BGH 20. Juni 1997
V ZR 39/96
BGB §§ 154 Abs. 1, 145 ff.

Bestimmtheit einer Wohnrechtsbestellung im Grundstückskaufvertrag

7. BGB§§154 Abs. 1, 145 仕. (Bestimmtheit einer Wohnrechtsbestellung im Grundst貢ckskaゆertrag)
Haben die Parteien eines Grundstckkaufvertrages fr
eine darin vereinbarte Wohnrechtsbestellung a1s Entgelt
die,, Zahlung von Miete" vereinbart und deren H6he
bewuBt offengelassen, so ist der 脆rtrag nicht unter dem
Gesichtspunkt fehlender Bestimmtheit einer Leistung un-・
wirksam, sondern nach mietvertraglichen Grundsatzen
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 2.10.1991, XII ZR 88/90,
NJW-RR 1992 517) zu erganzen.
BGH, Urteil vom 20.6.1997 一 v ZR 39/96 一, mitgeteilt von
Dr Ma功ぞd Werp, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 4ユ1991 kauften derKlagerundA. von
einer Erbengemeinschaft nach E., deren Mitglied der Beklagte ist, ein
mit einem Mehrfamilienhaus bebautes GrundstUck in B. zu einem
Kaufpreis von 125.000 DM. Dabei vertrat den Beklagten seine
Ehefrau unter Vorlage einer privatschriftlichen Vollmacht vom
19石 1991, nach der sie in allen Fragen seiner Erbschaftsangelegenheiten (,,betrifft Verkauf des Hauses.....),, Entscheidungen treffen
und unterschreiben" konnte
Der Vertrag sieht vor, daB die Kaufer naher bezeichnete,, Wohnungsrechte auf Lebenszeit und gegen Zahlung von Miete" (Ziff. V, 6
des Vertrages) an verschiedene Mitglieder der Erbengemeinschaft
bestellen.
Der Klager, der von A. ermchtigt wurde, vertragliche Anspruche im
eigenen Namen geltend zu machen, halt den Vertrag fr wirksam. Er
behauptet, man habe sich in den Vertragsverhandlungen auf die Zahlung einer,, ortstiblichen Vergleichsmiete" geeinigt, da aber insoweit
noch Unklarheiten zur H6he der Miete bestanden hatten, sei diese im
Vertrag offengeblieben.
Er hat beanttagt, den Beklagten zur Bestatigung der privatschriftlichen Vollmacht in 可fentlich beglaubigter Form, hilfsweise zur
Gene面igung der durch seine Ehefrau im Vertrag vom 4ユ1991 abgegebenen Erklarungen inb ffentlich beglaubigter Form zu verurteilen. Die Klage hat in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg gehabt
Die Revision hat Ei加Ig.
Aus den G威nden:
Der Klagehauptantrag ist begrndet. Dies folgt aus dem
wirksamen Vertrag vom 4ユ1991.
1 . Das Berufungsgericht bej aht die Aktiviegitimation des
Klagers. Es halt ferner die privatschriftliche Vollmacht fr
formwirksam(§167 Abs. 2 BGB), weil ein AusschluB des
Widerrufsrechts(§168 Satz 2 BGB) weder ausdrcklich noch
schlussig vorgesehen sei. Eine Beschrankung dieser Vollmacht auf eine unentgeltliche Wohnrechtsbestellung komme
in der Urkunde nicht zum Ausdruck. Diese Aus魚hrungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen und werden auch von
der Revisionserwiderung nicht angegriffen.
2. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klagers
auf Abgabe der verlangten Erklarungen, weil es den Vertrag
fr unwirksam halt. In bezug auf die H6he des fr die Wohnrechte vorgesehenen Nutzungsentgelts fehle es an ausreichender Bestimmtheit.
a) Diese Ausfhrungen halten einer Rechtskontrolle nicht
stand. Auch das Berufungsgericht geht nicht von einem offenen Einigungsmangel im Sinne von§l54Abs. 1 Satz 1 BGB
aus. Die in dieser Vorschrift enthaltene Auslegungsregel ist
unanwendbar, wenn sich die Parteien trotz der noch offenen
Punkte erkennbar vertraglich binden wollen und der offene
Dissens sich nicht auf die,, essentialia" des Geschfts bezieht
MittBayNot 1 997 Heft 6
(vgl. z.B. MUnchKornm-BGB/Kramer, 3. Aufl.,§154 Rdnr.6;
Palandtt臣万nrichs, BGB, 56. Aufl.,§154 Rdnr. 2je ni.w.N.).
Ein erkennbarer Bindungswille der Parteien folgt hier aus den
Umstanden, insbesondere der notariellen Beurkundung. Die
schuidrechtliche Abrede zur Wohrirechtsbestellung l谷Bt auch
keine fehlende Einigung u ber einen fr den Vertragstyp konstituierenden Umstand vermissen. Geeinigt haben sich die
Parteien vielmehr U ber bestimmte Wohnrechte gegen eine
、Entgeltzahlung(・・Miete‘つ. Ein schuldrechtlicher Mietvertrag
und das dingliche V而hnrecht sind zwar verschiedene Rechtsinstitute. Der auf die Bestellung eines V而hnrechts gerichtete
Verpflichtungsvertrag kann aber eine Entgeltabrede auch in
der Form enthalten, daB das Entgelt laufend nach bestimmten
Zeitabschnitten (sog. mietzins谷hnliche Form) zu entrichten ist
(vgl. Senatsurteile vom 5.3.1965, V ZR 195/62, WM 1965,
649; vom 13.7. 1966, V ZR 21/64, WM 1966, 1088, 1089 und
vom 10.5. 1968, V ZR 221/64, LM BGB§398Nr.20B1. 1 R).
Richtig ist allerdings der rechtliche Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, daB trotz Bindungswillens der Parteien das
wirksame Zustandekommen eines Vertrages an der Luckenhaftigkeit seiner Regelung und der Unausfllbarkeit dieser
LUcke scheitern kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.9.1989, VIII
ZR 143/88, NJW 1990, 1234, 1235). Ein solcher Fall liegt
aber nicht vor. Kann die Entgeltabrede bei der Verpflichtung
zur Wohnrechtsbestellung in mietzinsahnlicher Form getroffen werden, so mussen zur Bestimmtheit der Entgelth6he
auch die entsprechenden mietrechtlichen Grunds谷tze herangezogen werden. Zum AbschluB eines Mietvertrages geh6rt
aber nicht unbedingt die EinigungU ber einen Mietzins bestimmter H6he. Vielmehr genUgt es, wenn sich die Parteien
auf einen bestimmbaren Mietzins einigen. Selbst ohne jegliche Vereinbarung 加er den Mietzins kann ein Mietvertrag
zustande kommen, sofern sich die Parteien 一 wie hier 一 bindend 節er eine entgeltliche U berlassung des Gebrauchs einigen. Alsdann gilt eine angemessene oder ortsublicheMiete als
vereinbart, sei es im Wege erganzender Vertragsauslegung
oder entsprechend§612 Abs. 2,§632 Abs. 2 BGB (vgl.
BGH, Urteil vom 2.10.1991, XII ZR 88/90, NJW-RR 1992,
517). Demgem谷B hat auch der Senat im Urteil vom 5.3.1965
(a.a.O., 5. 651) keine Bedenken gegen die Wirksamkeit eines
Wohnrechtsbestellungsvertrages erhoben, in dem als Entgelt
die,,ti bliche angemessene Miete" vereinbart war.
Es mag sein, daB 搬r die Parteien ein Zusammenhang zwi-schen Kau加reis und Nutzungsentgelt bestand. DaB一 wie das
Berufungsgericht weiter ausfhrt - sich die Mitglieder der'Erbengemeinschaft angesichts eines,, verh谷ltnismaBig niedrigen
Kaufpreises" nicht auf eine,, am freien Markt orientierte
Miete" eingelassen h谷tten, ist aber nur ein Umstand, der die
Entgeltbestimmung nach M出gabe dero bengenannten Rechtsprechung beeinflussen mag, kann aber nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages fhren. Im U brigen weist die Revision
mit Recht darauf hin, daB es nicht um eine,, am freien Markt
orientierte Miete" geht. Auch der Kl谷ger hat nur vorgetragen,
man sei von einer,, ortsublichen Vergleichsmiete" ausgegangen. Darunter kann zwanglos die preisrechtlich zul谷ssige
Miete verstanden werden (vgl. Bub/Treier Handbuch der Geschafts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Kap. II Rdnr. 354;
Khler!駈パsmann, Handbuch der V而hnraummiete, 4. Aufl.,
§7 Rdnr. 3), zumal fr den Altbaubestand in den neuen
Bundesl谷ndern unmittelbar nach der Wiedervereinigung die
Preisbindung die Regel war (vgl.§11 Abs. 2 MHG a王,eingefgt durch Einigungsvertrag BGB1 1990 II, 889, 1126; vgl.
auch Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rdnr. A 309).
hL


Haben die Parteien bei VertragsabschluB die genaue Entgelth6he bewuBt offengelassen, gleichwohl aber eine Bin血ng
gewollt, dann muB diese Lucke entweder ti ber eine erganzende Vertragsauslegung oder ti ber die analoge Anwendung
einer gesetzlichen Regelung (
§612 Abs. 2,§632 Abs. 2
BGB) geschlossen werden, wobei lediglich fraglich sein
kann, ob im Streitfall die Entgelth6he sofort durch das Gericht bestimmt werden kann oder innerhalb des vorgegebenen
Rahmens von den Erwerbern des Anwesens nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.10.1991,
a.a.O., S. 5 17, 5 1 8). Der Senat hat keinen AnlaB, diese Frage
hier zu entscheiden, denn es geht nur darum, ob der Verpflichtungsvertrag zur Wohnrechtsbestellung wirksam ist.
Ist die Entgelth6he bestimmbar, so bestehen entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts auch keine Bedenken
gegen die Formwirksamkeit ( 1 3 BGB) des Vertrages. Zu
§3
beurkunden waren allein die Vereinbarungen, aus denen sich
nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche vセ r加Berungsgeschaft zusammensetzte (vgl. BGHZ 74, 346, 348).
Eine bestimmte Entgelth6he haben die Parteien gerade nicht
vereinbart, sondern bewuBt in rechtlich zulassiger Weise o仁
fengelassen. Der Parteiwille ist damit in der vorgeschriebenen
Form beurkundet worden. Eine Erganzung des Vertrages erfolgt nach dem oben beschriebenen MaBstab. Dieser hat mit
der Frage der formwirksamen Beurkundung nichts zu tun.
8. BGB§§878, 1191 (Keine Schutzwirknng des§878 BGB
bei rechtm叩iger Antragszuγ貢 ckweisung)
Die Schutzwirkung des§878 BGB kommt dem Grunds山ulderwerber nicht zugute, wenn der Grundschuldbesteller na山 re山tm註Biger Zurhckweisung des Antrags
auf Eintragung der Grunds山uM in der Verfgung be・
5山r註nkt wird und die sp註tere Aufhebung der ZurUck・
weisung und die Eintragung der Grunds山
uld auf neuen
Tatsachen beruhen.
BGH, Urteil vom 17.6.1997 一 XIZR 119/96 一, mitgeteilt von
Dr Manfed Werp, Richter am BGH
Aus den Tatbestand:
Der Klager, Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahrenu ber das
Verm6gen der N.-Bau GmbH (Schuldnerin), verlangt von der beklagten Hypothekenbank die Bewilligung der L6schung einer Grundschuld.
Am 18.2.1994 bestellte die Schuldnerin an GrundstUcken in B. eine
Buchgrundschuld u ber 6.000.000 DM fr die Beklagte. Auf den Eintragungsantrag teilte das Grundbuchamt dem beurkundenden Notar
unter dem 1 8.5. 1 994 mit, der Eintragung stunden mehrere Hindernisse entgegen, u.a. fehlender KostenvorschuB sowie nicht formgerechter Nachweis der Vertretungsbefugnis der fr die Schuldnerin
aufgetretenen Personen, und bestimmte fr die Behebung eine Frist
von einem Monat. Nach fruchtlosem Ablauf wies das Grundbuchamt
den Eintragungsantrag mit BeschluB vom 25ユ1994 zurck
3. Rechtsfehlerhaft hlt das Berufungsgericht den Vertrag
auch deshalb fr unwirksam, weil eine,, Vereinbarungti ber
die Nutzung solcher Nebenraume, die keine Gemeinschaftsraume sind, in den Vertrag hatte aufgenommen werden
mtissen". Der Umfang der W面nrechte sei mithin unklar.
Nachdem am 3 1 .8.1 994 U ber das Verm6gen der Schuldnerin das
Gesamtvollstreckungs verfah 肥n er6げnet worde n 里ar, legte der 聖urkundende Notar im Februar 1995 unter Behebu iig uer genannien mintragungshindernisse gegen den BeschluB des Grundbuchamts vom
25ユ1994 Erinnerung ein. Dieses hob seinen BeschluB auf und trug
die Grundschuld am 28.2.1995 ein.
Die Wohnungen, auf die sich die Wohnrechte erstrecken
sollen, sind in der Vertragsurkunde bezeichnet (z.B.,, 1. Etage
rechts, bestehend aus drei Zimmer und Ktiche"). Keine der
Parteien hat behauptet, es sei die Erstreckung des Wohnrechts
auf bestimmte Nebenraume (z.B. im Keller und Dachboden)
ausdrUcklich vereinbart, aber dann nicht beurkundet worden.
Der Klager ist der Ansicht, das Grundbuch sei dadurch unrichtig geworden; bei Eintragung der Grundschuld habe es wegen der angeordneten Gesamtvollstreckung an der Verfgungsbefugnis der Schuldnerin und damit an einer wirksamen Einigung u ber die Bestellung der
Grundschuld gefehlt. Die Beklagte beruft sich auf§878 BGB
Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien zum Um均ng des
Wohnrechts in bezug auf Nebenraume nunmehr einen unterschiedlichen Standpunkt einnehmen. Es geht insoweit allein
um ein Problem der Vertragsauslegung. W証en bestimmte
Keller- und Bodenr加me den Wめnu噌en zugeordnet und
sollten durch die Wめnrechtsbestellung den Verk加たrn die
Nutzung des verkauften Anwesens in der bisherigen Form
weiter erm6glicht werden, so spricht bei interessengerechter
Auslegung des Vertrages einiges dafr, diese Nebenr加me in
die Wohnungsrechte miteinzubeziehen (
§§133, 157 BGB).
Das Fehlen einer ausdrticklichen Regelung hieriber fhrt
jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages.
Ist mithin der Vertrag vom 4ユ1991 wirksam, so ist der
Rechtsstreit zur Endentscheidung reif (
§565 Abs. 3 Nr. 1
ZPO). Uber die Streitpunkte der Parteien zum Vertragsinhalt
hat der Senat nicht zu entscheiden, weil es darauf hier nicht
ankommt. Der Beklagte schuldet als vertragliche Nebenpflicht eine Bestatigung der seiner Ehefrau am 19.6.1991
erteilten Vollmacht in 6 ffentlich beglaubigter Form, weil der
Aたrtrag nur damit im Grundbuch vollzogen werden kann

§29Abs. 1 GBO).
Das Landgericht hat die Klage, die Beklagte zur Abgabe der
L6schungsbewilligung zu verurteilen, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Grtnden:
Die Beurteilung des Berufungsgerichts h 組t den Angriffen der
Revision stand.
1 . Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts steht, anders
als die Revision meint, nicht in Widerspruch zur herrschenden
Ansicht. Zu der entscheidungserheblichen Frage, ob die
Schutzwirkung des§878 BGB einem Grundschulderwerber
auch dann zugute kommt, wenn der Grundschuldbesteller
nach Zurckweisung des Antrags auf Eintragung der Grundschuld in der Verfgung beschrankt, die Zurtickweisung nach
Beseitigung von Eintragungshindernissen aufgehoben und
die Grundschuld alsdann eingetragen wird, gibt es in Rechtsprechung und Literatur keine herrschende Meinung.
a) Der Bundesgerichtshof hat lediglich entschieden, daB
sich die Rangstellung eines Eintragungsantrags nach Zurtickweisung und deren Aufhebung aufgrund neuer Tatsachen
nach dem Zeitpunkt bestimmt, in dem die Erinnerung
(Beschwerde) beim Grundbuchamt eingeht (BGHZ 27, 310,
316 上; 5. auch BayObLG Rpfleger 1983, 101 f.; LG K6ln
MittRhNotK 1985, 216, 217).
Zu den Auswirkungen der Konkurser6ffnung auf einen Eintragungsantrag hat das Bayerische Oberste Landesgericht
MittBayNot 1997 Heft 6

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

20.06.1997

Aktenzeichen:

V ZR 39/96

Erschienen in:

MittBayNot 1997, 361-362
DNotZ 1998, 946-949
NJW 1997, 2671-2672

Normen in Titel:

BGB §§ 154 Abs. 1, 145 ff.