Rücktritt vom Bauträgervertrag wegen nicht termingerechter Fertigstellung; Auswirkung auf Vertragsstrafe wegen Verzugs des Bauträgers
letzte Aktualisierung: 4.7.2025
BGH, Urt. v. 22.5.2025 – VII ZR 129/24
BGB §§ 339 S. 1, 341 Abs. 1, 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 S. 1, 650u Abs. 1 S. 1
Rücktritt vom Bauträgervertrag wegen nicht termingerechter Fertigstellung; Auswirkung
auf Vertragsstrafe wegen Verzugs des Bauträgers
Tritt ein Besteller aufgrund eines ihm in einem Bauträgervertrag vertraglich eingeräumten
Rücktrittsrechts wegen nicht termingerechter Fertigstellung eines abnahmereifen Bauwerks von dem
Vertrag zurück, erlischt hierdurch nicht der Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten und bereits
verwirkten Vertragsstrafe wegen des Verzugs des Unternehmers mit der Fertigstellung, sofern die
Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat soweit
für die Revision von Interesse im
Wesentlichen ausgeführt:
Die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe sei in voller Höhe verwirkt. Der
Klägerin stehe ein Anspruch in Höhe des Maximalbetrags von 365.000 € zu, weil
seit dem Fertigstellungstermin am 17. Oktober 2020 bis zum Rücktritt der
Klägerin am 14. Dezember 2022 jedenfalls 286 Werktage verstrichen seien. Das
Gericht vermöge nicht festzustellen, dass die Beklagte durch Umstände, die sie
weder vorsätzlich noch fahrlässig verursacht habe (
Fertigstellung des verkauften Objekts gehindert gewesen wäre, § 286
Abs. 4 BGB.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe werde durch
ihre - wirksame - Rücktrittserklärung nicht berührt.
Es handele sich bei der Regelung in Ziffer 6.8. des Vertrags um ein Vertragsstrafeversprechen
gemäß
Gläubiger die Vertragsstrafe neben der geschuldeten Primärleistung fordern.
Durch die Vertragsstrafe solle die fristgemäße Erfüllung gesichert werden.
Grundsätzlich werde gemäß
durch einen Rücktritt nicht ausgeschlossen. Die Frage, ob ein Anspruch auf Vertragsstrafe
grundsätzlich nur im Falle der Durchführung des Vertrags, mithin dem
Fortbestand der Primärleistungsschuld, zu zahlen sei und im Falle eines Rücktritts
entfalle, werde nicht einheitlich beurteilt. Das Gericht gehe davon aus, dass
es gemäß
Verzugsschaden geltend zu machen. Ein Anspruch auf Vertragsstrafe sei einem
solchen auf Schadensersatz gleichzustellen, wenn er den pauschalierten Ausgleich
für einen Verzugsschaden bilde. So sei die Vertragsstraferegelung in
Ziffer 6.8. des Vertrags einzuordnen. Eine ausdrückliche Regelung dazu, ob die
Vertragsstrafe gemäß Ziffer 6.8. nur im Falle der Durchführung des Vertrags, mithin
dem Fortbestand der Primärleistungsschuld, zu zahlen sei und im Falle eines
Rücktritts des Käufers nach Ziffer 18.2. entfalle, finde sich im Vertrag nicht. Unter
Berücksichtigung von Wortlaut und Systematik ergebe insbesondere die
teleologische Auslegung des Vertrags nach Sinn und Zweck, dass der Käufer die
nach Ziffer 6.8. verwirkte Vertragsstrafe auch im Falle eines Rücktritts des
Käufers nach Ziffer 18.2. beanspruchen könne. Entsprechendes ergebe sich
ferner bei einer verwenderfeindlichen Auslegung des Vertrags gemäß § 305c
Abs. 2 BGB, sofern es sich bei den vertraglichen Regelungen um Allgemeine
Geschäftsbedingungen handeln sollte.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Die Revision ist vom Berufungsgericht jedenfalls hinsichtlich der Klage uneingeschränkt
zugelassen. Die für die Beklagte vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde
ist deshalb gegenstandslos.
1. Rechtsfehlerfrei und in der Revisionsinstanz auch nicht mehr in Frage
gestellt geht das Berufungsgericht davon aus, dass die vertraglichen Voraussetzungen
eines Anspruchs der Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe
von 5 % des Kaufpreises und damit in der zuerkannten Höhe bis zum Rücktritt
der Klägerin am 14. Dezember 2022 vorlagen.
2. Dieser Anspruch ist durch den von der Klägerin erklärten und wirksamen
Rücktritt nicht erloschen.
a) Das Berufungsgericht hat den Vertrag der Parteien dahin ausgelegt,
dass der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe gemäß Ziffer 6.8. des
Vertrags einen pauschalierten Ausgleich für einen Verzugsschaden bilde und die
Klägerin die Vertragsstrafe auch im Fall ihres Rücktritts nach Ziffer 18.2. des
Vertrags beanspruchen könne. Diese Auslegung ist Angelegenheit des
Tatrichters und durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar. Eine
Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln,
anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder
Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht
(st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 21. November 2024 VII
ZR 245/23 Rn. 37,
nicht unterlaufen. Solche werden von der Revision - auch unter
Berücksichtigung der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - auch nicht aufgezeigt.
Entgegen der Auffassung der Revision ist für das Revisionsverfahren nicht
zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen, dass es sich bei den Vertragsbestimmungen
um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt mit der Folge, dass die
vertraglichen Regelungen vom erkennenden Senat selbst ausgelegt werden
könnten. Die Revision zeigt keinen Tatsachenvortrag der Parteien auf, nach dem
die Tatbestandsvoraussetzungen von
würden.
b) Es kann offenbleiben, ob das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts
dahin zu verstehen ist, die Parteien hätten vertraglich vereinbart, ein Vertragsstrafenanspruch
bestehe auch nach einem Rücktritt der Klägerin gemäß
Ziffer 18.2. des Vertrags fort, oder ob es dahin zu verstehen ist, der Vertrag stehe
dem Fortbestehen des Anspruchs (nur) nicht entgegen. Für Ersteres spräche die
abschließende Formulierung des Berufungsgerichts, für Letzteres, dass das Berufungsgericht
den Vertrag erst im Anschluss von und im Zusammenhang mit
gesetzlichen Regelungen, insbesondere
aa) Im ersten Fall ist die Klage ohne Weiteres begründet. Zwingende gesetzliche
Vorschriften zur Wirkung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts
auf eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe bestehen nicht.
bb) Im zweiten Fall führt die Anwendung des dispositiven Rechts ebenfalls
zu dem Ergebnis, dass der Rücktritt der Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der
Vertragsstrafe unberührt gelassen hat.
(1) Die gesetzlichen Vorschriften über Rücktritt (
(
Bezug auf eine - wie hier - zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits verwirkte, jedoch
noch nicht gezahlte Vertragsstrafe keine ausdrücklichen Regelungen.
Sie sind dahin auszulegen, dass durch einen Rücktritt der Anspruch auf
Zahlung der Vertragsstrafe grundsätzlich nicht erlischt (vgl. MünchKommBGB/
Gaier, 9. Aufl., § 346 Rn. 49; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 339
Rn. 13; Herberger in jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 339 Rn. 45 f.; BeckOK BGB/
Janoschek, Stand: 1. Februar 2025, § 339 Rn. 3; Staudinger/Rieble, 2020, BGB,
§ 339 Rn. 299, 306, 312, § 340 Rn. 61, 85).
(2) Die allgemeinen Wirkungen des Rücktritts führen nicht zu einem
Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung der bereits verwirkten Vertragsstrafe. Der
Rücktritt von einem Vertrag führt nur zu dessen Umgestaltung für die Zukunft;
der Rücktritt wirkt ex nunc. Durch ihn wird das ursprüngliche Vertragsverhältnis
in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, wodurch die primären
Leistungspflichten erlöschen (allgemeine Auffassung; vgl. etwa BGH, Urteil vom
28. November 2007 - VIII ZR 16/07 Rn. 10,
Gaier, 9. Aufl., § 346 Rn. 65, jeweils m.w.N.). Damit führt er nicht ohne weiteres
dazu, dass der (rechtliche) Zustand besteht, der ohne den Vertragsschluss bestanden
hätte. Vielmehr ist im Einzelnen zu prüfen, welche Ansprüche erlöschen,
verändert werden oder neu entstehen, um den Vertrag rückabzuwickeln.
Aus dem Umstand, dass hiernach die Ansprüche der Klägerin gegen die
Beklagte auf Umbau des Gebäudes und Übereignung des Grundstücks
erloschen sind, folgt nicht, dass der verwirkte Strafanspruch ebenfalls erloschen
ist. Insbesondere ergibt sich das nicht daraus, dass § 339 Satz 1, § 341
Abs. 1 BGB jeweils eine "Verbindlichkeit" des Schuldners voraussetzen, die nicht
in gehöriger Weise - hier: nicht zu der bestimmten Zeit - erfüllt wird. Denn zum
Zeitpunkt der Verwirkung der Strafe, dem Eintritt des Verzugs (§ 339
Satz 1 BGB), bestand die Verbindlichkeit, ohne dass der Rücktritt hieran etwas
ändert.
(3) Die weitere Systematik des Rücktrittsrechts bedingt ebenfalls kein Erlöschen
des entstandenen Vertragsstrafenanspruchs. Es ergeben sich insbesondere
keine Wertungswidersprüche zu den in § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 BGB geregelten
Ansprüchen wegen gezogener oder nicht gezogener Nutzungen aufgrund
bereits empfangener und zurückzugewährender Leistungen. Das gilt im
vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts
nur bis zu einer abnahmefähigen Bauleistung und damit in einem Zeitraum
möglich war, in dem noch keine Nutzungen aus dem verkauften Grundstück und
dem zu errichtenden Wohnhaus gezogen werden konnten.
(4) Auch der Zweck einer Vertragsstrafe, die bei nicht rechtzeitiger
Leistung verwirkt sein soll, spricht dafür, diese bei einem nachfolgenden Rücktritt
nicht wieder entfallen zu lassen. Eine solche Strafe dient regelmäßig zum einen
dazu, den Schuldner zur pünktlichen Leistungserbringung anzuhalten (Druckfunktion).
Zum anderen soll sie pauschaliert einen dem Gläubiger durch den Verzug
des Schuldners entstehenden Schaden ersetzen und insbesondere den
Gläubiger davon entlasten, dessen Entstehung und Höhe im Einzelnen darzulegen
und zu beweisen (Ausgleichsfunktion) (vgl. etwa BGH, Urteil vom
5. November 2015 VII ZR 43/15 Rn. 33,
Stand: 1. September 2021, § 339 Rn. 16 f.).
Diese Ziele könnten nicht oder nur deutlich abgeschwächt erreicht werden,
wenn ein bereits entstandener Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe durch
einen Rücktritt wieder entfiele. Die Druckfunktion wäre herabgesetzt, weil der
Schuldner - sogar gerade durch fortgesetzte Verzögerung seiner Leistung -
darauf spekulieren könnte, den Gläubiger zu einem Rücktritt vom Vertrag zu
provozieren. Die Ausgleichsfunktion wäre in zweierlei Hinsicht beeinträchtigt: Der
Gläubiger erhielte zum einen nach einem Rücktritt vom Vertrag keinen
pauschalen Ersatz eines ihm entstandenen Schadens. Zum anderen müsste er
auch ohne einen Rücktritt spätestens bei Eintritt eines Schuldnerverzugs Maßnahmen
treffen, um sicherzustellen, bei einem nur eventuellen späteren Rücktritt
seinen durch den Verzug bedingten Schaden darlegen und beweisen zu können;
hiervor soll ihn die vereinbarte Vertragsstrafe jedoch gerade entlasten.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Klägerin die Berufung auf
die verwirkte Vertragsstrafe nicht gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung
verwehrt. Ein Vertragsstrafengläubiger verletzt weder eine Schadensminderungsobliegenheit
noch handelt er treuwidrig, wenn er ein wegen Verzugs
des Schuldners erworbenes Rücktrittsrecht in dem hierfür vertraglich vorgesehenen
Zeitraum ausübt. Insbesondere besteht - entgegen der Auffassung der
Revision - keine Obliegenheit des Vertragsstrafengläubigers, von einem Rücktritt
abzusehen, um dem Schuldner noch eine Chance darauf zu geben, dass die
Strafe nicht mehr verlangt werden könnte, wenn der Gläubiger sich das Recht
dazu bei der Annahme der Erfüllung nicht vorbehalten sollte,
4. Rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht
der Klägerin Zinsen in titulierter Höhe zuerkannt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:22.05.2025
Aktenzeichen:VII ZR 129/24
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Bauträgervertrag und Werkvertrag
BGB §§ 339 S. 1, 341 Abs. 1, 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 S. 1, 650u Abs. 1 S. 1