Auslegung einer allgemeinen Mehrheitsklausel im Zusammenhang mit Verschmelzung
letzte Aktualisierung: 17.8.2022
OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.5.2022 – 7 AktG 1/22
UmwG §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 2, 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 1, 29 Abs. 1, 34, 43
Auslegung einer allgemeinen Mehrheitsklausel im Zusammenhang mit Verschmelzung
1. Da § 13 Abs. 2 UmwG das Zustimmungserfordernis zur Verschmelzung durch eine Verweisung
auf das gesellschaftsvertragliche Zustimmungserfordernis bei der Abtretung regelt, gelten auch
Einschränkungen und besondere Voraussetzungen des vertraglichen Sonderrechts für das dadurch
begründete gesetzliche Sonderrecht. Eine Auslegung der Vertragsregel, die die Zustimmung zur
Abtretung regelt, ist sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung zu übertragen.
2. Die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist nicht dahin beschränkt, dass nur gewöhnliche
Beschlussgegenstände erfasst werden, nicht aber solche, die die Grundlagen der Gesellschaft
betreffen oder sich auf ungewöhnliche Geschäfte beziehen. Müsste anhand der Vertragsregeln
angenommen werden, die Gesellschafter wollten Umwandlungen nicht einem Mehrheitsbeschluss
unterwerfen, sondern nur weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa Satzungsänderungen, dann
könnte die Mehrheitsklausel auch nach Aufgabe des Bestimmtheitsgrundsatzes den Anforderungen
des § 43 Abs. 2 Satz 1 UmwG nicht genügen.
3. Ob das Umtauschverhältnis als wirtschaftlich angemessen oder gar richtig zu beurteilen ist, ist
nicht Gegenstand der Prüfung, ob § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eingehalten worden ist.
4. Abweichend vom allgemeinen Beschlussmängelrecht führt es nicht zur Anfechtbarkeit oder
Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses, wenn das Abfindungsangebot komplett fehlt, zu
niedrig bemessen ist oder aus anderen Gründen als nicht ordnungsgemäß zu beurteilen ist. Solche
Mängel sind nicht mit einer Unwirksamkeitsklage, sondern im Spruchverfahren geltendzumachen.
Gründe
Die Erhebung der Klage steht der Eintragung der Verschmelzung nicht entgegen, weil die
Klage offensichtlich unbegründet ist (§ 16 III 3 Nr. 1 UmwG). Sie erweist sich auf Grund des
unstreitigen Vortrages, ohne dass es weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedarf, zweifelsfrei
als unbegründet (vgl. Widmann/Mayer-Fronhöfer, UmwR, Stand: 197. Lfg.,
Rdnr. 152 f.; Schmitt/Hörtnagl-Winter, UmwG, 9. Aufl. 2020, § 16 Rdnr. 56, 58 m. zahlr. w.
Nachw.).
Keiner der mit der Klage (AS 13 = Bl. 310 ff.) vorgetragenen Erwägungen spricht für die
Unwirksamkeit der Verschmelzungsbeschlüsse.
1. Die Antragsgegnerin meint, die Verschmelzungsbeschlüsse hätten gemäß § 13 II UmwG
ihrer Zustimmung bedurft, die sie nicht erklärt hat. Ihr Sonderrecht zur Genehmigung von
Anteilsabtretungen ergebe sich aus § 17 II der insoweit gleichlautenden
Gesellschaftsverträge der Antragstellerinnen (Anlage AS 3 = Bl. 171 ff., Anlage AS 8 = Bl.
243 ff., Anlage AS 10 = Bl. 279 ff.).
Nach § 17 II der Verträge kann ein Geschäftsanteil nur dann an eine nicht nach § 18
erbberechtigte Person abgetreten werden, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Da § 13 II
UmwG das Zustimmungserfordernis zur Verschmelzung durch eine Verweisung auf das
gesellschaftvertragliche Zustimmungserfordernis bei der Abtretung regelt, gelten auch
Einschränkungen und besondere Voraussetzungen des vertraglichen Sonderrechts für das
dadurch begründete gesetzliche Sonderrecht. Eine Auslegung der Vertragsregel, die die
Zustimmung zur Abtretung regelt, ist sinnerhaltend auf die Zustimmung zur Verschmelzung
zu übertragen.
§ 18 der Verträge dient dazu, die Eigenart der Gesellschaften als „Familiengesellschaften“ zu
erhalten. Die Präambel der Verträge beschreibt die Gesellschaften als den
unternehmerischen Zusammenschluss der Nachkommen des Unternehmsgründers U… R…
sen. Die Teilhabe an den Gesellschaften, also sowohl die unternehmerischen
Entscheidungen als auch die Aufteilung von Gewinn und Verlust, soll nur den Nachkommen
des Unternehmensgründers zugänglich sein. Nur sie sind „erbberechtigt“ im Sinne der
Verträge. Selbst wenn die derzeitigen Stammhalter andere, in diesem Sinne familienfremde
Personen als ihre Erben bestimmen würden, blieben die Anteile an den Gesellschaften in
den Händen der mit dem Unternehmensgründer verwandten Abkömmlinge (§ 18 II, IV der
Verträge).
Das Zustimmungserfordernis des § 17 der Verträge sichert jedem einzelnen Gesellschafter
den Erhalt der Gesellschaften als Familiengesellschaften. Nur wenn alle Gesellschafter
ausdrücklich, nämlich durch ihre Zustimmung, ihr Einverständnis erklärten, wäre es möglich,
einen Familienfremden durch Abtretung in die Gesellschaften aufzunehmen.
§ 13 II UmwG überträgt das Erfordernis der Zustimmung zu einer Abtretung auf das
Erfordernis der Zustimmung zu einer Verschmelzung in gleicher, zweckgebundener
Reichweite. Das Zustimmungserfordernis nach § 13 II UmwG hat die gleichen
Voraussetzungen und Zweckbindungen wie das Zustimmungserfordernis nach § 17 II der
Verträge. Jeder Gesellschafter darf einer Verschmelzung entgegentreten, die dazu führte,
dass die als Ergebnis der Verschmelzung entstehenden oder fortbestehenden
Gesellschaften nicht mehr Familiengesellschaften im Sinne der Präambel und des § 18 der
Verträge wären. Insbesondere darf er eine Verschmelzung verhindern, als deren Ergebnis
familienfremde, nach § 18 der Verträge nicht „erbberechtigte“ Gesellschafter an dem
entstehenden oder aufnehmenden Rechtsträger teilhätten. Indes besteht ein
Zustimmungsbedürfnis und mithin ein Sonderrecht zum Verhindern der Verschmelzung
nicht, wenn durch die Gestaltung des Verschmelzungsvertrages ausgeschlossen wird, dass
durch die Verschmelzung familienfremde Gesellschafter in dem entstehenden oder
aufnehmenden Rechtsträger Stimm- oder Teilhaberechte irgendeiner Art zustehen könnten.
Die Verschmelzungsbeschlüsse der Antragstellerinnen bedürfen nicht der Zustimmung eines
jeden einzelnen Gesellschafters, weil der Verschmelzungsvertrag eine Änderung der
Eigenart der aufnehmenden Antragstellerin zu 3 als Familiengesellschaft ausschließt. Da die
übertragenden Rechtsträger (die Antragstellerinnen zu 1 und 2) ebenso wie die
aufnehmende Antragstellerin zu 3 als Familiengesellschaften konstituiert sind, den gleichen
Regeln über Restriktionen bei der Aufnahme Familienfremder unterliegen und weil auch die
Verschmelzungsbeschlüsse und der Verschmelzungsvertrag keine Ausnahmen von diesen
Regeln enthalten und bei der Verschmelzung keine neuen Gesellschafter in die
Antragstellerin zu 3 aufgenommen werden, kann die Antragstellerin zu 3 bei der
Verschmelzung ihre Eigenart als Familiengesellschaft nicht einbüßen. Der mit dem
Zustimmungserfordernis verfolgte Zweck wird nicht berührt oder – anders gewendet – er wird
gesichert, ohne dass dazu die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich wäre.
2. Die Klägerin meint,
Einstimmigkeit vor, die wegen ihrer Neinstimmen nicht gegeben sei.
Indes ist das Erfordernis der Einstimmigkeit dispositiv (§ 43 II 1 UmwG), und es ist durch §
16 I 1 der Verträge abbedungen. Erforderlich ist nach dieser Vertragsbestimmung in
Verbindung mit § 43 II 2 UmwG eine Dreiviertelmehrheit, die erreicht ist, da die
Antragsgegnerin mit nur einem Sechstel der Stimmen gegen die Verschmelzungen gestimmt
hat.
Diese Stimmenzählung setzt voraus, dass es auf das Stimmverhalten jedes einzelnen
Gesellschafters ankommt. Da selbst unter dieser Voraussetzung die erforderliche Mehrheit
erreicht ist, braucht nicht erörtert zu werden, ob auch für die Abstimmung über
Verschmelzungen die Regeln über einheitliche Stimmabgabe nach Stämmen (§ 16 II der
Verträge) gelten. Wenn sie gelten sollten, hätten die Stimmen des Stammes, dem die
Antragsgegnerin angehörte, das Ergebnis nicht mitbestimmen können, weil die
Stammeszugehörigen nicht zu einer einvernehmlichen Ablehnung oder Zustimmung
gelangen konnten.
Die Regelung einer Dreiviertelmehrheit durch § 16 I 1 der Verträge bezieht sich auch auf
Verschmelzungsbeschlüsse. Die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist – auch – in
Personengesellschaftsverträgen nicht durch den vormals für zutreffend gehaltenen
Bestimmtheitsgrundsatz dahin beschränkt, dass nur gewöhnliche Beschlussgegenstände
erfasst werden, nicht aber solche, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder sich
auf ungewöhnliche Geschäfte beziehen (
16 I der Verträge gibt durch den Bezug zur direkt vorausgehenden Bestimmung über die
Beschlussgegenstände (§ 15 der Verträge) keinen Grund zu der Besorgnis, die
Mehrheitsklausel könnte zu allgemein gefasst sein. Müsste anhand der Vertragsregeln
angenommen werden, die Gesellschafter wollten Umwandlungen nicht einem
Mehrheitsbeschluss unterwerfen, sondern nur weniger einschneidende Maßnahmen, wie
etwa Satzungsänderungen, dann könnte die Mehrheitsklausel auch nach Aufgabe des
Bestimmtheitsgrundsatzes den Anforderungen des § 43 II 1 UmwG nicht genügen (vgl.
Semler/Stengel/Leonard-Ihrig, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 43 Rdnr. 33). Aber diese Bedenken
sind nicht begründet. § 15 benennt als Gegenstände der Beschlussfassung nicht nur die im
alljährlichen Geschäftsbetrieb zu erledigenden Anliegen wie etwa die Bestimmung der
Gewinnausschüttung oder die Feststellung des Jahresabschlusses oder Angelegenheiten
der alltäglichen Unternehmensführung wie den Abschluss und die Gestaltung von
Anstellungsverträgen, sondern es werden auch Verhandlungs- und Beschlussgegenstände
ausdrücklich bezeichnet, die die Verfassung der Gesellschaft grundlegend ändern oder
umstürzen, nämlich Vertragsänderungen, die Auflösung der Gesellschaft, der Ausschluss
eines Gesellschafters und ebenso „sonstige Angelegenheiten von besonderer Bedeutung“.
Dass weder Umwandlung noch Verschmelzung ausdrücklich bezeichnet werden, hindert
zum einen deren Einordnung als Angelegenheit von besonderer Bedeutung nicht. Zum
anderen stehen Entscheidungen über eine Umwandlung in ihrem Gewicht den ausdrücklich
benannten Änderungen des Gesellschaftsvertrages gleich (vgl. Lutter-H. Schmidt, UmwG, 6.
Aufl. 2019, § 43 Rdnr. 12, 25). Der nachfolgende § 16 I unterwirft alle vorgenannten
Beschlussgegenstände grundsätzlich dem Erfordernis einfacher Mehrheit und gibt dabei
sogleich ausdrücklich zu erkennen, dass Bestimmungen über qualifizierte Mehrheiten bis zu
den Grenzen des Zulässigen abbedungen werden sollen: „zwingende
Gesetzesbestimmungen“ bleiben unberührt. Auch diese – überflüssige – Anerkennung des
Vorranges des nicht dispositiven Gesetzesrechts lässt den Bezug zu den im § 15 genannten
Grundlagengeschäften erkennen, denn gerade für Beschlussgegenstände, die die
Gesellschaftsverfassung grundlegend betreffen, sind im Gesetz unverfügbare
Mehrheitsanforderungen zu erwarten.
Es braucht nicht in Betracht gezogen zu werden, bei Beachtung des formellen
Mehrheitserfordernisses nach § 16 I der Verträge und § 43 II 2 UmwG die materielle
Wirksamkeit der Verschmelzungsbeschlüsse gegenüber der Antragsgegnerin in Frage zu
stellen. Dafür kommt es darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und
dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten
Belange zumutbar ist (
nicht einen illoyalen Missbrauch der Stimmenmehrheit dar, sondern sie greift spezielle
Anforderungen auf, die sich auf die Regelung der Festkapitalanteile und auf das
Abfindungsangebot beziehen. Diese Vertragsregelungen sind am Maßstab der dafür jeweils
geltenden und von der Antragsgegnerin erörterten speziellen gesetzlichen Bestimmungen zu
prüfen, nicht anhand des allgemeinen Grundsatzes eines Kernbereichsschutzes oder eines
Mehrheitsmissbrauchs.
3. Die Antragsgegnerin meint, der Verschmelzungsvertrag nenne entgegen § 5 I Nr. 3
UmwG das Umtauschverhältnis nicht. Es fehlten Unternehmensbewertungen der beteiligten
Unternehmen. Es reiche nicht aus, die Kommanditeinlagen der übernehmenden
Antragstellerin zu 3 schlicht um die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und der
Festkapitalziffern der Gesellschafter der Antragstellerinnen zu 1 und 2 zu erhöhen.
a) Auch hier beachtet die Antragsgegnerin nicht ausreichend, dass
Verschmelzung keine rein formale Hürde entgegensetzt, sondern einen die Gesellschafter
schützenden Zweck verfolgt, der durch den hier zu prüfenden Verschmelzungsvertrag nicht
berührt wird. Die genaue Festlegung des Umtauschverhältnisses sowie ggfls. der Höhe der
baren Zuzahlungen ist erforderlich, damit die Anteilsinhaber des übertragenden
Rechtsträgers für den Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll entschädigt werden. Die
Verschmelzung darf einerseits nicht zu einer Verminderung ihrer Vermögensrechte führen;
andererseits steht es den Gesellschaftern frei, nach ihm Belieben ein unangemessenes
Umtauschverhältnis miteinander zu vereinbaren (Widmann/Mayer,
Dass die Gesellschafter im Verschmelzungsvertrag erkennen können, wie sich ihr
Vermögensrecht durch die Verschmelzung ändert, ist gewährleistet und den Anforderungen
des
Rechtsträger unter Angabe des Nennbetrags zugewiesen werden. Um den Schutzzweck der
Norm zu erfüllen, reicht es aus, wenn der Verschmelzungsvertrag die
Beteiligungsverhältnisse am übertragenden Rechtsträger, die bisherigen
Beteiligungsverhältnisse am übernehmenden Rechtsträger und die als Gegenleistung
gewährten Anteile offenlegt. Ist eine Personenhandelsgesellschaft als übertragender oder
übernehmender Rechtsträger beteiligt, genügt somit die Angabe der Bezeichnung der
Festkapitalkonten beim übertragenden Rechtsträger und die Angabe, auf welchen Konten
die im Zuge des Verschmelzungsvorgangs zu gewährende Gegenleistung beim
übernehmenden Rechtsträger zu verbuchen ist. Dazu müssen die Gesellschafter des
übertragenden Rechtsträgers namentlich mit den ihnen zuzuordnenden Konten beim
übernehmenden Rechtsträger bezeichnet werden (Widmann/Mayer,
Kallmeyer-Lanfermann, UmwG, 7. Aufl. 2020, § 5 Rdnr. 20).
Diese Angaben sind dem § 2 des Verschmelzungsvertrages und dessen Anlagen 2.1 und
2.2 zu entnehmen (Anlage AS 1 = Bl. 38 f., 44, 45). Die Anlagen enthalten für alle sieben
Kommanditisten der aufnehmenden Antragstellerin zu 3 den Stand ihres auf
Festkapitalkonten geführten Kommanditkapitals vor und nach der Aufnahme zunächst der
Antragstellerin zu 2 und sodann der Antragstellerin zu 1. Die Antragsgegnerin hält es für
unsachgemäß, als Folge der aufnehmenden Verschmelzung der Antragstellerin zu 2, einer
GmbH, durch die Antragstellerin zu 3, eine KG, schlicht die Stammkapitalanteile dem
Kommanditkapitalanteil hinzuzurechnen.
Umtauschverhältnis oder die Entwicklung der Festkapitalkonten im Verschmelzungsvertrag
ausdrücklich zu bezeichnen, damit die Gesellschafter ihre Entscheidung über die
Zustimmung zur Verschmelzung – auch – von diesen Angaben abhängen lassen können
(vgl. zur Information über die Höhe einer Barabfindung: BGH,
1428). Ob das Umtauschverhältnis als wirtschaftlich angemessen oder gar richtig zu
beurteilen ist, ist nicht Gegenstand der Prüfung, ob
(Semler/Stengel/Leonard-Schröer/Greitemann, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 5 Rdnr. 25).
b) Ob das Umtauschverhältnis oder die Erhöhung der Anteile an einer aufnehmenden
Personengesellschaft angemessen ist, kann unter Umständen Gegenstand der Prüfung im
Rahmen der Anfechtung der Verschmelzungsbeschlüsse werden. Aber der darauf bezogene
Einwand der Antragsgegnerin führt unter keinen hier obwaltenden Umständen zu einer
Erfolgsaussicht ihrer Klage.
Soweit die Klage gegen die Verschmelzungsbeschlüsse der übertragenden
Antragstellerinnen zu 1 und 2 gerichtet ist, kann sie nicht darauf gestützt werden, dass mit
den Anteilen an der übernehmenden Antragstellerin zu 3 ein zu geringer Gegenwert für die
Anteile an den übertragenden Gesellschaften gewährt würde (§ 14 II UmwG).
Die Antragsgegnerin verweist zutreffend darauf, der Angriff auf den
Verschmelzungsbeschluss der aufnehmenden Antragstellerin zu 3 sei durch den generellen,
aber auf übertragende Rechtsträger beschränkten Einwendungsausschluss des § 14 II
UmwG nicht beschränkt. Aber die Antragsgegnerin hat in ihrer Klage nicht ausgeführt, unter
welchem Mangel, der ihre Vermögensinteressen als Anteilseignerin an der Antragstellerin zu
3 beeinträchtigen könnte, die Erweiterung der Festkapitalkonten der Gesellschafter leiden
könnte. Wer die mit der Verschmelzung bewirkte Veränderung der Festkapitalkonten in der
aufnehmenden Gesellschaft angreifen will, hat substantiiert darzulegen, dass die
vorgesehene Veränderung zu einer wirtschaftlich oder rechtlich unangemessenen
Verringerung der eigenen oder anderer Anteile führt, etwa durch die übermäßige Beteiligung
der hinzutretenden Gesellschafter.
Diese Darlegung bietet die Klage der Antragsgegnerin nicht. Sie beanstandet, es fehlten
Unternehmensbewertungen der Antragstellerinnen. Sie hält es für unangemessen, den
Festkapitalkonten in der aufnehmenden KG (der Antragstellerin zu 3) die Nennbeträge der
Geschäftsanteile an der übertragenden GmbH (der Antragstellerin zu 2) schlicht
hinzuzurechnen. Aber sie legt nicht dar, weshalb durch diese etwaigen Fehler ihr Anteil oder
ein anderer Anteil an der Antragstellerin zu 3 nach der Aufnahme der Antragstellerinnen zu 1
und 2 geringer ausfallen könnte als bei einem von ihr für richtig gehaltenen Vorgehen. Dazu
hätte die Antragsgegnerin auf die besonderen Beteiligungsverhältnisse ihrer selbst und der
anderen Gesellschafter an den Antragstellerinnen eingehen müssen. Da an allen drei
Antragstellerinnen die selben Gesellschafter beteiligt sind und da die Anteile der einzelnen
Gesellschafter an allen drei Antragstellerinnen gleich sind, ist es gleichgültig, welche Beträge
den Festkapitalkonten der aufnehmenden Antragstellerin zu 3 hinzugerechnet werden, wenn
nur die hinzugerechneten Beträge im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie die
Festkapitalbeträge der einzelnen Gesellschafter vor der Verschmelzung. Der durch die
Festkapitalbeträge ausgedrückte Anteil der einzelnen Gesellschafter an der Gesellschaft
verändert sich durch eine in diesem Sinne verhältnismäßige Hinzurechnung nicht. Ob dieses
Vorgehen – wie die Antragstellerinnen meinen – zur Abbildung des wirtschaftlichen
Ergebnisses der Verschmelzung geeignet ist oder ob es sogar die einzig dazu geeignete
Abbildung sein könnte, braucht zur Beurteilung der Klage der Antragsgegnerin nicht geprüft
zu werden. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass dieses Vorgehen zu einer zu geringen oder
zu hohen Beteiligung eines Gesellschafters an der Antragstellerin zu 3 nach der
Verschmelzung führen könnte. Jeder Anteil bleibt im Verhältnis zu den Anteilen der anderen
Gesellschafter gleich, und es liegt fern – und wird zudem auch von der Antragsgegnerin nicht
in Erwägung gezogen –, dass einer der Anteile durch die Verschmelzung anwachsen
müsste.
4. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Klage schließlich das Abfindungsangebot im § 2 IV des
Verschmelzungsvertrages beanstandet, weil es dem Widersprechenden den Erwerb der
Geschäftsanteile an der übertragenden Antragstellerin zu 2 anbiete.
Dieser Mangel scheint allerdings eklatant zu sein: § 29 I 1 UmwG gebietet – unter den
geregelten Voraussetzungen –, dem Widersprechenden anzubieten, eine Abfindung für das
Ausscheiden aus dem übernehmenden Rechtsträger (der Antragstellerin zu 3) zu zahlen
(Lutter-Grunewald, § 29 Rdnr. 24; Semler/Stengel/Leonard-Kalss, § 29 Rdnr. 23, 36;
Schmitt/Hörtnagl-Winter, § 29 Rdnr. 1, 14). Die Antragstellerin zu 3 hätte also eine Abfindung
anzubieten, die sie als Gegenleistung für das vom Widersprechenden gewollte Aufgeben der
Kommanditanteile an ihr, der Antragstellerin zu 3, gewährt, also für das Ausscheiden aus der
Antragstellerin zu 3 nach Vollzug der Aufnahme der Antragstellerinnen zu 1 und 2. Den
Erwerb der Geschäftsanteile an der übertragenden Antragstellerin zu 2 anzubieten – so § 2
IV des Verschmelzungsvertrages –, wird den Anforderungen des
offensichtlich nicht gerecht.
Einer näheren Prüfung bedarf es zur Entscheidung über den hier gestellten Antrag allerdings
nicht, weil dieser Gesichtspunkt der Klage, die die Antragsgegnerin gegen die
Verschmelzungsbeschlüsse gerichtet hat, nicht zum Erfolg verhelfen kann. Selbst wenn das
Abfindungsangebot in bezug auf die Aufnahme der Antragstellerin zu 2 grob unzureichend
sein sollte und selbst wenn es in bezug auf die Aufnahme der Antragstellerin zu 1 ganz
fehlen sollte, führt dies nicht zur Begründetheit der erhobenen Klage.
Abweichend vom allgemeinen Beschlussmängelrecht führt es nicht zur Anfechtbarkeit oder
Nichtigkeit eines Verschmelzungsbeschlusses, wenn das Abfindungsangebot komplett fehlt,
zu niedrig bemessen ist oder aus anderen Gründen als nicht ordnungsgemäß zu beurteilen
ist. Solche Mängel sind nicht mit einer Unwirksamkeitsklage, sondern gemäß den §§ 34
UmwG, 1 Nr. 4 SpruchG im Spruchverfahren geltendzumachen (Lutter-Grunewald, § 29
Rdnr. 23, § 32 Rdnr. 3, § 34 Rdnr. 4; Semler/Stengel/Leonard-Kalss, § 29 Rdnr. 23, § 34
Rdnr. 7 ff., -Gehling, § 32 Rdnr. 1; Widmann/Mayer-Wälzholz, § 32 Rdnr. 5, § 34 Rdnr. 1.2).
Ob gegenüber dem Verschmelzungsbeschluss des aufnehmenden Rechtsträgers (der
Antragstellerin zu 3) mit der Wirksamkeitsklage beanstandet werden kann, ein
Barabfindungsangebot sei zu hoch und beeinträchtige dadurch die Rechtsstellung der
Anteilseigner (vgl.
Semler/Stengel/Leonard-Gehling, § 31 Rdnr. 8, -Kalss, § 34 Rdnr. 5; Widmann/Mayer-
Wälzholz, § 32 Rdnr. 14, § 34 Rdnr. 1.4; Schmitt/Hörtnagl-Winter, § 32 Rdnr. 4), bedarf hier
keiner weiteren Erörterung, denn diesen Einwand eines zu hohen Abfindungsangebotes führt
die Antragsgegnerin in ihrer Klage nicht aus.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 16 III 2 UmwG, 91 I 1 ZPO, die
Wertfestsetzung auf den §§ 63 II GKG, 16 III 2 UmwG, 247 I AktG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 16 III 9 UmwG).
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:18.05.2022
Aktenzeichen:7 AktG 1/22
Rechtsgebiete:Umwandlungsrecht
Normen in Titel:UmwG §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 2, 16 Abs. 3 S. 3 Nr. 1, 29 Abs. 1, 34, 43