OLG Karlsruhe 12. Dezember 2014
20 UF 7/14
BGB §§ 138, 1408, 1414, 1379

Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages hinsichtlich Zugewinnausgleichsausschluss

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 4.3.2015
OLG Karlsruhe, 12.12.2014 - 20 UF 7/14

BGB §§ 138, 1408, 1414, 1379
Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages hinsichtlich Zugewinnausgleichsausschluss

1. Zur Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich: In Fällen, in denen ein
Ehegatte als Selbstständiger voraussichtlich seine Altersversorgung durch Bildung von
grundsätzlich dem Zugewinnausgleich unterfallenden Vermögens betreiben wird, während der
andere Ehegatte voraussichtlich zur Altersversorgung lediglich Rentenanwartschaften erwerben
wird, führt der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs unter Beibehaltung des
Versorgungsausgleichs zum einseitigen Ausschluss eines Ehegatten von der Teilhabe an der
Altersvorsorge des anderen im Scheidungsfall. In einem solchen Fall liegt eine einseitige
Lastenverteilung und durch den einseitigen Ausschluss der späteren Teilhabe an der erworbenen
Altersvorsorge ein Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen vor.
2. Auch im Fall einer objektiv einseitigen, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht
gerechtfertigten Lastenverteilung ist das Verdikt der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages nur
möglich, wenn zusätzlich eine Störung der subjektiven Vertragsparität festgestellt werden kann
(BGH, Urteil vom 31.10.2012, XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195).
3. Eine solche Störung der subjektiven Vertragsparität liegt nicht schon dann vor, wenn der
benachteiligte Ehegatte die Bedeutung und Tragweite des Abschlusses eines Ehevertrages
grundsätzlich erkennt, die konkreten Vertragsbestimmungen jedoch nicht versteht, und sodann
weitere Beratung und Aufklärung vor Abschluss des Ehevertrages deshalb nicht einholt, weil er
seinem Ehegatten "blind" vertraut. Der bewusste Verzicht darauf, im Rahmen der
Vertragsverhandlungen selbst oder durch Berater die eigenen Interessen zu wahren, rechtfertigt
nicht schon die Bejahung des subjektiven Sittenwidrigkeitselements.
OLG Karlsruhe Beschluß vom 31.10.2014, 20 UF 7/14

Gründe

I.
1 Die Antragsgegnerin (nachfolgend: Ehefrau) begehrt als Folgesache im Wege des Stufenantrags zum
Zugewinnausgleich Auskunft sowie noch zu beziffernde Zahlung. Der Antragsteller (nachfolgend: Ehemann)
beruft sich auf einen ehevertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs.
2 Die Ehefrau durchlief von 1987 bis 1989 eine Ausbildung als Büroassistentin und war anschließend bis 1993 in
diesem Beruf tätig. Der Antragsteller (nachfolgend: Ehemann) war selbstständig, und zwar zunächst
Bezirksleiter einer Bausparkasse. Am 23.7.1993 schlossen die Beteiligten die Ehe. Die Ehefrau war damals 22
Jahre, der Ehemann 27 Jahre alt.
3 Am 2.9.1993 schlossen die Beteiligten einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In § 1 des Ehevertrages wurde
der Ausgleich des Zugewinns ausgeschlossen, und festgestellt, dass damit mit Wirkung ab Eheschließung
Gütertrennung eintrete. In § 4 wurde geregelt, dass eine Vereinbarung über den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs nicht getroffen werde. § 5 lautet:
4 „Für den Fall der Scheidung unserer Ehe vereinbaren wir, dass wir beide gegenseitig auf jegliche
Unterhaltsansprüche verzichten. Dieser Verzicht gilt auch für den Fall der Not, er gilt nicht, wenn der
Verzichtende ein oder mehrere Kinder aus unserer Ehe zu betreuen hat, die noch nicht sieben Jahre alt sind,
und der Betreuende deshalb nicht berufstätig sein kann; in diesem Fall gilt der Verzicht erst ab dem siebten
Lebensjahr des jüngsten Kindes. Solange der Unterhaltsverzicht wegen Betreuung eines minderjährigen
Kindes nach vorstehender Vereinbarung nicht gilt, ist der Unterhaltsanspruch des berechtigten Ehegatten
begrenzt auf 50 % des Nettogehalts, den er erhalten würde, wenn er in seinem zuletzt ausgeübten Beruf in
vollem Umfang tätig wäre.
5 Der Verzicht wird sofort von beiden Vertragsschließenden mit dinglicher Wirkung ausgesprochen und
gegenseitig angenommen. Der Notar hat auf die Bestimmung des § 138 BGB hingewiesen. Er hat ferner
darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen für die Kinder selbst dadurch nicht
beeinträchtigt werden.“
6 Die Urkunde enthält außerdem einen Erbvertrag, mit welchem sich die Beteiligten wechselseitig zu
„unbeschränkten Alleinerben“ einsetzten. Eine salvatorische Klausel enthält der Ehevertrag nicht. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (AS I GÜ 39) Bezug genommen.
7 Im Zusammenhang mit der Eheschließung gab die Ehefrau ihre bisherige Arbeitsstelle auf. Sie war zunächst
arbeitslos gemeldet. Ab April 1994 war sie vom Ehemann für Bürotätigkeiten angestellt (die Arbeitsverträge
sind teilweise vorgelegt, vgl. AS I GÜ 12 ff.).
8 In den Jahren 2001 und 2004 wurden die ehegemeinsamen Kinder T. und N. geboren. Im Jahr 2007 wurde bei
der Ehefrau Krebs diagnostiziert, sie musste sich einer Operation und Folgebehandlungen unterziehen. Der
Ehemann nahm in dieser Zeit ein außereheliches Verhältnis auf.
9 Am 10.12.2011 trennten sich die Beteiligten. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau am 12.2.2013
zugestellt.
10 Die Ehefrau hat vorgetragen: Der Ehevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der Vertrag sei auf Drängen
des Ehemannes zu Stande gekommen. Der Ehemann habe der Ehefrau erklärt, der Vertrag diene ihrer
Absicherung und der Absicherung der Selbstständigkeit des Ehemannes. Die Ehefrau habe keine Möglichkeit
gehabt, sich über die Bedeutung der getroffenen Regelungen zu informieren. Der Vertrag sei bei der
Beurkundung zwar vom Notar vorgelesen worden, sie habe die Begriffe - „Zugewinn“, „Versorgungsausgleich“ -
aber gar nicht verstanden. Sie habe nicht gewusst, was sie tat, als sie den Vertrag unterschrieben habe. Sie
habe dem Ehemann blind vertraut und sei über den Tisch gezogen worden. Der Ehemann habe die bei
Eheschließung vorhandenen Ersparnisse der Ehefrau an sich gebracht. Die Ehefrau habe mit der
Eheschließung auf Wunsch des Ehemannes ihre Erwerbstätigkeit beendet und sei anschließend durch die
Anstellung beim Ehemann von diesem wirtschaftlich abhängig gewesen. Sie habe keine Chance gehabt, sich
ihre Selbstständigkeit zu erhalten. Ihr Gehalt habe sie vom Ehemann nicht zur freien Verfügung erhalten, es sei
auf Konten des Ehemannes bzw. auf vom Ehemann kontrollierte Konten geflossen. Nach Abhebung des
Haushaltsgeldes noch verbleibende Überschüsse seien dann wiederum an den Ehemann gegangen, wegen
der von ihm angeblich erzielbaren besseren Rendite. Während der Ehemann erhebliches Vermögen während
der Ehezeit gebildet habe, sei dies der Ehefrau nicht möglich gewesen. Der vereinbarte Unterhaltsverzicht
treffe die Ehefrau besonders hart, da sie durch die Rollenverteilung in der Ehe gehindert gewesen sei, sich im
Beruf weiterzubilden und eine eigene Invaliditäts- und Altersversorgung aufzubauen. Zudem treffe die Ehefrau
besonders hart, dass der Versorgungsausgleich durch den Ehevertrag nicht ausgeschlossen wurde. Denn die
Ehefrau habe durch ihr Anstellungsverhältnis beim Ehemann Rentenanwartschaften erworben, während der
Ehemann als Selbstständiger seine Altersvorsorge in privater Form betrieben habe, welche dem
Versorgungsausgleich nicht unterliege. Hinzu komme, dass der Ehemann – unstreitig – zwischenzeitlich bei
zwei Lebensversicherungsverträgen das Kapitalwahlrecht ausgeübt hat, so dass diese dem
Versorgungsausgleich entzogen seien. Jedenfalls könne sich der Ehemann im Rahmen einer
Ausübungskontrolle nicht auf den Ausschluss des Zugewinnausgleichs berufen.
11 Der Ehemann hat vorgetragen: Der Ehevertrag sei eine faire und ausgewogene Lösung. Ausweislich des
Vertrages sei die Ehefrau vom Notar über die Auswirkungen belehrt worden. Der Ehemann habe die Ehefrau zu
keinem Zeitpunkt hinsichtlich des Vertragsschlusses bedrängt. Die Ehefrau habe sich vor dem Vertragsschluss
unter anderem mit ihrem Vater besprochen, der den Vertragsschluss für sinnvoll gehalten habe im Hinblick auf
die Selbstständigkeit des Ehemannes; hierdurch habe die Ehefrau nämlich für Darlehensverträge im
Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung und mit den Geschäften des Ehemannes nicht eine
Mithaftung übernehmen müssen. Die Aufgabe der bisherigen Arbeitsstelle der Ehefrau sei infolge Hochzeit und
Umzug erfolgt. Es sei zunächst geplant gewesen, dass die Ehefrau eine eigenständige Arbeitsstelle annimmt,
dem Arbeitsamt sei jedoch eine Stellenvermittlung nicht möglich gewesen. Erst hierauf sei gemeinsam
beschlossen worden, dass die Ehefrau im Betrieb des Ehemannes angestellt wird, und zwar auch mit dem Ziel,
dass weiterhin eine Kranken- und Rentenversicherung besteht. Neben der Anstellung beim Ehemann habe die
Ehefrau während der Ehezeit noch anderwärts gearbeitet. Die Ehefrau habe ihr Gehalt im Rahmen des
Anstellungsverhältnisses beim Ehemann auf ein eigenes Girokonto erhalten, es habe zu Ihrer freien Verfügung
gestanden. Sie habe die Möglichkeit gehabt, hieraus Vermögen zu bilden. Zusätzlich habe die Ehefrau
Haushaltsgeld erhalten und einen vom Ehemann finanzierten PKW.
12 Das Amtsgericht hat mit dem angegriffenen Teilbeschluss vom 15.11.2013 den im Rahmen der Stufenklage
gestellten Auskunftsantrag der Ehefrau zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass
durch den Ehevertrag der Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen worden sei, so dass die Ehefrau auch
keinen Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB habe. Wegen der näheren Einzelheiten zum Sachvortrag der
Beteiligten in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge sowie wegen der näheren Einzelheiten zu
Inhalt und Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung wird auf Entscheidungsformel und Gründe des
Teilbeschlusses des Amtsgerichts Weinheim vom 15.11.2013 Bezug genommen.
13 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Ehefrau.
14 Die Ehefrau wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Es habe eine einseitige Dominanz des
Ehemannes vorgelegen, welche zu einer Zwangslage und Abhängigkeit der Ehefrau geführt habe. Die Ehefrau
habe nicht nur mit der Eheschließung auf Wunsch des Ehemannes ihre eigenständige Berufstätigkeit
aufgegeben. Er habe sie zudem dazu gebracht, nach der Eheschließung ihre ganzen Ersparnisse dem
Ehemann zu übertragen. Bei Abschluss des Ehevertrages habe der Ehemann der Ehefrau vorgespiegelt, der
Vertragsschluss sei in Ihrem Interesse. Nach ihrer Vorstellung sei es darum gegangen, die Selbstständigkeit
des Ehemannes und sein gewerbliches Vermögen abzusichern. Dass ein Ehevertrag mit Gütertrennung und
Ausschluss des Zugewinnausgleichs geschlossen werden sollte, habe die Ehefrau erstmals beim Notar gehört,
ohne zu verstehen, was dies für sie bedeute. An einen vorangegangenen Notartermin zur Beratung und
Fertigung eines Entwurfs könne sie sich nicht erinnern. Sie habe vor der Beurkundung keinen Text eines
Vertragsentwurfs erhalten. Sie habe vor der Beurkundung ihren Vater um Rat gefragt, es sei aber nicht um den
Ehevertrag gegangen, sondern um die geschäftlichen Dinge des Ehemannes. Der Vater habe ihr zugeraten, die
geschäftlichen Dinge des Ehemannes vom privaten Vermögen zu trennen und ihrem Ehemann zu vertrauen.
Sämtliche Regelungen des Vertrages seien angesichts der Rollenverteilung in der Ehe einseitig zulasten der
Ehefrau. Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs sei unbillig, da die Ehefrau durch ihre Tätigkeit als
Angestellte den Ehemann in seiner Erwerbstätigkeit unterstützt habe, von der Teilhabe am erwirtschafteten
Vermögen aber ausgeschlossen sei. Soweit das Gehalt der Ehefrau auf ein Sparkonto der Ehefrau gegangen
sei, habe der Ehemann dieses jedenfalls kontrolliert. Vorliegend liege eine Funktionsäquivalenz von
Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich vor, so dass ein angemessener Ausgleich nur über die
Durchführung des Zugewinnausgleichs erfolgen könne.
15 Die Ehefrau beantragt,
16 unter Abänderung des am 15.11.2013 erlassenen Teilbeschlusses des Amtsgerichts Weinheim, Az. 1 F
287/12 GÜ, den Antragsteller zu verpflichten, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen; wegen des Wortlauts
wird auf den Schriftsatz vom 23.1.2014 Bezug genommen (AS II 9 f.).
17 Der Ehemann beantragt,
18 die Beschwerde zurückzuweisen.
19 Der Ehemann verteidigt den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Vorbringens. Soweit dem Ehemann anlässlich der Eheschließung Ersparnisse der
Ehefrau übertragen wurden, habe dies der Finanzierung einer Küche gedient; es sei seinerzeit vereinbart
gewesen, dass die Ehefrau die Küche, der Ehemann dagegen die übrigen Möbel bezahlt. Auch soweit der
Ehemann später Gelder vom Konto der Ehefrau erhalten habe, habe dies jeweils Gründe gehabt, nämlich den
Kauf eines Autos für die Ehefrau oder Urlaube/Reisen. Grund für den Abschluss eines Ehevertrages sei u. a.
seine Selbstständigkeit gewesen; bei Darlehensverträgen verlangten die Banken nämlich häufig eine Mithaft
des Ehegatten, wenn kein Ehevertrag bestehe. Tatsächlich seien die Banken später auch bereit gewesen,
Darlehensverträge ohne eine solche Mithaft der Ehefrau abzuschließen. Außerdem habe es eine
„Vorgeschichte“ in seiner Verwandtschaft gegeben, wo der Mann auf Lebenszeit habe Unterhalt zahlen
müssen, weshalb er auch insoweit eine Regelung gewollt habe. Schließlich habe man das Erbrecht regeln
wollen. Die konkrete Vertragsgestaltung, insbesondere auch die Ausgestaltung der Regelung zum Unterhalt,
sei dann vom Notar gekommen. Es habe zwei Termine beim Notar gegeben, bei denen jeweils beide Ehegatten
anwesend gewesen seien. Beim ersten Termin sei der Vertragsinhalt besprochen worden. Auch die Ehefrau
habe einen schriftlichen Entwurf erhalten, der von ihr zuhause gelesen worden sei. Ein zunächst vorgesehener
Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei auf Wunsch der Ehefrau wieder gestrichen worden. Beim zweiten
Notartermin sei dann die Beurkundung erfolgt. Der Vertrag beinhalte keine einseitige Lastenverteilung. Bei
Vertragsschluss sei der Ehemann erst seit zwei Jahren selbstständig und noch voll im Risikobereich gewesen;
es hätte durchaus passieren können, dass die nichtselbstständige Arbeit der Ehefrau erfolgreicher hätte sein
können. Auch für die Ehefrau sei während der Ehezeit Vermögen aufgebaut worden (Einzelheiten AS II 49).
20 Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachvortrag der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
21 Die gemäß §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Ehefrau ist unbegründet.
22 1) Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass durch den Ehevertrag vom 2.9.1993 wirksam
gemäß § 1414 BGB zwischen den Beteiligten der Zugewinnausgleich ausgeschlossen sowie Gütertrennung
vereinbart wurde und infolgedessen keine Auskunftspflicht des Ehemannes nach § 1379 BGB besteht.
23 a) Grundsätzlich besteht für das eheliche Güterrecht die Möglichkeit der vertraglichen Regelung (§ 1408 BGB).
Die hierfür vorgeschriebene Form (§ 1410 BGB) wurde vorliegend gewahrt.
24 b) Der Ehevertrag ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
25 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegen „die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen
Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten;
einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zu Gunsten des berechtigten Ehegatten kennt das
geltende Recht nicht“. „Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf indes nicht dazu führen,
dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen
werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung
der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den
belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines
Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe
unzumutbar erscheint“. Für die Beurteilung bedarf es einer „Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen, der
Gründe und Umstände ihres Zu-Stande-Kommens sowie der beabsichtigten und verwirklichten Gestaltung des
ehelichen Lebens“. Abzustellen ist hierbei auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zu-Stande-Kommens des
Ehevertrages (zu allem BGH FamRZ 2004, 601).
26 Im Rahmen der demnach gebotenen Gesamtschau waren für den Senat folgende Erwägungen maßgeblich:
27 aa) Allerdings liegen die objektiven Voraussetzungen für das Verdikt der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1
BGB vor. Durch den Ehevertrag wurde eine - schon bei Betrachtung ex ante - einseitige, durch die ehelichen
Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung herbeigeführt.
28 (1) Dies gilt schon für die in § 1 vereinbarte Gütertrennung.
29 Grundsätzlich ist allerdings der Zugewinnausgleich im Hinblick auf seine nachrangige Bedeutung im System
des Scheidungsfolgenrechts einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich (ständige
Rechtsprechung, etwa BGH FamRZ 2013, 269). Offen gelassen hat der BGH allerdings zuletzt die Frage, ob
dies abweichend zu beurteilen und von einem Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen auszugehen
ist, wenn nach den konkreten Verhältnissen eine Funktionsäquivalenz von Zugewinn- und
Versorgungsausgleich anzunehmen ist (vgl. hierzu ebenfalls BGH FamRZ 2013, 269). Der Senat sieht
vorliegend auf Grund der hier gegebenen Funktionsäquivalenz eine einseitige, nicht gerechtfertigte
Lastenverteilung.
30 Eine Funktionsäquivalenz war vorliegend objektiv gegeben. Während die Ehefrau vor und - vorhersehbar -
auch nach Abschluss des Ehevertrages einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachging, war der
Ehemann vor und - vorhersehbar - nach Abschluss des Ehevertrages selbstständig tätig. Es war zu erwarten,
dass seine Altersversorgung überwiegend in Form von Vermögensbildung einschließlich privater
Lebensversicherungen, diejenige der Ehefrau dagegen überwiegend im Rahmen der gesetzlichen
Sozialversicherungssysteme aufgebaut würde. Dies entspricht auch der späteren tatsächliche Entwicklung. Die
Vereinbarung von Gütertrennung bei Aufrechterhaltung des Versorgungsausgleichs bedeutete in dieser
konkreten Situation, dass voraussichtlich im Scheidungsfall die Ehefrau nicht an der vom Ehemann
aufgebauten Altersversorgung, wohl aber der Ehemann an der von der Ehefrau aufgebauten Altersversorgung,
partizipieren würde. Dies zumal im Hinblick auf den damals noch geltenden rechtlichen Rahmen für den
Versorgungsausgleich, nach dem Kapitallebensversicherungen nicht dem Versorgungsausgleich, sondern dem
Güterrecht, unterlagen.
31 Die Gütertrennung bei Aufrechterhaltung des Versorgungsausgleichs bewirkte auf Grund der dargestellten
Zusammenhänge eine einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau. Denn ein Ausgleich - etwa durch
die Übertragung von Vermögen auf sie zur eigenständigen Absicherung - wurde im Rahmen des Ehevertrages
nicht vereinbart. Der einseitige Ausschluss von der Partizipation an der Altersversorgung des anderen
Ehegatten muss, ebenso wie sonstige Eingriffe in den Versorgungsausgleich, als Eingriff in den Kernbereich
der Scheidungsfolgen gewertet werden.
32 (2) Gleiches gilt für § 5 des Ehevertrages, dessen Sittenwidrigkeit nach Maßgabe des § 139 BGB - eine
salvatorische Klausel wurde nicht vereinbart - zur Nichtigkeit des gesamten Ehevertrages führen kann. Auch
der dort vereinbarte weitgehende Verzicht auf nachehelichen Unterhalt bzw. dessen Begrenzung bewirkte
objektiv eine einseitige, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung zum
Nachteil der Ehefrau.
33 Vorliegend wurde ein Ehegattenunterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1570 BGB) für die Zeit ab Vollendung des
siebten Lebensjahres des jüngsten Kindes ausgeschlossen. Bei Abschluss des Ehevertrages bestand zwar
kein konkreter Kinderwunsch, mit der Möglichkeit späterer Elternschaft rechneten die Beteiligten allerdings
schon. Dies ergibt sich aus den Angaben des Ehemannes vor dem Senat am 31.10.2014 und aus dem
Umstand, dass im Ehevertrag überhaupt Vorsorge für den Fall der Kinderbetreuung getroffen wurde. Der
Unterhaltsanspruch wegen Kindesbetreuung gehört erstrangig zum Kernbereich der gesetzlichen
Scheidungsfolgen (BGH FamRZ 2007, 1310). Ein Eingriff kann hier nur ausnahmsweise bei Vorliegen
besonderer Umstände oder finanzieller Kompensationen, die die Betreuung eines gemeinsamen Kindes
konkret erleichtern können, tolerabel sein (vgl. erneut BGH FamRZ 2007, 1310). Vorliegend wurden indessen
keine Leistungen vereinbart, die den Ausschluss des Unterhaltsanspruchs kompensiert hätten.
34 Auch die vereinbarte Begrenzung des Betreuungsunterhalts der Höhe nach auf 50 % des fiktiven Nettogehalts
in einem zuletzt ausgeübten Beruf stellt einen erheblichen Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen
dar. Diese Begrenzung kann sich – je nach den individuellen Verhältnissen - als erhebliche wirtschaftliche
Einschränkung des Unterhaltsberechtigten auswirken und faktisch eine Obliegenheit zur halbschichtigen
Erwerbstätigkeit ab Geburt des Kindes bewirken. Dies läuft jedenfalls in den ersten 3 Lebensjahren des Kindes
auch dem Kindeswohl zuwider (vgl. § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB).
35 Lediglich der Ausschluss des Unterhalts wegen Krankheit und Alters rechtfertigt schon objektiv nicht den
Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Dies käme nur in Betracht, wenn die Beteiligten bei ihrer Lebensplanung im
Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags davon ausgegangen wären, dass ein Ehegatte sich dauerhaft oder
doch langfristig völlig aus dem Erwerbsleben zurückziehen und der Familienarbeit widmen sollte (BGH FamRZ
2005, 1449). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Vielmehr war die Ehefrau, wenn auch in Anstellung beim
Ehemann, langjährig erwerbstätig, und die Ehe blieb zunächst ab Eheschließung für etwa acht Jahre kinderlos.
36 Dem Vorwurf einer objektiv einseitigen Lastenverteilung kann nicht entgegen gehalten werden, dass zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch eine spätere Unterhaltsbedürftigkeit des Ehemannes in Betracht
kommen konnte. Dies war zwar theoretisch denkbar. Nach den damals bestehenden wirtschaftlichen
Verhältnissen - der Ehemann als Bezirksleiter einer Bausparkasse, die Ehefrau als Büroassistentin - war es
naheliegend, vorrangig eine spätere Unterhaltsbedürftigkeit der Ehefrau in Betracht zu ziehen. Das Gegenteil
war zwar nicht ausgeschlossen, aber nur bei einem ungewöhnlichen Verlauf - etwa einer krankheits- oder
unfallbedingten Erwerbsunfähigkeit des Ehemannes oder einem wirtschaftlichen Scheitern seiner
Selbstständigkeit - anzunehmen. Insbesondere die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Scheiterns des
Ehemannes aus damaliger Sicht ist zwar von ihm behauptet. Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind aber nicht zu
erkennen, zumal mit der Tätigkeit eines Versicherungs- oder Bausparkassenvertreters keine umfangreichen,
wirtschaftlich riskanten Investitionen verbunden sind. Dies entsprach auch den damaligen Vorstellungen der
Beteiligten. In der Anhörung der Beteiligten durch den Senat am 31.10.2014 hat sich ergeben, dass es der
Ehemann war, der aus Sorge wegen seiner möglichen Unterhaltspflicht eine ehevertragliche Regelung
anstrebte.
37 (3) Auch die Gesamtbetrachtung der ehevertraglichen Regelungen zeigt, dass der Ehevertrag auf die einseitige
Benachteiligung der Ehefrau abzielte (vgl. dazu BGH FamRZ 2005, 691; FamRZ 2013, 195). Gütertrennung,
Aufrechterhaltung des Versorgungsausgleichs und Ausschluss sowie Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
konnten sich zwar theoretisch auch zu Lasten des Ehemannes auswirken. Nach den damaligen wirtschaftlichen
Verhältnissen und den damaligen Vorstellungen der Beteiligten war indessen zu erwarten, dass die
ausgeschlossenen Scheidungsfolgen faktisch ausschließlich zu Gunsten der Ehefrau wirken würden, ihr
Ausschluss somit ausschließlich zu ihrem Nachteil sein würde.
38 Der Senat sieht dies insbesondere nicht kompensiert durch die zugleich vereinbarte erbvertragliche
wechselseitige Erbeinsetzung. Diese konnte zwar der Ehefrau günstig sein. Die konkreten Nachteile im Fall der
Unterhaltsbedürftigkeit und für die Altersversorgung wurden hierdurch nicht behoben, da der Anfall einer
Erbschaft ohnehin ungewiss war und jedenfalls mit Wahrscheinlichkeit nicht zeitkongruent zu den Nachteilen
erfolgen würde. Entscheidend kommt jedoch hinzu, dass gerade im Scheidungsfall der Ehemann die
Möglichkeit hat, sich bei Wiederverheiratung gemäß §§ 2281 Abs. 1, 2079 BGB von der vertragsmäßigen
Verfügung zu lösen.
39 bb) Das Verdikt der Sittenwidrigkeit setzt aber neben einer objektiv einseitigen Vertragsgestaltung auch ein
subjektives Element voraus, welches im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden kann. Infolgedessen ist der
Ehevertrag trotz der Einseitigkeit der Lastenverteilung nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
40 (1) „Aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen (kann) nur dann auf die weiter
erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden …, wenn die Annahme
gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen
Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der
subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete
tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen
nicht aufstellen (…). Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene
Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der
Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu
erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage,
sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten“ (BGH FamRZ
2013, 195).
41 (2) Hinsichtlich der einseitigen Belastung der Ehefrau durch Beibehaltung des Versorgungsausgleichs bei
Ausschluss des hier funktionsäquivalenten Zugewinnausgleichs gilt schon, dass es am Merkmal der
„Ausnutzung“ fehlt. Es ist naheliegend, dass die Ehefrau diese Funktionsäquivalenz - Zusammenwirken und
Zusammenhang zwischen Güterrecht und Versorgungsausgleich - nicht erkennen konnte. Ebenso naheliegend
ist jedoch, dass dies für den Ehemann ebenso gilt; anderes ist von der Ehefrau nicht behauptet. Gegen den
Vortrag des Ehemannes, dass der Versorgungsausgleich gerade auf Wunsch der Ehefrau beibehalten wurde -
wodurch die gestörte Funktionsäquivalenz überhaupt erst bewirkt wurde -, hat die Ehefrau keinen Beweis
angetreten. Da sie die Beweislast für die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit trägt,
ist für die Entscheidung davon auszugehen, dass die Beibehaltung des Versorgungsausgleichs trotz
Gütertrennung gerade nicht auf Betreiben des Ehemannes erfolgte.
42 (3) Auch im Übrigen gilt, dass ein subjektives Sittenwidrigkeitselement nicht festgestellt werden kann. Dass die
Ehefrau sich bei Abschluss des Ehevertrages objektiv oder subjektiv in einer gegenüber dem Ehemann
erheblich unterlegenen Verhandlungsposition befunden hätte, ist zwar von ihr behauptet, kann aber nicht
festgestellt werden. Die Beweislast liegt insoweit bei ihr. Eine Vermutungsregel, kraft derer von einer objektiv
einseitigen Lastenverteilung im Ehevertrag auf das Vorhandensein der subjektiven Imparität geschlossen
werden könnte, existiert gerade im Familienrecht nicht (BGH FamRZ 2013, 195; BGH FamRZ 2009, 198).
43 Durchgreifende Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Ehefrau im Rahmen von Eheschließung
und Abschluss des Ehevertrages bestehen nicht. Zwar lebten die Eheleute damals nur vom Einkommen des
Ehemannes. Der Ehefrau wäre es aber ebenso möglich gewesen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
Sie war vor der Eheschließung eigenständig berufstätig. Die Ehefrau hatte allerdings - unstreitig - vor der
Eheschließung ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und war zu dem Ehemann umgezogen. In der Zeit zwischen
der Heirat im Juli 1993 bis zum Abschluss des Ehevertrages im September 1993 stand sie dem Arbeitsamt zur
Stellenvermittlung zur Verfügung; sie hat sich beworben und erhielt vom Arbeitsamt Stellenangebote. Ihre
Arbeitssuche mündete allerdings nicht in der Aufnahme einer neuen, vom Ehemann unabhängigen
Erwerbstätigkeit. Dass dies auf ungenügendem Bemühen beruhte, wird nicht behauptet. Ebensowenig ist
jedoch von Seiten der Ehefrau behauptet, dass dies auf einer mangelnden Beschäftigungschance auf dem
Arbeitsmarkt beruhte. Vielmehr trägt sie ausdrücklich vor, dass sie sich ursprünglich „problemlos“ mit Erfolg um
eine neue Arbeitsstelle am neuen Wohnort hätte bewerben können (AS II 113). Auch wenn sie, was streitig ist,
lediglich auf Drängen des Ehemanns eine unabhängige Berufstätigkeit nicht wieder aufnahm, geschah dies
somit aus freien Stücken, ohne dass sie durch die Umstände hierzu gezwungen gewesen wäre.
44 Die Anstellung bei dem Ehemann, aus welcher die Ehefrau insbesondere ihre Behauptung einer erheblichen
wirtschaftlichen Abhängigkeit herleitet, erfolgte nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem
Abschluss des Ehevertrages, sondern erst Monate später und - unstreitig – nach zwischenzeitlicher Meldung
als arbeitssuchend.
45 Der Vortrag der Ehefrau zur späteren wirtschaftlichen Dominanz des Ehemannes während der Ehe ist in
diesem Zusammenhang nicht relevant. Hieraus würde kein objektives Verhandlungsungleichgewicht im
Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages folgen.
46 Es lagen zweifellos keine Umstände vor, auf Grund derer die Ehefrau dringend oder gar existenziell auf die
Eheschließung angewiesen und deshalb hinsichtlich der Zustimmung zum Ehevertrag unter Druck gewesen
wäre. Solches ist etwa bei bestehender Schwangerschaft oder eines ungesicherten Aufenthaltsstatus denkbar.
Im vorliegenden Fall gab es keine vergleichbare Situation der Ehefrau, und ohnehin war die Eheschließung
schon vollzogen, als die Ehefrau mit dem Ansinnen, einen Ehevertrag zu schließen, konfrontiert wurde.
47 Dass die Ehefrau damals subjektiv gegenüber einem dominanten Ehemann in einer psychisch und intellektuell
unterlegenen Position gewesen und zum Vertragsschluss gedrängt worden sei, ist zwar von der Ehefrau
behauptet. Die von ihr vorgetragenen und teilweise unter Beweis gestellten Umstände reichen jedoch nach
Überzeugung des Senats nicht aus für die Annahme einer subjektiven Imparität.
48 Der bestehende Altersunterschied von 5 Jahren und die unterschiedlichen Berufsausbildungen und -tätigkeiten
rechtfertigen nicht den Schluss auf ein erhebliches Verhandlungsungleichgewicht.
49 Auch kann nicht angenommen werden, dass die Ehefrau auf Grund intellektueller Unterlegenheit oder
mangelnder Geschäftserfahrung einem Verhandlungsübergewicht des Ehemannes ausgesetzt war.
50 Insofern kann nicht schon jedes intellektuelle oder Erfahrungsgefälle zwischen den Vertragspartnern als
subjektives Sittenwidrigkeitselement ausreichen. Dass Vertragspartner hinsichtlich Intellekt und Erfahrung
vollkommen paritätisch sind, ist im Geschäftsleben ebenso wie im Rahmen des Abschlusses von Eheverträgen
zweifellos eine seltene Ausnahme; in der Lebenswirklichkeit treffen zumeist Vertragspartner unterschiedlichen
Intellekts und unterschiedlicher Geschäftserfahrung aufeinander. Zu fordern ist deshalb im Rahmen des § 138
Abs. 1 BGB, dass das Gefälle zu einem ungleichen Verhandlungsgewicht von nicht unerheblichem Ausmaß
geführt hat. Dies kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die intellektuelle Unterlegenheit oder
mangelnde Erfahrung zu einseitigen Fehlvorstellungen über den Inhalt, die wirtschaftliche Bedeutung oder die
Risiken und Gefahren des Vertrages geführt hat.
51 Es ist hier zwar naheliegend, dass es der Ehefrau als Büroassistentin an Geschäftserfahrenheit mangelte,
während der Ehemann als Bezirksleiter einer Bausparkasse geschäftserfahrener und -gewandter war. Nicht
anzunehmen ist aber, dass die Ehefrau nicht zumindest über ausreichende intellektuelle Fähigkeiten und
Erfahrung verfügte, um jedenfalls die Bedeutung und Tragweite des Abschlusses eines Ehevertrages und die
Notwendigkeit, bei Verständnisschwierigkeiten vor Abschluss des Vertrages Beratung einzuholen, zu erkennen.
Dass sie mit dem Verzicht „auf jegliche Unterhaltsansprüche“ (§ 5 des Vertrages) keine zutreffende Vorstellung
verbinden konnte, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Es kann ihr auch nicht verborgen geblieben sein, dass
mit den Begriffen „Zugewinn“, „Gütertrennung“ und „Versorgungsausgleich“ als Vertragsinhalt wesentliche
rechtliche Ehefolgen betroffen waren. Dies konnte die Ehefrau erkennen, und sie war nicht gehindert, sich
durch Beratung über die Vor- und Nachteile des vorgesehenen Vertrages zu vergewissern.
52 Nach ihren eigenen Angaben im Termin vom 31.10.2014 hatte sie vor der Beurkundung ihren Vater wegen der
im Raum stehenden vermögensrechtlichen Regelungen - Trennung der „geschäftlichen Dinge“ des Ehemannes
vom privaten Vermögen - um Rat gefragt. Sie hatte also Kenntnis davon, dass im Verhältnis der Ehegatten
vermögensrechtliche Regelungen getroffen werden sollen, und sich insoweit mit ihrem Vater besprochen.
Selbst wenn - was streitig ist - der Ehefrau der konkrete vorgesehene Vertragsinhalt erstmals beim
Beurkundungstermin bekannt gegeben wurde, stand es ihr frei, den Vertragsschluss aufzuschieben und
zunächst Beratung einzuholen. Außerdem konnte sie im Termin entsprechende Nachfragen sogleich an den
Notar richten (§ 17 BeurkG). Dass sie damals unter Druck gesetzt worden wäre, den Vertrag ohne weitere
Beratung sogleich abzuschließen, ist nicht behauptet. Ob, in welchem Umfang und bei welchen Personen - mit
oder ohne juristische Qualifikation - die Ehefrau Beratung einholen wollte, unterlag ihrer Entscheidung und fällt
in ihren Risikobereich.
53 Im Rahmen ihrer Anhörung hat die Ehefrau zum Ausdruck gebracht und bekräftigt, dass sie vielmehr im
„blinden“ Vertrauen auf ihren Ehemann der ehevertraglichen Regelung, die sie schon damals erkanntermaßen
nicht verstanden und durchschaut hätte, zugestimmt habe. Allein „blindes“ Vertrauen, welches der Gegenseite
bewusst und aus freien Stücken entgegen gebracht wird, begründet jedoch nach Überzeugung des Senats das
subjektive Element der Sittenwidrigkeit nicht. Wer bewusst „blind“ vertraut und sich auf diese Weise bewusst in
die Hände des gegenüberstehenden Verhandlungs- und Vertragspartners begibt, ist nicht Opfer eines
Ungleichgewichts an Erfahrung und Intellekt, sondern enttäuschten Vertrauens. Enttäuschtes Vertrauen genügt
indessen nach Überzeugung des Senats nicht als subjektives Element im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB. Wer
bewusst darauf verzichtet, im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst oder durch eigene Berater seine
Interessen zu wahren, kann nicht erwarten, dass dieses Versäumnis später durch das Verdikt des § 138 Abs. 1
BGB behoben wird.
54 Schließlich ist auch eine „Überrumpelung“ (vgl. BGH FamRZ 2013, 269) der Ehefrau nicht konkret behauptet
und jedenfalls nicht feststellbar. Die Ehefrau wusste bereits im Vorfeld, dass ein Ehevertrag geschlossen
werden sollte, und war - wie ausgeführt - frei, die für erforderlich gehaltene Beratung einzuholen. Sie hat hierauf
bewusst verzichtet und dem Ehemann „blind“ vertraut. „Überrumpelt“ wurde sie mit dem Ansinnen, einen
Ehevertrag zu schließen, und mit dem Vertragsinhalt jedoch nicht.
55 b) Die Vorschrift des § 138 Abs. 2 BGB, welche Austauschgeschäfte betrifft, ist auf familienrechtliche Verträge
schon nicht anwendbar (BGH FamRZ 1992, 1403). Die Prüfung anhand des Maßstabes der guten Sitten erfolgt
hier ausschließlich im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB, dessen Voraussetzungen indessen - wie dargestellt -
nicht erfüllt sind.
56 c) Der Ehemann ist auch nicht im Rahmen einer Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf den
ehevertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs zu berufen.
57 Soweit sich die im Ehevertrag enthaltenen unterhaltsrechtlichen Regelungen nachträglich als unzumutbare
einseitige Lastenverteilung erweisen sollten, ist dem ausschließlich durch eine Ausübungskontrolle im Rahmen
des Unterhaltsrechts Rechnung zu tragen. Auswirkungen auf den Bestand der ehevertraglichen
Vereinbarungen zum Güterrecht folgen hieraus nicht.
58 Soweit der Ehemann, wie von der Ehefrau behauptet, seine Altersversorgung im Rahmen der Ehezeit durch
Ansammlung von nicht dem Versorgungsausgleich unterliegenden Vermögen betrieben haben sollte, und
soweit er erworbene Versorgungsanrechte durch Ausübung eines Kapitalwahlrechts dem
Versorgungsausgleich entzogen hat, können hieraus möglicherweise Rechtsfolgen im Rahmen des § 27
VersAusglG abgeleitet werden. Die Wirksamkeit des vereinbarten Ausschlusses des Zugewinnausgleichs wird
hierdurch nicht berührt. Kein Ehegatte kann erwarten, der unterlassene Erwerb von Versorgungsvermögen
werde im Scheidungsfall über den – vertraglich ausgeschlossenen – Zugewinnausgleich kompensiert (BGH
FamRZ 2008, 386).
59 Es bedarf keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen die von der Ehefrau behauptete illoyale
Verwaltung ihres Vermögens durch den Ehemann im Rahmen der Ausübungskontrolle einer Berufung auf den
Ausschluss des Zugewinnausgleichs entgegen stehen kann. Denn der hierzu gehaltene Vortrag der Ehefrau
(Vereinnahmung des Gehalts der Ehefrau auf vom Ehemann kontrollierte Konten, Verwendung von Guthaben
der Ehefrau zur Vermögensbildung für den Ehemann) ist durchweg bestritten und nicht unter Beweis gestellt.
60 Ein etwaiges ehewidriges Verhalten des Ehemannes bildet keine Grundlage für eine Sanktionierung im
Rahmen des Güterrechts.
61 2) Soweit die Ehefrau meint, der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich unabhängig von § 1379
BGB schon daraus, dass der Ehemann in der Ehezeit Vermögenswerte der Ehefrau für sich vereinnahmt habe,
ist dem nicht zu folgen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang sich hieraus überhaupt
Ansprüche, insbesondere Auskunftsansprüche, der Ehefrau ableiten lassen. Denn jedenfalls kann hieraus kein
Anspruch auf die hier konkret beantragte Auskunft über Anfangs- und Endvermögen sowie illoyale
Vermögensminderungen (§§ 1379, 1375, 1374 BGB) folgen.
62 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wurde gem.
§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zuzulassen. Die Entscheidung wirft schwierige und, soweit ersichtlich,
höchstrichterlich noch nicht geklärte Fragen zum subjektiven Element des § 138 Abs. 1 BGB auf.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

12.12.2014

Aktenzeichen:

20 UF 7/14

Rechtsgebiete:

Ehevertrag und Eherecht allgemein
Eheliches Güterrecht

Erschienen in:

RNotZ 2015, 220-227
notar 2015, 202-203

Normen in Titel:

BGB §§ 138, 1408, 1414, 1379