Kammergericht 28. Januar 2025
1 W 37/25
BGB § 2075; GBO § 35

Notarielles gemeinschaftliches Testament; Pflichtteilsstrafklausel; Neutestierung vonseiten des überlebenden Ehegatten; Nachweis im Grundbuchverfahren

letzte Aktualisierung: 17.3.2025
KG, Beschl. v. 28.1.2025 – 1 W 37/25

BGB § 2075; GBO § 35
Notarielles gemeinschaftliches Testament; Pflichtteilsstrafklausel; Neutestierung vonseiten des überlebenden
Ehegatten; Nachweis im Grundbuchverfahren

Enthält ein zur Niederschrift eines Notars errichtetes gemeinschaftliches Testament eine Pflichtteilsstrafklausel,
die aber nur dann zum Verlust der Schlusserbenstellung führt, wenn der
überlebende Ehegatte neu testiert, setzt ein Verlangen des Grundbuchamts nach Vorlage eines
Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses zum Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit
konkrete Anhaltspunkte für die Annahme voraus, der überlebende Ehegatte habe tatsächlich neu
testiert.

Gründe

I.
Die in Abt. I lfd. Nr. 1 des Grundbuchs zu je ½ eingetragenen Eigentümer errichteten am 6.
Juni 1978 ein Testament zur UR-Nr. XXX des Notars XXX XXX in Berlin. Darin setzten sie
sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten ihre beiden Söhne zu gleichen Anteilen als
Erben des Längstlebenden. U.a. heißt es in dem Testament wörtlich:

„Sollte einer unserer Söhne oder beide nach dem Tode des Erstversterbenden von uns ihren
Pflichtteil verlangen, so sollen sie nach dem Tode des Längstlebenden ebenfalls den Pflichtteil
erhalten.

Der überlebende Ehegatte kann in diesem Fall neu bezüglich des freiwerdenden Teils testieren.
Sollte eine neue Verfügung von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten nicht erfolgen,
bleibt es bei der Erbeinsetzung hier in diesem Testament.“
Beide Eigentümer sind zwischenzeitlich verstorben.

Unter dem 27. Juli 2024 hat der Beteiligte unter Bezugnahme auf das vorgenannte Testament
und die Eröffnungsniederschrift des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2024 die
Berichtigung des Grundbuchs beantragt.

Mit Zwischenverfügungen vom 4. September 2024 hat das Grundbuchamt die Vorlage eines
Erbscheins oder eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsklausel
erfordert. Mit weiterer Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2024 hat das Grundbuchamt nur
noch einen Erbschein erfordert. Für die Entgegennahme eidesstattlicher Versicherungen sei das
Grundbuchamt nicht zuständig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 27. Dezember
2024, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 8. Januar 2025 nicht abgeholfen hat.

II.
Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem
Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass die angefochtene
Zwischenverfügung nicht veranlasst war, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

a) Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1
GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird, § 22
Abs. 1 GBO. Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen des Todes eines Berechtigten ist der
Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO.
Beruht die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen
Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und
die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1
GBO. Das Grundbuchamt hat eine solche Verfügung von Todes wegen dahin zu überprüfen,
ob sich aus ihr das von dem Antragsteller behauptete Erbrecht ergibt. Es hat die Verfügung in
eigener Verantwortung auszulegen, auch wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger
Fragen handelt. Die Pflicht zu eigener Auslegung entfällt allerdings dann, wenn für diese erst zu
ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Oktober
2020 – 1 W 1463/20 – ZEV 2020, 764; Beschluss vom 23. Juni 2020 – 1 W 1276/20 – DNotZ
2021, 195, 196).

b) Im Fall einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel hat es der Senat für den Nachweis der
negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils ausnahmsweise für geboten
erachtet, eine eidesstattliche Versicherung ausreichen zu lassen, wenn auch das Nachlassgericht
eine solche Versicherung ohne weitere Ermittlungen einer Erbscheinserteilung zugrunde legen
würde (Senat, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 W 10/12 – FamRZ 2012, 1517, 1519). Hiervon
war das Grundbuchamt ursprünglich in seiner Zwischenverfügung vom 4. September 2024
ausgegangen, hat aber in der angefochtenen Zwischenverfügung vom 17. Oktober 20124 im
Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur – fehlenden - Befugnis des
Grundbuchamts zur Abnahme eidesstattlicher Versicherungen (BGH, FamRZ 2022, 823, 827)
davon Abstand genommen.

c) Der Senat hat, worauf das Grundbuchamt in seiner Nichtabhilfeentscheidung hingewiesen
hat, zwischenzeitlich entschieden, dass die eidesstattliche Versicherung zum Nachweis
gegenüber dem Grundbuchamt bei im Testament namentlich nicht bezeichneten Kindern nicht
genügt (Senat, nicht rechtskräftiger Beschluss vom 9. Juli 2024 – 1 W 27/24 – FamRZ 2024,
1976). Es muss nicht entschieden werden, ob dies auch im Fall einer Pflichtteilsstrafklausel gilt
(vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2024, 261; a.A. OLG Frankfurt/Main, ZEV 2025, 38). Darunter
sind Klauseln zu verstehen, nach denen der eingesetzte Erbe sein Erbrecht verlieren soll, wenn
er nach dem ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt (BGH, FGPrax 2016, 244).

Zwar enthält auch das gemeinschaftliche Testament zunächst eine Pflichtteilsstrafklausel, wie sie
üblicherweise verwendet wird (vgl. OLG Frankfurt/Main, a.a.O.). Allein aus dieser Klausel eine
Lücke im Erbnachweis zu erblicken, die nur durch Vorlage eines Erbscheins – oder
Europäischen Nachlasszeugnisses, vgl. § 35 GBO – zu schließen möglich wäre, greift aber zu
kurz. Ein solches Verständnis lässt die weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen
Regelungen der Erblasser außer Betracht, deren Auslegung dazu führt, dass der von dem
Grundbuchamt zu Recht erforderte Nachweis der Erbfolge in Form des gemeinschaftlichen
Testaments bereits erbracht worden ist.

Bei Geltendmachung des Pflichtteils sollte der überlebende Ehegatte berechtigt sein, neu zu
testieren. Sah er davon ab, sollte es bei der Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen
Testament verbleiben. Damit führte das Verlangen nach dem Pflichtteil allein nicht zum Verlust
der Schlusserbenstellung, vgl. § 2075 BGB. Zusätzlich bedurfte es dazu eines neuen Testaments
des überlebenden Ehegatten.

Lediglich entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus einer letztwilligen Verfügung von Todes
wegen hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen in Frage stellen, können
jedoch das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nicht rechtfertigen (Senat, Beschluss vom
29. Oktober 2020 – 1 W 1463/20 – ZEV 2020, 764). Dass die Erblasserin – ggf. nach einem zu
unterstellenden Pflichtteilsverlangen des Beteiligten und/oder seines Bruders – neu testiert
haben könnte, ist eine solche Möglichkeit. Sie allein genügt für die Anforderung eines
Erbscheins nicht (vgl. Demharter, GBO, 33. Aufl., § 35 Rdn. 39b m.w.N.). Die Möglichkeit
späterer Testamente und des Widerrufs, §§ 2253 ff. BGB, ist nie auszuschließen und nur im Fall
konkreter Anhaltspunkte zu berücksichtigen (vgl. zur Scheidungsklausel: BGH, DNotZ 2022,
703; Senat, a.a.O.), die hier fehlen. Andernfalls liefe die Regelung des § 35 Abs. 1 S. 2 HS. 1
GBO leer.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

28.01.2025

Aktenzeichen:

1 W 37/25

Rechtsgebiete:

Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Testamentsform

Normen in Titel:

BGB § 2075; GBO § 35