Kammergericht 27. November 2020
22 W 13/20
BGB §§ 21, 22, 77 Abs. 1; AEUV Art. 49, 54

Voraussetzungen der Eintragung eines ausländischen Vereins in das deutsche Vereinsregister im Rahmen eines grenzüberschreitenden Formwechsels

letzte Aktualisierung: 23.9.2021
KG Berlin, Beschl. v. 27.11.2020 – 22 W 13/20

BGB §§ 21, 22, 77 Abs. 1; AEUV Art. 49, 54
Voraussetzungen der Eintragung eines ausländischen Vereins in das deutsche
Vereinsregister im Rahmen eines grenzüberschreitenden Formwechsels

1. Die Eintragung eines Vereins in das Vereinsregister setzt eine formgerechte Anmeldung voraus.
Dies erfordert einen notariell beglaubigten Antrag auf Eintragung.

2. Die Eintragung eines Vereins aus einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union im
Wege des grenzüberschreitenden Formwechsels ist nicht von vornherein ausgeschlossen.

Gründe

I.
Der Beteiligte ist ein in das Vereinsregister der Polizeidirektion Graz/Österreich
eingetragener Verein nach österreichischem Recht. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Satzung ist er
ein „Zweigverein gemäß § 1 Abs. 4 VerG 2002 des in Wien eingetragenen Vereins „A. U.
Ö.“, ZVR 599724968.“ Nach § 2 Abs. 1 ist er eine soziale Einrichtung im Sinne des § 1287
ABGB und verfolgt ideelle Ziele. Nach Abs. 3 ist sein wesentlicher Zweck, im Alter und bei
Arbeitsunfähigkeit (Invalidität) sowie in Fällen existentieller Not (Arbeitslosigkeit, schwere
Krankheit, Tod) freiwillige, einmalige oder laufende Unterstützungen an Arbeitnehmer oder
ehemalige Arbeitnehmer von Unternehmen zu gewähren, die dem Verein die
entsprechenden Mittel hierfür zur Verfügung stellen. Der Verein will seinen Sitz nach Berlin
verlegen. Ein Antrag auf staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit nach § 22 BGB ist
abgelehnt worden, eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin wurde mit einem im
schriftlichen Verfahren am 21. November 2019 ergangenen Urteil abgewiesen. Das
Verwaltungsgericht vertrat die Auffassung, dass der Verein ein Idealverein sei, auch die
Aufnahme in das Statut, dass der Zweck des Vereins nach Verleihung der Rechtsfähigkeit
nach § 22 BGB auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, stehe dem nicht
entgegen. Soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliege, sei dieser vom sog.
Nebenzweckprivileg gedeckt.

Mit einem Schreiben vom 27. November 2019 hat der alleinvertretungsberechtigte Obmann
die Eintragung des Beteiligten, der seinen Sitz zum 1. Januar 2019 nach Berlin verlegt habe,
in das Vereinsregister beantragt. Dem Antrag war ein Auszug aus dem österreichischen
Vereinsregister, das Statut, das als Sitz Graz ausweist und das Urteil des Verwaltungsgerichts
Berlin, Az.: VK 29 K 279.18, vom 21. November 2019 beigefügt.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit einem Beschluss vom 13. Februar 2020
zurückgewiesen. Zuvor hatte es mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 darauf hingewiesen,
dass der Antrag wegen der fehlenden notariellen Beglaubigung nicht formgerecht gestellt
sei. Der Verein könne zunächst als nicht eingetragener Verein anerkannt werden, so dass er
bei Erfüllung der Gründungsvoraussetzungen nach dem BGB eine Eintragung erhalten
könne. Hierzu sei die Vorlage des Protokolls über die Mitgliederversammlung, die die
Vorstandswahl und Änderung der Satzung betreffe, und der von sieben Mitglieder
unterschriebenen Satzung erforderlich. Die Eintragung einer Zweigniederlassung sei nicht
möglich.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte, bei dem der Beschluss unter einer Anschrift in
Graz ausweislich eines Rückscheins am 21. Februar 2020 eingegangen ist, mit einem am 4.
März 2020 eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das
Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 6. März
2020 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die
Beschwerdefrist von einem Monat ist mit dem Eingang der Beschwerde am 4. März 2020
gewahrt, weil die Frist mit der Zustellung erst am 21. Februar 2020 zu laufen begann. Des
Erreichens eines Beschwerwertes bedarf es nicht, weil es um die Eintragung eines
Idealvereins geht und damit um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit. Die
Regelung des § 61 Abs. 1 FamFG gilt hier nicht. Die Beschwerdeschrift erfüllt die
Anforderung nach § 64 Abs. 2 Satz 4 FamFG. Der Beteiligte ist nach österreichischem
Recht gegründet, ist in das Vereinsregister eingetragen und besitzt nach § 1 Abs. 1 Satz 2
VereinsG Österreich die für eine Beteiligtenfähigkeit notwendige Rechtsfähigkeit, die auch
in diesem Verfahren anzuerkennen ist (vgl. dazu OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.
September 2005 – 3 W 170/05 – juris Rdn. 12).

2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Die Eintragung des Beteiligten in das
Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg kommt nicht in Betracht.

a) Dies beruht allerdings nicht darauf, dass unklar wäre, auf welche Eintragung der Antrag
vom 27. November 2019 abzielt. Insoweit hat das Amtsgericht zu Recht erwogen, dass der
Antrag auch auf Eintragung einer Zweigniederlassung des Beteiligten gerichtet sein könnte.
Dafür spricht, dass bisher lediglich eine noch Graz als Sitz ausweisende Satzung vorgelegt
wurde. Unterlagen, aus denen sich die behauptete Änderung der Satzung in Bezug auf den
Sitz oder – wie dies im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils erwähnt wird – den
Zweck ergeben, fehlen. Jedenfalls aufgrund der Ausführungen des Beteiligten im Rahmen
des Beschwerdeverfahrens lässt sich aber im Wege der Auslegung feststellen, dass hier ein
sog. grenzüberschreitender Formwechsel beabsichtigt war. Denn der Beteiligte hat
hinreichend deutlich etwa in der Beschwerdeschrift vom 27. Februar 2020 erklärt, dass er
sich (nun) im Wege des Formwechsels in einen Idealverein nach deutschem Recht
umwandeln will.

b) Hierfür fehlt es aber (schon) an einer formgerechten Anmeldung.

Unabhängig von der Frage, ob die Anmeldung in unmittelbarer oder entsprechender
Anwendung des § 198 Abs. 1 UmwG oder des § 59 Abs. 1 BGB erfolgen soll, bedarf es
eines notariell beglaubigten Antrags. Dies folgt aus § 12 Abs. 1 HGB sowie aus § 77 Abs. 1
BGB und ist ein allgemeiner Grundsatz in den Registerverfahren nach § 374 FamFG (vgl.
dazu Bork/Jacoby/Müther, FamFG, 3. Aufl., § 374 Rdn. 6; Keidel/Heinemann, FamFG,
20. Aufl., § 374 Rdn. 41f.; Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl., § 374 FamFG
Rdn. 10). Diese Form hat der Beteiligte mit keiner seiner Eingaben gewahrt, obwohl er auf
die Notwendigkeit der Einhaltung dieser Form bereits durch das Amtsgericht und
schließlich auch durch den Senat hingewiesen worden ist. Alle Schreiben sind zwar
unterschrieben, die Unterschriften sind aber nicht notariell beglaubigt worden. Der
Anmeldung mangelt es deshalb an einer formellen Voraussetzung, die die Zurückweisung
rechtfertigt (vgl. Bork/Jacoby/Müther aaO, § 374 FamFG Rdn. 8; Keidel/Heinemann, aaO,
§ 374 Rdn. 52; Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl., § 374 FamFG Rdn. 10).

3. Im Übrigen weist der Senat – allerdings ohne Bindungswirkung – für den Fall einer
formgerechten Nachholung einer Anmeldung auf Folgendes hin:

a) Die Annahme, dem Beteiligten sei durch Verlegung seines Sitzes nach Deutschland und
Aufhebung des in Graz/Österreich liegenden Sitzes der Wechsel in die Rechtsform eines
eingetragenen Vereins nach deutschem Recht möglich, erscheint nicht ausgeschlossen,
wenn auch zu beachten ist, dass ein Idealverein nach österreichischem Recht in viel
weiterem Umfang erwerbswirtschaftlich tätig sein darf, als ein Verein nach dem BGB (vgl.
dazu Wiesack, Europäisches und Internationales Vereinsrecht, 2011, S. 21f.).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Art. 49, 54
AEUV, die dem nationalen Recht vorgehen, sind Vorschriften des nationalen Rechts, die es
Rechtsträgern nach diesem Recht ermöglichen, eine andere Rechtsform anzunehmen, dahin
auszulegen, dass als wechselfähiger Rechtsträger auch ein durch Art. 49, 54 AEUV
geschützter Rechtsträger anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – C 38/10 –
Vale, juris; dazu auch Senat, Beschluss vom 21. März 2016 – 22 W 64/15 –, juris Rdn. 6;
OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 12 W 520/13 –, juris, jeweils zu einer
GmbH). Dabei kann offenbleiben, ob die Regelungen der Art. 49, 54 AEUV im Grundsatz
überhaupt auf Vereine anwendbar sind oder diese sich lediglich auf die
Freizügigkeitsgarantie berufen können. Denn – davon ist auch das Verwaltungsgericht
ausgegangen – der Beteiligte verfolgt einen wirtschaftlichen Zweck, so dass er jedenfalls
insoweit von den Regelungen erfasst wird.

Ein Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz kommt allerdings nicht in Betracht, weil
der eingetragene Verein in § 191 Abs. 2 FamFG nicht als Zielrechtsträger vorgesehen ist.
Dies schließt einen Formwechsel in einen Idealverein aus (ebenso
Sauter/Schweyer/Waldner, Der Eingetragene Verein, 20. Aufl., Rdn. 31; Krafka,
Registerrecht, 11. Aufl., Rdn 2244; a.A. Wesiack, aaO, S. 267). Ist aber danach schon
nationalen Rechtsträgern ein Wechsel nach diesen Vorschriften in einen eingetragenen
Verein nicht möglich, gilt dies auch für den Beteiligten als Verein nach österreichischem
Recht. Gleichwohl scheidet ein Wechsel nicht aus. Nach § 21 BGB kann nämlich ein nicht
eingetragener Verein Rechtsfähigkeit durch eine Eintragung erlangen, wenn sein Zweck
nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (vgl. dazu Stöber/Otto,
Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl., Rdn. 168). Entsprechendes gilt für einen
wirtschaftlichen Verein (vgl. Stöber/Otto, aaO, Rdn. 190). Ist aber derartigen Vereinen die
Erlangung der Rechtsfähigkeit nach deutschem Recht durch eine Eintragung möglich, muss
dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch einem Verein mit
einem ursprünglichen Satzungssitz in einem anderen EU-Staat möglich sein. Einzutragen ist
der Verein dabei allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 55ff. BGB
eingehalten sind. Dies wäre durch den Beteiligten durch Vorlage der entsprechenden
Unterlagen nachzuweisen.

b) Bei einer etwaigen erneuten Anmeldung wird der Beteiligte allerdings auch nachweisen
müssen, dass auch das österreichische Recht einen solchen Wechsel in die Rechtsform eines
eingetragenen Vereins nach deutschem Recht zulässt (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 21.
März 2016 – 22 W 64/15 –, juris Rdn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 12
W 520/13 –, juris; Behler in Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl., Kap. 4 Rdn.
16). Dabei wird die Satzung im Hinblick auf die Stellung des Beteiligten als Zweigverein des
in Wien eingetragenen Vereins „A. U. Ö.“,“ weiter auf eine Vereinbarkeit mit dem
Grundsatz der Vereinsautonomie (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar
2012 – 14 Wx 21/11 –, juris) und etwa auf die wirksame Einbeziehung von anderen
Satzungsbestandteilen (vgl. Reichert, aaO, Kap. 2 Rdn. 417) hin zu untersuchen sein.

Schließlich stellt sich auch die Frage, ob der Beteiligte nicht als wirtschaftlicher Verein
anzusehen ist. Der Senat hat die Frage in Bezug auf Unterstützungskassen der betrieblichen
Altersversorgung bisher bejaht (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2016, 22 W 65/14,
juris; Beschluss vom 6. September 2016, 22 W 35/16, juris). Ein Indiz für eine
wirtschaftliche Betätigung im Rahmen des sog. Nebenzweckprivilegs wäre dabei der
Nachweis der Anerkennung des Vereins als gemeinnützig im Sinne der §§ 51ff. AO (vgl.
BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 – II ZB 7/16 –, BGHZ 215, 69-81 Rdn. 25). Diese
Prüfung entfällt nicht wegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom
21. November 2019 – 29 K 279.18 –, juris). Dieses hat zwar die auf Erteilung einer
Konzession als wirtschaftlicher Verein gerichtete Klage mit dem Hinweis auf das Vorliegen
der Voraussetzungen des § 21 BGB verneint. Daran sind aber wegen der fehlenden
Gestaltungswirkung weder der Senat noch das Amtsgericht als Gerichte der freiwilligen
Gerichtsbarkeit gebunden (vgl. dazu Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 1 Rdn. 79;
Bork/Jacoby/Müther, FamFG, 3. Aufl., § 381 Rdn. 13-15), zumal die Begründung der
Entscheidung an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teilnimmt (vgl. dazu Münchner
Kommentar zur ZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rdn. 92ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33.
Aufl., vor § 322 Rdn. 32f.). Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen,
dass hier eine wirtschaftliche Betätigung vorliegt, diese aber noch von dem
Nebenzweckprivileg gedeckt ist, was sich allerdings nur schwer mit der vom Verein selbst
behaupteten Zweckänderung in Einklang bringen lässt, wonach der Zweck auf einen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein soll. Eine Prüfung, ob hier die
unternehmerische Tätigkeit der Erreichung von ideellen Zwecken oder lediglich der
Verschaffung vermögenswerter Vorteile für den Verein oder für seine Mitglieder dient (vgl.
dazu BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 – II ZB 7/16 –, BGHZ 215, 69-81 Rdn. 19), hat
das Verwaltungsgericht im Übrigen auch nicht durchgeführt. Eine Anerkennung des
Vereins als gemeinnützig im Sinne der §§ 51ff. AO, die für eine wirtschaftliche Betätigung
im Rahmen des Nebenzweckprivilegs sprechen würde, ist nicht nachgewiesen worden.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die Verpflichtung zur Tragung der
Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattungsanordnung scheidet aus. Auch
die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG
liegen nicht vor. Die Zurückweisung ist allein auf die Nichteinhaltung der notwendigen
Form gestützt worden. Die Notwendigkeit der Formeinhaltung wird aber weder in Literatur
noch in Rechtsprechung angezweifelt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

27.11.2020

Aktenzeichen:

22 W 13/20

Rechtsgebiete:

Verein
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Umwandlungsrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 21, 22, 77 Abs. 1; AEUV Art. 49, 54