BGH 15. Januar 2020
XII ZR 46/19
BGB §§ 578, 550

Formnichtiger konkludenter Mietvertrag

letzte Aktualisierung: 01.07.2020
BGH, Urt. v. 15.1.2020 – XII ZR 46/19

BGB §§ 578, 550
Formnichtiger konkludenter Mietvertrag

Zur Wahrung der Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB bei einem Stellplatzmietvertrag (Abgrenzung
zu Senatsurteil vom 17. Juni 2015 – XII ZR 98/13 – NJW 2015, 2648).

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die Klägerin habe das Sondernutzungsrecht an dem in der Teilungserklärung
mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz erworben. Selbst wenn der verstorbene
Ehemann der Beklagten Mieter dieses Stellplatzes gewesen sei, könne
nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnungsmietvertrag des
Ehemanns der Beklagten und der Stellplatzmietvertrag eine rechtliche Einheit
bildeten. Daher sei nur der Wohnungsmietvertrag nach § 563 BGB auf die Beklagte
übergegangen, nicht aber der Stellplatzmietvertrag. Allerdings sei von
einem konkludenten Abschluss eines Stellplatzmietvertrages zu den mit dem
Ehemann der Beklagten vereinbarten Bedingungen auszugehen, da die Beklagte
weiterhin den Stellplatz genutzt, die Miete gezahlt und auch als Mieterin angeschrieben
worden sei. Der Stellplatzmietvertrag sei entsprechend §§ 578,
567 BGB auf die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte übergegangen und
von ihr ordentlich gekündigt worden. Die ordentliche Kündigung sei weder
dadurch ausgeschlossen gewesen, dass die Parteien die Möglichkeit einer außerordentlichen
Kündigung mit verkürzter Frist geregelt hätten, ohne die Möglichkeit
einer ordentlichen Kündigung zu erwähnen, noch dadurch, dass die
Dauer des Stellplatzmietverhältnisses an die Dauer des zwischen denselben
Vertragsparteien geschlossenen Wohnungsmietvertrags gekoppelt worden sei
und der Stellplatzmietvertrag ohne besondere Kündigung zum gleichen Termin
wie der Wohnungsmietvertrag enden sollte.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Die Anforderungen an ein Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 ZPO sind noch erfüllt. Danach muss ein Berufungsurteil zwar keinen Tatbestand
enthalten, grundsätzlich ist aber eine Bezugnahme auf die tatsächlichen
Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil mit einer Darstellung etwaiger
Änderungen oder Ergänzungen erforderlich, wozu zumindest auch die sinngemäße
Wiedergabe der Berufungsanträge gehört (vgl. etwa BGH Urteile vom
14. Januar 2005 - V ZR 99/04 - FamRZ 2005, 701; BGHZ 156, 216, 218
= FamRZ 2004, 265 und BGHZ 154, 99, 100 f. = FamRZ 2003, 747). Obwohl
das Berufungsgericht hier lediglich auf die tatbestandlichen Feststellungen des
amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen hat, lässt sich dem angefochtenen
Urteil eine sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge noch entnehmen.
Denn das Berufungsgericht hat das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts
dahingehend abgeändert, dass der Klage vollumfänglich stattgegeben wird.
Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Klägerin ihr ur-
sprüngliches Begehren im Berufungsverfahren weiterverfolgt hat (vgl. Senatsurteil
vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 20 ff.).

b) Zu Recht haben weder das Amts- noch das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis
der Klägerin in Frage gestellt, da die Klägerin hinsichtlich
des in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen
PKW-Stellplatzes in der Hauptsache ausschließlich Unterlassungsansprüche
nach § 1004 BGB geltend macht (vgl. BGH Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR
45/17 - NJW-RR 2018, 333 Rn. 5 ff. mwN).

c) Ob der in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichnete oberirdische
PKW-Stellplatz mit dem im schriftlichen Mietvertrag aus dem Jahr 1990
mit "1" bezeichneten Stellplatz identisch ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen.
Diese Identität im Revisionsverfahren zu Gunsten der Beklagten unterstellt,
ist die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte an dem in der Teilungserklärung
mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz nach §§ 578, 567 BGB als
Vermieterin in den mit der Beklagten bestehenden Stellplatzmietvertrag eingetreten.
Denn für den Fall, dass der Eigentümer, der zugleich Vermieter einer
Wohnung und eines Stellplatzes im Rahmen eines einheitlichen Mietvertrags
ist, einen Teil des Mietobjekts abtrennt und veräußert, hat der Bundesgerichtshof
bereits entschieden, dass der Erwerber des Stellplatzes gemäß §§ 580, 571
Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: §§ 578, 566 Abs. 1 BGB) in den Mietvertrag eintritt (BGH
Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781 Rn. 8 f.
mwN). Dasselbe gilt, wenn der Mieter - wie hier - seine Wohnung und seinen
Stellplatz von vornherein durch getrennte Verträge von einem Vermieter angemietet
hat und die Wohnung und der Stellplatz dann vom Vermieter getrennt
veräußert werden.

Dabei kann dahinstehen, ob das Sondernutzungsrecht im Ergebnis genauso
wie Sondereigentum zu behandeln ist (so im Ergebnis BGH Urteil vom
28. September 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781 Rn. 8 f. mwN) oder
dem umstrittenen Rechtscharakter des Sondernutzungsrechts als dingliches
oder bloß schuldrechtliches Rechtsinstitut (zu den in der Literatur vertretenen
Auffassungen vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 14. Aufl. § 566 BGB Rn. 83
mwN) Rechnung getragen werden muss. Denn nach allen Auffassungen tritt
der Erwerber des Sondernutzungsrechts (nach §§ 566, 567 BGB direkt oder
analog iVm § 578 BGB) als Vermieter in den Vertrag hinsichtlich des Stellplatzes
ein.

d) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen
des Amtsgerichts ist der isolierte Stellplatzmietvertrag nicht kraft Gesetzes
auf die Beklagte übergegangen. Vielmehr ist von einem konkludenten Abschluss
eines (neuen) Stellplatzmietvertrags zu den in dem mit dem verstorbenen
Ehemann der Beklagten im November 1990 geschlossenen Mietvertrag
niedergelegten Bedingungen auszugehen.

e) Entgegen der von der Beklagten erstmalig in der mündlichen Verhandlung
im Revisionsverfahren vorgetragenen Behauptung hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt, dass die Beklagte als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns
in den Stellplatzmietvertrag eingetreten ist. Zur Erbfolge nach dem
Ehemann der Beklagten hat die Beklagte in den Vorinstanzen nichts vorgetragen.
Dass das Berufungsgericht die Unterzeichner des Stellplatzmietvertrags
aus dem Jahr 1990 als "die jeweiligen Rechtsvorgänger der derzeitigen Mietparteien"
bezeichnet hat, kann nicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, die Beklagte
sei als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns in den Mietvertrag eingetreten.

f) Damit ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen,
dass der Stellplatzmietvertrag jedenfalls durch die ordentliche Kündigung
der Klägerin vom 31. Januar 2018 wirksam beendet worden ist. Denn der
konkludent geschlossene neue Mietvertrag wahrte nicht die nach §§ 578, 550
BGB erforderliche Schriftform und war daher gemäß § 580 a BGB ordentlich
kündbar.

Dass der schriftliche Mietvertrag aus dem Jahr 1990 über einen längeren
Zeitraum als ein Jahr geschlossen worden ist, hat das Berufungsgericht aus der
Staffelung der Miete über acht Jahre in § 5 des Vertrags geschlossen. Dies wird
von der Revision nicht in Frage gestellt.

Anders als die Revision meint, wahrte der mit der Beklagten neu geschlossene
Mietvertrag auch nicht etwa deswegen die Schriftform der §§ 578,
550 BGB, weil er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form niedergelegten Vertragsbedingungen
konkludent abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil
vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 33). Denn im Gegensatz
zu dem von der Revision in Bezug genommenen Senatsurteil liegt hier
schon keine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vor.

g) Im Übrigen wäre die ordentliche Kündigung der Klägerin auch dann
wirksam, wenn man davon ausgehen wollte, dass der mit der Beklagten auf der
Grundlage des formularmäßigen Mietvertrags aus dem Jahr 1990 konkludent
geschlossene Mietvertrag die Schriftform der §§ 578, 550 BGB wahrt. Denn die
vertragliche Regelung betrifft in deren § 2 Nr. 3 ausdrücklich nur den Fall, dass
Wohnungs- und Stellplatzmietvertrag von denselben Vertragsparteien abgeschlossen
wurden. Es widerspräche offensichtlich den redlicherweise zu berücksichtigenden
beiderseitigen Interessen, die Beendigung des Stellplatzmietvertrages
auch dann noch untrennbar an die Beendigung des Wohnraummiet-
vertrages zu binden, wenn - wie hier - Wohnungseigentum und Sondernutzungsberechtigung
auseinanderfallen und damit auf der Vermieterseite keine
personelle Identität besteht.

h) Soweit das Berufungsgericht die Beklagte schließlich verurteilt hat, die
Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen, wird dies
von der Revision nicht angegriffen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

15.01.2020

Aktenzeichen:

XII ZR 46/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 578, 550