OLG Koblenz 21. März 2013
13 UF 990/11
BGB § 1601; BGB § 1603 Abs. 1

Zur Berücksichtigungsfähigkeit des Einkommens eines Ehegatten bei der Berechnung des Elternunterhalts des Pflichtigen

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 13uf990_11
letzte Aktualisierung: 29.4.2013
OLG Koblenz , 21.3.2013 - 13 UF 990/11
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 1
Zur Berücksichtigungsfähigkeit des Einkommens eines Ehegatten bei der Berechnung des
Elternunterhalts des Pflichtigen
Zur Leistungsfähigkeit des Pflichtigen zur Zahlung von Elternunterhalt, wenn der Pflichtige
Erwerbseinkünfte unter seinem Selbstbehalt erzielt, aber sein Ehegatte höhere Einkünfte hat, die
den Familienunterhalt allein sichern.


Gründe:
I.
Der Antragsgegner ist der Sohn der verwitweten, am … 1926 geborenen ...[A], die sich seit dem
1.3.2002 im Alten- und Pflegeheim Haus ...[B] in ...[Z] aufhielt. Sie verstarb am ...12.2011.
Der antragstellende Landkreis gewährte der Mutter des Antragsgegners bis zu deren Tode
Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege in Höhe der nicht durch deren Witwenrente und die
Leistungen der Pflegekasse gedeckten Heimunterbringungskosten zuzüglich eines Barbetrages
nach §§ 35 Abs. 2,133a SGB XII.
Der Antragsgegner hat noch eine Schwester, ...[C].
Der Antragsteller forderte unter anderem am 20.12.2006 den Antragsgegner auf, Auskunft über
seine Einkünfte und auch die seiner Ehefrau zu erteilen, und zwar unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur - nach Meinung des Antragstellers - Bedeutung der
Einkünfte des Ehegatten des Unterhaltspflichtigen für den Elternunterhalt. Der Antragsgegner
erteilte zunächst Auskunft (Bl. 279 ff GA) und beauftragte später eine Schutzgemeinschaft der
Elternunterhaltspflichtigen e.V. mit seiner Vertretung, die sich gegenüber den Antragsteller
äußerte (308 ff GA). Gegen ein an die Ehefrau des Antragsgegners gerichtetes
Auskunftsersuchen legte diese Widerspruch ein und führte einen Rechtsstreit vor dem
Sozialgericht Koblenz. Ihre Klage wurde abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm
sie im Januar 2010 zurück und erteilte anschließend Auskunft. Im Anschluss hieran forderte der
Antragsteller unter detaillierter Berechnung des Anspruchs den Antragsgegner zur Zahlung
übergegangener Unterhaltsansprüche ab Januar 2007 auf, die er nunmehr mit dem am
02.11.2010 eingegangenem Antrag - zuzüglich Verzugszinsen - geltend macht.
Er hat sich im Wesentlichen darauf berufen, der Antragsgegner sei aufgrund seines ihm
gegenüber seiner Ehefrau zustehenden Taschengeldanspruchs leistungsfähig.
Der Antragsgegner hat sich auf seine mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Er hat die
Auffassung vertreten, ihm stehe gegenüber seiner Ehefrau kein Taschengeldanspruch zu,
jedenfalls nicht in der vom Antragsteller angenommenen Höhe. Zumindest sei sein
geringfügiges Einkommen auf den Anspruch anzurechnen. Bei der Ermittlung des Einkommens
seiner Ehefrau seien Gewinneinkünfte nicht zu berücksichtigen, da diese im Betrieb verblieben.
Zudem sei die Bedürftigkeit der Mutter nicht ausreichend dargelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss verpflichtete das Amtsgericht den Antragsgegner
antragsgemäß zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 25.040,90 € für die Zeit vom 1. Januar
2007 bis zum 31. Oktober 2010 (2007 monatlich 390,00 €, 2008 monatlich 782,00 €, in der
Folgezeit monatlich 500,00 €) und weiter zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von
500 € ab dem 1.11.2010, sowie zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 319,53 € und in
Höhe von 5,12 % aus 25.040,90 € seit dem 17.11.2010.
Es führte hierzu aus, der Antragsgegner sei nach § 1601 BGB gegenüber seine Mutter
unterhaltsverpflichtet. Diese sei auch bedürftig in Höhe der übergegangenen
Unterhaltsansprüche, da sie neben den Leistungen aus der Pflegeversicherung und der
Witwenrente über weitere Einkünfte und Vermögen nicht verfüge oder verfügt habe. Der
antragstellende Landkreis habe den Bedarf der Mutter für jeden einzelnen Monat detailliert
dargelegt, dem sei der Antragsgegner nicht mehr entgegengetreten. Deshalb könne die
Bedürftigkeit unterstellt werden.
hafteten nach § 1606 Abs. 3 BGB gleichnahe Verwandte anteilig - nicht als Gesamtschuldner nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Antragsteller habe jedoch substantiiert
dargelegt, dass die Schwester im fraglichen Zeitraum nicht leistungsfähig sei und gewesen sei.
Der Antragsgegner hingegen sei leistungsfähig. Unabhängig von der Frage ob er sein
geringfügiges Einkommen zur Deckung des Unterhaltsanspruchs seiner Mutter einzusetzen habe,
sei er jedenfalls verpflichtet, mit seinem ihm gegenüber seiner Ehefrau zustehenden
Taschengeldanspruch den Unterhaltsanspruch der Mutter zu erfüllen. Ausgehend von den vom
Antragsteller im Einzelnen dargelegten Einkünften der Ehefrau einschließlich der Gewinne
ergebe sich jeweils ein Taschengeldanspruch, der dem vom Antragsteller vorgetragenen
entspreche.
Der Bedarf der Mutter des Antragsgegners habe ausnahmslos diesen Beträgen entsprochen, bzw.
sie weitgehend überschritten. Infolge der Auskunftsaufforderungen vom 20.12.2006 habe der
Antragsgegner sich in Verzug befunden, weshalb der dargelegte Verzugsschadensanspruch
ebenso begründet sei wie die geltend gemachte Zinsforderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf den Beschluss vom 25.08.2011 (Bl.
221 ff.) Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde und beantragt,
den Antrag unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Mayen - 8b F 545/10 abzuweisen.
Er trägt zunächst vor, die Ansprüche seien überwiegend verwirkt. Er habe auf das
Auskunftsschreiben vom 20.12.2006 am 20.1.2007 reagiert und dann erst wieder durch
Schreiben vom 17.02 2010 etwas vom Antragsteller gehört.
Der fiktive Taschengeldanspruch sei ein reines Konstrukt und führe in Wirklichkeit zu einer unzulässigen - Haftung des Schwiegerkindes. Er verdiene - unstreitig - lediglich 350 €;
gegenüber seiner Mutter treffe ihn keine Erwerbsobliegenheit. Unzulässig sei, dass das
Amtsgericht die Thesaurierung der Gewinne der GmbH nicht anerkannt habe, diese beruhten auf
entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen und seien von ihm nicht zu beeinflussen. Die GmbH
habe im Jahr 2011 eine Halle errichtet und hierfür 600.000 € an Kapital eingebracht, sowie
weitere 500.000 € an Krediten. Die Errichtung einer 2. Halle sei geplant. Berücksichtige man
lediglich die Einkünfte der Ehefrau als Geschäftsführerin, so bliebe, selbst wenn man vom
grundsätzlichen Bestehen eines Taschengeldanspruchs ausgehe, keine Leistungsfähigkeit.
Der antragstellende Landkreis beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Ansprüche seien nicht verwirkt. Es sei ausdrücklich darauf
hingewiesen worden, dass auch die Einkünfte der Ehefrau für die Unterhaltsermittlung eine
Rolle spielen könnten. Hierauf sei auch die vom Antragsgegner beauftragte Schutzgemeinschaft
in ziemlicher rüder Form eingegangen. Ebenso habe sich die Ehefrau gegen einen an sie
gerichteten Auskunftsanspruch letztlich erfolglos gewehrt. Nachdem dies festgestanden habe, sei
der Antragsgegner erneut zur Auskunft aufgefordert worden.
Die Berücksichtigung eines Taschengeldanspruchs entspreche der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, ebenso sei die Berücksichtigung der Gewinne der GmbH gerechtfertigt.
Für die Zeit ab dem 27.12.2011 wurde das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Unterhaltsansprüche der Mutter des Antragsgegners gegen diesem geltend. Die grundsätzliche
Unterhaltspflicht des Antragsgegners (§§1601 BGB) ist nicht im Streit. Soweit der Mutter also
Unterhaltsansprüche zustanden, sind sie auf den Kreis, der ihr Sozialhilfe gewährt hat,
übergegangen.
2. In der Beschwerdeinstanz stellt der Antragsgegner weder die Bedürftigkeit der Mutter im
fraglichen Zeitraum, noch die Höhe der vom Antragsteller erbrachten Leistungen in Frage und
auch nicht, dass die Sozialhilfeleistungen weder den Bedarf noch die verlangten Erstattungen
überstiegen. Ebenso wenig ist die alleinige Haftung des Antragsgegners im Streit. Die
Auffassung des Amtsgerichts, der der Mutter nach § 35 Abs.2 Satz 1 SGB XII gewährte
Barbetrag und der nach § 133 a SGBXII gewährte Zusatzbarbetrag diene neben den Heimkosten
ebenfalls zur Deckung ihres Bedarfs, wird von der Beschwerde ebenfalls nicht angegriffen und
entspricht auch der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2010, 1535).
3. Der Antragsgegner hält sich aber nach wie vor für leistungsunfähig und ist der Meinung, im
Ergebnis laufe seine Heranziehung zum Elternunterhalt auf eine Schwiegerkinderhaftung hinaus.
Daran ist zutreffend, dass fraglos die Ehefrau des Antragsgegners für den Unterhalt ihrer
Schwiegermutter nicht haftet. Nach der Rechtsprechung des BGH (grundlegend: BGH FamRZ
2004, 366) kommt in Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige über eigenes Einkommen verfügt,
das unter seinem Selbstbehalt liegt, sein Ehegatte aber wesentlich höhere Einkünfte hat, eine
Heranziehung zu Unterhaltsleistungen in Betracht, wenn nämlich davon auszugehen ist, der vom
Ehegatten zu leistende Familienunterhalt sei so auskömmlich, dass der Unterhaltspflichtige
angemessen unterhalten werde (vgl. auch BGH FamRZ 2004, 370-373 unter 4. b) cc)). Dann
muss der unterhaltspflichtige Ehegatte sein geringes Einkommen (gegebenenfalls teilweise) nicht
für den Familienunterhalt einsetzen; es steht ihm deshalb für Unterhaltsleistungen zur
Verfügung, und daneben - unter Umständen ein Teil solcher Barmittel, die ihm von seinem
Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts zur Erfüllung von persönlichen Bedürfnissen
zufließen (BGH ,a.a.O 2.e.bb)), also das sogenannte Taschengeld. Der Bundesgerichtshof betont
ausdrücklich, dass beide Einkommensbestandteile nebeneinander (-sowie-) für Unterhaltszwecke
zur Verfügung stehen können.
Diese Rechtsprechung hat ihren Grund darin dass, beide Ehegatten nach § 1360 BGB
verpflichtet sind, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu
unterhalten. Dabei steht es den Ehegatten frei, ihre Ehe so zu führen, dass ein Partner allein
einer Berufstätigkeit nachgeht und der andere sich der Familienarbeit widmet, ebenso wie sie
sich dafür entscheiden können, beide einen Beruf ganz oder teilweise auszuüben und sich die
Hausarbeit und Kinderbetreuung zu teilen oder diese durch Dritte ausführen zu lassen. Da den
Ehegatten insofern gleiches Recht und gleiche Verantwortung bei der Ausgestaltung ihres Eheund Familienlebens zukommt, sind auch die Leistungen, die sie im Rahmen der vereinbarten
Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen. Mit Rücksicht darauf
haben sie auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, soweit dieses
den ehelichen Lebensstandard prägt. Die Höhe des von jedem Ehegatten zu leistenden
Familienunterhalts richtet sich nach dem Verhältnis der beiderseitigen unterhaltsrechtlich
relevanten Nettoeinkommen (BGH, a.a.O., m.w.N.).
Im Einzelnen haben sich für die Berechnung folgende Grundsätze herausgebildet, auch wenn
eine Reihe von Fragen noch nicht abschließend geklärt ist:
a.
Wenn und soweit der Familienunterhalt aufgrund des - unstreitig - deutlich höheren
Einkommens der Ehefrau gedeckt ist, kann einerseits der Verdienst des Antragsgegners für den
Taschengeldanspruch (BGH FamRZ 2004, 370). Wenn dem so ist, so ergibt sich hieraus aber
auch, dass - vorausgesetzt der Familienunterhalt bzw. "individuelle Familienbedarf (BGH
FamRZ 2010, 1535) ist gedeckt - das geringfügige Einkommen nicht auf den
Taschengeldanspruch anzurechnen ist. Dieser wiederum kann sich nur aus den Einkünften des
Ehegatten errechnen, die nicht für den Familienunterhalt zur Verfügung gestellt werden.
b.
Dabei wird zur Ermittlung des Familienunterhalts der sogenannte angemessene
Selbstbehalt für den Pflichtigen nochmals um 25 % erhöht, zusätzlich bleibt die Hälfte der
Differenz zum Nettoeinkommen unberücksichtigt (vgl. Wönne in Wendl/Dose, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. § 2 Rn 953). Die 50% Quote gilt
allerdings nur zur Ermittlung des Familienunterhalts, nicht, wenn es um die Leistungsfähigkeit
eines verheirateten Kindes geht, soweit hier der angemessene Eigenbedarf bereits im Rahmen
des Familienunterhalts gewahrt ist (Wönne, a.a.O. und Rn 966, m.w.N.). Das heißt, es bleibt
nicht von vornherein die Hälfte des - gegebenenfalls geringfügigen - Einkommens des
unterhaltspflichtigen Kindes außer Betracht.
c.
Im Rahmen der Berechnung des Familienunterhalts wird auch eine Haushaltsersparnis
berücksichtigt, nach der Rechtsprechung des BGH - FamRZ 2010, 1535 - dort 7.b) bb) - in
Anlehnung an § 20 Abs. 3 SGB II regelmäßig in Höhe von 10 %.
d.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 28.07.2010 (XII ZR 140/07 FamRZ 2010,
1535) einen Berechnungsweg aufgezeigt, allerdings zunächst nur für eine Konstellation, in der
der Unterhaltspflichtige deutlich mehr verdiente als sein Ehegatte. Gleichwohl kann aber dieser
Rechenweg nach Meinung des Senats im Grundsatz auch auf andere Fälle angewandt werden (so
auch Gutdeutsch, FamRZ 2011, 77, Hauß, FamRz 2011, 1541, Anm. zu BGH FamRZ 2010,
1535, Wönne a.a.O. Rn 965).
4. Der Ausgangspunkt des Antragstellers, es sei zunächst das Einkommen der Ehefrau zu
ermitteln, ist also zutreffend. Streitig und auch fraglich ist, ob dies auf die Art und Weise
geschehen kann, wie das Amtsgericht dies - der Argumentation des Antragstellers folgend getan hat indem es die Gewinneinnahmen des Betriebs zugrunde gelegt und hieraus einen
Taschengeldanspruch des Antragsgegners ermittelt hat.
a.
Die Ehefrau des Antragsgegners hat ihr Unternehmen "E…" bis zum 31.08.2007 als
Einzelfirma betrieben. Ab September 2007 wurde es in eine "www.E...-S....de GmbH&Co KG"
umgewandelt, sie ist Geschäftsführerin und 80 %ige Gesellschafterin der Komplementär GmbH,
die beiden Söhne der Eheleute sind ebenfalls Gesellschafter und Kommanditisten der KG. Der
Antragsgegner ist im Betrieb als geringfügig Beschäftigter angestellt.
b.
Solange der Betrieb als Einzelfirma geführt wurde, war es gerechtfertigt, die
Gewinneinkünfte zugrunde zu legen. Diese lassen sich für diesen Zeitraum auch aufgrund des
vorliegenden Abschlusses ermitteln (Bl. 95 ff GA), ebenso die hierauf entfallenden Steuern, die
sich aus dem Steuerbescheid für 2007 ergeben ( Bl. 92 ff GA). Hinzuzurechnen sind wie auch in
der Folgezeit die Einkünfte der Ehefrau aus Vermietung und Verpachtung, bereinigt um die - zu
schätzende - hierauf entfallende Einkommensteuer.
c.
Für die Folgezeit kann allerdings - neben den Mieteinnahmen - zunächst nur das Gehalt
der Ehefrau als Geschäftsführerin zugrunde gelegt werden. Für die Gewinne wäre das nur
möglich, wenn und soweit sie auch ausgeschüttet worden wären. Das ist aber nach dem nicht
dezidiert bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners nicht der Fall. Die Auffassung des
Amtsgerichts, der Antragsgegner habe substantiiert darzulegen, wie und wozu die Gewinne im
Darlegungs- und Beweislast insoweit trifft den Antragsteller. Er müsste dartun, in welcher Höhe
Gewinne an die Ehefrau tatsächlich ausgeschüttet wurden. Die von ihm wohl vertretene
Auffassung, die Höhe des Taschengeldanspruchs müsse sich an den Gesamtgewinnen orientieren
(Schriftsatz vom 25.07.2011, Bl. 216 f GA), ist nicht zutreffend. Ebenso, wie es dem Ehegatten
unbenommen bleibt, seine Einkünfte zum Teil nicht für den Familienkonsum zur Verfügung zu
stellen, muss er erst recht die Möglichkeit zu geschäftlichen Dispositionen haben, über die er im
Falle der GmbH nicht einmal alleine entscheiden kann. Es ist zudem bei einem gesunden
Unternehmen im Normalfalle erforderlich, nicht stets alle Gewinne auszuzahlen, sondern - je
nach Geschäftsplanung - sie zumindest zum Teil zu reinvestieren. Und insoweit stehen die
Gewinne dann auch nicht für einen Taschengeldanspruch zur Verfügung Die Ehefrau des
Antragsgegners hat auch nicht etwa die Verpflichtung, die Gewinne der -Familienkassezuzuführen, um dem Antragsgegner die Erfüllung seiner Unterhaltspflichten zu ermöglichen.
Nur -tatsächliche Liquidität-, die in den Familienkonsum einfließt, spielt unterhaltsrechtlich eine
Rolle für den Elternunterhalt (Hauß, Neues vom Elternunterhalt FamRB 2010, 275 ff, m.w.N.).
d.
Aus der folgenden (unter Ziffer 6. abgedruckten) Tabelle ergibt sich, dass der
Familienunterhalt alleine aus den Mitteln der Ehefrau sichergestellt werden kann, sodass die
Einkünfte des Antragsgegners in vollem Umfange für den Unterhalt zur Verfügung stehen.
Dabei ist von Einkünften von durchgehend 350,00 € auszugehen. Die entsprechenden
Feststellungen im Tatbestand des angegriffenen Beschlusses wurden und werden vom
Antragsgegner und auch vom Antragsteller nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird die
Einkommensermittlung des Amtsgerichts angegriffen, soweit es um die einzelnen Zahlen und
Werte geht, auch um die Fortschreibung über das Jahr 2008 hinaus. Der Antragsgegner wendet
sich nur gegen die Heranziehung der Gewinne des Unternehmens. Soweit das
Geschäftsführergehalt der Ehefrau eingesetzt wurde, entsprechen die Werte dem Vortrag des
Antragsgegners.
e.
In Konsequenz dessen, dass der Familienunterhalt bzw. der -individuelle Familienbedarf(BGH) alleine von der Ehefrau sichergestellt werden kann, fließen in dessen Berechnung die
geringfügigen Einkünfte des Antragsgegners nicht ein.
f.
Die auf die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung entfallenden Steuern wurden entsprechend der sich aus dem Steuerbescheid für 2007 ergebenden Quote von rund 30 % geschätzt. Die Einnahmen betrugen im Jahre 2007 unstreitig brutto 9.898,00 €, netto geschätzt
6.928,00 €, im Jahre 2008 (und in der Folge sind sie entsprechend dem im Anschluss
Ausgeführten ebenfalls in dieser Höhe zugrunde zu legen) 8.346,00 €, netto 5.842,00 €.
Über das Jahr 2008 hinaus wurden die früheren Werte - dem Amtsgericht folgend fortgeschrieben. Der Antragsgegner hat hiergegen keine Einwände erhoben, weshalb davon
auszugehen ist, dass sich die Einkünfte zumindest nicht ungünstiger darstellen.
5. Der rückständige Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist nicht nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt.
a.
Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der
Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und
der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf
einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend
machen werde (vgl. u.a. BGH FamRZ 2010, 1888, mit zahlreichen Nachweisen). Für
Unterhaltsansprüche sind an das Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu
stellen. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen
er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Dieselben Anforderungen gelten
nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O) auch, wenn die aus übergegangenem Recht klagende
Behörde tätig wird. Diese sei aufgrund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des
Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert habe, gehalten, sich um
dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen Neben dem Zeitmoment kommt es für die
Verwirkung auf das Umstandsmoment an, d.h. es müssen besondere Umstände hinzutreten,
aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte
und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen
werde. Dabei kommt es jedoch nicht auf konkrete Vertrauensinvestitionen des
Unterhaltsschuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte
Inanspruchnahme an (BGH a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen).
b.
Hier hat der Antragsteller zunächst den Antragsgegner zur Auskunft aufgefordert und
darauf hingewiesen, maßgeblich seien auch die Einkünfte der Ehefrau. Diese wurde zur
Auskunft aufgefordert; sie hat sich geweigert und einen entsprechenden Prozess durch zwei
Instanzen geführt und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts schließlich im Januar
2010 zurückgenommen. In der Folge hat der Antragsteller auf Basis der nunmehr erteilten
Auskünfte den Anspruch errechnet und ihn gegenüber dem Antragsgegner zunächst
außergerichtlich und dann mit dem am 02.11.2010 eingegangenen Antrag gerichtlich geltend
gemacht.
c.
Damit ist weder dem Zeitmoment noch dem Umstandsmoment Rechnung getragen.
(1) Für das Zeitmoment sind nicht nur die Aufforderung der Klägerin zur Auskunftserteilung, die
Bezifferung des Unterhaltsanspruchs und die Zahlungsaufforderung von Bedeutung. Vielmehr
fallen hierunter auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs,
aber ihrer Vorbereitung dienen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine
weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen (BGH a.a.O.).
(2) Hier war von vornherein klar, dass ein Anspruch nur bei entsprechenden Einkünften der
Ehefrau zu realisieren sein würde. Hierauf war der Antragsgegner hingewiesen. Er hat sogar den
von ihm beauftragten Verein hierzu Stellung nehmen lassen („Wagen Sie es nicht, ein
Verwaltungsgerichtsverfahren gegen Frau … anzustrengen“ - Bl. 310 GA). Das
sozialgerichtliche Verfahren zog sich bis Anfang 2010 hin und danach hat der Antragsteller seine
Ansprüche zeitnah, jedenfalls vor Ablauf der Jahresfrist geltend gemacht.
Der Geschehensablauf macht zugleich deutlich, dass es hier für den Antragsgegner keine
Veranlassung gab, anzunehmen, er werde nicht mehr in Anspruch genommen.
6.
Die Ansprüche ergeben sich aus den folgenden Tabellen
Für die Zeit bis September 2007 geht der Senat dabei von den Gewinneinkünften der Ehefrau aus
der Einzelfirma aus, die sich aus dem Steuerbescheid für 2007 ergeben, nämlich:
von 1- 9/2007
Einkünfte lt Steuerbescheid 178.317,00
Einkommenssteuer
52.609,00
Säumniszuschlag
500,00
Zinsen
225,00
Solidaritätszuschlag
2.805,72
Netto
122.177,28
Hiervon 1/9
13.575,25
zugrunde. Der Familienselbstbehalt errechnet sich aus den - teils erhöhten - Selbstbehaltssätzen
der jeweiligen Düsseldorfer Tabelle, bis 2010: 1.400,00 € + 1.050,00 €, 2011: 1.500,00 +
1.100,00 €.
Zeitraum
Einkommen Ehegatte
Krankenversicherung
Altersvorsorge
Zuzüglich Mieteinnahmen
bleiben
Familieneinkommen
Familienselbstbehalt
es bleiben
abzüglich Haushaltsersparnis (
10%)
bleiben
davon 1/2
zuzüglich Familienselbstbehalt
individueller Familienbedarf
Anteil Ehegatte am
Familienunterhalt
Differenz zum Einkommen
hiervon 7%
Einkommen Antragsgegner
Unterhaltsanspruch
Amtsgericht
Summen bis 12/2011
zusammen
1 - 9 /2007 ab 10/2007
13.575,00 6.010,00
426,00
426,00
1.553,00 1.553,00
577,00
487,00
12.173,00 4.518,00
12.183,00 4.518,00
2.450,00 2.450,00
9.723,00 2.068,00
972,30
206,80
2008 2009/2010
6.059,00 6.542,00
426,00
426,00
1.553,00 1.553,00
487,00
487,00
4.567,00 5.050,00
4.567,00 5.050,00
2.450,00 2.450,00
2.117,00 2.600,00
211,70
260,00
6.542,00
426,00
1.553,00
487,00
5.050,00
5.050,00
2.600,00
2.450,00
245,00
8.750,70
4.375,35
2.450,00
6.829,85
1.861,20
930,60
2.450,00
3.380,60
1.905,30
952,65
2.450,00
3.402,65
2.340,00
1.170,00
2.450,00
3.620,00
2.205,00
1.102,50
2.600,00
3.702,50
6.825,35
3.380,60
3.402,65
3.620,00
3.702,50
5.347,65
374,34
350,00
724,34
390,00
3.510,00
25.992,35
1.137,40
79,62
350,00
429,62
390,00
1.170,00
1.164,35 1.430,00
81,50
100,10
350,00
350,00
431,50
450,10
782,00
500,00
5.178,05 10.802,40
1.347,50
94,33
350,00
444,33
500,00
5.331,90
Es ergibt sich ausgehend hiervon ein Gesamtanspruch von 25.992,35 € unter Berücksichtigung
dessen, dass für 2007 jeweils nur 390,00 € geltend gemacht wurden.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Durch das bloße Auskunftsbegehren vom
20.12.2006 geriet der Antragsgegner allerdings im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts
noch nicht in Verzug (vgl. § 1613 Abs.1 BGB). Das Auskunftsverlangen löst noch keine
Zinsfolge als Verzugsschaden aus (Gerhardt in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. § 6 Rn.7, 138). Gemahnt wurde der Antragsgegner
allerdings mit Schreiben vom 11.06.2010. Zu diesem Zeitpunkt standen nach der obigen Tabelle
Forderungen von 12.558,60 € offen. Im Beschluss des Amtsgerichts sind insgesamt lediglich
319,53 € Zinsen als Festbetrag zugesprochen und jeweils 5,12 % aus monatlich 500,00 € ab dem
17.11.2010. Die Zinsen in Höhe 5,12 % aus 12.558,60 € machen für die Zeit vom 12.06.2010
bis zum 11.02.2012 (Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war der 07.03.2012) alleine einen
Betrag von knapp 1.450,00 € aus, sodass der Anspruch über 319, 53 € jedenfalls gerechtfertigt
ist. Ab 17. November 2010 sind die geschuldeten Monatsbeträge jeweils mit 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz zu verzinsen, also mit den verlangten 5,12%. Der Basiszinssatz lag in
dem hier maßgebenden Zeitraum nicht unter dem Wert von 0,12.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen mehrerer ungeklärter Rechtsfragen
(Berechnungsmethode, Taschengeld neben Eigenverdienst ?) zu.
Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält,
binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen
Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen
allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten
Werktages.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Koblenz

Erscheinungsdatum:

21.03.2013

Aktenzeichen:

13 UF 990/11

Normen in Titel:

BGB § 1601; BGB § 1603 Abs. 1