OLG Schleswig 19. Juli 2000
2 W 112/00 u.2 W 101/00
BauGB § 22; BGB § 1010

Kein Genehmigungserfordernis für Miteigentümervereinbarung in Fremdenverkehrsgebiet

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 970
letzte Aktualisierung: 26. September 2000
2w11200
OLG Schleswig
2 W 112/00
19.07.2000
BauGB § 22; BGB § 1010
Kein Genehmigungserfordernis für Miteigentümervereinbarung in Fremdenverkehrsgebiet
Eine Miteigentümervereinbarung nach § 1010 BGB bedarf auch dann keiner
Genehmigung nach § 22 BauGB, wenn sie inhaltlich einer Aufteilung in Wohnungseigentum
angenähert ist.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1. ist Eigentümerin des im o. a. Grundbuch verzeichneten - mit einem Wohnhaus mit drei
Wohnungen bebauten - Grundstücks, das in einem Gebiet mit Fremdenverkehrsfunktion liegt, für das die
Stadt ... einer Satzung für die Sicherung und Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr bestimmt hat, dass
die Begründung und Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum, (§ 1 WEG), Wohnungs- und
Teilerbbaurechten (§ 30 WEG) und Dauerwohnungsrechten und Dauernutzungsrechten (§ 31 WEG) dem
Genehmigungsvorbehalt nach § 22 BauGB unterliegen.
Die Beteiligte zu 1. verkaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 02.12.1999 , (Urkundenrolle-Nr. 519/1999
des Notars ... an die Beteiligten zu 2. "einen Miteigentumsanteil von 56/100stel an dem Flurstück 71/5
verbunden mit dem alleinigen Nutzungsrecht an den in den Bauzeichnungen, die der Urkunde als Anlage
beigefügt sind, mit Nr. 1 bezeichneten Räumen im Erd- und Dachgeschoss nebst dem mit Nr. 2 bezeichneten
Spitzbodenraum sowie verbunden mit dem alleinigen Nutzungsrecht an den mit Nr. 2 bezeichneten
Gartenflächen und dem mit Nr. 2 bezeichneten PKW-Stellplatz".
In dem Vertrag ist u. a. bestimmt:
"Soweit Räume oder Flächen nicht einem bestimmten Eigentümer zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen
sind, sind alle Eigentümer zur gleichberechtigten Nutzung befugt.
Dem Käufer ist bewusst, dass er mit diesem Vertrag kein Wohnungseigentum gemäß WEG erwirbt, sondern
einen Bruchteil an einem Eigentumsrecht, verbunden mit die übrigen Eigentümer ausschließenden
Nutzungsrechten an den im vorstehenden Abs. 2 beschriebenen Räumen und Grundstücksflächen ..."
§ 2 des Vertrages lautet:
"(Ausgestaltung der Gemeinschaft)


Zur Ausgestaltung der Miteigentümergemeinschaft vereinbaren Käufer und Verkäufer hiermit die
Verwaltungs- und Benutzungsregelung, die diesem Vertrag als Anlage beigefügt ist und die mit verlesen
wurde ... "
§ 8 des Vertrages enthält folgenden Hinweis:
"(2) Die Parteien wurden über die §§ 22 ff. BauGB unterrichtet. Der Notar wies insbesondere drauf hin, dass
es sich nicht um den Verkauf von Wohnungseigentum handelt, sondern um Miteigentum mit
Nutzungsregelung, da die Stadt die nach § 22 erforderliche Genehmigung zur Aufteilung in
Wohnungseigentum zur Zeit nicht erteilt."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Urkunde Nr. 519/99 verwiesen.
Am 18.02.2000 hat der Notar gem. § 15 GBO neben der Umschreibung der Miteigentumsanteile
ausdrücklich beantragt, "die Benutzungsregelung und den Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft
nach § 1010 BGB in das Grundbuch einzutragen". Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes hat mit
Zwischenverfügung vom 09.03.2000 den Notar aufgefordert, "zur Heilung der Vereinbarung nach § 1010
BGB die Genehmigung nach § 22 BauGB binnen zwei Wochen vorzulegen.
Diese Zwischenverfügung vom 09.03.2000 hat das Landgericht auf Beschwerde der Beteiligten hin mit dem
angefochtenen Beschluss (Bl. 4 41 der Grundakten) - der Beschluss des Landgericht vom 30.5.2000 in der
Parallelsache 2 T 144/00 ist in ZfIR 2000, 567 ff abgedruckt - dahin geändert, dass „zur Heilung der
Vereinbarung nach § 1010 BGB die Genehmigung nach § 22 BauGB oder ein Negativattest binnen zwei
Wochen vorzulegen ist". Dagegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer weiteren Beschwerde, mit der sie
ein Schreiben des Landrates des Kreises Nordfriesland vom 16.06.2000 (Bl. 4 51 der Grundakten)
vorlegen,- in dem dieser mitteilt, dass die Bildung von Bruchteilseigentum nicht den Regelungen des § 22
BauGB unterliege und daher für das gewünschte "Negativattest" keine Notwendigkeit bestehe.
II.
Die nach §§ 78 S. 1, 80 Abs. 1 GBO zulässige weitere Beschwerde hat Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 78 S. 2 GBO, 550 ZPO).
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift beziehe sich § 22 BauGB nur auf die Begründung oder
Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach dem WEG einschließlich der Begründung
von Wohnungserbbaurechten (§ 30 WEG) und Dauerwohnrechten (§ 31 WEG) und nicht auf die
ideelle Teilung, also die Begründung von Miteigentum. Vorliegend sei das Geschäft aber wegen
Umgehung eines Verbotsgesetzes nichtig. Sinn des Genehmigungsvorbehaltes nach § 22 BauGB sei es
nämlich, dem Problem der schleichenden Umstrukturierung von Fremdenverkehrsgemeinden durch
eine überhandnehmende Funktion von Zweitwohnungen wirksam zu begegnen, denn die
städtebauliche Funktion von Fremdenverkehrsorten sei durch die Notwendigkeit gekennzeichnet,
einem wechselnden Personenkreis von Feriengästen Übernachtungsmöglichkeiten zu bieten sowie
vorhandene Einrichtungen und Anlagen wirtschaftlich auszunutzen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass
die Bildung von Wohnungseigentum in überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägten Gebieten,
regelmäßig den Einstieg für eine Zweitwohnungsnutzung bedeute. Dies könne zu einer
Beeinträchtigung der städtebaulichen Entwicklung führen, weil diese Wohnungen der
wünschenswerten wechselnden Benutzung durch Gäste entzogen und die meiste Zeit leer stehen
würden. Die Bildung von Wohnungseigentum, die als rechtliche Gestaltung nicht nach außen trete, sei
aber nicht die einzige Möglichkeit, "Zweitwohnungen" entstehen zu lassen. Durch die Aufteilung des
Grundstücks und die Eintragung der Verwaltungs- und Benutzungsregelung sowie den Ausschluss der
Aufhebung der Gemeinschaft gern. § 1010 BGB werde erreicht, dass die einzelnen Wohnungen wie
voneinander veräußert werden könnten. Bei der Eintragung der Regelung nach § 1010 BGB entstehe
zwar kein Eigentum wie bei einer Aufteilung in Wohnungseigentum, es entstehe aber ein
"verdinglichtes" Rechtsverhältnis auf Benutzung von Wohnungen, Gebäudeteilen oder Flächen im
Freien. Die Stellung des Miteigentümers werde dadurch weitgehend der Stellung des
Wohnungseigentümers angeglichen. Die so geschaffenen Raumeinheiten könnten genauso wie
Wohnungseigentum als Zweitwohnungen genutzt werden. Die Unterschiede zum Wohnungseigentum,
wie z. B. dass der Miteigentumsanteil nur eingeschränkt belastbar sei, stehe eine Nutzung als
Zweitwohnung nicht entgegen. Die Aufteilung des Grundstücks in Miteigentum sei damit durchaus
geeignet, die Einwirkungsmöglichkeit der Baugenehmigungsbehörde auf das Entstehen von
Zweitwohnungen. zu umgehen. Dass eine solche Umgehung gewollt sei, ergebe sich aus § 8 Abs. 2
des Kaufvertrages, aus dem hervorgehe, dass nur deshalb Miteigentum gebildet werde, weil die
Genehmigung nach § 22 BauGB derzeit nicht erteilt werde. Es liege daher ein Umgehungsgeschäft
vor, das zur Erreichung eines nicht gewünschten Zwecks geschlossen worden und deshalb nichtig sei.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
§ 22 Abs. 1 S. 1 BauGB bestimmt, dass die Gemeinden, die oder deren Teile überwiegend durch den
Fremdenverkehr geprägt sind, in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung bestimmen
können, dass zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen die
Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 des Wohnungseigentumsgesetzes) der Genehmigung unterliegt. Dies gilt entsprechend für die in §§ 30 und 31 des
Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte. Nach § 22 Abs. 6 S. 1 BauGB darf bei einem
Grundstück, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes oder einer sonstigen Satzung nach Abs. 1 liegt,
das Grundbuchamt die von Abs. 1 erfassten Eintragungen in das Grundbuch nur vornehmen, wenn der
Genehmigungsbescheid oder ein Zeugnis, dass eine Genehmigung als erteilt gilt oder nicht erforderlich ist,
vorgelegt wird. Die Satzung der die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr bestimmt in
§ 2 unter der Überschrift "Genehmigungsvorbehalte für die Begründung oder Teilung von Rechten nach
dem Wohnungseigentumsgesetz":
„Für die Grundstücke im Geltungsbereich der Satzung unterliegen die Begründung und/oder Teilung von
1. Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 WEG),
2. Wohnungs- oder Teilerbbaurechten (§ 30 WEG) und
3. Dauerwohnungsrechten oder Dauernutzungsrechten (§ 31 WEG) dem Genehmigungsvorbehalt nach § 22
BauGB."
Die Satzung führt die Begründung von Bruchteilseigentum nach §§ 741 ff BGB i. V. m. §§ 1008 ff. BGB im folgenden: sog. „§ 1010 BGB-Regelung" - nicht auf. Sie ist auch nicht in § 22 BauGB genannt. Auf die j
1010 BGB-Regelung" kann angesichts dieses eindeutigen Wortlauts § 22 BauGB nicht unmittelbar
angewendet werden. Danach ist eine Genehmigungspflicht nämlich nur für die darin genannten Fälle,
dagegen nicht für Bruchteilseigentum oder für die Miete sowie sonstige Nutzungsrechte, wie z. B das
dingliche Wohnrecht (§ 1093 BGB) an Zweitwohnungen eingeführt worden (sh. Grziwotz, Anmerkung zum
Beschluss des Landgericht vom 30.5.2000 Az.: 5 T 144/00 in ZfIR 2000, 569 f). Eine analoge Anwendung
scheidet schon deshalb aus, weil es insoweit an einer planwidrigen Lücke fehlt (Palandt/Heinrichs BGB 59.
Aufl. Einleitung Rn. 40 i. V. m. Rn 47 f.). Der Gesetzgeber wollte ersichtlich nur Rechtsvorgänge nach dem
Wohnungseigentumsgesetz regeln. Im Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
des Deutschen Bundestages - Drucksache 10/6166 heißt es unter 111. "Zu den Schwerpunkten des
Gesetzesentwurfs" zu Nr. 14. "Fremdenverkehr" ausdrücklich, "dass die Vorschriften des § 22 BauGB
wegen der besonderen Problematik in Fremdenverkehrsorten nach dem ausdrücklich in §'22 BauGB
festgelegten Anwendungsbereich nicht auf andere Sachverhalte, insbesondere nicht auf die Umwandlung
von Miet- in Eigentumswohnungen in den Städten übertragen werden können." Erfasst werden soll nur die
reale Teilung von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg
BauGB § 22 Rn. 37 mwN.). Eine "Gesamtregelung" war nicht beabsichtigt. Aus diesem Grunde wird wohl
22 BauGB nicht erörtert (so Grziwotz aa0.).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist für Rechtsvorgänge der hier in Rede stehenden Art –„§ 1010
BGB-Regelung" - auch die Annahme eines verbotenen Umgehungsgeschäfts zu verneinen. § 22 BauGB
enthält kein ausdrückliches Umgehungsverbot (sh. zum ausdrücklichen Umgehungsverbot Staudinger/Sack
BGB 13. Bearb. 134 Rn. 148). Ob ein allgemeines Umgehungsverbot als selbständiges Rechtsinstitut
postuliert werden kann (sh. Staudinger/Sack aa0. Rn. 151 m. w. N.), kann dahinstehen; denn der BGH hat
bei der Umgehung eines Verbotsgesetzes § 134 BGB nur für anwendbar erklärt, wenn durch andere
rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten der Zweck des betreffenden Verbotsgesetzes vereitelt wird (sh.
Staudinger/Sack aa0. Rn. 149 mwN.). Wird ein vom Gesetz missbilligter Erfolg mit an sich zulässigen
Mitteln erreicht, so komm t es darauf an, ob durch Auslegung der Verbotsgesetzes dargetan werden kann,
dass dieses in Wahrheit auch der scheinbar zulässigen Regelung entgegensteht Der Gesetzgeber hat aber die
Nutzung von Zweitwohnungen trotz der von ihnen ausgehenden negativen Wirkungen nicht insgesamt
verhindern wollen (Grziwotz aa0 mwN.) § 22 BauGB enthält keine Verbotsvorschrift über die Nutzung von
Wohnungen als Zweitwohnungen, d. h. es wird nicht, wie sonst im Bauplanungsrecht üblich, die Nutzung
(hier: einer Wohnung als Zweitwohnung) als unzulässig festgesetzt; es sollen stattdessen sachenrechtliche
Vorgänge unterbunden werden, die nach den Erfahrungen der Praxis in der Regel den Einstieg in die
Nutzung als Zweitwohnung darstellen, nämlich die Begründung von Rechten nach dem
Wohnungseigentumsgesetz, insbesondere von Wohnungseigentum. Der Vorschrift liegt aufgrund der
Erfahrung der Praxis die Überlegung zugrunde, dass die Begründung von Rechten nach dem
Wohnungseigentumsgesetz an Wohnzwecken dienenden und hierfür vorgesehenen Gebäuden und Räumen
in der Regel zu einer Nutzung als Zweitwohnung mit der weiteren Folge führt, dass diese Gebäude und
Räume der Nutzung durch einen wechselnden Personenkreis von Feriengästen entzogen werden.
Regelungsgegenstand des § 22 BauGB ist mithin allein die Untersagung bestimmter Rechtsformen des
Eigentums aus Gründen der Erhaltung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen. Die Vorschrift erfasst
bestimmte städtebauliche Gebiete und verbindet diese mit der Genehmigungspflicht und der Versagung von
Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (Söfker aa0. § 22 Rn. 9). Außerdem bestehen zwischen der
Aufteilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz und den sog. Miteigentümermodellen gravierende
Unterschiede, die eine Gleichstellung nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch wenn die Vertragswerke den
bei der Begründung von Wohnungseigentum verwendeten Texten ähnlich sind, bieten sie jedoch nicht die
gleiche Sicherheit für den Erwerber wie das Wohnungseigentum. Der Bestand der Eigentümergemeinschaft
kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Aufhebung nicht gesichert werden Zudem droht bei
Pfändung oder Versteigerung eines Miteigentumsanteils die Teilversteigerung des gesamten Objektes, die
jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Schließlich sind Miteigentumsanteile im Grundstücksverkehr
schwerer als Wohnungseigentum zu veräußern (sh. Grziwotz aa0.) Der Landrat des Kreises Nordfriesland
hat deshalb mit Schreiben vom 16.06.2000 dem Notar auf Anfrage mitgeteilt, dass die Bildung von
Bruchteilseigentum nicht den Regelungen des § 22 BauGB unterliege und daher für das von ihnen
gewünschte Negativattest keine Notwendigkeit bestehe. Angesichts dieses eingeschränkten
"Verbots"-zwecks des § 22 BauGB können Rechtsvorgänge nach der „§ 1010 BGB-Regelung" - ebenso wie
auch die Begründung etwa von Wohnrechten nach § 1093 BGB - nicht mit Hinweis auf den
Regelungszweck des § 22 BauGB verboten werden.
Nach allem können die vorinstanzlichen Entscheidungen keinen Bestand haben. Die Sache ist zur
anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuweisen, damit es unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Eintragungsantrag entscheidet.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

19.07.2000

Aktenzeichen:

2 W 112/00 u.2 W 101/00

Erschienen in:

DNotI-Report 2000, 163

Normen in Titel:

BauGB § 22; BGB § 1010