OLG Naumburg 05. September 2024
12 Wx 39/24
BGB §§ 1018, 1019; GBO §§ 22, 29

Grunddienstbarkeit; Geh- und Fahrtrecht; Wegerecht; Nachweis des Wegfalls des Vorteils für das herrschende Grundstück; Erreichbarkeit des herrschenden Grundstücks über einen öffentlichen Weg

letzte Aktualisierung: 16.12.2024
OLG Naumburg, Beschl. v. 5.9.2024 – 12 Wx 39/24

BGB §§ 1018, 1019; GBO §§ 22, 29
Grunddienstbarkeit; Geh- und Fahrtrecht; Wegerecht; Nachweis des Wegfalls des Vorteils
für das herrschende Grundstück; Erreichbarkeit des herrschenden Grundstücks über einen
öffentlichen Weg

1. Wenn in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist, dass der Vorteil für das herrschende Grundstück
einer Grunddienstbarkeit nachträglich weggefallen ist, kann diese im Grundbuch gemäß § 22
GBO zu löschen sein.
2. Allein der Umstand der Erreichbarkeit des Grundstücks über einen öffentlichen Weg lässt den
Vorteil nicht entfallen.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 1. ist aufgrund notariellen Erbbauvertrages vom 28. Oktober 1997 des Notars
H. mit Amtssitz in B. , UR.Nr. 1929/97, Wohnungserbbauberechtigte des
verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes, eingetragen im Wohnungs-Erbau-Grundbuch von
B. , Blatt 9600. Grundstückseigentümerin ist die Evangelische Kirchengemeinde
N. (Pfarrvermögen). Der 110/244-Anteil der Beteiligten am Erbbaurecht ist verbunden mit
dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 sowie der Garage Nr. 3. Das Grundstück ist
belegen in der Gemarkung B. , Flur 32, Flurstück 100, L. Straße 65. In Abteilung III, lfd. Nr. 4
ist zu Lasten des Wohnungserbbaurechts der Beteiligten zu 1. eine Grunddienstbarkeit
(Wegerecht) für den jeweiligen Eigentümer des Erbbaurechts des Nachbargrundstücks,
L. Straße 63, eingetragen im Grundbuch von B. , Blatt 9017, eingetragen. Erbbauberechtigte ist
die Beteiligte zu 2., Eigentümerin dieses Grundstücks ist ebenfalls die Evangelische
Kirchengemeinde N. (Pfarrvermögen).

In der notariellen Bestellungsurkunde vom 28. Oktober 1997 heißt es in § 19.6 hinsichtlich der
Bestellung des Wegerechts:

„Die Vertragsbeteiligten räumen Frau K. M. geb. F. und Herrn W. F. , als
Erbbauberechtigte des Nachbargrundstückes … ein Wegerecht zum Begehen und Befahren von
der Straße über den Grundbesitz L. Straße 63 ein.“

Im Zuge der Neuvermessung des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstückes der Beteiligten
zu 1. am 24. April 2008 entstand das heutige im verfahrensgegenständlichen Grundbuch
eingetragene Flurstück 100 sowie das zunächst im Eigentum der Stadt B. stehende Flurstück
123. Mit notarieller Urkunde des Notars H. vom 17. Mai 1999, UR.Nr. 820/99, gaben die
Grundstückseigentümerin und die Beteiligte zu 1. nach erfolgter Vermessung der Grundstücke
eine Identitätserklärung ab und bewilligten und beantragten die Eintragung des Wegerechts
zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Erbbaurechts am Nachbargrundstück L. Straße 63.
Die Beteiligte zu 1. ist außerdem seit dem 25. September 2017 Eigentümerin des Flurstückes
123, Gemarkung B. , Flur 32, Flurstück 123, L. Straße 65 in B. , eingetragen im Grundbuch von
B. , Blatt 11537.

Am 25. Mai 2021 beantragte die Beteiligte zu 1. die Löschung des Wegerechts, im Wesentlichen
mit der Begründung, das Wegerecht sei für die Nutzung des Grundstücks der Beteiligten zu 2.
nicht erforderlich, da diese über ihr eigenes Grundstück einen Zugang zum öffentlichen Weg
hätte. Das Wegerecht sei ursprünglich für die Nutzung eines Weges auf dem mittlerweile neu
vermessenen Flurstück 123 bestellt gewesen. Bei Bestellung des Wegerechts seien die
Vertragsparteien damals fehlerhaft davon ausgegangen, dass Eigentümerin des als Weg
genutzten Grundstücksteils ebenfalls die Evangelische Kirchengemeinde sei. Tatsächlich habe es
sich bei diesem Grundstücksteil (jetzt Flurstück 123) um ein städtisches Grundstück gehandelt.
Mit der Herausvermessung dieses Grundstücks aus dem ursprünglichen Flurstück 100 sei das
Wegerecht untergegangen, weil es auf ihrem Erbbaugrundstück tatsächlich nicht ausgeübt werde
und aufgrund der baulichen Gegebenheiten auch nicht ausgeübt werden könne. Der
Ausübungsbereich sei vielmehr auf dem heutigen Flurstück 123 belegen gewesen.
Die Beteiligte zu 2. hat einer Löschung am 3. Juli 2021 nicht zugestimmt.

Mit Verfügung vom 26. Mai 2021 teilte das Grundbuchamt der Beteiligten mit, dass die
Voraussetzungen einer Löschung der Grunddienstbarkeit nicht vorlägen. Mit Beschluss vom 13.
Juni 2024 wies das Grundbuchamt schließlich den Löschungsantrag der Beteiligten zu 1. zurück,
weil eine Löschungsbewilligung der Berechtigten nicht vorgelegt wurde und auch sonst eine
Löschung aus grundbuchrechtlicher Sicht nicht möglich sei.

Hiergegen legte die Beteiligte zu 1. mit am 24. Juni 2024 beim Grundbuchamt eingegangenem
Schreiben Beschwerde ein. Sie macht geltend, das Wegerecht sei an einem Grundstücksteil
erfolgt, über den die Grundstückseigentümerin nicht hätte verfügen dürfen, weil dieser sich
tatsächlich im Eigentum der Stadt B. befunden habe; nunmehr sei sie Eigentümerin des –
unbelasteten - Flurstückes 123. Seit dem 1. Oktober 2021 werde das Wegerecht auch nicht mehr
ausgeübt.

Das Grundbuchamt hat mit weiterem Beschluss vom 11. Juli 2024 der Beschwerde nicht
abgeholfen, weil eine Löschungsbewilligung der Berechtigten nicht vorgelegt worden sei und die
Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 GBO als unbeschränkte
Grundbuchbeschwerde statthaft, soweit sie zum Ziel hat, die Grunddienstbarkeit wegen
nachträglichen Wegfalls des Vorteils für das herrschende Grundstück zu löschen (vgl. unter c)).
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Eintragung des Wegerechts bereits im Jahr 2000 richtet,
ist es als beschränkte Beschwerde (§ 71 Abs. 2 GBO) statthaft (vgl. unter b)). Die
Beschränktheit der Beschwerde in diesem Fall folgt daraus, dass im Wege der Beschwerde die
Löschung einer Eintragung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO nur verlangt
werden kann, wenn die vorgenommene Eintragung inhaltlich unzulässig ist, was auf das
verfahrensgegenständliche Wegerecht (§ 1018 BGB) nicht zutrifft (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO;
Demharter, GBO, 33. Aufl., § 53 Rn. 42; BGH, Beschluss vom 6. November 2014, V ZB
131/13, Rn. 11, juris). Die Beschwerde gegen inhaltlich zulässige Eintragungen wie hier ist nach
den genannten Vorschriften vielmehr nur mit dem Antrag zulässig, gegen die Eintragung einen
Amtswiderspruch einzutragen (§ 71 Abs. 2 GBO) (Demharter, GBO, 33. Aufl., § 71, Rn. 37, 49
mwN; BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 28/20 –, Rn. 7, juris).

Die Beschwerde ist auch zulässig, §§ 73, 75 GBO, und die Beteiligte zu 1. beschwerdeberechtigt.
Denn beschwerdeberechtigt ist, wer, falls die Eintragung unrichtig wäre, nach § 894
BGB den Berichtigungsanspruch hätte, zu dessen Gunsten also ein Widerspruch gebucht
werden müsste (vgl. Demharter, aaO, § 71, Rn. 69). Da die Beteiligte zu 1. das eingetragene
Wegerecht mangels Ausübungsbereich auf ihrem Erbbaugrundstück für falsch hält, ist ihre
Rechtsbeeinträchtigung denkbar.
2.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine Löschung
von Amts wegen (vgl. c) (vgl. § 53 Abs. 1 GBO) oder die Eintragung eines Amtswiderspruchs
(vgl. b) (§ 53 Abs. 2 GBO) nicht gegeben sind. Für eine Berichtigung des Grundbuchs ohne
Bewilligung der Berechtigten (vgl. unter a)) fehlen die Voraussetzungen.
a)
Eine Löschung der Grunddienstbarkeit durch das Grundbuchamt kam zunächst schon deshalb
nicht in Betracht, weil die für eine Löschung gemäß § 19 GBO erforderliche Bewilligung des
Betroffenen, der Beteiligten zu 2., nicht vorlag, worauf das Grundbuchamt zu Recht verwiesen
hat. Betroffen von einer Eintragung und damit bewilligungsberechtigt ist derjenige, dessen
grundbuchmäßiges Recht durch die vorzunehmende Eintragung rechtlich beeinträchtigt wird
oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann (vgl. etwa BGH, Beschluss vom
15. Juli 2010, V ZB 107/10, Rn. 10 mwN, juris; Demharter, GBO, 33. Aufl. § 19 Rn. 49).
Danach müsste die Beteiligte zu 2. als im Grundbuch eingetragene Eigentümerin des
Erbbaurechts des herrschenden Grundstücks L. Straße 63 die Löschung des Wegrechts
bewilligen. Sie hat jedoch – ausdrücklich - keine Löschungsbewilligung erteilt.
b)
Soweit die Beteiligte zu 1. mit ihrem Antrag vom 25. Mai 2021 die Löschung beantragt, kann
dieser Antrag als Berichtigungsantrag gemäß § 22 GBO dahin zu verstehen sein, dass sie meint,
die Eintragung des Wegerechts sei bereits im Eintragungszeitpunkt unrichtig gewesen (§ 22
Abs. 1 Satz 1 GBO). Allerdings versperrt § 71 Abs. 2 S. 1 GBO eine Berichtigung im
Beschwerdeweg, wie unter II.1. dargelegt, weil der Rechtsbehelf gegen die Zurückweisung des
auf § 22 GBO (Unrichtigkeitsnachweis) gestützten Antrags auf Berichtigung sich gegen die
Eintragung selbst richtet und die Beschwerde gegen die Zurückweisung des
Berichtigungsantrags mit dem Ziel der Beseitigung der Eintragung nach § 71 Abs. 2 S. 1 GBO
unzulässig ist. Der gegen eine zulässige Eintragung rechtlich mögliche Widerspruch (§ 53 Abs. 1
GBO) kann jedoch nicht verlangt werden, weil die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 GBO,
insbesondere eine Gesetzesverletzung, nicht vorliegen und das Grundbuch nicht im Sinne des
§ 894 BGB unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung muss feststehen, die
Grundbuchunrichtigkeit glaubhaft gemacht sein (Demharter, aaO, § 53 Rn. 28; OLG München,
Beschluss vom 25. Januar 2022, 34 Wx 437/21, Rn. 15, juris).
aa) Das Grundbuchamt hat durch die Eintragung des Wegerechts keine gesetzlichen
Vorschriften verletzt. Insbesondere waren die an der Bestellung Beteiligten befugt, dieses Recht
gemäß § 19 GBO zu bewilligen.
bb) Es ist auch nicht glaubhaft, dass das Grundbuch unrichtig ist.
Unrichtig ist das Grundbuch nach der Vorgabe des § 894 BGB dann, wenn sein Inhalt
hinsichtlich eines Rechts an einem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer
Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 BGB bezeichneten Art mit der wahren, also
materiellen Rechtslage nicht übereinstimmt (Demharter, aaO, § 22 Rn. 4).
An den Nachweis einer Unrichtigkeit i.S.d. § 22 GBO sind bereits strenge Anforderungen zu
stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das
Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist.
Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der
begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit
ist zudem nach § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte
Urkunden zu führen (vgl. Demharter, a.a.O., GBO § 29 Rn. 1).
cc) Nach diesen Maßstäben ist der Unrichtigkeitsnachweis der Eintragung des Wegerechts nach
§§ 22, 29 Abs. 1 GBO hier nicht geführt. Es kann nicht festgestellt werden, dass das im
gegenständlichen Grundbuch ausgewiesene Wegerecht im Widerspruch zur materiellen
Rechtslage steht, weil sich der Ausübungsbereich von Anfang an nicht auf dieses Grundstück
erstreckt haben könnte, wie die Beteiligte zu 1. geltend macht. Hierfür sind nach den
vorgelegten Urkunden und den weiteren Umständen keine Anhaltspunkte ersichtlich.
(1) Vielmehr ist die Eintragung des Gegenstands der Grunddienstbarkeit im Grundbuch als
solche hinreichend bestimmt und bezieht das Flurstück 100 in den Ausübungsbereich des
Wegerechts als Ganzes ein. Das ergibt sich bereits aus dem Eintragungsvermerk, der die
ausreichende schlagwortartige Bezeichnung des Rechts enthält (vgl. Grüneberg-Herrler, BGB,
83. Aufl., § 1018 Rn. 30 mwN).
(2) Zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts kann gemäß § 874 BGB weiter auf die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Diese und der Eintragungsvermerk bilden
eine Einheit und in ihrer Gesamtheit den Grundbuchinhalt (Bayerisches Oberstes
Landesgericht, Beschluss vom 16. Mai 2002, 2Z BR 181/01, Rn. 11; OLG München, Beschluss
vom 30. Juni 2010, 34 Wx 057/10, Rn. 20, juris; Grüneberg-Herrler, BGB, a.a.O., § 874 Rn. 2).
Mit den herkömmlichen juristischen Auslegungsmitteln kann aus dem damit maßgeblichen
Grundbuchinhalt erschlossen werden, welche Rechte der Eigentümer des herrschenden
Grundstücks hat. Danach beinhaltet das eingetragene Wegerecht ein Geh- und Fahrrecht auf
dem gesamten Grundstück von der Straße über den Grundbesitz L. Straße 65.
(3) Auch der räumliche Ausübungsbereich des Wegerechts (§ 1018 BGB) wurde weder in der
notariellen Urkunde vom 28. Oktober 1997 noch in der notariellen Urkunde vom 17. Mai 1999
(nebst Messungsanerkennung) auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks
beschränkt. Nur, wenn die Eintragungsbewilligung (§ 874 BGB) auf eine Anlage der Urkunde
mit einer Karte Bezug nimmt, in der die Ausübungsstelle dargestellt ist, legen die Beteiligten den
Ausübungsbereich der Dienstbarkeit verbindlich fest (Staudinger/Weber (2017) BGB § 1018,
Rn. 65; BGH, Urteil vom 4. Dezember 2015, V ZR 22/15, Rn. 37, juris). Mit der am 27. April
2000 unter Bezugnahme auf die beiden Eintragungsbewilligungen gemäß § 874 BGB
vollzogenen Eintragung in das Grundbuch wurde das hier verfahrensgegenständliche Wegerecht
jedoch ohne weitere räumliche Ausübungsbeschränkung zum Rechtsinhalt der
Grunddienstbarkeit.
(4) Dem notariellen Vertrag vom 17. Mai 1999 war ebenfalls keine Lageplanzeichnung beigefügt,
auf die zur Bestimmung des Ausübungsbereichs unmittelbar zurückgegriffen werden könnte.
Eine solche Lageplanzeichnung war angesichts der klaren rechtsgeschäftlichen Festlegung des
Ausübungsbereiches – Wegerecht auf dem Grundstück - auch entbehrlich. Denn zur
rechtsgeschäftlichen Festlegung des Ausübungsbereichs genügt auch eine ausreichend klare
textliche Beschreibung unter Bezugnahme auf in der Natur vorhandene Merkmale oder bereits
errichtete Anlagen, die für jedermann dort ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Urteil vom 7.
Oktober 2005, V ZR 140/04, Rn. 13, juris; Staudinger/Weber, aaO, § 1018 Rn. 65).
Dies ist hier mit der klaren textlichen Beschreibung geschehen, indem die Parteien des
Bestellungsvertrags – auch die Beteiligte zu 1. - unter gleichzeitiger Bezugnahme auf den
Änderungsnachweis des Katasteramtes E. nach den erfolgten Vermessungen bewilligt und
beantragt haben, dass das vereinbarte Wegerecht zulasten des Erbbaurechts der Beteiligten zu 1.
gemäß der Vorurkunde vom 28. Oktober 1995 eingetragen werde. Danach war ein Wegerecht
„zum Befahren und Begehen von der Straße über den Grundbesitz L. Straße 65 zum
Grundbesitz L. Straße 63“ bewilligt.

Nach der für das zutreffende Verständnis von Grundbucheintragungen nächstliegenden
Bedeutung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.
Februar 1991, V ZB 13/90, Rn. 12, juris), ist damit ausdrücklich und inhaltlich hinreichend
bestimmt festgelegt, dass die eingeräumte Berechtigung zur Benutzung des dienenden
Grundstücks insoweit unbeschränkt ist, als das dienende Grundstück „zum Befahren und
Begehen von der Straße über den Grundbesitz L. Straße 65 zum Grundbesitz L. Straße 63“
genutzt werden kann, (vgl. OLG München, Beschluss vom 3. März 2014, 34 Wx 489/13, Rn.
19, juris). Danach lastet das Wegerecht als Geh- und Fahrtrecht auf dem gesamten Flurstück
100; der Ausübungsbereich ist nicht beschränkt, was eindeutig der Bewilligung zu entnehmen
ist.

(5) Darüber hinaus spricht bereits der Umstand, dass auch die Beteiligte zu 1. noch nach
erfolgter Vermessung am 17. Mai 1999 und damit in Kenntnis der örtlichen Verhältnisse ein
Wegerecht zulasten des Flurstückes 100 und zugunsten der Eigentümer des Grundstückes
L. Straße 63 bestellt hat, gegen eine räumliche Begrenzung des Wegerechts auf die Fläche, die
nunmehr das Flurstück 123 ist.

dd) Dass der für eine Eintragung einer Grunddienstbarkeit zwingend erforderliche Vorteil des
Berechtigten für die Benutzung des Grundstücks gefehlt haben könnte und daher die Bestellung
von vornherein unzulässig gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. § 1019 BGB; hierzu
auch Staudinger/Weber, aaO, § 1019 Rn. 15). In einem solchen Fall käme eine Löschung im
Grundbuch nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO nur in Betracht, wenn der fehlende Vorteil aus der
Eintragung selbst ersichtlich wäre (Grüneberg-Herrler, BGB, 83. Aufl., § 1019, Rn. 1). Daran
fehlt es bereits. Denn das Wegerecht kann für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks
durchaus vorteilhaft im Sinne einer objektiven Nützlichkeit sein. Aus der
Eintragungsbewilligung ergibt sich zudem, dass sich das herrschende Grundstück in
unmittelbarer Nachbarschaft befindet, was grundsätzlich einen Vorteil bedeuten kann.

c)
Auch soweit die Beteiligte zu 1. eine Löschung wegen nachträglichen Wegfalls der
Ausübungsmöglichkeit verlangt, hat ihre Beschwerde keinen Erfolg.

Eine Grunddienstbarkeit, die wegen nachträglichen Wegfalls des Vorteils für das herrschende
Grundstück, etwa infolge grundlegender Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der
rechtlichen Grundlagen oder durch dauernde tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der
Rechtsausübung, erloschen ist, kann allerdings grundsätzlich im Wege der
Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO gelöscht werden. Es liegt dann keine unzulässige,
sondern lediglich eine gegenstandslose Eintragung vor (vgl. Staudinger/Weber, aaO, § 1019 Rn.
17 mwN). Jedoch muss auch in diesem Fall der Vorteilswegfall in der Form des § 29 GBO
nachgewiesen werden (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 2. August 1989 –
BReg 2 Z 86/89 –, Rn. 18, juris).

aa) Dass hier ein Fall einer Teilung des herrschenden Grundstücks gemäß § 1025 BGB vorliegen
könnte, ist nicht ersichtlich, weil Eigentümerin des Flurstückes 123 die an der Bestellung des
Wegerechts nicht beteiligte Stadt B. war. Lediglich vervollständigend verweist der Senat
darauf, dass auch in diesem Fall das Erlöschen infolge Vorteilswegfalls nachgewiesen werden
müsste (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2021, I-3 Wx 50/20, Rn. 19, juris). Dies folgt
zunächst aus § 1025 Satz 1 BGB, wonach die Grunddienstbarkeit grundsätzlich für die einzelnen
Teile fortbesteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Februar 2019, I-3 Wx 84/18, Rn. 28,
juris; Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 37 mwN).

bb) Es liegt weder ein Urteil noch eine Urkunde in der Form des § 29 Abs. 1 GBO vor, aus
denen der Vorteilswegfall folgen könnte.

cc) Dass der Vorteil für das herrschende Grundstück nachträglich weggefallen sein könnte, ist
auch im Übrigen nicht ersichtlich. Allein der Umstand der Erreichbarkeit des Grundstückes der
Beklagten über den öffentlichen Weg, lässt den Vorteil nicht entfallen. Dabei ist es schon
ausreichend, wenn weiterhin ein rechtlicher Vorteil für das herrschende Grundstück denkbar ist.
Ein Vorteil für den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks besteht nämlich
schon bei objektiver Nützlichkeit auf Grund seiner Lage, Beschaffenheit und
Zweckbestimmung, insbesondere bei Nachbarschaft wie hier (Bayerisches Oberstes
Landesgericht, Beschluss vom 25. Juli 1996, 2Z BR 39/96, Rn. 15, juris; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 23. Juni 2021, I-3 Wx 50/20, Rn. 21, juris; Grüneberg-Herrler, a.a.O., § 1019
Rn. 2; Staudinger/Weber, a.a.O, § 1019 Rn. 17 mwN).

d)
Die Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich des Wegerechts ist auch im Übrigen nicht
nachgewiesen. Insbesondere folgt diese nicht aus den in Kopie vorgelegten
Vermessungsnachweisen, wobei dahinstehen kann, dass diese keine tauglichen Nachweismittel
gemäß § 29 GBO sind. Denn taugliche Nachweismittel sind mit Unterschrift und Dienstsiegel
versehene Bescheinigungen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 17. Juni 1999,
2Z BR 64/99, Rn. 10, juris). Aus den Vermessungsunterlagen ergibt sich eine benachbarte Lage
der Grundstücke, woraus sich grundsätzlich ein Vorteil des Wegeberechtigten ergeben kann.
Dagegen ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, dass die Funktion des Geh- und
Fahrtrechts derart eingeschränkt sein könnte, dass der Ausübungsbereich nicht das Flurstück
100 erfassen könnte. Soweit die Beteiligte zu 1. geltend macht, die Beteiligte zu 2. verfüge über
eine eigene Zufahrt für ihr Grundstück, vermag eine solche Tatsache zwar im Einzelfall dazu
führen, dass das Wegerecht, weil es nur die Zufahrt zum Grundstück der Beteiligten zu 2.
sichern sollte, nicht mehr ausgeübt wird und ein darüber hinausgehender Zweck, der dem
Eigentümer des herrschenden Grundstücks die Wahl über die (schonende) Benutzung des
dienenden Grundstücks für Zwecke des Begehens und Befahrens überließe, nicht besteht.
Hierzu reicht aber allein die Behauptung der Beteiligten zu 1. nicht aus, weil dieser Umstand in
der Form des § 29 GBO glaubhaft zu machen ist. Insoweit bleibt allenfalls der Zivilrechtsweg
über § 894 BGB.

e)
Die Voraussetzungen zur Vornahme einer Amtslöschung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO sind
ebenfalls nicht gegeben.

aa) Nach § 53 Absatz 1 S. 2 GBO ist eine im Grundbuch vorgenommene Eintragung von Amts
wegen zu löschen, wenn sie sich ihrem Inhalt nach als unzulässig erweist, wenn etwa ein Recht
mit dem Inhalt oder in der Ausgestaltung, wie es eingetragen ist, aus Rechtsgründen nicht
bestehen kann oder wenn die Eintragung etwas Widersprüchliches verlautbart und ihre
Bedeutung auch durch Auslegung nicht ermittelt werden kann (allg. Meinung Demharter, aaO,
§ 53 Rn. 42 mwN; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 417 ff mwN). Eine
Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB ist eine grundsätzlich zulässige Eintragung.
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen für eine
Amtslöschung der Grunddienstbarkeit nicht gegeben. Der Inhalt des eingetragenen Rechts ist
durch den Eintragungsvermerk in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen
Eintragungsbewilligung hinreichend bestimmt und auf die Benutzung des Grundstücks in
einzelnen Beziehungen beschränkt, wie dies für eine Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB
erforderlich ist. Die Grundbucheintragung erschöpft sich nicht in der insoweit allerdings recht
pauschalen Angabe, dass ein Wegerecht eingeräumt wird, sondern enthält selbst darüber hinaus
zusätzlich die Konkretisierung, dass dieses Wegerecht gemäß den Bewilligungen vom 28.
Oktober 1997 und 17. Mai 1999 eingetragen wurde. Damit wird vorliegend das Wegerecht klar
auf das Flurstück 100 bezogen. Zugleich ist auch die erforderliche Beschränkung des Rechts zur
Benutzung des belasteten Grundstückes in einzelnen Beziehungen gegeben, nämlich als
Wegerecht i.S. eines Geh- und Fahrrechts. Auch die erforderlich eigene Nutzungsmöglichkeit
bleibt der Beteiligten zu 1. erhalten (vgl. hierzu KEHE/Keller, GBO, 7. Aufl., Einl. §13 Rn. 18
m.w.N.).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 61 Abs. 1, 36
Abs. 3 GNotKG. Die Beteiligte zu 2 ist im Beschwerdeverfahren nicht tätig geworden, weshalb
eine Überbürdung von Kosten auf sie nach § 81 FamFG zu unterbleiben hat.

Mangels genügender Anhaltspunkte bestimmt der Senat den Geschäftswert mit dem
Auffangwert nach § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) sind nicht
gegeben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Naumburg

Erscheinungsdatum:

05.09.2024

Aktenzeichen:

12 Wx 39/24

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 1018, 1019; GBO §§ 22, 29