OLG Düsseldorf 23. September 2016
I-3 Wx 130/15
GmbHG §§ 66, 68 Abs. 1; BGB § 181

Befreiung eines Liquidators von § 181 BGB als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung

GmbHG §§ 66, 68 Abs. 1; BGB § 181
Befreiung eines Liquidators von § 181 BGB als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung

Eine angemeldete konkrete Vertretungsregelung („Zum Liquidator der Gesellschaft wird bestellt: Herr G. S., … Er ist stets einzelvertretungsbefugt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“) ist hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dann nicht eintragungsfähig, wenn die die abstrakte Vertretungsbefugnis von Liquidatoren regelnde Ergänzung der Satzung in den Gesellschafterbeschlüssen („... Der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft wird ergänzt: Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Liquidatoren. Ein Liquidator vertritt die Gesellschaft allein, bei mehreren Liquidatoren wird die Gesellschaft durch zwei Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten. Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Liquidatoren erteilt werden: – Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, und – Befugnis zur Einzelvertretung der Gesellschaft. ...“) nicht mindestens gleichzeitig mit eingetragen werden kann, weil der sich insoweit mit Blick auf seine Dauerwirkung als „zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung“ darstellende Gesellschafterbeschluss nicht notariell beurkundet und daher – selbst bei allstimmiger Beschlussfassung – unwirksam ist.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2016 – I-3 Wx 130/15

Problem
In der Satzung einer GmbH ist bestimmt, dass die Gesellschafterversammlung den gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern durch Beschluss Alleinvertretungsbefugnis erteilen und/oder sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien kann.

Die Gesellschafter haben einen privatschriftlichen Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft gefasst. Ferner wurde (ebenfalls nur privatschriftlich) beschlossen, dass die Gesellschafterversammlung den Liquidatoren Einzelvertretungsbefugnis erteilen und sie von § 181 BGB befreien kann. Es wurde ein Liquidator bestellt und ihm eine Befreiung von § 181 BGB erteilt.

Das Registergericht hat die Anmeldung wegen dieser konkreten Vertretungsregelung beanstandet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten.

Entscheidung
Das OLG Düsseldorf weist die Beschwerde zurück. Die angemeldete konkrete Vertretungsregelung ist hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nur eintragungsfähig, wenn die die abstrakte Vertretungsbefugnis von Liquidatoren regelnde Ergänzung der Satzung mindestens gleichzeitig miteingetragen werden kann. Die Vertretungsregelung des Geschäftsführers gilt nicht für die Liquidatoren (vgl. bereits BGH DNotZ 2009, 300 Tz. 11).

Die abstrakte Regelung ist nicht eintragungsfähig, weil der Gesellschafterbeschluss über die Satzungsänderung unwirksam ist. Grundsätzlich muss ein Gesellschafterbeschluss über eine Satzungsänderung notariell beurkundet werden, § 53 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GmbHG.

Differenzierter ist die Lage bei einer sog. Satzungsdurchbrechung zu beurteilen. Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse sind solche, die, ohne eine Satzungsbestimmung zu ändern, im Einzelfall von dieser abweichen, bei denen mithin für künftige Fälle die Satzung mit ihrem bisherigen Inhalt fortgelten soll. Die Wirkungen des Beschlusses erschöpfen sich hier in einem Einzelakt. Die Satzungsdurchbrechung ist zustandsbegründend, wenn der Beschluss eine Dauerwirkung entfaltet, mag der durch ihn herbeigeführte Zustand auch auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt sein.

Jedenfalls zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung sämtlicher Bestimmungen über die Satzungsänderung. Werden diese Vorschriften nicht eingehalten, ist der Beschluss unwirksam, und zwar selbst dann, wenn bei ihm alle Gesellschafter mitgewirkt haben, sowie unabhängig davon, ob diese bei ihrer Beschlussfassung eine Satzungsdurchbrechung herbeiführen wollten oder nicht. Ein solchermaßen unwirksamer Gesellschafterbeschluss kann zwar grundsätzlich in eine schuldrechtliche Verpflichtung zu einem der getroffenen Regelung entsprechenden Verhalten umgedeutet werden, doch kann eine schuldrechtliche Abrede grundsätzlich nicht bewirken, dass eine bestimmte organisationsrechtliche Regelung der Satzung geändert wird.

Ob auch eine Eintragung der zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung in das Handelsregister erfolgen muss (vgl. hierzu Scholz/Priester, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rn. 30a m. w. N.), kann offen bleiben. Denn im vorliegenden Fall ist der Beschluss nicht notariell beurkundet worden.

Bei der Maßnahme handelt es sich auch um eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung. Solange nämlich ein Liquidator für die betroffene Gesellschaft handelt, soll ständig die Möglichkeit bestehen, ihn durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB zu befreien. Dass die Liquidation insgesamt ein abgrenzbarer Zeitraum sein wird, steht der Qualifikation als Zustandsbegründung nach den dargestellten Grundsätzen nicht entgegen. Es tritt hinzu, dass die Gesellschafter tatsächlich bereits zugleich die Befreiung des konkret bestellten Liquidators beschlossen haben, sich die Erweiterung der rechtlichen Befugnis also auch faktisch während der gesamten Liquidation bei jedem rechtsgeschäftlichen Handeln ständig aktualisieren kann. Die Lage weicht daher in diesem Fall nicht entscheidungserheblich von Sachverhalten ab, bei denen Gesellschaftern satzungsdurchbrechend Befreiung von einem Wettbewerbsverbot erteilt wurde und die im Schrifttum als zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung angesehen werden.

Praxishinweis
Die Vertretungsregelung für Geschäftsführer in der GmbH-Satzung gilt nicht automatisch für Liquidatoren. Dies gilt sogar dann, wenn es sich beim Liquidator um den vormaligen Geschäftsführer und damit um einen geborenen Liquidator handelt (BGH DNotZ 2009, 300 Tz. 11). Die Gesellschafter können durch einfachen Gesellschafterbeschluss von der gesetzlichen Vertretungsregelung abweichen und jedem einzelnen Liquidator Einzelvertretungsmacht erteilen, soweit die Satzung keine abweichenden Regelungen für die Vertretung der Liquidatoren enthält (BayObLG DNotZ 1986, 170, 172; OLG Frankfurt GmbHR 2012, 394, 397; OLG Naumburg NotBZ 2013, 280).

Anders ist dies nach Auffassung des OLG Düsseldorf und der ganz überwiegenden Meinung jedoch, wenn dem Liquidator eine Befreiung von § 181 BGB erteilt wird. Hier müssen die Anforderungen an eine Satzungsänderung gewahrt werden, da ein zustandsbegründender satzungsdurchbrechender Beschluss vorliegt (vgl. bereits BayObLG DNotZ 1986, 170, 171; OLG Frankfurt GmbHR 2012, 394, 397; a. A. MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 2. Aufl. 2016, § 68 Rn. 10).

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung teilt auch das OLG Köln die Ansicht des OLG Düsseldorf (Beschl v. 21.9.2016 – 2 Wx 377/16, NZG 2016, 1314). Das OLG Köln vertritt dabei ausdrücklich auch die Auffassung, dass eine Ermächtigung in der Satzung, dem Geschäftsführer Befreiung von § 181 BGB zu erteilen, keine Grundlage dafür bilde, den Liquidator von § 181 BGB zu befreien (OLG Köln NZG 2016, 1314, 1315; a. A. OLG Zweibrücken RNotZ 2011, 502, 504).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

23.09.2016

Aktenzeichen:

I-3 Wx 130/15

Rechtsgebiete:

GmbH
In-sich-Geschäft

Erschienen in:

DNotI-Report 2016, 185-186
RNotZ 2017, 110-113

Normen in Titel:

GmbHG §§ 66, 68 Abs. 1; BGB § 181