OLG München 07. Februar 2011
34 Wx 18/11
BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 1909 Abs. 1, § 2174; GBO §§ 19, 20

Übertragung eines vermächtnisweise zugewandten vermieteten Grundstücks an Minderjährigen; Erfordernis eines Ergänzungspflegers, wenn sorgeberechtigte Mutter Erbin

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Dokumentnummer: 34wx18_11
letzte Aktualisierung: 1.4.2011
OLG München, 8.2.2011 - 34 Wx 18/11
BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 1909 Abs. 1, § 2174; GBO §§ 19, 20
Übertragung eines vermächtnisweise zugewandten vermieteten Grundstücks an
Minderjährigen; Erfordernis eines Ergänzungspflegers, wenn sorgeberechtigte Mutter
Erbin
Zur Erfüllung eines Vermächtnisses, dessen Inhalt ein vermietetes Grundstück ist und das der
Erblasser zugunsten seines minderjährigen Enkels ausgesetzt hat, bedarf die Auflassung der
Bestellung eines Ergänzungspflegers, wenn Erbin des Nachlasses die sorgeberechtigte Mutter
ist.


Oberlandesgericht München
Az.:
34 Wx 18/11
Kößlarn Blatt 893 AG Passau
In der Grundbuchsache
wegen Zwischenverfügung (Genehmigung der Auflassung durch Ergänzungspfleger)
erlässt das Oberlandesgericht München -34. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht Lorbacher, die Richterin am Oberlandesgericht Paintner und den
Richter am Oberlandesgericht Hinterberger am 08. Februar 2011 folgenden
Beschluss
I.
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts
Passau - Grundbuchamt - vom 1. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter und testamentarische Erbin des am 19.2.2010
verstorbenen Erblassers J. B. Die Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 2 sind die Eltern
des am 31.12.2007 geborenen Kindes T., des Beteiligten zu 3. Der Erblasser hatte in
seiner letztwilligen Verfügung vom 17.2.2010 zugunsten seines Enkels ein Vermächtnis
des Inhalts ausgesetzt, dass die Erbin sein - vermietetes - Wohnhaus in K. an T.
herauszugeben und zu übereignen habe.
Im Zuge der Erfüllung des Vermächtnisses erklärten die Beteiligten zu 1 und 2 auch als
Inhaber der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn T. zu notarieller Urkunde am
30.9. 2010 die Annahme des Vermächtnisses. Die Auflassung zugunsten des
Beteiligten zu 3 wurde erklärt, die Eintragung der Auflassung bewilligt und beantragt.
Auf den Vollzugsantrag vom 13.10.2010 hat das Grundbuchamt mit fristsetzender
Zwischenverfügung vom 1.12.2010 beanstandet, dass die Genehmigung der Auflassung
durch einen Ergänzungspfleger gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2, §§ 181,
1909 Abs. 1 Satz 1 BGB fehle. Es hat sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs berufen, nach der ein auf den Erwerb eines vermieteten
Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen nicht lediglich
rechtlich vorteilhaft sei; daran ändere nichts, dass sich dieser Erwerb in Erfüllung einer
Verbindlichkeit vollziehe. Auf den Rechtsgrund des Erwerbs komme es nämlich nicht an.
Auch wenn sich die Verpflichtung aus einer letztwilligen Verfügung ergebe, so ließen
sich mögliche Rechtsnachteile des Erfüllungsgeschäfts nicht durch ein unter
unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung des Vertretenen zustande gekommenes
schuldrechtliches
Rechtsgeschäft
"ausfiltern"
oder
bewusst
hinnehmen.
Das
minderjährige Kind könne demnach von seinen Eltern bei der Auflassung nicht wirksam
vertreten werden und es bedürfe der Genehmigung der Auflassungsurkunde durch
einen vom Familiengericht zu bestellenden Ergänzungspfleger.
Der Beschwerde vom 14.1.2011 hat das Grundbuchamt am 25.11.2010 nicht
abgeholfen und die Akten dem Senat als Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die im Namen aller Urkundsbeteiligter vom Notar eingelegte zulässige Beschwerde (§
15 Abs. 2, § 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, §§ 72, 73 GBO) hat keinen Erfolg. Das
Grundbuchamt verlangt für das zu vollziehende Grundstücksgeschäft zutreffend die
Genehmigung der Auflassung (§§ 19, 20 GBO) durch einen Ergänzungspfleger.
1. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 162,
137) ist ein auf den Erwerb eines vermieteten (oder verpachteten) Grundstücks
gerichtetes Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
im Sinne des § 107 BGB. Denn in dessen Folge wird der Minderjährige mit
Verpflichtungen belastet, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache,
sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Eine solche
persönliche Haftung ist mit dem Erwerb eines vermieteten Grundstücks verbunden, weil
gemäß § 566 Abs. 1 BGB der Erwerber mit dem Eigentumsübergang in sämtliche
Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Mietverhältnis eintritt. Den Erwerber treffen
vielfältige Pflichten aus diesem Schuldverhältnis; ihm erwachsen daraus nicht nur
typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile, die bei der Anwendung des § 107 BGB
von vornherein außer Betracht bleiben können, wie etwa die mit dem Eigentumserwerb
einhergehende Verpflichtung zur Tragung öffentlicher Lasten. Die Pflichten sind ihrem
Umfang nach auch nicht begrenzt; ihre wirtschaftliche Bedeutung hängt von den
Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Ob sie für das Vermögen des Minderjährigen
hinnehmbar sind, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern erfordert eine
entsprechende einzelfallbezogene Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter (BGHZ
162, 137/140 f.; ebenso BayObLG NJW 2003, 1129; siehe auch Schöner/Stöber
Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 3610 k; Palandt/Diederichsen BGB 70. Aufl. § 1795 Rn.
13).
2. Schon nach einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.7.1980
(BGHZ 78, 28) war dann, wenn das schuldrechtliche Geschäft dem Minderjährigen
lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, der gesetzliche Vertreter nicht etwa im Hinblick
auf § 181 letzter Halbsatz BGB befugt, den Minderjährigen bei der Annahme der
Auflassung zu vertreten, sofern mit der Übertragung des dinglichen Rechts rechtliche
Nachteile verbunden sind. Damit sollte ein Insichgeschäft und der damit verbundene
Interessenkonflikt in Fällen verhindert werden, in denen das Grundgeschäft zwar
lukrativ,
das
Erfüllungsgeschäft
hingegen
mit
rechtlichen Nachteilen für
den
Minderjährigen verbunden ist. Legt man diese Meinung zugrunde, bedarf es wegen
Ausschlusses der Eltern von der gesetzlichen Vertretung der Bestellung eines
Ergänzungspflegers.
3. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2004 (BGHZ 161, 170) ist
teilweise als Abkehr von der Gesamtbetrachtungslehre verstanden worden (vgl. Wojcik
DNotZ 2005, 655/659). Der Bundesgerichtshof erachtete sie hingegen insoweit nur als
Klarstellung
bzw.
"Abgrenzung";
für
die
der
Entscheidung
vom
9.7.1980
zugrundeliegende Fallgestaltung wurde sie bei dieser Gelegenheit nicht (siehe auch
Palandt/Ellenberger BGB § 181 Rn. 22 a.E.), wohl aber dann im Beschluss vom
3.2.2005 (BGHZ 162, 137/143 f.) aufgegeben. Dies hat der Bundesgerichtshof jüngst
ausdrücklich so bestätigt (BGH NJW 2010, 3643).
4. Würde man eine Gesamtbetrachtung aus rechtssystematischen Gründen nämlich
nicht anstellen, ergäbe sich nichts anderes über eine dann gebotene teleologische
Reduktion des § 181 letzter Halbsatz BGB: die Ausnahme ("es sei denn, dass ...") greift
dann nicht ein, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit für den Minderjährigen nicht
lediglich rechtlich vorteilhaft ist (vgl. BGHZ 162, 137/142 f.; auch BGHZ 161, 170/174;
Feller DNotZ 1989, 66/75). Damit ist die dingliche Übertragung eines Grundstücks an
einen Minderjährigen isoliert zu betrachten und zu bewerten. Auf den Schuldgrund
kommt es nicht an. Zwar ist das der Eigentumsübertragung zugrunde liegende
Vermächtnis (§ 2174 BGB) für den Beteiligten zu 3 lediglich rechtlich vorteilhaft und die
Auflassung dient ausschließlich der Erfüllung einer durch das Rechtsgeschäft von
Todes wegen wirksam begründeten Verbindlichkeit.
Gleichwohl können die Eltern des Beteiligten zu 3 die Auflassung für diesen nicht
erklären, weil die in § 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB geregelte Ausnahme von dem
Vertretungsverbot
nicht
gilt.
Zu
berücksichtigen
ist
der
Zweck
der
zitierten
Bestimmungen, Kollisionen zwischen den Interessen des Kindes und den Interessen
seiner Eltern zu vermeiden, wenn das in Erüllung der Verbindlichkeit bestehende
Rechtsgeschäft über den Erfüllungserfolg hinaus zu rechtlichen Nachteilen für den
Vertretenen führt. In diesem Fall trifft die Ausnahme vom Verbot des Insichgeschäfts,
nämlich dass dieses ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (§ 181
letzter Halbsatz BGB) und es deshalb zu keiner Interessenkollision kommen kann, nicht
zu, so dass es bei dem grundsätzlichen Vertretungsverbot zu verbleiben hat. Dies gilt
für die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit (§ 2174 BGB) gleichermaßen wie für die
Erfüllung von Rechtsgeschäften unter Lebenden (Feller DNotZ 1989, 66/80). Damit
bedarf es einer Genehmigung der Auflassung durch einen zu bestellenden
Ergänzungspfleger gemäß § 1909 Abs. 1 BGB.
5. Die von der Beschwerde herangezogene Entscheidung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts vom 8.4.2004 (2Z BR 068/04 = Rpfleger 2004, 564) ist jedenfalls im
Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3.2.2005 (BGHZ 162, 137 Leitsatz c - ) überholt.
6. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Satz
1 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.
7. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2
GBO) sind nicht gegeben.
Lorbacher
Paintner
Hinterberger
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle
am 8.2.2011
________________________________
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2, § 1909 Abs. 1, § 2174
GBO §§ 19, 20
Zur Erfüllung eines Vermächtnisses, dessen Inhalt ein vermietetes Grundstück ist und das der
Erblasser zugunsten seines minderjährigen Enkels ausgesetzt hat, bedarf die Auflassung der
Bestellung eines Ergänzungspflegers, wenn Erbin des Nachlasses die sorgeberechtigte Mutter
ist.
OLG München, 34. Zivilsenat
Beschluss vom 8.2.2011
34 Wx 18/11
.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

07.02.2011

Aktenzeichen:

34 Wx 18/11

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
In-sich-Geschäft
Grundbuchrecht
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

MittBayNot 2011, 239-240
NotBZ 2011, 186-187
Rpfleger 2011, 434-436
ZEV 2011, 264-265

Normen in Titel:

BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2, 1909 Abs. 1, § 2174; GBO §§ 19, 20