.-Nrn. 369, 1543).
Die Anforderungen an diesen Nachweis haben die Vorinstanzen aber im Streitfall überspannt. Es ist zwar denkgesetzlich
nicht ausgeschlossen, daß die Beteiligten einmal die Ehe miteinander schließen werden. Denn obwohl eine Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB), entspricht es
der allgemeinen Lebenserfahrung, daß viele Ehen nicht lebenslang bestehen. Denkbar ist auch, daß der jetzige Ehemann der
Bet. zu 2) vor ihr verstirbt und daß alsdann die Bet. zu 2) die
Ehe mit dem Bet. zu 1) schließt. Gleichwohl steht zweifelsfrei
fest, daß der durch die Vormerkung gesicherte bedingte Auflassungsanspruch nicht mehr entstehen kann. Dieser Anspruch
der Bet. zu 2) ist gerichtet auf Übertragung eines halben Miteigentumsanteils an einem Grundstück für den Fall, daß die
häusliche Lebensgemeinschaft zwischen den Beteiligten, die
bei Abschluß des Vertrages vom 5. 1. 1990 bestand, in eine
Eheschließung mündet. Der endgültige Ausfall dieser aufschiebenden Bedingung ist aber zwischen den Beteiligten unstreitig,
nachdem das AG der Bet. zu 2) Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Eintragungsantrag vom 22. 9. 1992 gegeben
hat und diese die Aufhebung der häuslichen Lebensgemeinschaft mit dem Bet. zu 1) sowie die Eheschließung mit einem
anderen Mann eingeräumt und ihren Widerspruch gegen die
Löschung der Eigentumsübertragungsvormerkung nur mit dem
diene ganz allgemein der Sicherung ihrer schuldrechtlichen Ansprüche gegen den Bet. zu 1) aus dem Vertrag vom 5. 1. 1990.
Unter diesen Umständen ist es nach Meinung des Senats für
das GBA offenkundig, daß die wirkliche Rechtslage mit dem Inhalt des Grundbuchs deshalb nicht übereinstimmt, weil der
durch die Vormerkung zu sichernde Anspruch nicht mehr entstehen kann. Deshalb ist es unschädlich, daß der vom Bet. zu
1) vorgelegte Auszug aus dem Familienbuch des Standesamts
W. von einer Rechtsanwältin beglaubigt ist und deshalb nicht
der Form des § 29 Abs. 1 GBO entspricht.
5. Erbrecht - Beginn der Sechs-Wochen-Frist für die Erbausschiagung bei juristischen Laien
(BayObLG, Beschluß vom 26. B. 1993 - 1Z BR 80/93 - mitgeteilt von Richter am BayObLG Johann Demharter, München)
BGB §§ 1944; 1994
1. Das Fehlen eines Aktivnachlasses kann bei einem
Laien im Einzelfall die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft
ausschließen.
2. Der Antrag eines Nachlaßgläubigers auf Bestimmung
einer Inventarfrist ist abzulehnen, wenn die Erbschaft wirksam ausgeschlagen worden ist.
Zum Sachverhalt:
Der am 3. 3. 1992 verstorbene Erblasser hat keine letztwillige Verfügung
hinterlassen. Als gesetzliche Erben kommen seine Witwe (Bet. zu 1) sowie seine drei Kinder (Bet. zu 2) bis 4) in Betracht. Ein Aktivnachlaß
wurde nicht festgestellt.
Die Bet. zu 5), eine Kundenkreditbank, hat mit gleichlautendem Schreiben vom 14.8. 1992 gegenüber den Bet. zu 1) bis 4) eine Nachlaßverbindlichkeit von rund 4.600,- DM aus einer Darlehensgewährung geltend gemacht. Darin heißt es:
„Wie wir in Erfahrung gebracht haben, sind Sie Erbin/Erbe geworden.
Aus einer Kreditgewährung steht unserer Mandantin noch eine Forderung zu." Am 14. 10. 1992 hat die Bet. zu 5) beim Nachlaßgericht unter
Vorlage eines gegen den Erblasser gerichteten Vollstreckungsbescheids
vom 22. 7. 1982 beantragt, den Bet. zu 1) bis 4) eine Frist zur Erstellung
eines Nachlaßverzeichnisses zu setzen. Der Antrag wurde den Bet. zu
1) bis 4) am 3. 11. 1992 mitgeteilt.
Die Bet. zu 1) bis 4) haben am 23. 11. 1992 die Erbschaft zur Niederschrift des Nachlaßgerichts ausgeschlagen und dabei angegeben, sie
hätten erst am 3. 11. 1992 durch anwaltliche Beratung Kenntnis vom Anfall der Erbschaft, vom Grund der Berufung zur Erbfolge und von der
Überschuldung des Nachlasses erhalten.
Das Nachlaßgericht (Rechtspfleger) hat mit Beschluß vom 15. 1. 1992
den Antrag auf Bestimmung einer Inventarfrist abgelehnt. Das hiergegen
gerichtete Rechtsmittel der Bet. zu 5) ist dem Nachlaßrichter zur Entscheidung über die Abhilfe und von ihm dem LG vorgelegt worden. Dieses hat mit Beschluß vom 14. 5. 1993 die Beschwerde zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte „sofortige weitere Beschwerde" der Bet. zu 5). Den Bet. zu 1) bis 4)
wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Heft Nr. 11 . MittRhNotK - November 1993 289


Aus den Gründen:
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Rechtsmittel ist als unbefristete weitere Beschwerde
(§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG) statthaft. Gegen eine Verfügung, durch
die der Antrag eines Nachlaßgläubigers auf Bestimmung einer
Inventarfrist gem. § 1994 Abs. 1 S. 1 BGB abgelehnt wird, findet nicht die befristete Beschwerde gern. § 77 Abs. 1 FGG
statt, sondern die unbefristete Beschwerde (vgl. §§ 19 Abs. 1,
29 Abs. 2 FGG; Bassenge/Herbst, 6. Aufl., § 77 FGG, Anm. 1 b
bb; Keidel/Winkler, 13. Aufl., § 77 FGG, Rd.-Nr. 9). Die Beschwerdeberichtigung der Bet. zu 5) ergibt sich für die weitere
Beschwerde schon aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (§§ 29 Abs. 4, 20 FGG; BayObLGZ 1992, 162,
163 m.w.N.). Für die Erstbeschwerde folgt sie aus der Zurückweisung des Antrags auf Bestimmung einer Inventarfrist (§§ 20
Abs. 2 FGG, 1994 Abs. 1 S. 1 BGB); denn als antragsberechtigte Nachlaßgläubigerin ist sie hierdurch in ihrer Rechtsstellung nachteilig betroffen (vgl. Keidel/Kahl, § 20 FGG, Rd.Nr. 49).
2. Das LG hat ausgeführt:
Die Bet. zu 1) bis 4) hätten die Erbschaft am 23. 11. 1992 rechtzeitig und wirksam ausgeschlagen, da sie erst am 3. 11. 1992
durch eine anwaltliche Belehrung Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erlangt hätten. Die von der Bet. zu 5) unter dem 14. B.
1992 an die Bet. zu 1) bis 4) gerichteten Schreiben mit der
bloßen Behauptung, sie seien Erben geworden, seien nicht geeignet, die erforderliche Belehrung über die Rechtslage zu vermitteln. Von juristischen Laien könne nicht das Wissen erwartet
werden, daß sie auch bei Fehlen eines Vermögens als Erben
behandelt würden.
3. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung
(§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) stand.
a) Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, daß der auf
§ 1994 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB gestützte Antrag eines
Nachlaßgläubigers, dem Erben eine Inventarfrist zu bestimmen
(vgl. BayObLGZ 1992, 162, 164 f.), vom Nachlaßgericht abzulehnen ist, wenn die Erben die Erbschaft bereits wirksam ausgeschlagen haben (vgl. BayObLGZ 3, 823, 826; RGRK/
Johannsen, 12. Aufl., Rd.-Nr. 8; MünchKomm/Siegmann,
2. Aufl., Rd.-Nr. 5; Soergel/Stein, 12. Aufl., Rd.-Nr. 7; Staudinger/Marotzke, Rd.-Nr. 12, je zu § 1994 BGB; denn eine formund fristgerechte Ausschlagung hat die Wirkung, daß der Anfall
der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt
(§ 1953 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Edenhofer, 52. Aufl., § 1994
BGB, Rd.-Nr. 2).
b) Das LG hat festgestellt, daß die Bet. zu 1) bis 4) die Erbschaft am 23. 11. 1992 gegenüber dem Nachlaßgericht vor Ablauf der Ausschlagungsfrist wirksam ausgeschlagen haben.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerdeführerin ohne Erfolg.
aa) Die für eine Ausschlagung der Erbschaft vorgeschriebene
Form (§ 1945 Abs. 1 BGB) ist durch die Erklärungen der Bet.
zu 1) bis 4) zur Niederschrift des Rechtspflegers des gem.
§§ 72, 73 Abs. 1 FGG zuständigen Nachlaßgerichts gewahrt.
Zwar kann die Erbschaft nur binnen einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen werden (§ 1944 Abs. 1 BGB). Diese Frist
beginnt aber gern. § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB für jeden Erben erst
mit dem Zeitpunkt, in dem er vom Anfall der Erbschaft
(§§ 1922, 1942 Abs. 1 BGB) und vom Grund der Berufung zur
Erbfolge bestimmte und überzeugende Kenntnis erlangt
(BayObLGZ 1968, 68, 74; vgl. auch BayObLGZ 1992, 64, 68;
Palandt/Edenhofer, § 1944 BOB, Rd.-Nr. 2). Erforderlich, aber
auch genügend ist es, wenn dem Erben die tatsächlichen und
rechtlichen Umstände in so zuverlässiger Weise bekanntgeworden sind, daß von ihm vernünftigerweise erwartet werden
kann, in die Überlegungen über Annahme oder Ausschlagung
einzutreten (vgl. MünchKomm/Leipold, § 1944 BGB, Rd.-Nr. 8).
Fahrlässige Unkenntnis däs Erben steht seiner Kenntnis nicht
gleich (BGH LM § 2306 BGB, Nr. 4 = Rpfleger 1968, 183;
BayObLGZ 1968, 68, 74; MünchKomm/Leipold, a.a.O.;
RGRK/Johannsen, Rd.-Nr. 8, Soergel/Stein, Rd.-Nr. 8, Staudinger/Otte/Marotzke, Rd.-Nr. 7, je zu § 1944 BGB); es ist auch
ohne Bedeutung, ob ein Nichtkennen auf tatsächlichem oder
Rechtsirrtum beruht (vgl. RGRK/Johannsen,-a.a.O.).
Die Frage, ob und wann ein Erbe Kenntnis vom Anfall der Erbschaft sowie vom Grund der Berufung zur Erbfolge erlangt hat,
liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (BGH Rpfleger
1968, 183). Das Rechtsbeschwerdegericht ist daher an die
Feststellung des Gerichts der Tatsacheninstanz gern. §§ 27
Abs. 1 S. 2 FGG, 561 Abs. 2 ZPO gebunden, wenn diese Feststellungen nicht verfahrenswidrig zustande gekommen sind,
wenn der Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde, alle geeigneten Beweise erhoben wurden (§ 12 FGG) und wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist (st. Rspr., vgl. z. B. BayObLG
FamRZ 1991, 1232, 1234).
bb) Die von der Rechtsbeschwerdeführerin angegriffene Feststellung des LG, daß die Bet. zu 1) bis 4) erst durch anwaltliche
Belehrung am 3. 11. 1992 tatsächliche Kenntnis vom Anfall der
Erbschaft und von der Berufung zur gesetzlichen Erbfolge erhielten, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
(1) Dem Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung des LG,
von juristischen Laien könne nicht das Wissen erwartet werden,
daß sie auch dann als Erben behandelt würden, wenn kein Aktivnachlaß vorhanden ist, kann allerdings in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Ob und wann ein Erbe Kenntnis vom
Anfall der Erbschaft erhät, ist vielmehr nach den gesamten
Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Persönlichkeit des Erben, zu beurteilen. Hierbei kann das Fehlen eines
Aktivnachlasses oder die Annahme, ein solcher fehle, bei
einem Laien unter den besonderen Umständen des Einzelfalls
die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft ausschließen (vgl. BayObLGZ 33, 334, 337; Soergel/Stein, Rd.-Nr. 9, Palandt/Edenhofer, Rd.-Nr. 4, Staudinger/Otte/Marotzke, Rd.-Nr. 8; einschränkend aber MünchKomm/Leipold, Rd.-Nr. 11, je zu
§ 1944 BGB). Derartige Umstände durfte das LG hier nach den
gesamten Gegebenheiten annehmen, insbesondere aufgrund
der Persönlichkeit der rechtsunerfahrenen Erben, wie sie aus
dem Protokoll des Nachlaßgerichts über die Ausschlagungsverhandlung, der Begründung der Nichtabhilfeentscheidung
und der von der Bet. zu 5) vorgelegten schriftlichen Erklärung
des Bet. zu 2) vom 24. B. 1992 erkennbar wird und sich in der
undatierten schriftlichen Stellungnahme der Bet. zu 1) gegenüber dem Senat bestätigt hat.
(2) Das LG, das den übereinstimmenden Angaben der Bet. zu
1) bis 4) Glauben geschenkt hat, hält die Schreiben der Bet. zu
5) vom 14. B. 1992 für nicht geeignet, die gem. § 1944 Abs. 2
S. 1 BGB erforderliche Kenntnis zu vermitteln. Hiergegen bestehen schon deshalb keine rechtlichen Bedenken, weil private,
für den Erben unüberprüfbare Mitteilungen regelmäßig nicht
genügen (vgl. Soergel/Stein, § 1944 BOB, Rd.-Nr. 8) und weil
der Inhalt jener Schreiben weder eine bestimmte Erbenstellung
erkennen läßt, noch einen bestimmten Berufungsgrund (vgl.
BayObLGZ 1992, 64, 68 m.w.N.). Aufgrund der unsubstantiierten Inanspruchnahmen als Schuldner für eine rund zehn Jahre
zurückliegende Darlehensverbindlichkeit des Erblassers, wie
sie in den Formularschreiben vom 14. B. 1992,enthalten sind,
die zwar den Briefkopf des Verfahrensbevollmächtigten der
Bet. zu 5) tragen, jedoch offensichtlich nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben sind, läßt sich eine Fehlvorstellung der
Bet. zu 1) bis 4) nicht ausschließen. Es ist unter den hier gegebenen Umständen möglich, daß die Witwe und die Kinder des
Erblassers als juristische Laien die gern. § 1944 Abs. 2 S. 1
BOB vorausgesetzte überzeugende Kenntnis nicht aufgrund
der Schreiben vom 14. B. 1992 erhalten haben. Entgegen der
Auffassung der Bet. zu 5) folgt diese Kenntnis auch nicht aus
der Beantwortung durch den Bet. zu 2), der lediglich erklärt hat,
er werde nichts bezahlen. Ob die von den Richtern der Tatsacheninstanzen getroffenen Schlußfolgerungen die einzig
möglichen sind oder eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe
Heft Nr. 11 • MittRhNotK • November 1993
Rechtsbeschwerdegerichts (Keidel/Kuntze, § 27 FGG, Rd.Nr. 42 m.w.N.).
(3) Das LG hat keine wesentlichen Umstände übersehen. Ob
sich die Bet. zu 1) bis 4) aufgrund der Mahnschreiben vom
14.8. 1992 die erforderliche Kenntnis hätten verschaffen können oder müssen, war schon deshalb nicht zu erörtern, weil
eine fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis i.S.v. § 1944 Abs. 2
S. 1 BGB nicht gleichsteht (BGH LM § 2306 BGB, Nr. 4).
(4) Das LG hat seine Ermittlungspflicht (§ 12 FGG) nicht verletzt, da weitere Ermittlungen nicht geboten waren. Begründete
Zweifel daran, daß die Bot. zu 1) bis 4) die erforderliche Kenntnis i.S.v. § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB erst am 3.11. 1992 erlangt
haben, sind nicht erkennbar. Auch die Bot. zu 5) hat keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen aufgezeigt.
4. Die Bet. zu 5) trägt die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde (§ 131 Abs. 1 KostO). Gern. § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG
hat die Bet. zu 5) die den Bet. zu 1) bis 4) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
6. Handelsrecht — Geschäftstätigkeit einer Besitzgesellschaft nach Betriebsaufspaltung kein Handelsgewerbe
(OLG Hamm, Beschluß vom 21. 6. 1993 —15 W 75/93 — mitgeteilt von Vors. Richter am OLG Dr. Karldieter Schmidt, Hamm)
HGB §§ 1; 105
Eine offene Handelsgesellschaft, deren Geschäftstätigkeit
sich als Besitzgesellschaft nach einer Betriebsaufspaltung
auf die Vermietung oder Verpachtung von Wirtschaftsgütern an eine Betriebsgesellschaft beschränkt, übt kein
Handelsgewerbe aus. Die Gesellschaft besteht lediglich
als BGB-Gesellschaft fort und verliert damit ihre Firmenfähigkeit.
Zum Sachverhalt:
Die Bet. zu 1) bis 3) sind die Gesellschafter einer seit 1983 im Handelsregister eingetragenen OHG.
In der vom AG eingeholten Stellungnahme der IHK ist ausgeführt, gegen
den Vollzug der Anmeldung bestünden keine Bedenken. Es handele sich
um eine Betriebsaufspaltung, bei der davon auszugehen sei, daß die
bisherige Gesellschaft auch in der Form des Besitzunternehmens ein
Gewerbe i.S.d. § 2 HGB betreibe. Wenn das Handelsgeschäft der Betriebsgesellschaft vollkaufmännisch sei, müsse regelmäßig von einer
entsprechenden kaufmännischen Einrichtung auch für das Besitzunternehmen ausgegangen werden.
Der Rechtspfleger des Registergerichtes hat durch Beschluß vom 18. 1.
1993 die Anmeldung zurückgewiesen und zur Begründung näher ausgeführt, die Tätigkeit einer Besitzverwaltungsgesellschaft nach einer Betriebsaufspaltung könne nicht als Handelsgewerbe qualifiziert werden;
die Gesellschaft bestehe daher lediglich als BGB-Gesellschaft fort und
müsse deshalb auf Anmeldung der Gesellschafter gelöscht werden. Die
Anmeldung der Firmenänderung habe deshalb zurückgewiesen werden
müssen.
Die hiergegen gerichteten Rechtsbehelfe blieben erfolglos.
Aus den Gründen:
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer
zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten ausgegangen.
Nicht zu beanstanden ist darüber hinaus, daß das AG den Eintragungsantrag aus einem Grund zurückgewiesen hat, der
nicht unmittelbar die angemeldete Änderung der Firma der Gesellschaft selbst betrifft, sondern sich darauf bezieht, daß die
Gesellschaft als reine Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung rechtlich ihre Eigenschaft als Handelsgesellschaft verloren habe und damit die Firma erloschen sei. Das Registergericht darf die Eintragung einer Anmeldung zwar nur dann
ablehnen, wenn — abgesehen von formellen Hindernissen —
gegen die Wirksamkeit und Rechtsbeständigkeit der angemeldeten Tatsachen oder Rechtsverhältnisse oder gegen die
rechtliche Zulässigkeit der Eintragung begründete Bedenken
Heft Nr. 11 - MittRhNotK • November 1993
bestehen. Dementsprechend ist anerkannt, daß eine als solche
nicht zu beanstandende Anmeldung nicht deswegen zurückgewiesen werden darf, weil der Inhalt des Handelsregisters
oder die Verhältnisse des Handelsgeschäfts in anderer Hinsicht
zu Beanstandungen Anlaß geben (vgl. Jansen, 2. Aufl., § 128
FGG, Rd.-Nr. ,31). Aus diesem Grundsatz folgt nach gefestigter
Rspr. insbesondere, daß die Anmeldung des Ausscheidens
eines Gesellschafters nicht davon abhängig gemacht werden
darf, daß zugleich eine für notwendig erachtete Firmenänderung angemeldet wird (BGH NJW 1977, 1879 = DNotZ 1977,
675, ergangen auf Vorlagebeschluß des Senats, OLGZ 1977,
435; KG OLGZ 1965, 124 = DNotZ 1966, 47; BayObLGZ 1988,
51 = NJW-RR 1988, 1307 = DNotZ 1989, 241). Allerdings behandelt das Gesetz die Änderung der Firma einer OHG (§ 107
HGB) und das Erlöschen der Firma der Gesellschaft wegen
Verlustes ihrer Firmenfähigkeit (§ 31 Abs. 2 S. 1 HGB) als jeweils gesondert anmeldepflichtige Tatsachen. Gleichwohl sind
die genannten Verfahrensgrundsätze im vorliegenden Fall nicht
anwendbar; vielmehr erstreckt sich die Prüfungspflicht des Registergerichts im Hinblick auf die angemeldete Firmenänderung
auch auf die Frage, ob die Firma der Gesellschaft anderweitig
bereits erloschen ist. Denn das Fortbestehen der Firma ist notwendige rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit ihrer Änderung durch die Gesellschafter; eine bereits erloschene Firma
kann nicht mehr geändert werden. Das Fortbestehen der Firma
betrifft deshalb unmittelbar die Wirksamkeit der angemeldeten
Firmenänderung und muß deshalb bereits im Eintragungsverfahren vom Registergericht berücksichtigt werden. Dem steht
nicht entgegen, daß die Zurückweisung des Eintragungsantrages allein nicht zur Beseitigung der unrichtig gewordenen Eintragung einer Firma für die Gesellschaft im Handelsregister
führt; vielmehr bedarf es dazu ergänzend der Durchführung des
Registerzwangsverfahrens nach den §§ 14 HGB, 132 ff. FGG,
wenn die Gesellschafter, was vorliegend anzunehmen ist, das
Erlöschen der Firma nicht freiwillig zum Handelsregister anmelden. Gleichwohl würde durch die Eintragung der Änderung der
Firma die Unrichtigkeit des Handelsregisters nur noch weiter
fortgeführt. Dies liefe gerade dem tragenden Gesichtspunkt der
vorstehend genannten Entscheidungen zuwider, der darin besteht, zu gewährleisten, daß eine anmeldepflichtige Tatsache
alsbald im Handelsregister verlautbart wird und das Register
damit seine Funktion erfüllen kann, die wirklichen Rechtsverhältnisse des kaufmännischen Unternehmens offenzulegen. Es
ist demgegenüber lediglich eine Frage der Ermessensausübung bei der Verfahrensgestaltung, ob das Registergericht die
Entscheidung über die Anmeldung der Firmenänderung nicht
besser ausgesetzt und statt dessen wegen der Vorgreiflichkeit
der Frage des Erlöschens der Firma das Registerzwangsverfahren eingeleitet hätte (vgl. zur Zulässigkeit der Verfahrensaussetzung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 127
FGG Senatsbeschluß vom 12. 6. 1980 — 15W 78/80 —).
In der Sache hält die Entscheidung des LG rechtlicher Nachprüfung stand.
Eine Besitzgesellschaft, die sich im Rahmen einer Betriebsaufspaltung auf die Vermietung oder Verpachtung ihres Vermögens an eine Betriebsgesellschaft beschränkt, kann nach § 105
HGB nur dann als OHG fortbestehen, wenn ihre Tätigkeit als
vollkaufmännisch eingerichteter Gewerbebetrieb zu qualifizieren ist. Als Gewerbe wird in der herkömmlichen Begriffsbildung
jede berufsmäßige und selbständige, von der Absicht dauernder Gewinnerzielung getragene Tätigkeit bezeichnet (vgl. aus
der Rspr. des BGH etwa BGHZ 33, 321, 324; 57, 191, 199; an
dem Erfordernis der Gewinnerzielungsabsicht noch festhaltend
ferner BGHZ 95, 155, 157). Die Anlage und Verwaltung eigenen Vermögens ist grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit,
es sei denn, es handele sich wegen des Umfangs der Verwaltung um eine berufsmäßige Tätigkeit (BGHZ 74, 273, 277). Auf
der Grundlage dieser Kriterien wird vielfach die Tätigkeit einer
Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als
Gewerbe qualifiziert. Dabei wird darauf abgestellt, daß eine Besitzgesellschaft regelmäßig eine von Gewinnerzielungsabsicht
getragene selbständige und berufsmäßige Tätigkeit entfalte,

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BayObLG

Erscheinungsdatum:

26.08.1993

Aktenzeichen:

1Z BR 80/93

Erschienen in:

MittRhNotK 1993, 289-291

Normen in Titel:

BGB §§ 1944; 1994