Kein Scheingeschäft aufgrund Abrede eines bloßen Verhandlungsbevollmächtigten
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 964
letzte Aktualisierung: 26. September 2000
wenn eine Vertragspartei den notariellen Kaufvertrag selbst abgeschlossen
hat und dabei die Abrede ihres Verhandlungsbevollmächtigten zum Abschluß eines Scheingeschäfts (hier: sog. Unterverbriefung) nicht kennt. Über
eine Wissenszurechnung analog
Das mißlungene Scheingeschäft ist auch dann nichtig, wenn hierüber eine notarielle
Urkunde errichtet wurde.
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 17. März 1994 erwarben die Kläger eine noch zu
vermessende Teilfläche eines Grundstücks von 3.600 qm zum Preis von 43.200 DM.
-2Die Rechte aus diesem Grundstückskaufvertrag traten sie mit notariellem Vertrag vom
4. März 1995 an die Beklagten ab. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 43.200 DM beurkundet. Die Beklagten zahlten hierauf 10.000 DM.
Die Kläger verlangen die Rückabwicklung des Vertrages. Dieser sei nichtig,
weil mit dem Verhandlungsführer der Beklagten ein Preis von 385.000 DM vereinbart
worden sei. Auf sein Anraten sei jedoch nur ein Preis von 43.200 DM beurkundet worden, um die Folgen eines Weiterverkaufs zu einem höheren Preis innerhalb von zwei
Jahren zu umgehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Kläger hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Revision der Beklagten. Die Kläger
beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Vertrag sei nicht sittenwidrig oder als
Scheingeschäft nichtig, weil die Beklagten einen echten Geschäftswillen gehabt hätten.
Erklärungen ihres Verhandlungsführers zum wirklich gewollten Kaufpreis von
385.000 DM seien den Beklagten nicht zuzurechnen. Ebensowenig liege ein Dissens
vor. Es handle sich zwar um den Fall eines gescheiterten Scheingeschäfts (
jedoch dürften die Kläger sich hierauf nicht berufen. Schließlich könnten die Kläger den
Vertrag nicht wegen Arglist des Verhandlungsführers anfechten, da nicht festzustellen
sei, daß die Beklagten von der Scheinbeurkundung des Kaufpreises in Höhe von
43.200 DM gewußt hätten.
Die Kläger hätten den Vertrag jedoch wegen Irrtums wirksam angefochten.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Verhandlungsbevollmächtigte der Beklagten mit den Klägern vereinbart habe, der wirkliche Preis solle statt des
zu beurkundenden Betrages in Wahrheit 385.000 DM betragen. Hiervon hätten die Beklagten aber keine Kenntnis gehabt, so daß die Kläger irrtümlich davon ausgegangen
seien, dies entspräche auch dem wirklichen Geschäftswillen der Beklagten.
II.
Dies hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.
1. Zu Recht verneint das Berufungsgericht ein Scheingeschäft. Nach den getroffenen Feststellungen wollten die Beklagten den Vertrag so schließen, wie er tatsächlich
beurkundet wurde, und mußten so auch die Vertragserklärungen der Kläger verstehen.
Damit fehlt es an dem in
Simulation (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl. § 117 Rdn. 8).
Auf die mit den Klägern getroffene Scheingeschäftsabrede des Ehemanns der
Beklagten zu 1, dem die Beklagten die Vertragsverhandlungen überlassen haben,
kommt es entgegen der von den Revisionsbeklagten vertretenen Auffassung nicht an.
Eine unmittelbare Anwendung des
28. Januar 2000, V ZR 402/98,
zur Veröffentlichung bestimmt) scheidet aus, weil die Beklagten sich bei
Vertragsschluß nicht von dem Verhandlungsbevollmächtigten haben vertreten lassen.
Aber auch wenn man den Beklagten über
Verhandlungsgehilfen zurechnet (vgl.
1989, II ZR 179/88,
nichts. Es geht im vorliegenden Zusammenhang nicht um eine Wissenszurechnung,
sondern um das bei Geschäftsabschluß unter den Beteiligten notwendige Einverständnis, nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorzurufen, dessen Rechtswirkungen aber nicht eintreten lassen zu wollen. Diese Willensübereinstimmung, die hinter
der zum Schein abgegebenen Erklärung steht, ist ihrerseits nicht eine selbständige
rechtsgeschäftliche Willenserklärung (vgl. RGRK-Krüger/Nieland, BGB, 12. Aufl.,
§ 117 Rdn. 2; Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 117 Rdn. 4; Staudinger/Dilcher, BGB,
12. Aufl., § 117 Rdn. 12), die einer Auslegung zugänglich wäre, sondern gehört zum
Tatbestand des Scheingeschäfts (vgl. auch
objektiven Erklärungsinhalt abweichenden Willensübereinstimmung, die der Auslegung
vorgeht, hat der Senat bereits entschieden, daß das Verständnis des Verhandlungsbevollmächtigten nur insoweit von Bedeutung sein könne, als die abschließende Vertragspartei diese Vorstellungen selbst kannte (vgl. Senatsurt. v. 21. Februar 1986,
V ZR 126/84,
Auch insoweit geht es um eine Willensübereinstimmung, nämlich zum Abschluß eines
Scheingeschäfts. Dieser Wille muß bei den abschließenden Vertragsparteien vorhanden
sein und nur aus ihm ergibt sich wertungsmäßig die vom Gesetz festgelegte Nichtigkeitsfolge, weil eine Erklärung keine rechtsgeschäftliche Folgen haben kann, die die
Handelnden übereinstimmend nicht wollen. Insoweit wird
Konkretisierung der negativen Kehrseite der Privatautonomie bezeichnet (vgl. MünchKomm/Kramer, BGB, 3. Aufl., § 117 Rdn. 1). Daraus folgt, daß die notwendige Willensübereinstimmung nicht über eine Wissenszurechnung ersetzt werden kann. Bei den
Beklagten aber fehlte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Scheingeschäftswille. Sie wollten den Vertrag mit dem beurkundeten Inhalt abschließen, weil wovon das Berufungsgericht ausgeht - sie von der mit ihrem Verhandlungsbevollmächtigten getroffenen Abrede keine Kenntnis hatten.
2. Der Fall ist nach den Grundsätzen des mißlungenen Scheingeschäfts zu beurteilen, das von
MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl. § 118 Rdn. 8; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl.
§ 118 Rdn. 8). Nicht gefolgt werden kann dagegen seiner auf die Rechtsprechung des
Reichsgerichts (
Berufung auf die Nichtigkeit bei einem beurkundeten Vertrag verwehrt sei (OLG München
aaO;
Palandt/
Heinrichs, BGB, § 118 Rdn. 2; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl. § 118 Rdn. 8;
RGRK-Krüger/Nieland, BGB, § 118 Rdn. 2). Der von dem Reichsgericht zur Begründung seiner Ansicht herangezogene Gedanke von Treu und Glauben erfordert eine Einzelfallbetrachtung, die hier das von dem Berufungsgericht für richtig gehaltene Ergebnis nicht rechtfertigt. Denn die nicht ernst gemeinte Erklärung sollte hier anders, als es
das Reichsgericht in dem von ihm entschiedenen Fall angenommen hat, nicht zu Täuschungszwecken gegenüber den Beklagten verwendet werden. Weder wollte der Verhandlungsbevollmächtigte der Beklagten die Kläger, noch wollten die Kläger die Beklagten durch Täuschung zum Vertragsabschluß bestimmen. Auch die Beurkundungsfunktion des
nicht.
Grundstückseigentum vor übereilten Verträgen zu bewahren und ihnen reifliche Überlegungsfreiheit sowie sachkundige und unparteiische Beratung durch den Notar zu gewähren (Warn- und Schutzfunktion) sowie den Inhalt der Vereinbarung klar und genau
festzustellen und die Beweisführung zu sichern (Beweis- und Gewährsfunktion; Senatsurt. v. 7. Oktober 1994, V ZR 102/93,
erstrecken sich zwar auch auf die Frage, ob die zu beurkundenden Willenserklärungen
ernstlich gemeint sind.
das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden sollen. Das rechtfertigt aber nicht, die Nichtigkeitsfolge des
daß die Erklärungen der Parteien einen anderen Inhalt haben können, als sich aus ihrem
Wortlaut erschließt. Insbesondere ist es möglich, daß eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung - ohne einen Belehrungsvermerk des Notars nach
der Ansicht war, die mangelnde Ernstlichkeit werde erkannt werden, nicht dagegen
auch, daß die Nichternstlichkeit dem Empfänger oder dem Notar hat auffallen müssen
(MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl., § 118 Rdn. 4; Soergel/Hefermehl, BGB,
13. Aufl., § 118 Rdn. 7). Auch die Anwendung der zur sog. falsa demonstratio entwickelten Grundsätze auf beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte (Senat,
zeigt, daß es bei notariellen Urkunden keinen Verkehrsschutz davor gibt, daß den beurkundeten Erklärungen ein anderer Inhalt zukommen kann, als er sich aus dem Wortlaut
erschließt. Deswegen ist es kein Wertungswiderspruch, wenn eine von dem Notar und
dem Vertragspartner als solche nicht erkannte nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung nicht gelten soll (a.A. OLG München aaO). Das Vertrauen in die Gültigkeit der
Erklärung wird insoweit allein durch
3. Nach alledem ist der Vertrag gemäß
Frage, ob er wirksam angefochten wurde, nicht mehr ankommt. Die Revision ist vielmehr mit der Kostenfolge aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:26.05.2000
Aktenzeichen:V ZR 399/99
Erschienen in:
DNotI-Report 2000, 160
DNotZ 2000, 928-931
NotBZ 2000, 303-304
ZNotP 2000, 429-430
BGB §§ 117, 118, 166, 313 S. 1