Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 10 AO
letzte Aktualisierung: 28.7.2021
FG Münster, Urt. v. 18.3.2021 – 8 K 3173/18 GrE
GrEStG § 17; BewG § 151; AO § 171 Abs. 10
Ablaufhemmung nach
Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte löst eine Hemmung des
Ablaufs der Festsetzungsfrist gem.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne
mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene
Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Auch die auf eine Billigkeitsregelung gerichtete Klage
hat keinen Erfolg; der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine abweichende
Steuerfestsetzung oder eine abweichende Feststellung oder den Erlass der Steuer noch
auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 101
FGO.
Dem am 23.01.2018 erlassenen Bescheid stand nicht der Eintritt der
Festsetzungsverjährung entgegen. Die Festsetzungsverjährung endete nicht vor Ablauf
von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Grundbesitzwertfeststellungsbescheide vom
19.12.2017.
Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt frühestens mit
Ablauf des Jahres der Steuerentstehung, § 170 Abs. 1 AO. Ist eine Steuererklärung oder
eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die vierjährige
Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die
Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des
dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist
(§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Eine Anzeige nach
§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine Steuererklärung im Sinne der AO. Die Anzeigen müssen
nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Bezeichnung des Grundstücks enthalten. Eine Anzeige
nach § 19 GrEStG beendet die Anlaufhemmung jedenfalls dann nicht, wenn ihr die nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben vollständig fehlen (BFH, Beschluss vom
17.08.2009, II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970). Entscheidend für den späteren Fristbeginn
ist, ob durch eine unvollständige Angabe die Bearbeitungszeit der Behörde verkürzt wird.
Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2013 oder
(jedenfalls hinsichtlich der Grundstücke, die der Kläger erst im Jahr 2014 bezeichnet hat)
erst mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen hat. Denn selbst unter der Annahme, dass die
Festsetzungsfrist schon mit der unvollständigen Erklärung im Jahr 2013 (teilweise) in Gang
gesetzt worden wäre, wäre jedenfalls der nach der regelmäßigen
Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) zum Ende
des Jahres 2017 eintretende Fristablauf durch den Erlass der Bescheide über die
gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom
19.12.2017 gehemmt worden. Nach
für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder
ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei
Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
Der streitgegenständliche Grunderwerbsteuerbescheid beruht auf mehreren
Grundlagenbescheiden, nämlich den Feststellungsbescheiden vom 25.09.2013 bzw.
07.10.2014 und den Bescheiden über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte
für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 19.12.2017. Auch die Feststellungsbescheide
über den Grundbesitzwert lösen die Ablaufhemmung aus (so ausdrücklich Hofmann,
GrEStG, vor § 15 Rn. 18; offengelassen in BFH, Urteil vom 15.03.2017, II R 36/15, BStBl II
2017, 1215). Dafür spricht Folgendes:
- Der Erlass der Bescheide über die gesonderte Feststellung der
Grundbesitzwerte erfüllt dem Wortlaut des
für eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist. Insbesondere ist die Hemmung nicht
dadurch eingeschränkt, dass nach
der Grundlagenbescheid bindend ist. Daraus lässt sich nicht schließen, dass der Ablauf
der Festsetzungsfrist nur mit Blick auf die Bemessungsgrundlage gehemmt wäre. Der
Begriff „soweit“ ist nicht so zu verstehen, dass er eine Umsetzung von
Grundlagenbescheiden nur insoweit zulässt, als im Folgebescheid abweichende
Regelungen getroffen wurden (etwa im Fall eines Feststellungsbescheids über den
Grundbesitzwert, der nach Erlass eines Grunderwerbsteuerbescheids mit geschätzten
Grundbesitzwerten ergeht). Vielmehr endet die Festsetzungsfrist auch insoweit nicht, als
andere Regelungen, die Gegenstand des Folgebescheids sind, dort erstmals getroffen
werden. Das „soweit“ beschränkt die „Breite“ der Ablaufhemmung, hemmt den Ablauf der
Festsetzungsfrist also nicht mit Blick auf Regelungen im Folgebescheid, die nicht in
Zusammenhang mit den Regelungen des Grundlagenbescheids stehen (die
Festsetzungsfrist läuft also beispielsweise ab mit Blick auf Grundstücke, die nicht
Gegenstand des Feststellungsbescheids über den Grundbesitzwert sind). Das „soweit“
beschränkt aber nicht die „Tiefe“ der Ablaufhemmung, lässt also Regelungen im
Folgebescheid zu, die zur Umsetzung des Grundlagenbescheids getroffen werden
müssen. Dies bezieht im Streitfall die Umsetzung der Feststellungsbescheide vom
25.09.2013/07.10.2014 als weitere Grundlagenbescheide mit ein.
- Die entspricht auch der gesetzlichen Systematik und dem Sinn und Zweck des
Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist, soweit ein
Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid
zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. In der Alternative „erlassen“ kommt
zum Ausdruck, dass
Grundlagenbescheiden einräumen will, die nicht auf die Änderung bereits ergangener
Bescheide beschränkt ist. Die Finanzverwaltung ist vor Erlass eines Grundlagenbescheids
zwar nach § 155 Abs. 2 AO berechtigt, nicht aber verpflichtet, einen Folgebescheid auf
Basis einer Schätzung zu erlassen.
- Es muss nicht geprüft werden, ob die Feststellungsbescheide über den
Grundbesitzwert ihrerseits rechtmäßig sind, weil die Zweijahresfrist des
auch durch einen rechtswidrigen Grundlagenbescheid ausgelöst wird, wenn und solange
dieser bindend ist (BFH, Beschluss vom 07.06.2006, II B 129/05, BFH/NV 2006, 1616;
Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rn. 197; a.A. Cöster in
Koenig, AO, § 171 Rn. 146). Mit Blick auf den Stichtag, auf den die Werte festgestellt
wurden (13.03.2013), ist dieser bindend durch den bestandskräftigen
Feststellungsbescheid vom 23.09.2013/07.10.2014 festgestellt.
Der Grunderwerbsteuerbescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig. Er setzt die bindenden
Feststellungen des Feststellungsbescheids und der Bescheide über die gesonderte
Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer zutreffend um.
- Sämtliche Grundlagenbescheide sind dem Kläger bekannt gegeben worden.
- Sie sind auch (mangels Anfechtung endgültig) bindend für den
Grunderwerbsteuerbescheid. Nach
auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für
Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide)
bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese
Folgebescheide von Bedeutung sind. Nach
§ 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert
festgestellt, soweit dies in der Abgabenordnung oder sonst in den Steuergesetzen
bestimmt ist. Rechtsgrundlage für den Erlass des Feststellungsbescheids vom
25.09.2013/07.10.2014 ist § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Danach werden die
Besteuerungsgrundlagen unter anderem in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG durch das
Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet,
gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes
Grundstück betroffen wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Mit dem (nach erteilter Genehmigung wirksamen) Anteilsabtretungsvertrag wurde der
Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt
der Steuer, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört,
soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das
den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet,
wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 %der Anteile der
Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. Dies war der Fall: Zum
Vermögen der gGmbH gehören mehrere inländische Grundstücke. Durch den Vertrag über
die Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils vom 13.03.2013 erwarb der Kläger einen
Anspruch auf die Übertragung dieses Anteils, wobei nach der Übertragung 100 % der
Anteile in seiner Hand vereinigt würden. Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG
kommt nicht in Betracht, weil die gGmbH keine Personengesellschaft ist.
Die Geschäftsleitung der gGmbH ist in I-Stadt und somit im Bezirk des Beklagten (§ 2
Abs. 3 Nr. 25 der Finanzamtszuständigkeitsverordnung NRW).
Die gGmbH verfügt auch über Grundbesitz außerhalb der Stadt I-Stadt (des
Zuständigkeitsbereichs des Beklagten).
§ 17 Abs. 3 Satz 1 GrEStG geht, wie
vor (Pahlke, GrEStG, § 17 Rn. 20; Hofmann, GrEStG, § 17 Rn. 11; vgl. BFH, Urteil vom
21.09.2005, II R 33/04, BFH/NV 2006, 609).
- Rechtsgrundlage für die Bescheide über die gesonderte Feststellung der
Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5
Satz 1 BewG. Danach sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die
Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Dies ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG der Fall,
wonach die Steuer in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG – mithin wie im Streitfall – nach den
Grundbesitzwerten im Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 157 Abs. 1
bis 3 BewG bemessen wird.
Zuständig für die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung ist gemäß § 151
Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BewG das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer
zuständige Finanzamt. Dies ist jedes Finanzamt, in dessen Bezirk ein Grundstück liegt
(§ 17 Abs. 1 Satz 1 GrEStG), im Streitfall also der Beklagte für alle in der Stadt I-Stadt
gelegenen Grundstücke.
Dem Erlass eines Feststellungsbescheids nach
dass Besteuerungsgrundlagen bereits nach § 17 Abs. 3 GrEStG gesondert festzustellen
sind. Denn nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die gesonderte Feststellung nach Abs. 3
nicht die Grundbesitzwerte im Sinne des § 151 Ab. 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit
§ 157 Abs. 1 bis 3 BewG aufzunehmen, wenn die Steuer – wie im Streitfall – nach § 8
Abs. 2 GrEStG zu bemessen ist.
Der Grunderwerbsteuerbescheid setzt insbesondere zutreffend die bindend im
Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 festgestellte Besteuerungsgrundlage
um, dass die Anteilsübertragung ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist und
nicht (etwa nach § 3 Nr. 2 GrEStG) von der Steuer befreit ist. Der Kläger konnte die
Feststellungsbescheide nicht so verstehen, dass darin keine Entscheidung über die
Steuerfreiheit getroffen werden sollte. Die Bescheide sind insbesondere gemäß § 119
Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt. Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend
bestimmt, wenn er den Willen der Behörde vollständig und unmissverständlich wiedergibt,
so dass der Adressat erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Kann der
Regelungsgehalt durch Auslegung nicht hinreichend bestimmt werden, ist der
Verwaltungsakt jedenfalls rechtswidrig; wenn er an einem besonders schwerwiegenden
Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände
offenkundig ist, kann er auch nach § 125 Abs. 1 AO nichtig sein (BFH, Urteil vom
12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Die Frage, welche Feststellungen ein Bescheid
enthält und ob ein Feststellungsbescheid lückenhaft ist, d.h. eine notwendig zu treffende
Feststellung nicht enthält, ist durch Auslegung dieses Bescheids zu beantworten (BFH,
Urteil vom 03.03.2011, IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649). Bei der Auslegung ist
entsprechend der §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen, wie der Adressat des Bescheids
(Feststellungsbeteiligter) die Erklärungen der Behörde nach den ihm bekannten
Umständen sowie den Grundsätzen von Treu und Glauben verstehen konnte (ständige
Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 11.03.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446; BFH,
Urteil vom 11.05.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446; BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R
8/08, BFH/NV 2011, 1649). Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde und müssen,
soweit noch möglich, durch Erlass eines Ergänzungsbescheids behoben werden (BFH,
Urteil vom 14.07.1993, I R 71/92, BStBl II 1994, 91; BFH, Urteil vom 11.05.1999, IX R
72/96, BFH/NV 1999, 1446). Nach dieser Maßgabe regelt der Feststellungsbescheid vom
25.09.2013/07.10.2014 inhaltlich hinreichend bestimmt, dass der Rechtsvorgang nicht
steuerfrei ist. Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
- Der Bescheid enthält in Spalte 6 unter der Überschrift „Der Besteuerung
zugrunde zu legen“ zu jedem Grundstück die Aussage: „Grundstückswert nach § 138
Abs. 2-4 BewG“ bzw. „w.v.“ für „wie vor“. Dies kann nur so verstanden werden, dass im
Festsetzungsbescheid der Grundbesitzwert in voller Höhe, ohne Kürzungen oder
Befreiungen, angesetzt werden sollte. Mit dem Verständnis des Klägers – dass keine
Feststellung zur Steuerfreiheit getroffen wurde, sondern eine solche dem Folgebescheid
vorbehalten bleiben sollte – ist die Eintragung hingegen nicht in Einklang zu bringen. Denn
die Regelung, dass der Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde gelegt werden soll,
würde dann gerade nicht umgesetzt, wenn das für den Folgebescheid zuständige
Finanzamt zum Ergebnis käme, dass der Erwerbsvorgang steuerfrei war.
- Nichts anderes ergibt sich daraus, dass in den Spalten 3 bis 5 die Felder, in
denen Eintragungen hätten vorgenommen werden können, durchgestrichen sind. Zwar
kann ein Durchstreichen je nach Einzelfall unterschiedlich ausgelegt werden; möglich ist
einerseits das Verständnis, dass der Strich für ein Absehen von einer Erklärung (Nicht-
Erklärung, „keine Angabe“) steht, und andererseits das Verständnis, dass der Strich für
eine Erklärung negativen Inhalts (etwa „0“, „nein“, „nicht gegeben“ oder ähnlich) steht. Im
Streitfall kann der Strich jedenfalls vor dem Hintergrund der Eintragung in Spalte 6 nur als
Erklärung negativen Inhalts („nicht gegeben“) verstanden werden. Dafür spricht auch, dass
nur die Felder, nicht aber die Überschriftszeilen der Spalten gestrichen wurden: (Nur)
Wenn die Überschriftszeilen gestrichen worden wären, hätte dies als Nicht-Erklärung
verstanden werden können (und müssen).
- Hinzu kommt, dass eine solche Auslegung auch gerade nach dem
Verständnishorizont des Klägers nahelag. Nach Aktenlage ist der Kläger über den
Verfahrensablauf informiert worden (Schreiben vom 13.08.2013 und Telefonat zwischen
der Sachbearbeiterin des Beklagten und Herrn I. vom 22.08.2013). Zwar ergibt sich aus
dem Schreiben und der Telefonnotiz nicht zwingend, dass der Beklagte sich zur Prüfung
einer Steuerfreiheit gerade im Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid berufen
fühlte. Dem Kläger war aber jedenfalls bekannt, dass es verschiedene Bescheide geben
würde, weshalb eine besondere Sorgfalt bei der Auslegung des Bescheids angezeigt war.
- Überdies spricht bereits die Tatsache an sich, dass die Spalten 4 und 5 des
amtlichen Formulars – „Steuerbegünstigt (von Spalte 3) nach § … GrEStG“ und
„Steuerbegünstigt (von Spalte 3) EUR“ – Eintragungen zur Steuerfreiheit vorsahen, dafür,
dass mit dem Durchstreichen eine inhaltliche Aussage getroffen werden sollte. Wenn ein
amtliches Formular Felder enthält, die Eintragungen zur Steuerfreiheit vorsehen, ist zu
erwarten, dass mit einer Eintragung durch die Behörde (im Streitfall mit dem Strich) eine
Aussage getroffen und nicht von einer im Formular vorgesehen Aussage abgesehen wird.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Spalte 3 des Formulars noch auf der Rechtslage
vor Einführung des § 17 Abs. 3a GrEStG beruht, indem diese Spalte einen betragsmäßig
(wie das Formular durch die Angabe „EUR“ deutlich macht) zu beziffernden Wert des
Grundstücks vorsieht. Nach § 17 Abs. 3a GrEStG ist die Wertfeststellung indes gerade
nicht mehr Regelungsgegenstand des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 GrEStG,
sondern eines gesonderten Feststellungsbescheids über den Grundbesitzwert. Insofern ist
zwar der Strich durch Spalte 3 tatsächlich als Nicht-Erklärung und nicht als Erklärung
negativen Inhalts zu verstehen. Hinzu kommt, dass auch die Spalten 5 und 6, soweit sie
eine Eintragung in EUR vorsehen, noch auf der überholten Rechtslage beruhen. Allerdings
wurde der Kläger sowohl im Bescheid selbst als auch vor Erlass des
Feststellungsbescheids mehrfach darauf hingewiesen, dass gesonderte Bescheide über
die Feststellung der Grundbesitzwerte ergehen würden. Nach dem Empfängerhorizont war
damit hinreichend klargestellt, warum in den Spalten 3, 5 und 6 keine betragsmäßigen
Angaben erfolgten. Zudem bleibt es dabei, dass in Spalte 6 eine Bemessungsgrundlage
festgestellt wird, was mit dem Auslegungsergebnis des Klägers, der Bescheid sei so zu
verstehen, dass die Entscheidung über die Steuerfreiheit erst im
Grunderwerbsteuerbescheid getroffen werden solle, nicht in Übereinstimmung zu bringen
ist.
- Der Vortrag des Klägers, der Beklagte sei selbst unsicher über das Vorgehen
gewesen und habe sich mit den beteiligten Finanzämtern über die Zuständigkeiten einigen
müssen, ändert an dieser Auslegung nichts. Selbst wenn man annimmt, der Beklagte hätte
solche Unsicherheiten über die Zuständigkeiten zum Ausdruck gebracht, durfte der Kläger
daraus nicht schließen, dass der Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 sich
in der Regelung der Zuständigkeiten erschöpfte. Ansonsten hätten die Eintragungen in
Spalte 6 („Der Besteuerung zugrunde zu legen“) keinen Sinn ergeben, weil diese keinen
Bezug zur Frage der Zuständigkeit aufweisen.
- Soweit der Kläger vorträgt, aus dem Bescheid – etwa aus dem Tenor oder
Hinweis auf der zweiten Seite der Bescheide, dass die für die Steuerfestsetzung
zuständigen Finanzämter die Feststellung des Grundstückswerts veranlassen und der
Festsetzung zu Grunde legen würden – ergebe sich, dass nur eine Regelung zur
Zuständigkeit habe getroffen werden sollen, ist nicht zu erkennen, woraus sich die
Beschränkung auf eine bloße Zuständigkeitsregelung ergeben soll.
Dass der Feststellungsbescheide vom 25.09.2013/07.10.2014 eine (negative) Regelung
zur Steuerfreiheit enthält, entspricht auch der gesetzlichen Vorgabe. Über die Frage, ob
Steuerbefreiungsvorschriften eingreifen, ist im Bescheid über gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zu entscheiden. Dies gilt sowohl für
Steuerbefreiungen dem Grunde nach als auch für Steuervergünstigungen, die zu einer
teilweisen Steuerfreiheit führen. Hierüber besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit
(vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19, BStBl. II 2020, 344: Steuerbefreiung
nach § 6a GrEStG; BFH, Urteil vom 15.10.2014, II R 14/14, BStBl. II 2015, 405:
Steuerbegünstigung nach
Feststellungsbescheid sei stets verbindlich zu entscheiden „über die Frage nach dem
Eingreifen einer Steuervergünstigung, also danach, ob der Vorgang nach §§ 3, 4, 6a oder
sonstigen Vorschriften steuerfrei ist oder ob und inwieweit die Steuer nach §§ 5 bis 7 nicht
zu erheben ist“; Pahlke, GrEStG, § 17 Rn. 33; Wachter in Behrens/Wachter, GrEStG, § 17
Rn. 83). Dies entspricht zudem dem Sinn und Zweck der Vorschrift: Die gesonderte
Feststellung nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG soll das Besteuerungsverfahren
vereinfachen, die Entscheidung durch das Finanzamt mit der größten Sachnähe
sicherstellen und widersprüchliche Entscheidungen in den (z.T. durch andere Finanzämter)
zu erlassenden Grunderwerbsteuerbescheiden vermeiden (BFH, Urteil vom 31.03.2004, II
R 54/01, BStBl. II 2004, 658).
Ob die Feststellung zur Steuerfreiheit im Ergebnis zutreffend war, ist wegen der
Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 25.09.2013/07.10.2014 nicht von
Bedeutung. Die Feststellung, dass keine Steuerbefreiung vorliegt, ist bindend. Der
Grunderwerbsteuerbescheid weicht schließlich auch nicht von den in den Bescheiden vom
19.12.2017 bindend festgestellten Werten ab.
Eine Aussetzung des Verfahrens gegen den Grunderwerbsteuerbescheid nach § 74 FGO
mit Blick auf das Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines
Ergänzungsbescheides nach § 179 Abs. 3 AO ist nicht geboten. Nach dieser Vorschrift
kann das Gericht die Aussetzung des Verfahrens u.a. dann anordnen, wenn die
Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen
eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen
Rechtsstreits bildet. Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist eine
Ermessensentscheidung des Gerichts, bei der insbesondere prozessökonomische
Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind. Im Streitfall entspricht
eine Aussetzung nicht den Interessen der Beteiligten. Zum einen haben die Beteiligten
jenes auf den Erlass eines Ergänzungsbescheids gerichtete Verfahren gerade mit Blick auf
das hiesigen Klageverfahren ruhend gestellt. Zum anderen ist im hiesigen Verfahren
gerade festgestellt worden, dass über die Steuerfreiheit bereits (negativ) entschieden
worden ist, sodass die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Ergänzungsbescheids zu
Recht erfolgt ist und mit dem Erlass eines Ergänzungsbescheids daher nicht zu rechnen
ist. Zum dritten ist es auch im Interesse der Beteiligten, dass im hiesigen Verfahren eine
Entscheidung ergeht, weil nur im hiesigen Verfahren die Frage der
Festsetzungsverjährung geklärt werden kann.
Keinen Erfolg hat auch der Antrag des Klägers, den Beklagten zum Erlass der
festgesetzten Steuer aus Billigkeitsgründen zu verpflichten oder dazu, darüber unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf den Erlass der Grunderwerbsteuer oder eine abweichende
Steuerfestsetzung oder eine abweichende Feststellung aus Billigkeitsgründen. Da die
Entscheidung des Beklagten frei von Ermessensfehlern ist, besteht auch kein Anspruch
auf erneute Entscheidung über eine Billigkeitsregelung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts.
Das Gericht legt den Antrag des Klägers im Verwaltungs- und Klageverfahren so aus, dass
er eine Billigkeitsentscheidung – sei es in Form einer abweichenden Steuerfestsetzung
(
Erlasses (§ 227 AO) – begehrt. Die so verstandene Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt
es hinsichtlich keines dieser alternativ gestellten Anträge an einem Vorverfahren. Auch der
Beklagte hat nämlich zwischen den verschiedenen alternativen Tatbeständen nicht
differenziert und zwar von einem Antrag auf Erlass gesprochen, zugleich aber auf § 163
AO abgestellt.
Nach
Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn
die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Nach § 227 AO
können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum
Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Der
Senat kann über diese verschiedenen Billigkeitsregelungen einheitlich entscheiden, weil
bei der (analogen) Anwendung dieser Vorschriften dieselben Maßstäbe anzusetzen sind.
Insbesondere geht der Senat davon aus, dass sich der Billigkeitsantrag nach
der streitgegenständlichen Situation, in der die für den Erlass des Feststellungsbescheids
zuständige Behörde auch für den Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids zuständig ist,
sowohl auf den Folgebescheid als auch auf den Grundlagenbescheid beziehen kann, dass
dabei aber die Maßstäbe für eine Billigkeitsregelung in beiden Fällen die gleichen sein
müssen und deshalb insbesondere ein unterlassener Einspruch gegen den
Grundlagenbescheid nicht dazu führen kann, dessen bestandskräftige Bindungswirkung
durch eine Billigkeitskorrektur des Folgebescheids zu unterlaufen.
Die Entscheidung über den Billigkeitsantrag ist eine Ermessensentscheidung der
Finanzverwaltung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen
Grenzen überprüft werden kann. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die
Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten
oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur wenn der Ermessensspielraum der
Behörde derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als
ermessensgerecht in Betracht kommt, kann das Gericht nach § 101 Satz 1 FGO eine
Verpflichtung zum Erlass bzw. zur abweichenden Steuerfestsetzung aussprechen
(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urteil vom 12.12.2013, X R 39/10, BStBl II 2014,
572 m.w.N.).
Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist frei von Ermessensfehlern. Eine
Billigkeitsregelung ist weder aus persönlichen noch aus sachlichen Billigkeitsgründen
gerechtfertigt und die Ausführungen des Beklagten dazu nicht zu beanstanden.
Persönliche Billigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Ausführungen,
die der Kläger unter dieser Überschrift in der Klagebegründung macht, betreffen nicht
persönliche Billigkeitsgründe, sondern die Möglichkeit und Zumutbarkeit eines
Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014.
Persönliche Billigkeitsgründe sind hingegen solche, die sich aus den wirtschaftlichen
Verhältnissen des Steuerpflichtigen ergeben, dessen wirtschaftliche Existenz das
Steuerrecht nicht vernichten darf (vgl. Oosterkamp in Beck’scher Onlinekommentar AO,
§ 163 Rn. 83).
Auch sachliche Billigkeitsgründe liegen nicht vor. Hinsichtlich sachlicher Billigkeitsgründe
ist zu beachten, dass durch Billigkeitsanträge nicht die Bestandskraft eines Bescheids
unterlaufen werden soll. Bei einem nach Bestandskraft eines Bescheids gestellten
Billigkeitsantrag ist eine Korrektur der Steuerfestsetzung im Billigkeitswege nur möglich,
wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem
Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit des
Bescheids rechtzeitig zu wehren (vgl. BFH, Urteil vom 11.03.1988, III R 236/84, BFH/NV
1989, 432; BFH, Beschluss vom 04.08.2009, V B 26/08, BFH/NV 2009, 174). Es müssen
besondere Umstände, die im konkreten Verhältnis zur Behörde ihre Grundlage haben,
vorliegen (BFH, Urteil vom 11.08.1987, VII R 121/84, BStBl II 1988, 512). Solche
Umstände können mit Blick auf eine Korrektur eines Grundlagenbescheids insbesondere
in einem Verhalten der Finanzbehörde liegen, aus dem der Steuerpflichtige schließen
kann, dass ein bestimmter Sachverhalt im Folgebescheidsverfahren berücksichtigt werden
wird (BFH, Urteil vom 19.01.1989, IV R 2/87, BStBl II 1989, 393; von Groll in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 227 AO Rn. 175).
Nach dieser Maßgabe hat der Beklagte eine Billigkeitsregelung in rechtlich nicht zu
beanstandender Weise abgelehnt.
- Soweit der Kläger vorträgt, dass der Bescheid die Ablehnung einer
Steuerfreiheit nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht habe, hat der Beklagte dem zu
Recht entgegengehalten, dass der Bescheid, wie dargelegt, hinreichend bestimmt ist. Im
Übrigen käme eine Billigkeitsregelung aufgrund mangelnder Bestimmtheit auch deshalb
nicht in Betracht, weil der Feststellungsbescheid, wenn er keine hinreichend bestimmte
Feststellung zur Steuerfreiheit getroffen hätte, lediglich unvollständig wäre. Diese
Unvollständigkeit wäre nicht im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens zu beseitigen, sondern
im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass eines Ergänzungsbescheids. Eine
Billigkeitsregelung käme nur dann in Betracht, wenn ein Antrag auf Erlass eines
Ergänzungsbescheids keine Aussicht auf Erfolg mehr hätte und ein rechtzeitiger Antrag
nicht möglich und zumutbar gewesen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr hat der
Kläger im Januar 2019 und damit rechtzeitig vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist
einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids gestellt. Der Ergänzungsbescheid ist
Teil des Feststellungsbescheids und kann nach § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO noch
ergehen, solange die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid noch nicht abgelaufen ist.
§ 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 AO bezieht sich nur auf eine „selbstbezügliche“
Ablaufhemmung durch den unter Anwendung von § 181 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO
erlassenen Bescheid, steht also der durch die Feststellungsbescheide über den
Grundbesitzwert ausgelösten Anwendung des
wegen des Erlasses der Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert die
Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren
nach Bekanntgabe der Bescheide vom 19.12.2017 ab. Jedenfalls zum Zeitpunkt der
Antragstellung im Januar 2019 war die Frist noch nicht abgelaufen. Ab der Antragstellung
ist der Fristablauf nach §§ 171 Abs. 3, 181 Abs. 1 Satz 1 AO gehemmt.
- Auch soweit der Kläger geltend macht, die Versagung der Steuerfreiheit sei
offenkundig und eindeutig rechtswidrig und die mangelnde Bestimmtheit habe zudem die
Einlegung des Einspruchs unmöglich gemacht, hat der Beklagte dem zu Recht
entgegengehalten, dass der Bescheid hinreichend bestimmt und eine Einspruchseinlegung
somit möglich und zumutbar gewesen sei. Der Beklagte verweist auch zu Recht darauf,
dass der Beklagte sich auf mangelnde Rechtskenntnisse nicht berufen kann (vgl. BFH,
Urteil vom 11.08.1987, VII R 121/84, BStBl II 1988, 512). Im Übrigen ist eine Steuerfreiheit
auch nicht offenkundig. Zwar hat der BFH entschieden, dass eine – satzungsgemäße –
Übertragung des Vereinsvermögens auf ein Nicht-Mitglied im Rahmen einer Liquidation
grundsätzlich eine freigebige Zuwendung im Sinne § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaft- und
Schenkungsteuergesetz sein kann, die grunderwerbsteuerlich gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG zur
Steuerfreiheit führt; denn die Anfallberechtigung nach § 45 Abs. 2 BGB könne bis zum
Abschluss des Liquidationsverfahren ohne Zutun des Gläubigers geändert werden (BFH,
Urteil vom 14.06.1995, II R 92/92, BStBl. II 1995, 609). Allerdings hätten zur Beantwortung
der Frage, ob tatsächlich eine freigebige Zuwendung vorliegt, die Umstände, die die
Gründung der gGmbH, die Übertragung des Vereinsvermögens, die Auflösung des Vereins
und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, im Rahmen einer
Gesamtschau näher untersucht und gewürdigt werden müssen.
- Auch die Erwägungen des Beklagten, dass eine Billigkeitsmaßnahme nicht
aufgrund einer (etwaigen) Verletzung des § 17 Abs. 4 GrEStG und der dazu bestehenden
Verwaltungspraxis gewährt werden könne, sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach
der GrESt-Kartei NW § 17 Karte 2 (BStBl. I 2007, 549, nunmehr BStBl. I 2016, 282) ist von
einer gesonderten Feststellung nur dann abzusehen, wenn die Befreiung sofort erkennbar,
klar und eindeutig ist und keiner weiteren Überprüfung bedarf. Im Streitfall war die
Steuerbefreiung, wie dargelegt, nicht offenkundig und eindeutig. Auch soweit der Kläger
diesbezüglich eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) anführt, ist
diese auf den Streitfall nicht übertragbar. Das BVerwG hat entschieden, dass ein Verhalten
der Staatsorgane einen sachlichen Billigkeitsgrund darstellen könne, wenn der
Steuerpflichtige in Anwendung aller Sorgfalt, zu der er den Umständen nach verpflichtet
ist, auf die Richtigkeit des staatlichen Verhaltens vertraut und entsprechend gehandelt, das
heißt das Verhalten zur Grundlage seiner geschäftlichen Dispositionen gemacht hat. Dies
könne der Fall sein, wenn eine bisherige Rechtsprechung oder Verwaltungsübung zum
Nachteil des Steuerpflichtigen geändert werde, insbesondere im Fall veröffentlichter
Verwaltungsvorschriften der obersten Finanzbehörden, deren Voraussetzungen der
Steuerpflichtige erfüllt habe (BVerwG, Urteil vom 16.09.1977, VII C 18.76, HFR 1978, Nr
147). Im Streitfall fehlt es bereits daran, dass der Kläger im Vertrauen auf den Fortbestand
einer Verwaltungspraxis geschäftliche Dispositionen getroffen hat.
- Hinsichtlich des Vortrags des Klägers, der Beklagte hätte ihm einen Hinweis
erteilen müssen, ist zu berücksichtigen, dass für den Beklagten nicht ersichtlich war, dass
der Kläger einem Irrtum darüber unterlag, in welchem Bescheid über die Frage der
Steuerfreiheit zu entscheiden ist. Der BFH hat im vom Kläger angeführten Urteil vom
18.12.1985 (I R 82/85, BFH/NV 1986, 506) entschieden, dass bei einem eindeutigen
Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Hinweispflicht gemäß § 89 Satz 1 AO ein Erlass
wegen sachlicher Unbilligkeit in Betracht kommen könne; eine derartige Pflicht bestehe,
wenn sich die Stellung eines Antrags nach dem der Finanzbehörde ersichtlichen
Sachverhalt aufdränge (kritisch FG Hamburg, Urteil vom 04.09.2003, VI 125/02, juris).
Dies war hier nicht der Fall.
- Schließlich vermag der Vortrag des Klägers, der Beklagte habe Unsicherheiten
über die Frage der Zuständigkeit zum Ausdruck gebracht, keine Bindung des Beklagten
nach Treu und Glauben auszulösen. Denn aus der Äußerung solcher Unsicherheiten wäre
jedenfalls nicht der Schluss abzuleiten, dass der Feststellungsbescheid nur die
Zuständigkeiten regele; ein diesbezüglicher Irrtum wäre nicht dem Beklagten zuzurechnen.
Der Beklagte hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Rechtsauffassung
vertrat, der Vorgang sei steuerfrei und darüber werde in den
Grunderwerbsteuerbescheiden entschieden. Vielmehr ist aktenkundig, dass der Kläger
selbst mit einer Steuerpflicht gerechnet hat.
- Der Senat kann offenlassen, ob der Feststellungsbescheid deshalb
rechtswidrig ist, weil ihm der Tag des Vertragsschlusses (und nicht der Tag der
Genehmigung bzw. deren Bekanntgabe gegenüber dem Notar) als Stichtag zugrunde liegt
(vgl. § 14 Nr. 2 GrEStG). Selbst wenn dies der Fall wäre, ergäbe sich daraus kein
Anspruch auf eine Billigkeitsregelung, weil nicht ersichtlich ist, dass die auf dem
möglicherweise unzutreffenden Stichtag beruhende Steuerfestsetzung überhöht wäre. Es
gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Wertverhältnisse der Grundstücke in den
Wochen zwischen dem Tag des Vertragsschlusses und dem Tag der Genehmigung (mehr
als nur unwesentlich) verändert hätten.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zugelassen, weil der BFH die Frage, ob
der Erlass eines Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für
Zwecke der Grunderwerbsteuer zu einer Ablaufhemmung nach
bislang nicht entschieden hat.
Entscheidung, Urteil
Gericht:FG Münster
Erscheinungsdatum:18.03.2021
Aktenzeichen:8 K 3173/18 GrE
Rechtsgebiete:
Grunderwerbsteuer
Verein
Sonstiges Steuerrecht
GrEStG § 17; BewG § 151; AO § 171 Abs. 10