Ausschluss des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
letzte Aktualisierung: 10.06.2020
OLG Hamburg, Urt. v. 30.8.2019 – 2 UF 74/18
VersAusglG §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3, 22, 25 Abs. 1, 2 u. 4,
53; VAHRG a. F. §§ 2, 3b Abs. 1 Nr. 2 S. 1; BGB a. F. § 1587f
Ausschluss des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
Die Regelung des
Versorgungsausgleich ausgeschlossen ist, wenn die Eheleute das Anrecht durch Vereinbarung vom
Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen haben, ist bei Fällen, in denen wegen der
Anwendbarkeit alten Rechts den Eheleuten allein ein schuldrechtlicher Ausgleich des Anrechts
möglich war, einschränkend auszulegen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin macht die Teilhabe an einer betrieblichen Altersversorgung ihres
verstorbenen geschiedenen Ehemanns im Wege des verlängerten schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs geltend.
Die Antragstellerin war verheiratet mit Herrn ( E. F ... ). Die Ehe wurde mit Urteil vom
15.02.1994 geschieden. Im Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg (Az 271 F
218/92) wurden die Versorgungsanwartschaften der Eheleute (jeweils monatliche Werte)
ermittelt. Als Ehezeit galt der Zeitraum vom 01.05.1967 bis 30.09.1992. Danach hatte die
Antragstellerin eine dynamische Rentenanwartschaft bei der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) in Höhe von 63,95 DM erworben. Der Ehemann verfügte über eine
dynamische Rentenanwartschaft bei der BfA in Höhe von 67,23 DM sowie über
betriebliche Altersversorgungen bei der A. VVaG in Höhe von 599,38 DM und der E.
Kreditversicherung AG (mittlerweile: E. H. AG) in Höhe von 1275,97 DM.
Der Wertausgleich bei Scheidung wurde dergestalt ausgeführt, dass die Anwartschaften aus
der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des halben Ausgleichswertes von 1,64 DM
auf die Antragstellerin übertragen wurden (Splitting). Hinsichtlich des restlichen
auszugleichenden Wertes in Höhe von 937,68 DM aus den betrieblichen
Altersversorgungen bei A. VVaG und E. H. AG wurde zulasten des Ehemanns bei der BfA
bestehende Anwartschaften in Höhe von 70 DM, bezogen auf das Ehezeitende, übertragen.
Der Ausgleich konnte ausweislich des Scheidungsurteils nur bis zur Höhe von 2/100 des
auf den Monat entfallenden Teils der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) erfolgen. Hinsichtlich
des verbleibenden Restbetrages von 867,68 DM schlossen die Eheleute am 03.02.1994 eine
notariell beurkundete Vereinbarung dahingehend, dass der Versorgungsausgleich
hinsichtlich der 70 DM übersteigenden Betriebsrenten bei A. VVaG und E. H. AG im
Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erfolgen sollte. Die Vereinbarung
wurde durch das Familiengericht im Scheidungsurteil genehmigt.
Der geschiedene Ehemann verstarb am 08.03.2016. Mit Antrag vom 13.04.2016 leitete die
Antragstellerin das vorliegende Verfahren auf Überprüfung ihrer Ansprüche auf
Versorgungsausgleich gegenüber den Antragsgegnern ein. Mit Schreiben vom 02.06.2016
teilte die A. SE im Namen beider Antragsgegner die Höhe der Altersrenten des
verstorbenen Ehemanns und die Höhe der Hinterbliebenenversorgung bei Fortdauer der Ehe
mit und gab zur Festsetzung der Höhe des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an,
dass sich diesbezüglich im Hinblick auf die Ehezeit ein auszugleichender Rentenanspruch
aus der Versorgung aus der A. VVaG Versorgungskasse bei der Antragsgegnerin zu 2. in
Höhe von 270,70 € sowie aus dem Pensionsvertrag bei der Antragsgegnerin zu 1. in Höhe
von 1.560,01 € ergebe.
Der verstorbene Ehemann hatte sich am 01.08.2000 aus dem mitgliedsfinanzierten Anteil
der Versorgung bei der A. VVaG einen Kapitalbetrag in Höhe von 251.450 DM auszahlen
lassen. Der Antrag des Ehemanns vom 21.06.1997 wurde durch die Antragsgegnerin zu 2.
mit Schreiben vom 15.04.1998 angenommen und durch den Vorstand gem. § 16 Abs.1 der
Allgemeinen Versicherungsbedingungen 1998 der A. Versorgungskasse
Versicherungsverein a.G. genehmigt (Anlagen zum Schreiben vom 18.08.2017, Bl. 54ff.
d.A.). Dieser Betrag ist in den oben berechneten Rentenansprüchen nicht berücksichtigt.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, ihr stünden Rentenansprüche aus den betrieblichen
Altersversorgungen des geschiedenen Ehemanns bei den Antragsgegnern im Wege des sog.
verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu. Diese dürften nicht um die
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gekürzt werden. Hierbei sei außerdem der
Betrag in Höhe von rund 250.000 DM mit einzuberechnen, den sich der Ehemann am
01.08.2000 aus der betrieblichen Altersversorgung bei der Antragsgegnerin zu 2. habe
auszahlen lassen. Denn der Antragsgegnerin zu 2. sei bekannt gewesen, dass diese
Versorgungsansprüche dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterfielen. Zudem sei
die Antragstellerin auch weder von ihrem geschiedenen Ehemann noch von der
Antragsgegnerin zu 2. über die Kapitalauszahlung informiert worden.
Die Antragsgegner vertreten die Auffassung, dass der Antragstellerin lediglich ein
Anspruch in Höhe des ehezeitlichen Anteils an der Altersrente des geschiedenen Ehemanns
wie im Schreiben vom 02.06.2016 berechnet zusteht. Die Beitragspflichten in der Krankenund
Pflegeversicherung seien hiervon durch den Versorgungsträger einzubehalten und
abzuführen. Hinsichtlich der erfolgten Kapitalauszahlung sei diese nicht in die Berechnung
mit aufzunehmen. Denn es habe einen Anspruch des geschiedenen Ehemanns auf
Kapitalauszahlung gegeben, der Antragsgegnerin zu 2. habe auch kein
Zurückbehaltungsrecht diesbezüglich zugestanden.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 23.05.2018 den Antrag zurückgewiesen. Gem.
§ 111 Abs.1 i.V.m. Abs.4 FGG-RG sei auf das Verfahren die nach Inkrafttreten des
Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf den Antrag seien die
Vorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG), nicht dagegen die bei
Scheidung geltenden §§ 1587 a bis p BGB a.F., anzuwenden. Diese seien mit der
Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des
Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 mit Inkrafttreten zum 01.09.2009 aufgehoben
worden und das bis dahin geltende Recht habe nur noch in Ausnahmefällen, geregelt in §§
48ff. VersAusglG, zur Geltung kommen sollen, die hier nicht vorlägen.
Eine rechtliche Grundlage für die von der Antragstellerin begehrte Teilhabe an der
Hinterbliebenenversorgung des Ehemanns bestehe danach nicht. Insbesondere ein
Anspruch aus
2 1.Alt. VersAusglG. Die Eheleute hätten die Anrechte auf betriebliche Altersversorgung
durch die notariell beurkundete Vereinbarung vom 03.02.1994 i.S.d. §§ 6-8 VersAusglG
dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach der Scheidung vorbehalten. In diesem
Fall erlösche der Anspruch auf schuldrechtliche Ausgleichsrente und ein Anrecht auf
Hinterbliebenenversorgung komme nicht zur Entstehung. Weitere Rechtsgrundlagen seien
nicht ersichtlich, eine analoge Anwendung des bis zum 31.08.2009 geltenden
komme nicht in Betracht.
Der Beschluss vom 23.05.2018 wurde der Antragstellerin zugestellt am 04.06.2018, an die
Antragsgegnerin zu 1. am 05.06.2018 und an die Antragsgegnerin zu 2. am 04.06.2018. Mit
am 20.06.2018 eingegangenen Schriftsatz vom 18.06.2018 legte die Antragstellerin
Beschwerde ein und begründete diese mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom
04.07.2018. Die Antragsgegner, vertreten durch die A. SE legten mit Schreiben vom
21.06.2018, eingegangen am 27.06.2018, Beschwerde gegen den Beschluss ein und
begründeten diese im gleichen Schriftsatz damit, dass die Antragsgegnerin zu 2. im
Rubrum fehlerhaft erfasst sei und die Kostenentscheidung § 30 der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen 1998 der A. Versorgungskasse widersprechen würden.
Die Antragstellerin trägt im Beschwerdeverfahren vor, dass die Vereinbarung der Eheleute,
nach der der wesentliche Teil der betrieblichen Altersversorgung des Ehemanns dem
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten wird, lediglich klarstellend und
deklaratorisch erfolgt sei. Dieser Fall sei von der Regelung des
nicht erfasst. Die Antragstellerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, vor Versterben des
Ehemanns eine gerichtliche Klärung herbei zu führen, denn dieser habe seine
Verpflichtungen aus dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bis zu seinem Tod erfüllt.
Der Antragstellerin stehe unter Anrechnung der bereits zum Ausgleich gekommenen
Anrechte in Höhe von 70 DM ein Anspruch auf verlängerten schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich in voller Höhe, insbesondere ohne Kürzung in Folge der
vorgenommenen Kapitalauszahlung zu. Insoweit fehle bislang eine entsprechende Auskunft
der Antragsgegnerin zu 2., so dass die Ansprüche weiterhin nicht beziffert werden könnten.
Das Gericht hat mit Verfügung vom 18.07.2019 Hinweise erteilt und eine Entscheidung im
schriftlichen Verfahren angekündigt.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde der
Antragstellerin ist teilweise begründet. Auf die ebenfalls form- und fristgerecht eingelegte
Beschwerde der Antragsgegner hin war das Rubrum zu korrigieren. Hinsichtlich der
Kostenentscheidung wird auf III. unten verwiesen.
Zutreffend hat das Familiengericht festgestellt, dass hinsichtlich des Verfahrens gem. § 111
Abs.1 i.V.m. Abs.4 FGG-RG die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens
in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden
Vorschriften anzuwenden sind.
Auf den Antrag sind ebenfalls nach zutreffender Feststellung des Familiengerichts
materiell-rechtlich die Vorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG), nicht
dagegen die bei Scheidung geltenden §§ 1587 a bis p BGB a.F., anzuwenden. Diese sind
mit der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des
Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 mit Inkrafttreten zum 01.09.2009 aufgehoben
worden. Die in §§ 48ff. VersAusglG geregelten Ausnahmefälle sind für das vorliegende
Verfahren nicht einschlägig.
Entgegen der Feststellungen des Familiengerichts im Beschluss vom 23.05.2018 besteht
jedoch ein Anspruch der Antragstellerin gem. § 25 Abs.1 VersAusglG auf Teilhabe an der
Hinterbliebenenversorgung bei den Antragsgegnerinnen. Insbesondere ist der Anspruch auf
Zahlung einer Ausgleichsrente im Wege des sog. verlängerten schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs nicht gem. § 25 Abs. 2 1. Alt. VersAusglG ausgeschlossen.
Der Antragstellerin steht grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe an der
Hinterbliebenenversorgung des verstorbenen Ehemanns gem. § 25 Abs.1 VersAusglG zu.
Danach besteht ein unmittelbarer Anspruch des Ausgleichsberechtigten gegen den
Versorgungsträger des nicht ausgeglichenen Anrechts. Voraussetzung ist, dass ein noch
nicht ausgeglichenes Anrecht vorliegt, welches eine Hinterbliebenenversorgung gewähren
muss, also zugunsten des überlebenden (zweiten) Ehegatten einen Anspruch auf
Versorgung (Witwenoder Witwerversorgung) einräumt. Dies ist vorliegend der Fall. Bei
den nicht im Versorgungsausgleich erfassten, sondern dem schuldrechtlicher
Versorgungsausgleich vorbehaltenen Anrechten auf betriebliche Altersversorgung handelt
es sich um noch nicht ausgeglichene Anrechte i.S.d.
Versorgungen gewähren auch einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Dies ergibt
sich aus der Auskunft der A. SE für die Antragsgegnerinnen vom 02.06.2016.
Der Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung ist nicht gem. § 25 Abs. 2
VersAusglG ausgeschlossen.
Grundsätzlich führt nach neuem Recht eine Vereinbarung der Ehegatten gemäß §§ 6 bis 8
VersAusglG dahingehend, dass anstelle des gesetzlich vorgesehenen Wertausgleichs bei der
Scheidung der Versorgungsausgleich nach der Scheidung durchgeführt werden soll, dazu,
dass gemäß § 25 Abs. 2 1. Alt. VersAusglG Ansprüche gegen den Versorgungsträger über
den Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten hinaus ausgeschlossen sind. Denn durch eine
solche Vereinbarung wird dem Versorgungsträger die Möglichkeit der sofortigen Kürzung
des Anrechts genommen, so dass sich im Vergleich sein Versicherungsfallrisiko erhöht.
Eine solche Vereinbarung stellt daher einen Vertrag zu Lasten des Versorgungsträgers dar
(Borth, Versorgungsausgleich, 7. Auflage 2014, Rn. 934).
Die Eheleute haben zwar vorliegend mit der notariell beurkundeten Vereinbarung vom
03.02.1994 den Ausgleich der betrieblichen Altersversorgungen dem schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich vorbehalten und damit eine Regelung über den schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich getroffen. Diese führt aber nicht zu einem Ausschluss gem. § 25 Abs.
2 VersAusglG. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist diese einschränkend auszulegen: die
Vereinbarung muss ursächlich dafür sein („wegen“), dass das betroffene Anrecht nicht bei
Scheidung ausgeglichen worden ist. Wäre es auch ohne die Vereinbarung als nicht
ausgleichsreif i.S.d. § 19 Abs. Nr. 1 VersAusglG behandelt worden, steht die Vereinbarung
dem Anspruch nicht entgegen (Norpoth/Sasse in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 25
VersAusglG, Rn. 8 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall war den Eheleuten zum Zeitpunkt ihrer Ehescheidung unter
Berücksichtigung der eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten nach altem Recht eine
anderweitige Entscheidung über den Zeitpunkt des Wertausgleichs der betrieblichen
Altersversorgung des Ehemannes nicht möglich.
§ 2 VAHRG a.F. regelte, dass Anwartschaften, die nicht bei einem öffentlich-rechtlichen
Versorgungsträger bestanden, also insbesondere auch private betriebliche
Altersversorgungen, schuldrechtlich auszugleichen waren, d.h. gemäß §§ 1587g bis 1587n
BGB a.F.. Der anderweitige, erweiterte (öffentlich-rechtliche) Ausgleich auch privater
betrieblicher Altersversorgungen war über § 3b VAHRG a.F. in Form des betragsmäßig der
Höhe nach begrenzten - vorliegend auch in Höhe von 70 DM monatlich durchgeführten -
erweiterten öffentlich-rechtlichen Ausgleichs (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG a.F.) - oder in
Form der Anordnung der Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung (§ 3b Abs.
1 Nr. 2 VAHRG a.F., höhenmäßig ebenfalls begrenzt durch
möglich. Jedenfalls die Anordnung der Beitragszahlung scheiterte aber in der Regel an dem
Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Ausgleichsverpflichteten
gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 VAHRG a.F.
Wie sich aus der von der Antragstellerin mit ihrem Antrag eingereichten Berechnung des
Rentenberaters ( E. F ... ) vom 02.11.1993 ergibt, war der erweiterte öffentlich-rechtliche
Ausgleich der betrieblichen Altersversorgungen des Ehemanns bei Ehescheidung lediglich
in Höhe von 70 DM möglich. Eine Beitragszahlung in die BfA wäre vor dem Hintergrund
der hieraus resultierenden voraussichtlichen Rentenhöhe im Vergleich zum
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unwirtschaftlich gewesen (vgl. Gutachten vom
02.11.1993, S. 5f.).
Für diesen Fall greift die Ausschlussvorschrift des § 25 Abs. 2 1. Alt. VersAusglG nicht ein.
Denn diese erfasst nicht solche Vereinbarungen nach altem Recht, wonach private
betriebliche Altersversorgungen dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten
bleiben sollen (so auch: OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 24.5.2017 - 3 UF 87/16 - über
beck-online). Der schuldrechtliche Ausgleich privater betrieblicher Altersversorgungen
nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht stellte - anders als
eine Vereinbarung anstelle des möglichen Wertausgleichs bei der Scheidung nach
geltendem Recht gemäß §§ 9 bis 19 VersAusglG - keine Vereinbarung zu Lasten eines
Versorgungsträgers dar (OLG Frankfurt a.M., a.a.O; OLG Hamm Beschl. v. 28.8.2012 - 3
UF 65/12, m.w.N. - über beck-online). Er war vielmehr der gesetzliche Regelfall für
Anrechte bei anderen als öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgern.
Indem die Eheleute vorliegend durch ihre Vereinbarung lediglich den in den gesetzlichen
Regelungen ohnehin vorgesehenen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bestätigten,
nahmen sie eine gemäß §§ 25 Abs.2, 6 Abs. 1 Ziff. 3 VersAusglG sanktionierte zeitliche
Verschiebung des Versorgungsausgleichs gerade nicht vor.
Die Antragsgegnerinnen sind der Antragstellerin danach zur Zahlung einer Ausgleichsrente
auf der Basis der in den Schreiben vom 02.06.2016 und 21.08.2019 mitgeteilten
Ausgleichswerte verpflichtet.
Die Berechnung der zu leistenden Ausgleichsrente erfolgt ohne Abzug von
Sozialversicherungsbeiträgen als Bruttorente. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt,
sind Sozialversicherungsbeiträge bei
VersAusglG nicht in Abzug zu bringen, weil diese Beiträge erst bei der
ausgleichsberechtigten Person anfallen (BT-Drucks. 16/10144, S. 67). Hiervon unabhängig
ist die nicht im familiengerichtlichen Verfahren zu klärende Frage, ob die Antragsgegner
bei Auszahlung der Rente zum Einbehalt der jeweiligen Sozialversicherungsbeiträge
berechtigt und verpflichtet sind.
Die durch die Antragsgegnerinnen an die Antragstellerin zu leistende
Hinterbliebenenversorgung ist dagegen nicht um den Betrag der am 01.08.2000
vorgenommenen Kapitalauszahlung an den ausgleichspflichtigen Ehemann in Höhe von
251.450 DM zu erhöhen.
Die Frage, welche Rechtsfolgen eine Auszahlung von Anrechten aus der betrieblichen
Altersversorgung als Kapital anstelle einer Rentenzahlung hat, wird durch § 22 VersAusglG
abschließend geregelt. Danach kann die ausgleichsberechtigte Person von der
ausgleichspflichtigen Person die Zahlung des Ausgleichswerts verlangen, wenn die
ausgleichspflichtige Person Kapitalzahlungen aus einem noch nicht ausgeglichenen
Anrecht erhält. Die Vorschrift greift insbesondere ein, wenn ein Kapital aus Anrechten der
betrieblichen Altersversorgung oder aus Anrechten des AltZertG zur Auszahlung kommt
(Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl. 2018 § 22 Rn. 5 m.w.N.).
Der ausgleichspflichtige Ehemann hat sich vorliegend zum 01.08.2000 den
mitgliedsfinanzierten Teil seiner Versorgung aus der A. Versorgungskasse als Kapital
auszahlen lassen. Für die Anwendbarkeit des § 22 VersAusglG ist unerheblich, ob das
Anrecht von vornherein auf eine Kapitalzahlung gerichtet ist oder ob ein ursprünglich auf
Rentenleistungen gerichtetes Anrecht - wie im vorliegenden Fall - erst später durch
Ausübung eines Kapitalwahlrechts in ein solches Anrecht umgewandelt wird. Eine
Anwendung des § 22 kommt auch in Betracht bei Anrechten, die im Zeitpunkt der
Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf eine Rente gerichtet waren und deren
Restausgleich nach § 1587f BGB aF oder nach § 2 VAHRG aF dem schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich vorbehalten worden ist (weil sie nach dem zum 31.8.2009 geltenden
Recht nicht vollständig ausgeglichen werden konnten), wenn und soweit diese Anrechte
nachehezeitlich kapitalisiert wurden (BGH
Sprenger, BGB, 7. Aufl. 2017, VersAusglG § 22 Rn. 2). § 22 VersAusglG erfasst vorrangig
solche Anrechte, die ursprünglich auf eine Rentenzahlung gerichtet waren, an deren Stelle
jedoch eine Kapitalzahlung aufgrund einer Kapitalumwandlung oder als Abfindung
getreten ist (BGH
Kapital, im Übrigen aber als Rente ausbezahlt, kommt § 22 neben § 20 VersAusglG zur
Anwendung (Norpoth/Sasse in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 22 VersAusglG, Rn. 2).
Der Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichswertes hinsichtlich der Kapitalzahlung ist gem.
§ 22 VersAusglG gegen den Ausgleichspflichtigen - vorliegend den Ehemann - gerichtet.
Zwar ist dieser mittlerweile verstorben. War der Anspruch im Zeitpunkt des Todes aber
bereits entstanden und fällig, geht ein bereits entstandener und fälliger Anspruch auf
Kapitalzahlung als Nachlassverbindlichkeit auf die Erben über (
Ein Anspruch auf Erhöhung der gem. § 25 Abs.1 VersAusglG zu zahlenden
Ausgleichsrente gegenüber den Antragsgegnern besteht dagegen nicht.
Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszahlungen gilt:
Zahlungen können gemäß
BGB erst ab dem Monat, in dem der Antrag rechtshängig wurde, d.h. vorliegend ab
01.05.2016, gefordert werden, da keine außergerichtliche Inverzugsetzung erfolgte.
Nach der Auskunft der Antragsgegner vom 02.06.2016, bestätigt durch das Schreiben vom
21.08.2019, besteht ein monatlicher Ausgleichsanspruch aus dem Pensionsvertrag bei der
Antragsgegnerin zu 1. in Höhe von 1.560,01 € sowie ein monatlicher Ausgleichsanspruch
aus der A. Versorgungskasse bei der Antragsgegnerin zu 2. in Höhe von 270,50 €.
Der im Scheidungsurteil des Amtsgerichts Hamburg - Familiengericht - vom 15.02.1994
erfolgte Teilausgleich in Höhe von 70 DM ist zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung
erfolgt rechnerisch mithilfe der aktuellen Rentenwerte gemäß § 53 VersAusglG. Da
vorliegend zwei betriebliche Altersversorgungen betroffen sind und beide im
Scheidungsurteil über den Teilausgleich von 70 DM erfasst wurden, ohne dass eine
konkrete Zuordnung zu einem Versorgungsträger erfolgte, erfolgt die Berücksichtigung ab
Rechtshängigkeit nach den prozentualen Anteilen der jeweiligen Versorgungen an der
Gesamtsumme. Bei einem monatlichen Ausgleichsanspruch aus der A. Versorgungskasse in
Höhe von 270,50 € sowie aus dem Pensionsvertrag in Höhe von 1.560,01€, zusammen
1.830,51 €, ergibt sich eine prozentuale Verteilung von 85,22 % bei der Antragsgegnerin zu
1. und 14,78 % bei der Antragsgegnerin zu 2.
Maßgeblicher Rentenwert (West) zum Ende der Ehezeit am 30.09.1992 war ein Betrag von
42,63 DM.
Die Rentenwerte (West) stellen sich ab dem 01.05.2016 wie folgt dar:
Ab dem 01.07.2015: 29,21 €
Ab dem 01.07.2016: 30,45 €
Ab dem 01.07.2017: 31,03 €
Ab dem 01.07.2018: 32,03 €
Ab dem 01.07.2019: 33,05 €
Daraus ergibt sich folgende Rückstandsberechnung:
Vom 01.05.2016 bis 30.06.2016 bestand ein Anspruch auf Zahlung eines monatlichen
Betrages in Höhe von insgesamt 1.782,55 Euro. Dieser errechnet sich aus dem gesamten
monatlichen Ausgleichsbetrag von 1.830,51 € abzüglich dem umgerechneten Teilausgleich
von 47,96 € [70 DM Teilausgleich geteilt durch 42,63 DM Rentenwert am Ende der Ehezeit
mal 29,21 € aktueller Rentenwert]. Dieser Betrag ist im Verhältnis von 85,22 % und 14,78
% auf die Antragsgegnerin zu 1. bzw. Antragsgegnerin zu 2. aufzuteilen, d.h. 1.519,09 €
monatlich für die Antragsgegnerin zu 1. und 263,46 € monatlich für die Antragsgegnerin zu
2..
Für die zwei Monate vom 01.05.2016 bis 30.06.2016 ergibt dies einen Rückstand für die
Antragsgegnerin zu 1. von 3.038,18 € und für die Antragsgegnerin zu 2. von 526,92 €.
Für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.06.2017 ergibt sich ein monatlicher Betrag von
1.780,51 Euro (Ausgleichsbetrag von 1.830,51 € abzüglich dem umgerechneten
Teilausgleich von 50 € [70 DM Teilausgleich geteilt durch 42,63 DM Rentenwert am Ende
der Ehezeit mal 30,45 € aktueller Rentenwert]). Dieser Betrag ist wiederum im Verhältnis
von 85,22 % und 14,78 % auf die Antragsgegnerin zu 1. bzw. Antragsgegnerin zu 2.
aufzuteilen, d.h.1.517,35 € monatlich für die Antragsgegnerin zu 1. und 263,16 € monatlich
für die Antragsgegnerin zu 2..
Für die zwölf Monate vom 01.07.2016 bis 30.06.2017 ergibt dies für die Antragsgegnerin
zu 1. einen Rückstand von 18.208,20 € und für die Antragsgegnerin zu 2. von 3.157,92 €.
Für die Zeit vom 01.07.2017 bis 30.06.2018 ergibt sich ein monatlicher Betrag von
1.779,56 Euro (Ausgleichsbetrag von 1.830,51 € abzüglich dem umgerechneten
Teilausgleich von 50,95 € [70 DM Teilausgleich geteilt durch 42,63 DM Rentenwert am
Ende der Ehezeit mal 31,03 € aktueller Rentenwert]). Dieser Betrag ist wiederum im
Verhältnis von 85,22 % und 14,78 % auf die Antragsgegnerin zu 1. bzw. Antragsgegnerin
zu 2. aufzuteilen, d.h.1.516,54 € monatlich für die Antragsgegnerin zu 1. und 263,02 €
monatlich für die Antragsgegnerin zu 2..
Für die zwölf Monate vom 01.07.2017 bis 30.06.2018 ergibt dies für die Antragsgegnerin
zu 1. einen Rückstand von 18.198,48 € und für die Antragsgegnerin zu 2. von 3.156,24 €.
Für die Zeit vom 01.07.2018 bis 30.06.2019 ergibt sich ein monatlicher Betrag von
1.777,92 Euro (Ausgleichsbetrag von 1.830,51 € abzüglich dem umgerechneten
Teilausgleich von 52,59 € [70 DM Teilausgleich geteilt durch 42,63 DM Rentenwert am
Ende der Ehezeit mal 32,03 € aktueller Rentenwert]). Dieser Betrag ist wiederum im
Verhältnis von 85,22 % und 14,78 % auf die Antragsgegnerin zu 1. bzw. Antragsgegnerin
zu 2. aufzuteilen, d.h.1.515,14 € monatlich für die Antragsgegnerin zu 1. und 262,78 €
monatlich für die Antragsgegnerin zu 2..
Für die zwölf Monate vom 01.07.2018 bis 30.06.2019 ergibt dies für die Antragsgegnerin
zu 1. einen Rückstand von 18.181,68 € und für die Antragsgegnerin zu 2. von 3.153,36 €.
Ab dem 01.09.2019 sind Zahlung (in Höhe von insg. 1.776,24 €, abzüglich des
Teilausgleichs von 54,27 € [70 DM Teilausgleich geteilt durch 42,63 DM Rentenwert am
Ende der Ehezeit mal 33,05 € aktueller Rentenwert])) durch die Antragsgegnerin zu 1. in
Höhe von 1.513,71 € und durch die Antragsgegnerin zu 2. in Höhe von 262,53 € an die
Antragstellerin zu leisten.
Für die Monate Juli und August 2019 ergibt dies einen zusätzlichen Rückstand für die
Antragsgegnerin zu 1. von 3.027,42 € und für die Antragsgegnerin zu 2. von 525,06 €.
Rückstände bestehen zusammengefasst in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1. in Höhe von
60.653,96 €, in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2. in Höhe von 10.519,50 €. § 25 Abs. 4
VersAusglG verweist auf § 20 Abs. 3 VersAusglG. In dieser Vorschrift sind die
Voraussetzungen des Verzugs geregelt, so dass entsprechend nach
i.V.m. § 1613 Abs. 1 BGB auch eine Verzinsung der rückständigen Beträge verlangt werden
kann (s. § 288 Abs. 1 BGB).
Ab dem 01.09.2019 sind Rentenzahlungen durch die Antragsgegnerin zu 1. in Höhe von
1.513,71 € und durch die Antragsgegnerin zu 2. in Höhe von 262,53 € an die
Antragstellerin zu leisten. Die Zahlungen sind jeweils gemäß der oben ausgeführten
Berechnungsweise bei künftigen Änderungen des Rentenwerts entsprechend anzupassen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 80, 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Für die
Kostenentscheidung allein maßgeblich sind die gesetzlichen Bestimmungen. Ob die
Versicherungsbedingungen zwischen dem verstorbenen Ehemann und den Antragsgegnern
möglicherweise eine andere Kostenverteilung, insbesondere eine Kostenübernahme durch
die Antragstellerin vorsehen, ist nicht im familienrechtlichen Verfahren, sondern gesondert
zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern zu klären.
Der Senat hat gemäß
keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren, worauf die Beteiligten vorab
hingewiesen worden sind.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamburg
Erscheinungsdatum:30.08.2019
Aktenzeichen:2 UF 74/18
Rechtsgebiete:
Ehegatten- und Scheidungsunterhalt
Versorgungsausgleich
Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Kindes- und Verwandtenunterhalt
VersAusglG §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3, 22, 25 Abs. 1, 2 u. 4, 53; VAHRG a. F. §§ 2, 3b Abs. 1 Nr. 2 S. 1; BGB a. F. § 1587f