Nachweis des unmittelbaren Eigentumserwerbs an einem einzelnen Nachlassgegenstand durch dinglich wirkendes Vorausvermächtnis bzw. dinglich wirkende Teilungsanordnung aufgrund eines in Italien ausgestellten Europäischen Nachlasszeugnisses
letzte Aktualisierung: 18.11.2022
KG, Beschl. v. 22.9.2022 – 1 W 348/22
Nachweis des unmittelbaren Eigentumserwerbs an einem einzelnen Nachlassgegenstand
durch dinglich wirkendes Vorausvermächtnis bzw. dinglich wirkende Teilungsanordnung
aufgrund eines in Italien ausgestellten Europäischen Nachlasszeugnisses
Die Zuweisung eines Grundstücks an einen von mehreren Erben in Anlage IV Ziffer 9 eines
Europäischen Nachlasszeugnisses ist bei italienischem Erbstatut hinreichende Grundlage für eine
berichtigende Eintragung des Erben als Alleineigentümer im Grundbuch.
Gründe
Das Rechtsmittel ist zulässig (
Der Beteiligte ist gemäß § 22 GBO antragsgemäß berichtigend als Alleineigentümer im
Grundbuch einzutragen, denn er hat mit dem vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnis
vom 13. April 2022 der Notarin Dr. M... A... in Mx (Register Nr. ..., Urkundenrolle Nr. ...)
nachgewiesen, dass das Grundbuch unrichtig und anstelle der eingetragenen Eigentümerin
nunmehr der Beteiligte Alleineigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten
Wohnungseigentums ist.
Ausweislich des Europäischen Nachlasszeugnisses ist die eingetragene Eigentümerin des
verfahrensgegenständlichen Wohnungseigentums verstorben und aufgrund gewillkürter
Erbfolge von dem Beteiligten und ... beerbt worden. Das Nachlasszeugnis weist in Anhang
A (Formblatt V Anlage IV) unter Ziffer 9 ferner aus, dass (nur) dem Beteiligten „die
Immobilieneinheit, gelegen in: S...-Straße ..., WE ..., 1... Berlin (Deutschland), im
Grundbuch von Friedrichshain eingetragen unter der Nummer ...“ zugewiesen wurde.
Auf die Rechtsnachfolge findet gemäß
Anwendung, weil die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Italien hatte (Ziffer 8 des Europäischen Nachlasszeugnisses). Das italienische
Erbrecht sieht vor, dass auch einem Erben ein (Voraus)Vermächtnis zugewandt werden
kann. Ist Gegenstand eines Vermächtnisses das Eigentum an einer bestimmten Sache oder
ein anderes dem Erblasser zustehendes Recht, so geht das Eigentum oder das Recht mit
dem Tode des Erblassers von diesem auf den Vermächtnisnehmer über, ohne dass es dazu
einer Annahme bedarf (Art. 649 Abs. 1 und 2 CC). Bei Einsetzung mehrerer Erben kann
der Erblasser eine Teilungsanordnung treffen, die die Erben nur schuldrechtlich bindet
(Art. 733 CC), oder er kann den Nachlass gemäß Art. 734 CC mit dinglicher Wirkung selbst
teilen. Im letzteren Fall geht das Eigentum an den Einzelgegenständen im Augenblick der
Erbschaftsannahme unmittelbar auf die als Erben bestimmten Personen über, ohne dass
vorher eine Erbengemeinschaft eingetreten wäre (Ferid/Firsching/Hausmann,
Internationales Erbrecht, Italien, Rdn. 670).
Vor diesem Hintergrund ist die Zuweisung des verfahrensgegenständlichen
Wohnungseigentumsrechts an den Beteiligten in Ziffer 9 des Anhang A des Europäischen
Nachlasszeugnisses ein hinreichender Beleg dafür, dass der Beteiligte durch den Erbfall,
jedenfalls aber mit der in Ziffer 2 des Anhangs A nachgewiesenen Annahme der Erbschaft,
Alleineigentümer des Wohnungseigentumsrechts geworden ist, ohne dass es hierfür einer
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bedurfte. Gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. b
EuErbVO soll ein Europäisches Nachlasszeugnis als Nachweis für die Zuweisung eines
bestimmten Vermögenswertes des Nachlasses an die in dem Zeugnis als Erbe oder
gegebenenfalls als Vermächtnisnehmer genannte Person verwendet werden können. Da die
Bescheinigung der Erbquote bereits in
der Begriff des „Vermögenswerts“ im Sinne von Art. 63 Abs. 2 lit. b auf einen anderen
Aspekt beziehen. Wie aus anderen Sprachfassungen hervorgeht, sind mit
„Vermögenswerten“ einzelne Nachlassgegenstände gemeint (Fornasier in Dutta/Weber,
Internationales Erbrecht, 2. Aufl.,
Gegenstände sind gemäß Art. 68 lit. l, m EuErbVO im Zeugnis anzugeben (Fornasier a.a.O.
Rdn. 37). Eintragungen hierzu sind im Formblatt V Anlage IV Ziffer 9 bzw. Anlage V
Ziffer 5 vorzunehmen. Wie bereits im Rahmen des
Begriffe „Erben“ und „Vermächtnisnehmer“ im Sinne des
verstehen und beziehen sich somit nur auf Erben, auf die der Nachlass unmittelbar von
Todes wegen ohne rechtsgeschäftliche Übertragungsakte übergeht, sowie auf Empfänger
dinglich wirkender Vermächtnisse (OLG München,
2017, 579; Fornasier a.a.O. Rdn. 34). Bei einer Eintragung in Formblatt V Anlage IV Ziffer
9 bzw. Anlage V Ziffer 5 kann es sich deshalb nicht um einen nur schuldrechtlichen
Anspruch auf entsprechende Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder
Übertragung eines Vermächtnisgegenstands handeln, sofern die Eintragung nicht
ausdrücklich anderes kenntlich macht.
Es ist auch nicht anzuzweifeln, dass sich die in Formblatt V Anlage IV Ziffer 9
ausgewiesene Zuweisung auf das Eigentum an der Immobilie bezieht. Die Erblasserin war
Eigentümerin des Wohnungseigentumsrechts. Mangels erkennbarer Einschränkungen
beziehen sich Angaben über Zuweisungen „der Immobilie“ im Europäischen
Nachlasszeugnis auf dieses Vollrecht. Es entspricht auch etwa im Falle der Übertragung
allgemeinem Sprachgebrauch, dass mit der Übertragung einer Immobilie das Eigentum an
dieser gemeint ist.
Gemäß
festgestellten Sachverhalte zutreffend ausweist. Diese Vermutung ist hier – anders als in der
von dem Grundbuchamt zitierten Entscheidung des OLG München vom 29. September
2020 (
zugrundeliegenden Sachverhalt ergab sich aus dem Vortrag der Antragstellerin im
Grundbuchverfahren, dass ein dinglicher Übergang des Eigentums an dem
Nachlassgegenstand nicht schon mit dem Tode des Erblassers, sondern erst mit dem
Abschluss eines Auseinandersetzungsvertrages erfolgt ist. Derartige Anhaltspunkte für eine
Unrichtigkeit des Europäischen Nachlasszeugnisses liegen hier nicht vor.
Der dem deutschen Recht unbekannte direkte Übergang des Eigentums an einem einzelnen
Nachlassgegenstand auf einen von mehreren Erben ohne rechtsgeschäftliche
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist aufgrund der Nachweise durch das
Europäische Nachlasszeugnis für die Eintragung im deutschen Grundbuch anzuerkennen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 12. Oktober 2017 –
C-218/16 -) sind Art. 1 Abs. 2 lit k und l sowie
die Anerkennung der dinglichen Wirkung des Vindikationslegats, das dem anzuwendenden
Erbstatut bekannt ist, von den Mitgliedstaaten nicht mit der Begründung abgelehnt werden
kann, dass die Rechtsordnung des Belegenheitsstaates des betroffenen Grundstücks das
Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung im Zeitpunkt des
Eintritts des Erbfalls nicht kennt. Der Europäische Gerichtshof begründet dies mit der
Einheitlichkeit des auf die Rechtsfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts gemäß
Bereichsausnahmen in Art. 1 Abs. 2 lit k und l EuErbVO beziehen sich nicht auf
materiellrechtliche Vorschriften über Art und Weise des Übergangs dinglicher Rechte. Auch
Art 31 EuErbVO betrifft nicht die Modalitäten des Übergangs dinglicher Rechte, sondern
nur die Wahrung ihres Inhalts bei der Rezeption in der lex rei sitae (EuGH, NJW 2017,
3767). Nichts anderes kann dann für eine unmittelbar dinglich wirkende Teilungsanordnung
wie hier nach Art. 734 CC gelten. Diese bewirkt ebenso wie ein Vindikationslegat den
direkten Eigentumserwerb des Erben, dem der Nachlassgegenstand zugewiesen wurde.
Auch in diesem Fall wird kein dem deutschen Recht unbekanntes dingliches Recht
begründet, sondern sind nur die Modalitäten des Eigentumsübergangs in anderer Weise als
im deutschen Recht geregelt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:Kammergericht
Erscheinungsdatum:22.09.2022
Aktenzeichen:1 W 348/22
Rechtsgebiete:
Grundbuchrecht
Deutsches IPR (EGBGB)
GBO § 35; EuErbVO Art. 63 Abs. 2, 69 Abs. 2