Löschung einer Gesamtgrundschuld; kostenrechtliche Gleichbehandlung des letzten Belastungsgegenstandes
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Dokumentnummer: 11wx35_11
letzte Aktualisierung: 26.4.2012
OLG Karlsruhe, 1.3.2012 – 11 Wx 35/11
Löschung einer Gesamtgrundschuld; kostenrechtliche Gleichbehandlung des letzten
Belastungsgegenstandes
1. Wird nach vorausgegangenen Pfandfreigaben die nur noch auf einem Wohnungseigentum
lastende Globalgrundschuld auf Antrag des Eigentümers dieses Wohnungseigentums gelöscht, so dürfen die diesen Eigentümer betreffenden Gebühren nicht nach anderen Grundsätzen berechnet werden als bei den Pfandfreigaben zugunsten der anderen Wohnungseigentümer; die Haftung ist auf die Höhe der aus dem Wert der Eigentumswohnung berechneten Gebühr begrenzt. (amtlicher Leitsatz)
2. Ebenso BayObLG
Beschluss v. 10.01.2008, 32 Wx 201/07; OLG Köln
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 wird die Kostenrechnung des Grundbuchamtes
W. vom 19. Oktober 2010 – Referat 1 GRG 1659/2010 – abgeändert wie folgt: Für die Löschung der Grundschuld über 673.882,70 EUR wird eine Löschungsgebühr von 74,25 EUR,
für die Löschung der Grundschuld über 6.064.944,29 EUR wird eine Gebühr von 74,25 EUR
erhoben. Im Übrigen bleibt die Kostenrechnung unverändert.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.12.1999 (UR …) erwarb der Beschwerdeführer von der
S. Aktiengesellschaft eine Eigentumswohnung mit Kellerraum und Abstellplatz, bestehend
aus 35/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flst. Nr. (…), verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 16 bezeichneten Wohnung, eingetragen im
Grundbuch von W. Nr. (…), 1/1000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flst. Nr. (…),
verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 25 bezeichneten Kellerraum, eingetragen im Grundbuch von W. Nr. (…) sowie 1/375 Miteigentumsanteil an dem
Grundstück Flst. Nr. (…), verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan
mit Nr. 172 bezeichneten Abstellplatz, eingetragen im Grundbuch von W. Nr. (…).
Am 07.04.2000 wurden auf Antrag der S. AG in den Grundbüchern Nr. (…) und (…) und
sämtlichen weiteren das Grundstück Flst. Nr. (…) betreffenden Wohnungs/Teileigentumseinheiten zwei Globalgrundschulden zugunsten der R. AG in Abteilung III
Nr. 2 über 1.318.000 DM (= 673.882,70 EUR) und Abteilung III Nr. 3 über 11.862.000 DM
(= 6.064.944,29 EUR) eingetragen.
Mit Ausnahme der Grundbücher Nr. (...) und (...), in denen die Eigentumswohnung und der
Kellerraum des Beschwerdeführers verzeichnet sind, wurden die Globalgrundschulden inzwischen für die übrigen Wohnungs-/Teileigentumseinheiten im Wege der Pfandentlassung gelöscht.
Mit notarieller Urkunde vom 26.08.2010 vereinbarten die Beteiligten zu 1 und 2 eine Ergänzung zum vorgenannten Kaufvertrag. Darin ist festgehalten, dass bis auf die Schlusszahlung
in Höhe von 5.385,09 EUR der Kaufpreis bezahlt sei, die Schlusszahlung sei wegen vorhandener Baumängel vom Käufer einbehalten worden. Die Vertragsparteien hätten sich nunmehr
darauf geeinigt, dass eine Schlusszahlung vom Beteiligten zu 2 nicht mehr zu zahlen sei und
der Beteiligte zu 2 sämtliche Löschungskosten gegenüber dem Grundbuchamt übernehme.
auch ein Löschungsantrag des Käufers hinsichtlich der in Abteilung III der Grundbücher eingetragenen Belastungen für die R. AG.
Mit Zwischenverfügung vom 21.10.2010 hat das Grundbuchamt W. für den Vollzug der Urkunde unter anderem die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 5.062,25 EUR durch
den Beschwerdeführer begehrt, dem eine Kostenrechnung zugrunde lag, in der für die Grundschuld über 673.882,70 EUR aus diesem Nennbetrag eine halbe Gebühr als Löschungsgebühr
in Höhe von 538,50 EUR und für die Grundschuld in Höhe von 6.064.944,29 EUR eine halbe
Gebühr als Löschungsgebühr aus dem Nennbetrag in Höhe von 4.122,50 EUR angesetzt worden ist. Der Vollzug der Anträge ist von dem Nachweis der Zahlung dieses Kostenvorschusses abhängig gemacht worden.
Gegen Abs. d) dieser Zwischenverfügung – Kostenvorschuss und Abhängigmachung – hat
der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt, mit dem Begehren, die Löschungskosten nicht
nach dem Nominalwert der Grundschulden, vielmehr nach dem Geschäftswert, der sich nach
dem Wert des fraglichen Wohnungseigentums bestimme, zu erheben. Der Beteiligte zu 2 ist
am 31.03.2011 als Eigentümer eingetragen worden.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 06.04.2011 nicht abgeholfen und
sie dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
Auf die vom Senat eingeholte Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 03.05.2011 wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gem.
§ 8 Rdn. 23 ff. Stand 2. Auflage August 2006) und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Grundbuchamt wie der Bezirksrevisor sind der Auffassung, dass die Kosten für die
Löschung der Grundschulden nach
aus dem Geschäftswert gem.
berechnen seien. Diese Kosten hat das Grundbuchamt richtig berechnet.
Die Beschwerde vertritt dagegen die Auffassung, dass im Falle der Löschung einer Globalgrundschuld, die nach erfolgten Freigaben nur noch auf einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit lastet, nicht mehr Gebühren erhoben werden dürfen als bei der Entlassung aus der
Mithaft wie bei den vorherigen Eigentümern.
Für die Entlassung aus der Mithaft wird nur die Hälfte der Gebühr erhoben, die für die Eintragung der Einbeziehung in die Mithaft zu erheben sein würde, also ¼ der vollen Gebühr aus
dem Wert des Wohnungseigentums gem. §§ 68 Satz 1 Hs. 2, 63 Abs. 1 u. 4, 23 Abs. 2 Hs. 2
KostO (vgl. Rohs/Wedewer a.a.O. Aktualisierung 2. Auflage November 2011 § 68 Rdn. 6 b).
152.876,27 EUR auf zwei Gebühren in Höhe von jeweils 74,25 EUR belaufen.
2. In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, wie die Löschung einer Globalgrundschuld
gebührenrechtlich zu behandeln ist, die bei Errichtung einer großen Wohnanlage bestellt worden ist und nach vorgängigen Pfandentlassungen nur noch auf einem Wohnungseigentum
lastet (vgl. Rohs/Wedewer a.a.O. § 68 Rdn. 6 b).
a) Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur vertritt die Auffassung, dass sich die Gebührenberechnung und der Geschäftswert auch dann nach dem Nennbetrag der Globalgrundschuld
bemisst, wenn vom letzten Erwerber eines Grundstücksanteils die Löschung einer Globalgrundschuld beantragt wird, die nach Entlassung der übrigen Anteile aus der Mithaft nur
noch auf diesem letzten Anteil lastet und dessen Wert nennbetragsmäßig übersteigt (vgl. OLG
Düsseldorf
Aufl. § 68 Rn.5). Nach dieser Auffassung kommt eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 2.
Hs. KostO insoweit nicht in Betracht. Zum Einen sei der Gesetzeswortlaut eindeutig, zum
Anderen weise die gesetzliche Regelung des
verstoße insoweit nicht gegen die verfassungsmäßigen Gebote der Verhältnismäßigkeit und
Gleichbehandlung (OLG Düsseldorf a.a.O.). Nach dem notwendigerweise formalisierten System der Kostenordnung richte sich der Gebührenanfall nach konkreten Lebenssachverhalten
und hänge grundsätzlich nicht davon ab, welches Interesse die Person habe, die die Eintragung beantrage und deshalb als Kostenschuldner heranzuziehen sei. Es handele sich bei der
Entlassung aus der Mithaft um einen anderen Lebenssachverhalt als bei der Löschung eines
Gesamtrechts. Deshalb sei aufgrund des verschiedenen Abgeltungsbereichs der Gebühren
keine Gleichbehandlung wegen
f.). Auch das OLG Hamm (
abgeleiteten Justizgewährungsanspruch nicht vereinbar wäre, wenn der Rechtssuchende mit
einem Kostenrisiko belastet würde, welches außer Verhältnis zu seinem subjektiven Interesse
an dem Verfahren stehe. Die zum Verfahren nach
des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 12.02.1992 (
könnten deshalb grundsätzlich auch im Eintragungsverfahren der Grundbuchordnung Geltung
beanspruchen.
b) Nach anderer Auffassung dürfen die den „letzten“ Eigentümer als Antragsteller betreffenden Gebühren nicht nach anderen Grundsätzen berechnet werden als bei den Pfandfreigaben
zugunsten der anderen Wohnungseigentümer. Seine Haftung begrenze sich also auf die Höhe
des aus dem Wert der Eigentumswohnung berechneten Gebühr (vgl. BayObLG Rpfleger
1992, 540 f., OLG Dresden
Wx 201/07, Juris; OLG Köln
des Bundesverfassungsgerichts (
Gleichheitssatz des
GG zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben. Gebühren für staatliche Leistungen dürften nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen
Staatsleistung festgesetzt werden, die Verknüpfung zwischen den Kosten und der Gebührenhöhe müsse sachgerecht sein. Der Gesetzgeber sei allerdings nicht gehindert, neben der Kostendeckung weitere Ziele zu verfolgen und bei den Gebührenmaßstäben auch den Wert der
staatlichen Leistung zu berücksichtigen. Die dem Einzelnen auferlegte Gebühr dürfe jedoch
nicht außer Verhältnis zu den mit der Gebührenregelung verfolgten Zwecken stehen. Darüber
hinaus gebiete der Gleichheitsgrundsatz, dass die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei es danach
nicht zu vereinbaren, wenn für die Löschung ursprünglich durch einen umfangreichen Grundbesitz gesicherter Globalgrundschulden von dem letzten nach der Aufteilung noch „belasteten“ Wohnungseigentümer über die Heranziehung des Nennbetrages der Globalgrundschulden als Geschäftswert Gebühren erhoben würden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des
Gebührenschuldners an dieser staatlichen Leistung stünden. Dieses Interesse werde durch den
Wert des belasteten Wohnungseigentums begrenzt. Es verstoße auch gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung der Wohnungseigentümer als Gebührenschuldner, denjenigen von ihnen,
welcher zufällig als Letzter die Löschung der Globalgrundschulden veranlasse, für die Gebühren nach dem vollen Nennbetrag der Rechte haften zu lassen, während die übrigen vorgängig
aus der Mithaft entlassenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig geringe Gebühren lediglich aus dem Wert ihres jeweiligen Eigentums schuldeten. Von dem Zufall in der Reihenfolge
der Löschung dürfe eine derartige Gebührenfolge nicht abhängig gemacht werden. Hinzu käme, dass die staatliche Leistung bei einer Entlassung eines jeden Miteigentümers aus der Mithaft durch die Summe der dadurch anfallenden Gebühren wegen der in der Gebührentabelle
enthaltenen Degression höher abgeholten werde als bei der gleichzeitigen Löschung der
Grundschulden auf allen betroffenen Eigentumswohnungen. Wirtschaftlich gesehen aus der
Sicht des letzten Erwerbers bewirke die Löschung der Gesamtgrundschuld und die Entlassung
aus der Mithaft das Gleiche, nämlich, dass das eigene Grundstück von einer Belastung, die
notwendigerweise durch den Wert des Grundstücks wirtschaftlich begrenzt sei, befreit werde
(OLG Dresden a.a.O.).
c) Auch der Senat schließt sich im vorliegenden Fall des Löschungsantrags des letzten Eigentümers der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Oberlandesgerichte Köln und München an, insbesondere wegen des überzeugenden Arguments, dass der
unterschiedliche Gebührenanfall lediglich dem Zufall geschuldet ist, d.h., dass bei Kenntnis
der Wohnungseigentümer diese Gebührenregelung einen Wettlauf der Entlassungsausträge
aus der Mithaft verursachen müsste. Die mangelnde Verhältnismäßigkeit der anderen Lösung
wird besonders in dem vom Bayerischen Obersten Landesgericht durch Beschluss vom
15.07.1993 entschiedenen Fall (
der Wohnanlage und der Höhe der Globalgrundschulden vom Grundbuchamt eine Gebühr
von 18.451,50 DM als Löschungsgebühr berechnet wurde, während sich der Wert des noch
belasteten Tiefgaragenstellplatzes auf ca. 15.000 DM belief.
Grundlage der zum Verfahren nach
Lösung nicht vorzuziehen, da sie nicht den klaren Vorzug der rechnerischen Gleichheit und
Kalkulierbarkeit für den erwerbenden Wohnungseigentümer hat.
3. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beschwerdeführer in dem Ergänzungsvertrag vom 26.08.2010 unter II. Abs. 3 die Gerichtskosten für die Löschung der eingetragenen Grundpfandrechte übernommen hat. Diese gegenüber dem Verkäufer abgegebene
Erklärung führt gegenüber der Staatskasse nicht zu der Verpflichtung, auch die Gebühren
nach einem bestimmten Löschungstatbestand zu übernehmen. Im Übrigen lässt auch die oben
ausgeführte Rechtsauffassung des Senats und der anderen Oberlandesgerichte die Feststellung, dass es sich bei der rechtlichen Bewertung um einen Löschungsvorgang, nicht um eine
Entlassung aus der Mithaft handelt, unangegriffen, sondern wendet lediglich eine andere Gebührenvorschrift im Sonderfall des antragstellenden letzten Eigentümers begrenzend auf diesen Tatbestand an.
III.
Gem.
IV.
Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen
(
Rdn. 85).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum:29.02.2012
Aktenzeichen:11 Wx 35/11
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Grundpfandrechte
MittBayNot 2012, 411
FGPrax 2012, 130-131
ZWE 2012, 228-229
KostO § 23; BGB §§ 1192, 1132