Auflassung eines Grundstücks durch transmortal Bevollmächtigten; Grundstücksveräußerung zur Auseinandersetzung des Nachlasses; Prüfungsumfang des Grundbuchamts beschränkt auf dingliche Erklärung
letzte Aktualisierung: 14.4.2025
OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.11.2024 – 8 W 303/24
BGB §§ 164, 873; GBO §§ 20, 29
Auflassung eines Grundstücks durch transmortal Bevollmächtigten; Grundstücksveräußerung
zur Auseinandersetzung des Nachlasses; Prüfungsumfang des Grundbuchamts beschränkt
auf dingliche Erklärung
1. Ein transmortal Bevollmächtigter kann ein Nachlassgrundstück im Namen der Erben auflassen;
insoweit (aber auch nur insoweit) liegt ein nachlassbezogenes Rechtsgeschäft vor, das von der
transmortalen Vollmacht gedeckt ist.
2. Die transmortale Vollmacht deckt nicht die Auflassungserklärung des Grundstückserwerbers ab.
3. Auch wenn die Grundstücksveräußerung der Auseinandersetzung des Nachlasses unter Miterben
dient, ist im Grundbuchverfahren nur die Auflassung, nicht auch der zu Grunde liegende
schuldrechtliche Nachlassauseinandersetzungsvertrag in den Blick zu nehmen.
4. Der Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsauffassung im Verfahren 8 W 201/15 –
Gründe
I.
Als Eigentümer des im Grundbuch von R., Blatt...7 BV Nr. 2, Gemarkung R., Flst. ...2,
Landwirtschaftsfläche 1905 m², ist Herr O. W. (im Folgenden: „Erblasser“) eingetragen, der am
xx.xx.2018 verstorben ist. Seine Ehefrau L. W., geb. Ot., ist bereits am xx.xx.2008
vorverstorben.
Der Erblasser hat am 23.10.2014 zur Beurkundung der Württ. Notariatsassessorin H. B. als
amtlich bestellte Vertreterin des Notars K., S., UR-Nr. ... F, seinen Töchtern Frau H. K. und S.
S. je einzeln transmortal wirkende General- und Vorsorgevollmacht unter Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB erteilt.
Der Erblasser wurde aufgrund des von Notar Ja., S., am 10.05.1995 beurkundeten Erbvertrags
(UR Nr. ...5) von seinen Enkeln M. und J. W. (anstelle ihres vorverstorbenen Vaters H. W.)
sowie seinen Töchtern M. F., H. B., H. K., A. S., S. P. und S. S. (allesamt geb. W.) beerbt.
Zur restlichen Auseinandersetzung des Nachlasses nach dem Erblasser schlossen die Töchter A.
S., S. S., jeweils in eigenem Namen handelnd, und H. K., die nicht nur in eigenem Namen,
sondern unter Bezugnahme auf die oben erwähnte transmortale Vollmacht des Erblassers auch
für diesen handelte, vor dem Notar J., S., am 7.3.2024 einen Übernahmevertrag (UR-Nr. ... J),
durch den sich die drei genannten Töchter verpflichteten, das oben näher bezeichnete
Grundstück entgeltlich zu je einem Miteigentumsanteil von 1/3 zu erwerben. Zugleich erklärten
die Vertragsparteien die Auflassung. Außerdem beantragten alle drei Erwerberinnen, die
Eigentumsänderung im Grundbuch einzutragen, was die Tochter H. K. als transmortal
Bevollmächtigte des Erblassers sogleich bewilligte.
Der beurkundende Notar J. beantragte mit Schreiben vom 29.4.2024 gem. § 15 BNotO, die
Änderung des Eigentums an dem Grundstück ins Grundbuch einzutragen.
Mit Zwischenverfügung nach
Grundbuchamt, dass einer antragsgemäßen Entscheidung Hindernisse entgegenstünden, zu
deren Behebung es noch der Vorlage des Erbnachweises nach Herrn O. W. gemäß § 35 GBO
sowie der Nachgenehmigung aller Erben in der Form des
Zur Begründung führte das Grundbuchamt - u. a. unter Bezugnahme auf eine ältere
Rechtsprechung des Senats - aus, die über den Tod des Erblassers hinaus gültige Vollmacht
reiche nicht für die vorliegend vorgenommene Erbteilung aus, da diese (auch) das
Eigenvermögen der Erben berühre. Dies gelte auch für das Verfügungsgeschäft (Auflassung).
Der transmortal Bevollmächtigte könne deshalb für die Miterben keinen
Erbauseinandersetzungsvertrag schließen. Vielmehr müsse die Erbfolge gemäß § 35 GBO
nachgewiesen werden.
Zur Behebung dieser vermeintlichen Hindernisse setzte das Grundbuchamt den Antragstellern
Frist bis zum 12.8.2024, nach deren ergebnislosem Ablauf der bezeichnete Antrag
kostenpflichtig zurückzuweisen sei.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragstellerinnen ihr Ziel, die Eintragung der
Eigentumsänderung zu erwirken, weiter und halten an ihrer bereits dem Grundbuchamt
dargelegten Auffassung fest, dass für die vorliegend maßgebliche Eintragung der
Eigentumsänderung keine weiteren Unterlagen als die bereits vorgelegten vonnöten seien. Für
die begehrte Eintragung der Eigentumsänderungen seien die persönlich abgegebenen und
notariell beurkundeten Erklärungen der drei Erwerberinnen und die aufgrund transmortaler
Vollmacht für die Veräußerungsseite abgegebene Erklärung der Bevollmächtigten ausreichend.
Das Grundbuchamt half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung
vor.
II.
1. Die gem.
zulässig und begründet. Die vom Amtsgericht angenommenen Hindernisse für die erstrebte
Eintragung der Eigentumsänderung bestehen nicht. Im Zentrum der entscheidungserheblichen
Betrachtung steht die Frage, ob die Beteiligte Ziffer 1 aufgrund der ihr vom Erblasser erteilten
Vollmacht ausreichend ermächtigt ist, an der Eigentumsänderung mitzuwirken. Hierzu im
Einzelnen:
1.1. Die Vertretungsbefugnis ist im Grundbuchverfahren von Amts wegen zu prüfen
(Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Auflage 2020, Rdnr. 88 b, 3532). Der auf Grund einer
transmortalen Vollmacht Bevollmächtigte ist bis zu deren Widerruf durch die Erben befugt,
innerhalb der eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen zu
verfügen, ohne die Erbfolge nachzuweisen und die Erben zu benennen (OLG Frankfurt ZEV
2012, 377; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
2015, 1382; OLG Stuttgart/Senat
Auflage 2016, § 19 GBO, Rdnr. 81 a). Der Bevollmächtigte vertritt nach dem Tod des
Vollmachtgebers dessen Erben in Bezug auf den Nachlass (vgl. Schubert in: Münchener
Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021,
Vollmachtgebers tritt lediglich eine Änderung in der Person des Vertretenen ein, nicht aber
hinsichtlich Umfang und Inhalt der Vollmacht (OLG Stuttgart/Senat,
Rechtsmacht des Bevollmächtigten ist vom Erblasser abgeleitet, die Gesamtrechtsnachfolge
spielt insoweit keine Rolle.
1.2. Zu beachten ist, dass sich der Umfang der Vertretungsmacht allein von dem verstorbenen
Vollmachtgeber/Erblasser ableitet und sich nach dessen Tod ausschließlich auf dessen Nachlass
als gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen der Erben, nicht hingegen auf das sonstige
Vermögen der Erben bezieht. Der Bevollmächtigte kann demnach in Bezug auf den Nachlass
und die Nachlassgegenstände zwar alle Rechtsgeschäfte derart vornehmen, wie dies der
Erblasser zu seinen Lebzeiten selbst hätte tun können (Hügel/Reetz, a.a.O. m.w.N.); die
Vollmacht erstreckt sich als vom Erblasser abgeleitete Vertretungsmacht hingegen weder auf
Verpflichtungs- noch Verfügungsgeschäfte über das „Eigenvermögen“ des Erben (Hügel/Reetz,
Grundbuchordnung, 4. Auflage 2020, Vertretungsmacht, Rdnr. 49; Zimmermann in: Münchener
Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, vor
Bevollmächtigte dann, wenn mehrere Personen Erben geworden sind, keine Erbteilung
vornehmen kann, weil die transmortale Vollmacht hierfür nicht ausreicht. Die Erbteilung
berührt nämlich (auch) das Eigenvermögen der Erben. Der Erbteil ist, wie die Regelung des
gehört zum Eigenvermögen des Miterben (Krug/Daragan/Bernauer, Die Immobilie im
Erbrecht, 2. Auflage 2023, § 4, Rdnr. 85; Leipold, Erbrecht, 16. Auflage 2006, Rdnr. 724) und
wird durch die Erbteilung tangiert. Wie oben ausgeführt, erstreckt sich aber die vom Erblasser
abgeleitete Vollmacht weder auf Verpflichtungs- noch Verfügungsgeschäfte über das
Eigenvermögen des Erben. Eine Erbteilung ist daher auf Grund der transmortalen Vollmacht
nicht möglich (Krug/Daragan/Bernauer, a.a.O.; Kroiß/Horn, Erbenlegitimation ohne
Erbschein,
1.3. Im vorliegenden Fall ist die Übertragung des Grundstückseigentums Teil der
Nachlassauseinandersetzung, die im „Übernahmevertrag“ vom 7.3.2024 geregelt ist. Das
Grundbuchamt hat in der angefochtenen Zwischenverfügung zutreffend aufgezeigt, dass die
Regelungen im „Übernahmevertrag“ neben der Veräußerung und Übertragung des
verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes auch eine (teilweise) Auseinandersetzung des
(restlichen) Nachlasses nach dem Erblasser zwischen den Erben enthält. Da die Erbteilung das
Eigenvermögen der Erben betrifft, ist die der Beteiligten Ziff. 1 erteilte transmortale Vollmacht
für die Erbteilung nicht ausreichend.
1.4. Allerdings hat das Grundbuchamt die über den Tod des Erblassers hinaus wirkende
Vollmacht nur mit Blick auf die Auflassung (
prüfen, nicht jedoch mit Blick auf das Kausalgeschäft (vgl. Gutachten
Weber, Die transmortale Vollmacht bei Immobilienübertragungen im Rahmen der
Erbauseinandersetzung,
Vollmachten - Ist das Voreintragungsdogma auf dem Rückzug?
transmortal Bevollmächtigte kann daher das Nachlassgrundstück im Namen der Erben
auflassen; insoweit (aber auch nur insoweit) liegt ein nachlassbezogenes Rechtsgeschäft vor, das von
der Vollmacht gedeckt ist (Gutachten
Demharter, a.a.O., § 19 GBO, Rdnr. 81 a; Grüneberg/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch,
83. Auflage 2024, vor
fehlt vorliegend jeder Anhaltspunkt. Den Auflassungsempfänger kann der transmortal
Bevollmächtigte zwar mithilfe dieser Vollmacht nicht vertreten, da insoweit kein
nachlassbezogenes Rechtsgeschäft vorliegt. Insoweit haben die drei Erwerberinnen allerdings
persönlich selbst gehandelt und ihre maßgeblichen Willenserklärungen zur Beurkundung des
Notars abgegeben.
1.5. Als Ausfluss des Abstraktionsprinzips ist daher die der Beteiligten Ziffer 1 transmortal
erteilte Vollmacht ausreichend, die Auflassung für den Erblasser [genauer: für dessen Erben, s.
o.] zu erklären, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das der Auflassung zu Grunde liegende
Verpflichtungsgeschäft als Nachlassauseinandersetzung wirksam ist. Soweit der früheren
Entscheidung des Senats vom 30.09.2016 (Az. 8 W 201/15 -
diesbezüglich eine abweichende Beurteilung der Rechtslage zugrunde liegt, wird an dieser nicht
festgehalten.
1.6. Die vom Grundbuchamt mit der angegriffenen Zwischenverfügung verlangten
Genehmigungen des Vertrages durch die Erben nebst Erbnachweis sind daher nicht
erforderlich. Da demzufolge das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis
nicht besteht, konnte die Zwischenverfügung keinen Bestand haben.
2. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG.
3. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Stuttgart
Erscheinungsdatum:11.11.2024
Aktenzeichen:8 W 303/24
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Sachenrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Erbteilsveräußerung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB §§ 164, 873; GBO §§ 20, 29