Reichweite einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bei Grundstücksveräußerungen
letzte Aktualisierung: 29.11.2019
OLG Naumburg, Beschl. v. 29.4.2019 – 12 Wx 16/19
BGB §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2, 1908i Abs. 1;
Reichweite einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bei Grundstücksveräußerungen
Hat das Betreuungsgericht die Erklärungen der Betreuerin in der notariellen Urkunde betreffend den
Verkauf eines Grundstücks genehmigt, umfasst diese Genehmigung nach Auslegung alle
Erklärungen, die durch die Betreuerin in der genannten Urkunde abgegeben wurden, auch die
Löschung einer Grundschuld in Abteilung III des Grundbuchs.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1), zu deren Gunsten unter anderem für den Aufgabenkreis "Grundstücksangelegenheiten"
eine gerichtliche Betreuerin bestellt wurde, ist im Grundbuch von B. ,
Blatt …, als Alleineigentümerin des Grundstücks der Gemarkung B. , Flur 1, Flurstück
96 / 58 eingetragen seit 26. März 2018. Das Grundbuchblatt … ist am 13.07.2016 an die
Stelle des geschlossenen Grundbuchs von B. , Blatt 104, getreten.
Mit Urkunde der Notarin I. R. in St. vom 15. Januar 2019 verkaufte die Betreuerin,
das eingangs genannte Grundstück im Namen der Beteiligten zu 1) an die Beteiligte zu
2). Der Kaufvertrag enthielt zum Grundbuchbestand unter Ziff. I u.a. folgende Erklärung:
"(…)
Abteilung III (Grundpfandrechte, Hypotheken)
lfd. Nr. 1) 460,16 Euro Kaufgeld - ohne Brief - für A. E. geb. K. und F.
E.
lfd. Nr. 2) 10.225,84 € Grundschuld - ohne Brief - für die Bausparkasse H.
Die Notarin hat den Grundbuchinhalt am heutigen Tag elektronisch festgestellt und die
Markentabelle eingesehen.
Das in dem Grundbuch eingetragene Recht in Abteilung III laufende Nr. 1 soll durch
Sicherungshinterlegung eines Betrages von 613,55 € nach § 10 GBBerG weggefertigt
werden. Hierzu hat Frau P. heute einen entsprechenden Antrag beim Amtsgericht
Aschersleben gestellt.
Unter Vorlage der Löschungsbewilligung wird die Löschung des Rechts Abteilung III
lfd. Nr. 2 beantragt."
Ziff. III der Kaufvertragsurkunde enthielt hinsichtlich der Rechte des Käufers bei Sach- und
Rechtsmängeln u.a. folgende Regelung:
"(…)
b)
Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer ungehinderten Besitz und lastenfreies Eigentum
zu verschaffen, soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist.
(…)"
Ziff. VI des Vertrages hat folgenden Inhalt:
"VI.
Auflassung/Eigentumsvormerkung
der Verkäufer und der Käufer sind sich über den vorvereinbarten Eigentumsübergang
einig und bewilligen und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch.
Zur Sicherung des Anspruchs des Käufers auf Eigentumsübertragung bewilligt der
Verkäufer und beantragt der Käufer die Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883
BGB - bei mehreren im angegebenen Anteilsverhältnis - in das Grundbuch. Der Käufer
beantragt schon heute, die Vormerkung mit Eigentumsumschreibung zu löschen, vorausgesetzt,
dass seit Eintragung der Vormerkung keine Rechte ohne seine Mitwirkung
eingetragen wurden.
Allen zur Lastenfreistellung bewilligten Löschungen oder Rangänderungen wird mit
dem Antrag auf Vollzug zugestimmt, auch soweit weiterer Grundbesitz betroffen ist."
Mit Beschluss vom 21. Februar 2019, rechtskräftig seit 15. März 2019, genehmigte das Betreuungsgericht
des Amtsgerichts Bernburg, Az. 7 XVII 152 / 18, die durch die Betreuerin für
die Betroffene in der o.g. Urkunde abgegebenen Erklärungen. Der Tenor des Beschlusses
lautet wie folgt:
"In der Betreuungssache (…)
Werden die Erklärungen der V. P. als Betreuerin für die Betroffene C.
M. in der notariellen Urkunde vom 15.1.2019 der Notarin I. R. in
St. (Urkunden Nr. 65 / 2019) betreffen den Verkauf des im Grundbuch von
B. Bl. … unter lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundbesitzes
Flur 1 Flurstück 96 / 58 durch das Betreuungsgericht genehmigt."
(Hervorhebungen im Original enthalten)
Bereits mit notariell beglaubigter Erklärung vom 22. Mai 2013 hatte die Bausparkasse H.
AG die Löschung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld von 10.245,480 € bewilligt,
die heute in Abteilung III lfd. Nr. 2 im Grundbuch Bl. 1780 eingetragen ist.
Mit Schriftsatz vom 20. März 2019 beantragte die Notarin, die durch die Parteien des Kaufvertrages
mit dem Vollzug desselben beim Grundbuchamt beauftragt worden war, im Namen
der Beteiligten, das in Abteilung III unter laufende Nr. 2 eingetragene Recht auf Kosten des
Verkäufers zu löschen und die im Vertrag bewilligte Eigentumsvormerkung für den Erwerber
einzutragen. Mit ihrem Antrag legte sie eine beglaubigte Abschrift der Urkunde vom 15. Januar
2019, des Beschlusses des Betreuungsgerichts vom 21. Februar 2019 sowie der Löschungsbewilligung
vom 22. Mai 2013 vor.
Mit Zwischenverfügung vom 1. April 2019 wies das Grundbuchamt die antragstellende Notarin
darauf hin, dass die vorgelegte betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht die Löschung
der Rechte in Abteilung III abdecke. Hierzu sei eine ergänzende Genehmigung durch das
Betreuungsgericht nachzureichen.
Hiergegen legte die Notarin im Namen der Beteiligten mit Schriftsatz vom 8. April 2019 Beschwerde
ein. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, mit der vom Grundbuchamt bemängelten
betreuungsgerichtlichen Genehmigung würden die Erklärungen der Betreuerin
betreffend den Verkauf genehmigt. Hierzu gehörten ausweislich der Kaufvertragsurkunde Nr.
65 / 2019 auch die Verpflichtung zur Verschaffung lastenfreien Besitzes, wozu es unzweifelhaft
erforderlich sei, die in Abteilung III unter lfd. Nr. 2 eingetragene Grundschuld zu löschen
und die Löschung dieses Rechts durch die Verkäuferin zu beantragen.
Mit Beschluss vom 10. April 2019 hat das Grundbuchamt der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung an das Beschwerdegericht
abgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für die beantragte Löschung des
Rechts in Abteilung III lfd. Nr. 2 eine auf die Löschung gerichtete betreuungsgerichtliche Genehmigung
erforderlich sei, wie sich aus § 1821 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m.
Die durch die Notarin vorgelegte betreuungsgerichtliche Genehmigung betreffe aber
nur "den Verkauf" des Grundbesitzes. Nicht inbegriffen sei die Löschung der Rechte in Abteilung
III des Grundbuchs, denn von einem "lastenfreien Verkauf" sei in der betreuungsgerichtlichen
Genehmigung nicht die Rede.
II.
Die Beschwerde ist nach
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung des
Grundbuchamts nach § 18 Abs. 1 GBO kann keinen Bestand haben.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Grundbuchamt indes davon aus, dass eine betreuungsgerichtliche
Genehmigung erforderlich ist, wenn ein Betreuer wirksam über ein Grundstück des
Betreuten oder über ein Recht an einem solchen Grundstück, zu denen auch Grundschulden
gehören, verfügen will. Dies ergibt sich aus
2. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes liegt aber die notwendige Genehmigung
vor.
a) Die Bewilligung zur Löschung der Grundschuld als Willenserklärung der Betreuerin ergibt
sich unmissverständlich aus den oben zitierten Erklärungen in der Urkunde vom 15. Januar
2019, welche die Betreuerin im Namen der Beteiligten zu 1) abgegeben hat. Dies sind insbesondere
die folgenden Formulierungen:
"Unter Vorlage der Löschungsbewilligung wird die Löschung des Rechts (in) Abteilung
III lfd. Nr. 2 beantragt."
"Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Käufer (…) lastenfreies Eigentum zu verschaffen,
soweit in dieser Urkunde nichts anderes vereinbart ist."
"Allen zur Lastenfreistellung bewilligten Löschungen oder Rangänderungen wird mit
dem Antrag auf Vollzug zugestimmt."
b) Mit Beschluss vom 31. Februar 2019 hat das Betreuungsgericht "die Erklärungen" der
Betreuerin für die Betroffene in der notariellen Urkunde vom 15. Januar 2019 genehmigt.
Nach dem Wortlaut und auch nach Sinn und Zweck erfasst die Genehmigung alle Erklärungen,
die durch die Betreuerin in der genannten Urkunde abgegeben wurden, also auch die
Bewilligung und Beantragung der Löschung des in Abteilung III lfd. Nr. 2 des Grundbuchs
eingetragenen Rechts.
c) Der Senat vermag sich der Auffassung des Grundbuchamts nicht anzuschließen, dass für
eine umfassende Genehmigung aller in der Urkunde abgegebenen Erklärungen durch das
Betreuungsgericht die Formulierung "lastenfreier Verkauf" in dem Gerichtsbeschluss vom
21.02.2019 hätte Verwendung finden müssen. Diese besondere verbale Anforderung findet
im Gesetz keine Stütze. Vielmehr dürfte diese Ansicht auf einer fehlerhaften Auslegung des
Genehmigungsbeschlusses vom 21.02.2019 beruhen. Möglicherweise bezieht das Grundbuchamt
die Formulierung "betreffend den Verkauf" als Attribut auf das Wort "Erklärungen"
statt auf das Wort "Urkunde". Mit dem Satzteil "(…) betreffend den Verkauf des im Grundbuch
von B. Bl. … unter lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundbesitzes
Flur 1 Flurstück 96/58 (…)" hat das Betreuungsgericht aber lediglich den unmittelbar
davor genannten Vertrag, nämlich die "notarielle Urkunde vom 15. Januar 2019 der Notarin
I. R. in St. (Urk.- Nr. 65/ 2019)" näher bezeichnet. Es hat damit nicht etwa
die Genehmigung dahingehend beschränkt, dass nur die Erklärungen der Betreuerin zum
Abschluss des Kaufvertrages genehmigt werden sollten, nicht aber alle weiteren in der Urkunde
enthaltenen Erklärungen. Gegen die Auslegung des Grundbuchamts sprechen der
Wortlaut, der Satzbau, die Hervorhebungen im Text des Genehmigungsbeschlusses und vor
allem der Sinn der betreuungsrechtlichen Genehmigung der in der Urkunde enthaltenen,
voneinander abhängigen Erklärungen der Betreuerin. Hätte das Betreuungsgericht hingegen
in dem vom Grundbuchamt verstandenen Sinne entscheiden wollen, hätte es die Beschränkung
auf den schuldrechtlichen Kauf deutlich machen und den Antrag auf betreuungsgerichtliche
Genehmigung aller Erklärungen aus der Urkunde im Übrigen abweisen müssen.
3. Auch die zur Durchführung der beantragten Löschung des Rechts in Abteilung III lfd. Nr. 2
notwendige Löschungsbewilligung der Bausparkasse H. AG als Grundschuldgläubigerin
liegt vor. Bereits mit notariell beglaubigter Erklärung vom 22. Mai 2013 hatte die
Bausparkasse die Löschung der zu ihren Gunsten im Grundbuch von B. , Bl. 104, Abtei7
lung III lfd. Nr. 5 eingetragenen Grundschuld von 10.245,480 € bewilligt, die heute in Abteilung
III lfd. Nr. 2 im Grundbuch Blatt … eingetragen ist.
III.
Eine Kostenentscheidung und eine Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes
für das Beschwerdeverfahren sind nicht veranlasst (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:29.04.2019
Aktenzeichen:12 Wx 16/19
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Immobilienrechtliches Sonderrecht der neuen Bundesländer
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Vormerkung
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
NJW-RR 2019, 1352-1553
NotBZ 2019, 470-472
BGB §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2, 1908i Abs. 1; GBO § 18 Abs. 1