OLG Düsseldorf 09. April 2021
3 Wx 61/20
FamFG § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB §§ 125, 2232 S. 1 Var. 2, 2276 Abs. 1 S. 2; BeurkG §§ 7, 27, 30, 44; DONot §§ 18 Abs. 2, 30

Wirksame Bestellung eines Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker

letzte Aktualisierung: 4.8.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. 9.4.2021 – 3 Wx 61/20

FamFG § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB §§ 125, 2232 S. 1 Var. 2, 2276 Abs. 1 S. 2; BeurkG §§ 7,
27, 30, 44; DONot §§ 18 Abs. 2, 30
Wirksame Bestellung eines Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker

1. Reichen Eheleute, deren Erbvertrag der Notar beurkundet hat, bei diesem einen
privatschriftlichen „Nachtrag“ ein, in dem sie den Notar als Testamentsvollstrecker einsetzen,
ohne dass er die im Nachtrag enthaltenen Erklärungen oder die Übergabe des Nachtrags als
letztwillige Verfügung beurkundet, so stehen der Wirksamkeit der Ernennung des Notars zum
Testamentsvollstrecker §§ 7, 27 BeurkG i. V. m. § 125 BGB nicht entgegen.

2. Die Verwahrung des „Nachtrags“ zusammen mit der Haupturkunde oder Anheftung an diese
führt nicht dazu, dass nunmehr eine einheitliche Urkunde vorliegt und die Urkundstätigkeit des
Notars sich dann auch auf den an die Haupturkunde angeklebten oder angehefteten und in ihr
verwahrten privatschriftlichen „Nachtrag“ erstreckt.

3. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Frage des
Vorliegens einer Urkundstätigkeit oder eines Umgehungstatbestands bei der Bestellung des
Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker erfordert.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

G r ü n d e :

I.

Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die
Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1.
Der Erblasser hatte, teils gemeinsam mit der Beteiligten zu 1, mehrere Verfügungen von
Todes wegen errichtet. Zuletzt errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 am 15.
Oktober einen notariellen Erbvertrag (UR Nr. 5424 für 2001), der von dem Beteiligten zu 4
als Notar beurkundet wurde. Darin hoben sie alle früheren Verfügungen von Todes wegen
auf und regelten die Erbfolge neu.

Am selben Tag setzten die Eheleute ein von beiden unterzeichnetes handschriftliches
Schreiben auf, das wie folgt lautet:

„Nachtrag zu dem Erbvertrag vom 15/10.01. (UR Nr. 5423 für 2001)
Ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung an.

Testamentsvollstrecker soll Notar … (der Beteiligte zu 4) sein.“

Der Beteiligte zu 4 hat Erteilung eines Testamentsvolltreckerzeugnisses beantragt.

Mit Beschluss vom 26. Nov. 2019 hat das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen.

Es hat ausgeführt, Testamentsvollstrecker solle hier der den Erbvertrag beurkundende
Notar sein. Dieser habe durch Verbindung des Erbvertrages mit der handschriftlichen
Erklärung über die Anordnung der Testamentsvollstreckung und Benennung des
Testamentsvollstreckers eine einheitliche Urkunde unter einheitlichem Aktenzeichen
geschaffen, die in amtliche Verwahrung genommen worden sei. In einem solchen Fall sei
die Benennung des Beurkundungsnotars wegen Verstoßes gegen § 7 BeurkG,§ 125 BGB
als unwirksam anzusehen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 4.

Er macht geltend, es treffe nicht zu, dass er den notariellen Erbvertrag mit dem
handschriftlichen Nachtrag fest verbunden habe. Tatsächlich sei es so gewesen, dass ihn
der Erblasser nach Beurkundung des Erbvertrages – und nachdem die Beteiligten das
Notariat bereits verlassen hatten – angerufen und ihm mitgeteilt habe, man beabsichtige,
ihn als Testamentsvollstrecker einzusetzen. Die Bitte, einen entsprechenden Zusatz in die
Urkunde aufzunehmen, habe er zurückgewiesen und stattdessen dem Erblasser den Text
einer Testamentsvollstreckerbestimmung diktiert. Die vom Erblasser in anderer inhaltlicher
Form geschriebene und von beiden Eheleuten unterschriebene Urkunde sei später im
Notariat abgegeben worden, wobei keinem der Beteiligtenaufgefallen sei, dass im Kopf
eine „falsche“ UR-Nummer eingetragen gewesen sei. Dieser handschriftliche Nachtrag sei
mit Schreiben vom 26. Okt. 2001 an die Standesämter Krefeld und Höhr-Grenzhausen
übermittelt worden. Eine feste Verbindung beider Dokumente lasse sich den Original-
Urkunden nicht entnehmen. Letztlich könne dahingestellt bleiben, ob die vom Amtsgericht
(zu Unrecht) angenommene Verbindung bestanden habe. Denn auch dann wäre nicht von
einer Unwirksamkeit der Testamentsvollstreckerbestimmung auszugehen. Die setze
nämlich voraus, dass die Willenserklärung Bestandteil der Urkundstätigkeit des Notars
geworden sei. Daran fehle es hier. Die Übergabe sei nach Abschluss der notariellen
Beurkundung erfolgt. Daher erstrecke sich die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde
nicht auf den Vorgang der Übergabe, so dass die Voraussetzungen der §§ 2232 S. 1 2. Alt.
BGBG nicht vorlägen. Daran ändere auch die (zu Unrecht angenommene) spätere
Verbindung nichts.

Mit weiterem Beschluss vom 2. April 2020 hat das Nachlassge4richt der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Es hat ausgeführt, der Erbvertrag und der Zusatz hinsichtlich der Testamentsvollstreckung
seien durchgängig geöst und durch Schnur und notarielles Prägesiegel des Beteiligten zu
4 physisch verbunden (§ 44 BeurkG), wodurch der Beteiligte zu 4 eine einheitliche
Urkunde geschaffen habe. Darauf, wie der handschriftliche Zusatz zustande gekommen
sei, komme es nicht an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der
Testamentsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 4 ist nach der vom Nachlassgericht
ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz FamFG dem
Senat zur Entscheidung angefallen.

Die Beschwerde ist begründet, denn dem Beteiligten zu 4 ist das beantragte
Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, weil er durch letztwillige Verfügung des
Erblassers und der Beteiligten zu 1, nämlich den privatschriftlichen „Nachtrag“ vom 15.
Oktober 2001, wirksam zum Testamentsvollstrecker ernannt worden ist, § 2368 Abs. 1
BGB.

Der Wirksamkeit des „Nachtrags“ stehen §§ 7, 27 BeurkG iVm § 125 BGB nicht entgegen.

Danach ist der Notar insoweit von der Mitwirkung an der Beurkundung einer letztwilligen
Verfügung ausgeschlossen, als er darin zum Testamentsvollstrecker des Erblassers
ernannt wird. Ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften führt zur Unwirksamkeit des
betroffenen Teils der Beurkundung, mithin der Ernennung zum Testamentsvollstrecker, und
zu einer gem. § 125 BGB formnichtigen Willenserklärung.

Hier hat der Beteiligte zu 4 als Notar in Bezug auf den privatschriftlichen „Nachtrag“ keine
Beurkundungstätigkeit entfaltet, § 2232 BGB. Er hat weder eine mündliche Erklärung des
Erblassers betreffend die Ernennung zum Testamentsvollstrecker beurkundet (Var. 1),
noch liegt eine Urkundstätigkeit nach § 2232 S. 1 Var. 2 BGB vor, wonach eine letztwillige
Verfügung im Wege eines öffentlichen Testaments / Erbvertrages (§ 2276 Abs. 1 S. 2
BGB) auch in der Weise errichtet werden kann, dass der Erblasser dem Notar ein –
offenes oder verschlossenes –Schriftstück mit dem Hinweis übergibt, es handele sich
dabei um seinen letzten Willen und der Notar diesen Vorgang beurkundet, § 30 BeurkG.

Das Oberlandesgericht Bremen hat die Frage, ob ein Verstoß gegen §§ 7, 27 BeurkG
vorliegt, wenn der Notar die testamentarische Erklärung des Erblassers beurkundet, dieser
werde die Person des Testamentsvollstreckers in einer gesonderten handschriftlichen
Niederschrift bestimmen, und der Notar das ihm im Anschluss übergebene entsprechende
Schriftstück zusammen mit dem Testament in amtliche Verwahrung gibt, unterschiedlich
beurteilt (NJW-RR 2016, 76, bejahend; NJW-RR 2016, 979, verneinend). In der letzten
dieser beiden Entscheidungen hat es ausgeführt, da die Übergabe außerhalb der
notariellen Beurkundung erfolgt sei, könne sich die Beweiswirkung der öffentlichen
Urkunde nicht auf den Vorgang der Übergabe erstrecken. Damit fehle es an den
Voraussetzungen des § 2232 S. 1 Var. 2 BGB, so dass kein einheitliches Testament und
damit keine Beurkundung der Testamentsvollstreckerernennung erfolgt sei. Auch das
Oberlandesgericht Köln (NJW-RR 2018, 457) hat weder einen direkten Verstoß gegen §§
7, 27 BeurkG, noch eine zur Unwirksamkeit führende Umgehung angenommen in einem
Fall, in dem der Erblasser im Anschluss an die notarielle Beurkundung seiner letztwilligen
Verfügung ein handschriftliches Testament mit der Bestimmung des Urkundsnotars zum
Testamentsvollstrecker errichtet hatte. Weder enthielt das notarielle Testament eine
Verweisung auf die privatschriftlicheTestamentsvollstreckerernennung, noch hatte der
Urkundsnotar beide Schriftstücke zur amtlichen Verwahrung verbunden.

Der Senat vermag auch in der hier vorliegenden Vorgehensweise keine Umgehung der §§
7, 27 BeurkG zu erkennen.

Eine Urkundstätigkeit, etwa durch Beurkundung einer Erklärung des Erblassers, dass der
Testamentsvollstrecker durch gesonderte handschriftliche Niederschrift bestimmt werde,
hat der Notar nicht entfaltet. Die handschriftliche Erklärung des Erblassers und der
Beteiligten zu 1 nimmt zwar in ihrer Überschrift auf den notariellen Erbvertrag Bezug,
umgekehrt enthält die notarielle Urkunde jedoch keine Bezugnahme auf eine zu
erwartende privatschriftliche Erklärung, so dass der Notar insoweit nicht tätig geworden ist.

Es ist auch durch Verbindung des Erbvertrages und des Nachtrages nach § 44 BeurkG
keine Urkundstätigkeit begründet worden. § 44 BeurkG stellt eine beurkundungsrechtliche
Sollvorschrift dar, die eine Verbindung mehrerer Blätter einer (einzigen) Urkunde (Satz 1)
oder beigefügter Dokumente (Satz 2) durch Schnur und Prägesiegel vorsieht; hängen
Urkunden mit anderen Urkunden inhaltlich zusammen, sind sie hingegen nicht gem. § 44
BeurkG zu verbinden. Solche Urkunden können allerdings nach § 18 Abs. 2 DONot mit der
Haupturkunde verwahrt oder dieser angeheftet werden, § 30 DONot (Regler, in BeckOGK
BeurkG, Stand 1. Okt. 2020, § 44, Rdnr. 13). Danach ist eine solche Verbindung nicht nach
§ 44 BeurkG erforderlich, sondern nach § 18 DONot möglich und zwar (ausdrücklich) zur
Aufbewahrung der Urkunde(n). Eine solche Verbindung führt nicht dazu, dass sodann eine
einheitliche Urkunde vorliegt und sich die Urkundstätigkeit des Notars dann auch die der
Haupturkunde angeklebte oder angeheftete und ihr verwahrte Urkunde erstreckt.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1
FamFG und entspricht so billigem Ermessen. Gerichtskosten fallen nicht an. Da die
gerichtlichen Entscheidungen in beiden Instanzen entgegengesetzt ausgefallen sind,
erscheint es angemessen, dass die Beteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen
Kosten je selbst tragen.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts bzw. die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts zur Frage des Vorliegens einer Urkundstätigkeit oder eines
Umgehungstatbestands bei der Bestellung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker
erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

09.04.2021

Aktenzeichen:

3 Wx 61/20

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Testamentsform

Normen in Titel:

FamFG § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB §§ 125, 2232 S. 1 Var. 2, 2276 Abs. 1 S. 2; BeurkG §§ 7, 27, 30, 44; DONot §§ 18 Abs. 2, 30