Erfordernis eines Erbscheins bei einer untypischen Pflichtteilsklausel im Erbvertrag
letzte Aktualisierung: 13.4.2022
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.12.2021 – 5 W 70/21
GBO §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 1 S. 2
Erfordernis eines Erbscheins bei einer untypischen Pflichtteilsklausel im Erbvertrag
Enthält der notarielle Erbvertrag eine Klausel, wonach der zum Schlusserben eingesetzte
Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen ist, falls er nach dem Tode des Erststerbenden
„diesen Erbvertrag anfechten oder seinen Pflichtteil verlangen“ sollte, so kann der Nachweis der
Erbfolge im Grundbuchverfahren auch nicht unter ergänzender Vorlage einer eidesstattlichen
Versicherung eines Miterben geführt werden, wonach keiner der Schlusserben den Erbvertrag
angefochten habe.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Brüder; sie begehren die Eintragung des Beteiligten zu 1) als neuen
Eigentümer des im Grundbuch von Noswendel Blatt xxxx eingetragenen Grundbesitzes
aufgrund eines am 25. Juni 2021 geschlossenen – gegenständlich beschränkten –
Erbauseinandersetzungsvertrages (UR Nr. 1556/2021 U BE des Notars D., Trier, Bl. 54 ff.
d.A.). Die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer, Vater und Mutter der Antragsteller,
sind verstorben. Sie hatten am 28. März 1989 einen Erbvertrag abgeschlossen (UR Nr.
417/1989 des Notars R., Wadern = Umschlagmappe Bl. 68 d.A.), der nach dem Tode des
jeweiligen Ehegatten zunächst am 17. Oktober 2019 und sodann erneut am 18. Februar
2021 vom Nachlassgericht eröffnet worden war. Darin hatten sich beide Ehegatten
wechselseitig ohne Rücksicht auf das Vorhandensein von Pflichtteilsberechtigten zu
alleinigen Erben des Überlebenden eingesetzt, der Überlebende sollte sowohl unter
Lebenden wie auch von Todes wegen frei verfügen können, für den Fall des gleichzeitigen
Versterbens bzw. falls der Überlebende nicht testiert setzten sie bzw. der Überlebende ihre
Kinder, die drei Antragsteller, zu je 1/3-Anteil zu ihren Erben ein. Weiterhin heißt es in § 3
des Erbvertrages:
„Sollte einer unserer Abkömmlinge nach dem Tode des Erststerbenden diesen Erbvertrag
anfechten oder seinen Pflichtteil verlangen, so ist er mit seinen Abkömmlingen von der
Erbfolge des Überlebenden ausgeschlossen.
Der Längstlebende kann diese Enterbung einseitig wieder aufheben.“
Die Antragsteller haben ausweislich Ziff. I ihres Erbauseinandersetzungsvertrages (UR
1556/2021 U BE, Bl. 58 d.A.) jeweils vor dem Notar an Eides statt versichert,
„dass keiner von uns nach dem Tode unseres Vaters seinen Pflichtteil geltend gemacht hat“.
Auf einen Hinweis des Grundbuchamtes (Verfügung vom 26. Juli 2021, Bl. 69 d.A.), dass
außerdem an Eides statt zu versichern sei, dass der Erbvertrag der Eltern nicht angefochten
wurde, reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller eine weitere notarielle
Urkunde ein (UR 1991/21 U, Bl. 70 ff. d.A.), in der – nur – der Beteiligte zu 1) an Eides
statt versicherte,
„dass der Erbvertrag unserer Eltern vom 28. März 1989 (UR Nr. 417/1989, Notar R.,
Wadern) nach dem Tode unseres Vaters (Erstversterbende) von keinem der Schlusserben,
also weder von meinen Brüdern R. und M. noch von mir, angefochten wurde.“
Mit der angefochtenen Zwischenverfügung (Bl. 78 GA) hat das Grundbuchamt die
Antragsteller darauf hingewiesen, dass zu der beantragten Eintragung der lückenlose
Erbnachweis nach § 35 GBO auf Übergeberseite fehle. Nach dem Erbvertrag sei der
Überlebende zwar von den drei Übergebern – den Beteiligten zu 1) bis 3) – beerbt worden,
dies jedoch nur unter der – einer Pflichtteilsstrafklausel vergleichbaren und demgemäß
gleich zu behandelnden – Bedingung, dass jeweils nach dem Tode des Erstversterbenden
der Erbvertrag nicht angefochten und ein Pflichtteil nicht verlangt worden sei. Daher sei die
Erbfolge zumindest durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen sämtlicher Miterben,
sonst durch Erbschein, nachzuweisen.
Dagegen richtet sich die von den Antragstellern am 12. November 2021 eingelegte
Beschwerde, mit der diese unter Bezugnahme auf den früheren Schriftverkehr an ihrer
schon zuvor geäußerten Auffassung (Bl. 74 f. d.A.) festhalten, dass die fehlende Anfechtung
des Erbvertrages kein durch eidesstattliche Versicherung nachzuweisender Umstand sei und
das Grundbuchamt dies auch nicht zu prüfen habe, zumindest aber die Vorlage der
eidesstattlichen Versicherung eines Miterben ausreichen müsse, und der das Amtsgericht
mit Beschluss vom 22. November 2021 nicht abgeholfen hat.
II.
Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen
die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes ist unbegründet. Das Grundbuchamt hat die
beantragte Eintragung zu Recht von der Beibringung weiterer Nachweise zur Erbenstellung
– richtigerweise: eines Erbscheines – abhängig gemacht.
1.
Die beantragte Eintragung des Beteiligten zu 1) als Eigentümer des Grundstücks in Folge
einer Erbauseinandersetzung kann nur vorgenommen werden, wenn eine wirksame
Auflassung nach § 925 BGB, §§ 20, 29 GBO erfolgt und in grundbuchmäßiger Form
nachgewiesen ist (vgl. OLG München,
256). Der – ggf. vorab im Wege der Berichtigung nach den
vorzunehmenden, hier nicht beantragten – Voreintragung des Erben (bzw. der
Erbengemeinschaft, § 2040 BGB) bedarf es nicht (
2018, 392; OKG Hamm,
jedoch bleibt dann, zusammen mit der Bewilligung der verfügungsberechtigten Miterben,
der Nachweis der Erbfolge zu führen (Demharter, a.a.O., § 40 Rn. 2), an dem es hier bislang
fehlt:
a)
Der Nachweis der Erbfolge kann grundsätzlich – vom hier nicht gegebenen Fall der
Offenkundigkeit abgesehen – nur durch einen Erbschein (oder ein Europäisches
Nachlasszeugnis) geführt werden (
dem eingetragenen Eigentümer aus einem notariell beurkundeten Testament, so genügt als
Nachweis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO die Vorlage des Testaments und der
Niederschrift über dessen Eröffnung durch das Nachlassgericht (BGH, Beschluss vom 2.
Juni 2016 – V ZB 3/14,
12/20,
Erbeinsetzung in dem notariell beurkundeten Testament unbedingt erfolgt ist. Enthält das
Testament dagegen eine bedingte Erbeinsetzung, so genügt es allein als Nachweis der
Erbfolge nicht. Vielmehr ist das Grundbuchamt hier unter Reduktion seines Ermessens
nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GBO gehalten, einen Erbschein oder den Nachweis
ausreichender Erklärungen der Beteiligten in der Form des
Anerkannt ist das insbesondere für den Fall eines notariell beurkundeten Testaments, das
eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel enthält, d.h. Klauseln, nach denen der eingesetzte
Erbe sein Erbrecht verlieren soll, wenn er nach dem ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt.
Bei solchen Klauseln muss das Grundbuchamt nach herrschender Meinung entweder die
Vorlage eines Erbscheins verlangen oder wenigstens Erklärungen der Erben in der Form
des
2. Juni 2016 – V ZB 3/14,
62/17; Demharter, a.a.O., § 35 Rn. 39.3; Krause/Weber, in: Meikel, GBO 12. Aufl., § 35
Rn. 125). Entsprechendes gilt bei allgemein gehaltenen Verwirkungsklauseln und bei
speziellen Verwirkungsklauseln mit nicht eindeutigen Verhaltensanforderungen, dort
allerdings mit der weiteren Einschränkung, dass sich im Grundbucheintragungsverfahren
regelmäßig nicht sicher feststellen lassen wird, welches Verhalten des Bedachten hier zum
Verlust des in dem Testament zugedachten Erbrechts führt, so dass es dann bei der
Regelung in
nachzuweisen ist, zu verbleiben hat (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14,
35 Rn. 125; Volmer in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar 8. Aufl., § 35
Rn. 128).
b)
Hiervon ausgehend, hat das Grundbuchamt den erforderlichen Nachweis der Erbenstellung
der Veräußerer bislang zu Recht nicht für geführt erachtet und insbesondere die
eidesstattliche Versicherung – nur – des Beteiligten zu 1), wonach der Erbvertrag weder von
ihm noch den anderen Miterben „angefochten“ worden sei, dazu nicht ausreichen lassen.
Dabei hat es im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Regelung in § 3 des
Erbvertrages, die gleichrangig auf das Unterlassen einer „Anfechtung“ der letztwilligen
Verfügung und eines Pflichtteilsverlangens abstellt, nach § 2075 BGB dazu führt, dass die
an sich vorgesehene Erbeinsetzung durch den Umstand oder das Verhalten auflösend
bedingt ist, an welchen oder welches die Klausel anknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni
2016 – V ZB 3/14,
Rn. 31). Die danach notwendige Feststellung, dass keine dieser beiden Alternativen vorliegt,
kann mit den vorgelegten Urkunden nicht getroffen werden. Unbeschadet der Tatsache,
dass die bloße eidesstattliche Versicherung allein des Beteiligten zu 1) von vornherein
untauglich ist, das Unterbleiben einer „Anfechtung“ – d.h. eines komplexen, auch mit einer
rechtlichen Würdigung verbundenen Vorganges, vgl. OLG Frankfurt,
auch durch die anderen Miterben zu belegen, die in einem entsprechenden
Erbscheinsverfahren zwingend zu beteiligen wären (§ 345 Abs. 1 FamFG; vgl. Volmer in:
Keller/Munzig, a.a.O., § 35 Rn. 128), folgt dies hier auch schon aus der unklaren Fassung
der Verwirkungsklausel, die völlig offen lässt, welches konkrete Verhalten dadurch aus Sicht
der Erblasser sanktionieren werden sollte. Denn der darin verwendete Begriff der
„Anfechtung“ ist nicht eindeutig; er kann rechtstechnisch gemeint sein, aber auch auf alle
Handlungen abzielen, die sonst geeignet sind, die Verfügung ganz oder teilweise zu Fall zu
bringen (vgl. OLG Dresden,
ein im Sinne der Verwirkungsklausel sanktionsbewehrtes Verhalten des Bedachten vorliegt,
bedürfte es daher zunächst einer Auslegung des Erbvertrages; für diese ist allein der sich aus
den Gesamtumständen ergebende Wille des Erblassers maßgeblich, der in der Verfügung
einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss (BGH, Urteil vom 24.
Juni 2009 – IV ZR 202/07,
vorliegenden Grundbucheintragungsverfahren mit der in
Beschränkung der zulässigen Beweismittel regelmäßig – und so auch hier – nicht möglich
(BGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14,
Eintragungsunterlagen, auf die das Grundbuchamt abstellen darf, ermöglichen keine
umfassende Würdigung aller Umstände zum – maßgeblichen – Zeitpunkt der Errichtung
des Erbvertrages. Eine zuverlässige Feststellung, welches Verhalten der Bedachten bei der
hier gegebenen, nicht eindeutigen Verwirkungsklausel zum Verlust des Erbrechts führen
sollte, ist damit nicht möglich. Schon deshalb erweisen sich die Bedenken, die das
Amtsgericht in der angefochtenen Zwischenverfügung geäußert hat, als vollumfänglich
berechtigt.
2.
Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf die gesetzlich
geregelte Kostenfolge (
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) nicht zuzulassen.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den § 46, 47, 61
GNotKG; maßgeblich ist das – durch den im Auseinandersetzungsvertrag mitgeteilten
Grundstückswert definierte – wirtschaftliche Interesse der Antragsteller an der begehrten
Eintragung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2020 – V ZB 8/20,
Bormann, in: Korintenberg, GNotKG 21. Aufl., § 36 Rn. 55b).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:13.12.2021
Aktenzeichen:5 W 70/21
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GBO §§ 29 Abs. 1, 35 Abs. 1 S. 2