Zum Aneignungsrecht an herrenlosen Grundstücken
Verpflichtung'zur Verkehrssicherung ganz oder zum Teil enthoben sieht. Eine solche Entwicklung würde in der Tat neue
Gefahren entstehen lassen, die derjenige abwenden müßte,
der die Verkehrssicherung faktisch übernommen hat. So
liegen die Dinge hier aber nicht. ... (wird ausgeführt)
5.
Grundstücken)
Der Fiskus kann auf das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2
BGB verzichten. Im Falle eines wirksamen Verzichts kann
sich jeder Dritte das herrenlose Grundstück durch Erklärung
gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung im Grundbuch aneignen. Eigenbesitz oder ein Aufgebotsverfahren
(analog
erforderlich.
BGH, Urteil vom 7.7.1989 — V ZR 76/88 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer des im Grundbuch von K. Blatt 6 eingetragenen Grundstücks. Dieses Grundstück ist von landwirtschaftlichen Nutzflächen umgeben, die im Eigentum des Beklagten stehen.
Zu dem Anwesen der Kläger führt von der Gemeindestraße aus ein
ca. 300 m langer Schotterweg, der aus den Flurstücken 51/1 und 51/3
besteht. Das Flurstück 51/1 durchtrennt das Grundstück der Kläger,
das Flurstück 51/3 verläuft zwischen dem Grundbesitz des Beklagten.
Die beiden Flurstücke standen ursprünglich im Eigentum der Gemeinde A. Nach dem Verzicht der Gemeinde auf ihr Eigentum waren
sie im Grundbuch von A. Blatt 624 als herrenlos verzeichnet. Mit
Schreiben vom 25.2.1982 teilte die Oberfinanzdirektion Kiel dem
Amtsgericht mit, das Land Schleswig-Holstein verzichte auf sein
Aneignungsrecht an den Flurstücken.
Am 4.3.1982 erklärten der Beklagte und am 5.3.1982 die Kläger die
Aneignung der beiden Flurstücke gegenüber dem Grundbuchamt.
Aufgrund der Aneignungserklärung des Beklagten wurden die Flurstücke in das Bestandsverzeichnis des Grundbuchs eingetragen, das
den Grundbesitz des Beklagten ausweist. Die Rechtsbehelfe der
Kläger gegen die Eintragung blieben ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Hinsichtlich beider Flurstücke ist das Berufungsgericht
zutreffend davon ausgegangen, daß nach dem Verzicht der
Gemeinde A. auf das Eigentum das Land Schleswig-Holstein (Fiskus) auf das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2
Satz 1 BGB an dem herrenlosen Grundstück verzichten
konnte.
a)Angesichts der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts von der „äußersten Geringwertigkeit der Parzellen" kann mit dem angefochtenen Urteil
davon ausgegangen werden, daß der Eigentumsverzicht der
Gemeinde nicht der Zustimmung der Kommunalaufsichtsbehörde gemäß dem früheren § 78 Abs. 2 a der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein bedurfte.
b) Entgegen der Ansicht von Staudinger/Ertl (BGB 12. Aufl.
§ 928 Rdnrn. 24, 25) ist auch der Fiskus berechtigt, auf sein
Aneignungsrecht zu verzichten.
MittBayNot 1990 Heft 1
Anders als im Falle des gesetzlichen Erbrechts des Fiskus
fällt das Eigentum an einem herrenlosen Grundstück demnach
Grundstückseigentümer zu. Die sich aus den §§ 1936, 1942
Abs. 2, 2346 BGB ergebende Konsequenz des unmittelbaren
Anfalls der Erbmasse ohne Ausschlagungs- und Verzichtsmöglichkeit ist für die Regelung des
Gesetzgeber nicht gezogen worden. Dem Fiskus wird nur ein
Aneignungsrecht eingeräumt. Bis zu seiner - nicht fristgebundenen — Ausübung bleibt das Grundstück herrenlos.
Die Abhängigmachung des Eigentumserwerbs von einer
zeitlich nicht begrenzten Ausübung des Aneignungsrechts
(der Fiskus kann also sein Aneignungsrecht über längere
Zeiträume hinweg ruhen lassen), rechtfertigt die Annahme,
daß der Fiskus sein Aneignungsrecht auf andere übertragen
oder auf das Aneignungsrecht verzichten kann (h. M. vgl.
MünchKommlKanzleiter, 2. Aufl. § 928 Rdnr. 9; BGB-RGRK/
Augustin 12. Aufl. § 928 Rdnr. 8; Erman/Ronke, BGB, 7. Aufl.
§ 928 Rdnr. 10; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. § 928
Anm. 4 c; Süß,
c) Kann damit der Fiskus auf das Aneignungsrecht verzichten, so stellt sich die weitere Frage, ob der Verzicht zu seiner
Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf. Die
Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum sind geteilt.
Für das Eintragungserfordernis haben sich ausgesprochen:
Süß,
Rdnr. 10; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. § 928 Anm. 4 c;
OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1955, 15W 244/55. Die Eintragung
halten für entbehrlich: BGB-RGRK/Augustin 12. Aufl. § 928
Rdnr. 8; MünchKomm/Kanzleiter, § 928 Rdnr. 9; LG Hamburg,
Für die Wirksamkeit des Verzichts ohne Eintragung im
Grundbuch könnte sprechen, daß das Aneignungsrecht
selbst nicht im Grundbuch eingetragen ist und durch den
wirksamen Verzicht das Grundbuch (anders als imFalle der
eintragungsbedürftigen Rechtsänderungen i. S. der §§ 873,
877 BGB) nicht unrichtig würde. Das betroffene Grundstück
ist und bleibt herrenlos und wird dementsprechend im
Grundbuch ausgewiesen.
Die Frage der Eintragungsbedürftigkeit bedarf jedoch keiner
abschließenden Beantwortung, da die Klage auf Grundbuchberichtigung sowohl im Falle eines unwirksamen als
auch eines wirksamen Verzichts auf das, Aneignungsrecht
unbegründet wäre. Bei einem unwirksamen Verzicht unterliegen die Flurstücke nach wie vor dem Aneignungsrecht
des Fiskus. Die Kläger könnten dementsprechend nicht ihre
Eintragung in das Grundbuch erreichen. Aber auch im Falle
eines wirksamen Verzichts hätten die Kläger kein Eigentum
an den herrenlosen Flurstücken erworben (siehen unten
zu 2.).
2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß ein herrenloses Grundstück hinsichtlich dessen der Fiskus auf sein
Aneignungsrecht wirksam verzichtet hat, der Aneignung
unterliegt (vgl. Soerge//Mühl, BGB 11. Aufl. § 928 Rdnr. 4;
MünchKomm/Kanzlelter, 2. Aufl, § 928 Rdnr. 8; BGB-RGRK/
Augustin 12. Aufl. § 928 Rdnr. 8; Palandt/Bassenge, BGB
48. Aufl. § 928 Anm. 4 c). Ist ein Verzicht auf das Aneignungsrecht möglich, so wäre es nicht folgerichtig, die
Aneignung des herrenlosen Grundstücks durch Dritte auszuschließen.
r
3. Der originäre Eigentumserwerb an einem herrenlosen
Grundstück setzt dementsprechend den im Immobiliensachenrecht getroffenen Grundregeln (vgl. §§ 873, 900, 927
Abs. 2, 928 Abs. 2 Satz 2 BGB) die Eintragung in das Grundbuch voraus.
4. Weitere Voraussetzungen für die Aneignung eines herrenlosen Grundstücks bestehen dagegen nicht. Soweit im Falle
der Buchersitzung (
(
Eigenbesitz abhängig gemacht wird, lassen sich diese Einschränkungen nicht auf den Fall der Aneignung eines
herrenlosen Grundstücks übertragen (a. A. MünchKomm/
Kanz/eiter, a. a. 0., der — falls das Aneignungsrecht des
Fiskus nicht an den Eigenbesitzer abgetreten worden ist —
ein Aufgebotsverfahren entsprechend
Im Gegensatz zur Aneignung herrenloser Grundstücke soll
im Falle der Buchersitzung oder des Aufgebotsverfahrens
der wirkliche Eigentümer sein Recht gegen seinen Willen
verlieren. Der langjährige Eigenbesitz (ohne Entzug durch
den wirklichen Eigentümer) ist geeignet, nach außen den
Eindruck zu erwecken, der Eigenbesitzer sei auch der Eigentümer der Sache und könne dementsprechend nach seinem
Belieben mit ihr verfahren. In einem solchen Fall ist es
gerechtfertigt, nur dem Eigenbesitzer die Möglichkeit einzuräumen, nach Ablauf eines längeren Zeitraumes (der Gesetzgeber hat sich bei Grundstücken für 30 Jahre entschieden)
auch das Eigentum an der Sache zu erwerben. Im Falle der
Aneignung herrenloser Sachen ist die Situation dagegen
anders. Eigentumsrechte an der Sache werden durch die
Aneignung nicht beseitigt. Ein Schutzbedürfnis gegen die
sofortige Aneignung durch Dritte (durch Vorschaltung eines
Aufgebotsverfahrens oder des Erfordernisses eines langjährigen Eigenbesitzes) besteht nicht. Aus der Sicht dessen,
der das Eigentum aufgegeben oder auf das Aneignungsrecht verzichtet hat, ist daher ein 30-jähriger (oder auch ein
kürzerer) Eigenbesitz und/oder ein Aufgebotsverfahren für
die Aneignung nicht geboten. Dementsprechend hat der
Gesetzgeber auch an keiner Stelle Fristen, Eigenbesitz oder
die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens für die Aneignung
herrenloser beweglicher oder unbeweglicher Sachen vorgesehen. Im übrigen ist dem Vortrag der Kläger auch nicht
zu entnehmen, daß sie die fraglichen Flurstücke als ihnen
gehörend besessen haben (vgl. §872 BGB).
Für den originären Eigentumserwerb ist es auch ohne Bedeutung, ob durch die Aneignung der Eigentümer des Nachbargrundstücks berührt wird. Durch die Aufgabe des Eigentums und den Verzicht auf das Aneignungsrecht aus § 928
Abs. 2 Satz 1 BGB haben der Eigentümer und der Fiskus die
Sache für den Zugriff eines jeden Dritten freigegeben. Dem
Grundstücksnachbarn, in dessen Rechte am eigenen Grundstück durch die Aneignung nicht eingegriffen wird, kommt
kein Vorrang für die Aneignung gegenüber irgendeinem Dritten zu. Es ist auch — im Gegensatz zum Berufungsgericht
Grundstücks des Nachbarn durch die Aneignung des herrenlosen Grundstücks durch einen Dritten das Aneignungsrecht davon abhängen soll, ob der Dritte Eigenbesitzer der
herrenlosen Sache war.' Wäre der Beklagte 'Eigenbesitzer
gewesen, so wäre die wirtschaftliche Beeinträchtigung des
Grundstücks der Kläger (etwa infolge Durchtrennung durch
das herrenlose Flurstück) nicht geringer gewesen. Gleiches
würde auch im Falle des — selbst von den Klägern für möglich gehaltenen — gemeinschaftlichen Eigenbesitzes der
Parteien an dem fraglichen Flurstück gelten.
5. Ist damit Eigenbesitz für die wirksame Aneignung eines
herrenlosen Grundstücks nicht erforderlich, so wäre der Beklagte, der die Aneignungserklärung vor den Klägern abgegeben und auch die Eintragung in das Grundbuch erwirkt
hat, im Falle eines wirksamen Verzichts auf das Aneignungsrecht des Fiskus Eigentümer des Flurstücks 51/1 und
51/3 geworden. Eine Grundbuchberichtigung käme demnach
auch in diesem Falle nicht in Betracht. Ein schuldrechtlicher
Anspruch auf Übertragung des Eigentums auf die Kläger
ist nicht ersichtlich.
Die Klage mit dem Ziel, die Kläger als Eigentümer der Flurstücke in das Grundbuch einzutragen, ist daher unbegründet.
6. ZPO § 800 Abs. 1;. BGB §§ 1192 Abs. 1, 1142 (Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen eines zuletzt zu zahlenden
Teilbetrages einer Grundschuld)
1. Die Erklärung des Grundstückseigentümers, sich und den
jeweiligen Eigentümer wegen eines „zuletzt zu zahlenden
Teilbetrages" einer Grundschuld der sofortigen Zwangsvoll•
streckung zu unterwerfen, ist eintragungsfähig.
2. Im Rahmen des
nicht der Gläubiger eine Teilleistung annimmt, die fällige
Grundschuld in voller Höhe ablösen.
BGH, Beschluß vom 28.9.1989 — V ZB 17/88 — mitgeteilt von
D. Bundschuh, Richter am BGH
Aus dem Tatbestand:
Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 20.10.1986 bewilligte und
beantragte die Beteiligte zu 1, die am 17.11.1986 als Eigentümerin in
das Grundbuch eingetragen wurde, die Eintragung einer brieflosen
Grundschuld von 2.800.000 DM zugunsten der Beteiligten zu 2.
Außerdem unterwarf sie sich mit notarieller Urkunde vom gleichen
Tage „wegen des zuletzt zu zahlenden Teilbetrages von 600.000 DM
dieser Grundschuld nebst Zinsen hierauf ..:` der sofortigen
Zwangsvollstreckung in das Grundstück in der Weise, daß die
Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des
Grundstücks zulässig sein sollte, und bewilligte und beantragte,
diese Unterwerfung in das Grundbuch einzutragen. Mit Schreiben
vom 6.11.1986 beantragte der beurkundende Notar zugleich im
Namen der Beteiligten zu 2 unter anderem die Eintragung der Grundschuld sowie der Unterwerfung „wegen eines rangletzten Teilbetrages von 600.000 DM" in das Grundbuch. Entsprechend wurde die
Grundschuld am 17.11.1986 mit dem Zusatz eingetragen:,,... hinsichtlich des rangletzten Teilbetrages vollstreckbar nach
Unter Vorlage von Berichtigungsbewilligungen beider Beteiligten hat
die Beteiligte zu 2 beantragt, den eingetragenen Unterwerfungsvermerk dahin zu berichtigen, daß der jeweilige Eigentümer wegen des
zuletzt zu zahlenden Teilbetrages von 600.000 DM nebst Zinsen hierauf der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen ist. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die von ihr beanstandete Eintragung entspreche inhaltlich nicht der Unterwerfungserklärung und der Eintragungsbewilligung der Beteiligten zu 1. Zwischen dem titulierten und
dem nicht titulierten Teil der Grundschuld habe kein Rangverhältnis
geschaffen werden sollen. Der Sinn der Unterwerfung unter die
Zwangsvollstreckung wegen des zuletzt zu zahlenden Teilbetrages
liege vielmehr darin, daß sich der Vollstreckungstitel durch Teilzahlungen nicht erschöpfen solle, wenn diese nicht größer seien als der
nicht titulierte Teilbetrag der Grundschuld.
Der Rechtspfleger hat den Antrag, das Landgericht die als. Beschwerde geltende Erinnerung zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Beteiligte zu 2 weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Berichtigungsantrag
weiterverfolgt. Hilfsweise hat sie beantragt, ihrem Antrag mit der
MittBayNot 1990 Heft 1
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:07.07.1989
Aktenzeichen:V ZR 76/88
Erschienen in: Normen in Titel:BGB § 928 Abs. 2