BFH 21. August 2024
II R 11/21
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; BewG § 14 Abs. 2

Ausführung einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung; Vollzugsanweisung an den Notar, Eintragungsbewilligung erst bei Nachweis der Kaufpreiszahlung vorzulegen; Ausführung im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung

letzte Aktualisierung: 20.2.2025
BFH, Urt. v. 21.8.2024 – II R 11/21

ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; BewG § 14 Abs. 2
Ausführung einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung; Vollzugsanweisung an den
Notar, Eintragungsbewilligung erst bei Nachweis der Kaufpreiszahlung vorzulegen;
Ausführung im Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung

Haben die Vertragsparteien bei einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung eine Vollzugshemmung
vereinbart, wonach der bevollmächtigte Notar von der bereits erteilten Eintragungsbewilligung
erst dann Gebrauch machen darf, wenn die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist,
ist die gemischt-freigebige Schenkung erst im Zeitpunkt der vertraglich vorgesehenen Kaufpreiszahlung
im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ausgeführt.

Entscheidungsgründe

II.
Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich nach Verkündung des Urteils des FG der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). An die Stelle des Schenkungsteuerbescheides vom 19.05.2016, über den das FG mit Urteil vom 27.05.2020 entschieden hat, ist der Änderungsbescheid vom 17.07.2020 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (vgl. BFH-Urteil vom 28.08.2019 - II R 7/17, BFHE 266, 485, BStBl II 2020, 247, Rz 12, m.w.N.).

III.
Die Sache ist nicht spruchreif und an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit des Schenkungsteuerbescheides vom 17.07.2020 abschließend beurteilen zu können. Der Senat kann anhand der Feststellungen des FG nicht prüfen, ob die gemischte Schenkung aus dem notariellen Vertrag vom 09.10.2012 ausgeführt wurde und wann in diesem Fall die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) entstanden ist.

a) Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Grundstücksschenkung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bereits dann ausgeführt, wenn die Auflassung (§ 925 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑) beurkundet worden ist und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 der Grundbuchordnung). Mit Rücksicht auf den von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorausgesetzten Leistungserfolg setzt die Ausführung der Grundstücksschenkung voraus, dass der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat und der Beschenkte durch die vertragliche Vereinbarung in die Lage versetzt wird, jederzeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeizuführen. Nur unter diesen Voraussetzungen liegt ein auf den Eigentumsübergang gerichteter zivilrechtlich abgeschlossener Erwerbsvorgang vor, auf den für die Ausführung der Zuwendung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG abzustellen ist.

b) Eine Grundstücksschenkung ist noch nicht ausgeführt, wenn aufgrund vertraglicher Abrede der Beschenkte von der Eintragungsbewilligung erst zu einem späteren Zeitpunkt Gebrauch machen darf. In diesem Fall tritt die Ausführung der Zuwendung erst zu diesem späteren Zeitpunkt ein (BFH-Urteil vom 02.02.2005 - II R 26/02, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312, unter II.1.a, m.w.N.). Haben die Vertragsparteien daher bei einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung eine Vollzugshemmung dahingehend vereinbart, dass der bevollmächtigte Notar von der Eintragungsbewilligung erst dann Gebrauch machen darf, wenn die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist, ist die gemischt-freigebige Schenkung erst in diesem Zeitpunkt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt.

c) Ob eine solche Vollzugshemmung vereinbart wurde, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung dessen, was die Erklärenden bei der Erklärungshandlung subjektiv gewollt haben, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Urteil vom 22.09.2010 - II R 62/08, BFH/NV 2011, 7, Rz 27, m.w.N.) und bindet das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist (BFH-Urteil vom 19.08.2015 - X R 30/12, BFH/NV 2016, 203, Rz 38). Die ‑‑gemäß § 118 Abs. 2 FGO bestehende‑‑ Bindung des BFH an eine Vertragsauslegung des FG entfällt jedoch insbesondere dann, wenn dessen Auslegung widersprüchlich oder lückenhaft ist. Hat das FG die (präzise) Auslegung eines entscheidungserheblichen Vertrags unterlassen, so kann sie das Revisionsgericht auf der Grundlage der dafür ausreichenden Tatsachenfeststellungen selbst vornehmen (BFH-Urteil vom 09.05.2017 - VIII R 1/14, BFH/NV 2017, 1418, Rz 39).

d) Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann der Senat anhand der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend prüfen, zu welchem Zeitpunkt die Grundstücksschenkung ausgeführt wurde. Dafür fehlt es an der Feststellung, ob und wann der nach dem Kaufvertrag zu leistende Barkaufpreis von der Klägerin gezahlt wurde. Die Vertragsparteien haben eine Vollzugshemmung bis zur Kaufpreiszahlung vereinbart, sodass die Schenkung erst im Zeitpunkt der Zahlung des Barkaufpreises ausgeführt und die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in diesem Zeitpunkt entstanden sein kann.

aa) Die Schenkung wurde ‑‑wovon die Beteiligten offensichtlich ausgehen‑‑ nicht bereits mit Abschluss des notariellen Vertrags vom 09.10.2012 ausgeführt. Die Klägerin konnte ohne Zahlung des Barkaufpreises nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht zu jeder Zeit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung durch einen entsprechenden Antrag beim Grundbuchamt herbeiführen. Den Vertragsparteien wurden zur Sicherung der Rechte des Verkäufers lediglich Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften ohne Auflassungserklärung erteilt (sogenannte Auflassungssperre oder Kopierlösung). Die Klägerin konnte über den bevollmächtigten Notar von der erteilten Eintragungsbewilligung daher erst nach Eingang des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto Gebrauch machen. Bis dahin bestand nach den vertraglichen Abreden ein Vollzugshemmnis. Der zur Eintragung bevollmächtigte Notar wurde unter II. "Ausfertigungen, Abschriften" angewiesen, eine Vertragsausfertigung mit der Auflassungserklärung dem Grundbuchamt einzureichen, also von der Eintragungsbewilligung erst dann Gebrauch zu machen, sobald ihm alle Unterlagen, gegebenenfalls mit Ausnahme der Unbedenklichkeitsbescheinigung, vorliegen und alle vertraglichen Bedingungen für deren Erreichung erfüllt oder sichergestellt sind, insbesondere die Belegung des Kaufpreises. Für die Belegung des Kaufpreises ‑‑also den Nachweis der Kaufpreiszahlung‑‑ war nach § 2 (1) des Vertrags die Zahlung bis spätestens zum 01.02.2013 auf ein Notaranderkonto vorgesehen. Diesem Vollzugshemmnis entsprechend war nach § 4 (1) des Vertrags auch die Übergabeverpflichtung der Verkäuferin bis zur Zahlung des Kaufpreises spätestens bis zum 01.02.2013 aufgeschoben.

bb) Dass die Beteiligten im Verlauf des Verfahrens von einer ausgeführten gemischten Schenkung ausgegangen sind und die Klägerin ihren Einwand der fehlenden Ausführung der Schenkung nicht weiter verfolgte, ist unerheblich. Bei der Frage der Ausführung einer Schenkung handelt es sich um eine Rechtsfrage, über die die Beteiligten insoweit nicht disponieren können.

2. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass die Schenkung bis zum Tod der P nicht mehr ausgeführt wurde, dürfte das Schenkungsversprechen durch Kollision erloschen sein, soweit keine Ausnahmekonstellation vorliegt, was nach Aktenlage nicht ersichtlich ist und nicht festgestellt wurde. In diesem Fall ist das FG nicht gehindert, über den von der Klägerin gestellten Änderungsantrag hinaus den Schenkungsteuerbescheid vom 17.07.2020 insgesamt aufzuheben.

a) Zwar darf das Gericht in seinem Urteil, wenn der Kläger die Herabsetzung einer festgesetzten Steuerschuld um einen bestimmten Betrag begehrt, über dieses Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Dies gilt aber dann nicht, wenn der angefochtene Bescheid insgesamt rechtswidrig ist (BFH-Urteil vom 13.12.2005 - X R 50/03, BFH/NV 2006, 1144, unter II.2.a, m.w.N.), also insgesamt nicht hätte ergehen dürfen (BFH-Urteile vom 28.03.2007 - II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537, unter II.3.; vom 19.02.2020 - II R 32/17, BFHE 269, 413, BStBl II 2021, 25, Rz 23).

b) Dies ist der Fall, wenn ‑‑wie hier‑‑ mangels Ausführung einer Schenkung ein Schenkungsteuerbescheid schon dem Grunde nach nicht ergehen durfte. Auch in einem solchen Fall betrifft die Rechtswidrigkeit den gesamten Bescheid und für eine bloße Herabsetzung der Steuerschuld im Rahmen des Klagebegehrens ist kein Raum.

3. Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Schenkung noch zu Lebzeiten der P ausgeführt wurde, weist der Senat darauf hin, dass das FA bei der Ermittlung der Gegenleistung für die teilentgeltliche Übertragung des Grundstücks an die Klägerin den Kapitalwert der Nutzungs- und Leistungsauflagen nach § 14 Abs. 2 BewG zutreffend gekürzt hat (vgl. zur Nutzungs- und Duldungsauflage bereits BFH-Beschluss vom 05.07.2018 - II B 122/17, BFHE 262, 163, BStBl II 2018, 660, Rz 22; H E 7.4 (1) ErbStH, unter "Bewertung von Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen"; Götz in: ErbStG - eKommentar § 7 Rz 181). Es sind keine Gründe ersichtlich, bei der Anwendung von § 14 Abs. 2 BewG zwischen Leistungsauflagen einerseits sowie Nutzungs- und Duldungsauflagen andererseits zu unterscheiden (so auch Fleischer in Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 3. Aufl., § 6 Rz 62 und 64; Leingärtner/Krumm, Besteuerung der Landwirte, Werkstand: 46. EL Juli 2024, Kap. 92 Rz 114).

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

21.08.2024

Aktenzeichen:

II R 11/21

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer

Normen in Titel:

ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; BewG § 14 Abs. 2