Keine Bindung des Nachlassgerichts an Versäumnisurteil des Prozessgerichts
letzte Aktualisierung: 11.10.2019
OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2019 – 21 W 42/19
Keine Bindung des Nachlassgerichts an Versäumnisurteil des Prozessgerichts
Im Verfahren betreffend die Erteilung und die Einziehung eines Erbscheins ist das Nachlassgericht
nicht an ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Prozessgerichts gebunden, sofern das Urteil nicht
zwischen allen Beteiligten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen ist.
Gründe
I.
Der am XX.XX.2006 verstorbene, zuletzt in Stadt1 wohnhafte Erblasser war in letzter Ehe
mit der Beteiligten zu 3) im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Aus der Ehe gingen die Beteiligten
zu 1) und 4) hervor. Bei der am XX.XX.1951 geborenen Beteiligten zu 2) handelt es
sich um ein außereheliches Kind des Erblassers. Eine letztwillige Verfügung hinterließ der
Erblasser nicht.
Nach dem Tod des Erblassers beantragte der Beteiligte zu 4) einen Erbschein, der die Beteiligte
zu 3) als Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 1) und 4) als Erben zu jeweils ¼ ausweisen
sollte (Bl. 51 f. d. A.). Das Nachlassgericht erließ am 3. Januar 2008 einen Erbschein, (Bl. 3
d. A.), nachdem es zuvor die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2007 (Bl. 7
d. A.) angeschrieben und sie auf ihre Miterbenstellung aufmerksam gemacht hatte und die
Beteiligte zu 2) daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2007 erklärte hatte, sie verzichte
auf jegliche erbrechtliche Ansprüche (Bl. 8 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 18. August 2016 hat der Beteiligte zu 1) angeregt, den erteilten Erbschein
einzuziehen, da er die Beteiligte zu 2) unzutreffender Weise bei der Erbfolge nicht
berücksichtigt habe (Bl. 4 d. A.), teilte dann allerdings mit Schriftsatz vom 29. Dezember
2016 mit, den Antrag auf Einziehung des Erbscheins vorläufig zurückzunehmen, da zunächst
festgestellt werden müsse, ob die Beteiligte zu 2) Miterbin geworden sei (Bl. 26 d.
A.).
Am 20. November 2018 hat der Beteiligte zu 1) sodann einen Erbschein beantragt, der die
Beteiligte zu 3) als Erbin zu ½ sowie die Beteiligten zu 1), 2) und 4) als Erben zu jeweils
1/6 ausweist, und sich dabei auf die gesetzliche Erbfolge berufen.
Mit notarieller Urkunde vom 7. Dezember 2016 haben die Beteiligte zu 2) sowie ihre beiden
Kinder die Erbschaft ausgeschlagen und hilfsweise die durch Fristablauf eingetretene Annahme
der Erbschaft angefochten. Zur Begründung haben sie ausgeführt, auf die Richtigkeit
des erteilten Erbscheins vertraut zu haben und daher erst am 17. November 2016 vom
möglichen Anfall der Erbschaft Kenntnis erhalten zu haben (Bl. 107 f. d. A.).
Am 4. September 2018 hat das Landgericht Stadt2 durch Versäumnisurteil gegen die Beteiligte
zu 2) auf eine Klage des Beteiligte zu 1) hin festgestellt, dass die Beteiligte zu 3) Erbin
zu ½ und die Beteiligten zu 1), 3) und 4) Erben zu jeweils 1/6 geworden sind (Bl. 110 f. d.
A.).
Das Nachlassgericht hat demgegenüber mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen
und sich dabei auf die bereits im Rahmen des Einziehungsverfahrens vorläufig
geäußerte Ansicht berufen, wonach der erteilte Erbschein zutreffend sei. Die Beteiligte zu 2)
komme, nachdem sie die Ausschlagung wirksam erklärt habe, als Erbin nicht mehr in Betracht.
Sie habe von der Richtigkeit des erteilten Erbscheins ausgehen dürfen, weswegen
die Ausschlagungsfrist für sie erst mit der möglichen Einziehung des Erbscheins begonnen
habe (Bl. 70 f. d. A.).
Gegen die ihm am 8. Februar 2019 (Bl. 71 d. A.) zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte
zu 1) mit am 28. Februar 2019 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 72 ff.
d. A.) Beschwerde eingelegt und zugleich die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwalt A aus Stadt2 beantragt. Zur Begründung seines Rechtsmittels
hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Auffassung des Nachlassgerichts zirkulär sei, da
der Erbschein nach der Argumentation des Nachlassgerichts richtig sei, weil die Beteiligte zu
2) die Ausschlagungsfrist eingehalten habe und dies sei der Fall gewesen, weil der Erbschein
richtig sei. Zutreffend sei demgegenüber, dass die Beteiligte zu 2) die Erbschaft nicht wirksam
ausgeschlagen habe. Ihre Erklärung, sie verzichte auf alle Erbschaftsansprüche, sei als
Ausschlagung der Erbschaft unwirksam. Ihre später notariell erklärte Ausschlagung sei verfristet,
ebenso wie die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist, da die Beteiligte
zu 2) bereits seit Anfang des Jahres 2013 aufgrund einer entsprechenden Information seinerseits
Kenntnis von der Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins gehabt habe.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Berichterstatter hat den Beteiligten zu
2) bis 4) Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) gegeben.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die ihnen beigefügten Anlagen Bezug
genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zwar zulässig, aber im Ergebnis unbegründet.
a) Auch wenn das Nachlassgericht dies nicht ausdrücklich erklärt hat, ist dem Beschluss bei
verständiger Auslegung zu entnehmen, dass das Gericht nicht nur den Erbscheinsantrag zurückgewiesen,
sondern die hiermit zugleich wieder aufgenommenen Anregung auf Einziehung
des bereits erteilten, anderslautenden Erbscheins abgelehnt hat. Dies ergibt sich daraus,
dass das Nachlassgericht sich nicht darauf beschränkt hat, auszuführen, weshalb seiner
Ansicht nach die beantragte Erbfolge nicht zutreffend sei, sondern zugleich seiner Auffassung
Ausdruck verliehen hat, der hiervon abweichende, bereits erteilte Erbschein entspreche
der Rechtslage.
b) Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde gegen die beiden Entscheidungen ist zulässig
und insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen
Beschlusses beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Zudem ist der Beteiligte
zu 1) als Antragsteller und Erbprätendent, dessen Antrag bzw. Anregung zurückgewiesen
worden ist, beschwerdebefugt.
c) In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat im Ergebnis
zu Recht angenommen, die Beteiligte zu 2) sei von der Erbfolge ausgeschlossen. Zutreffend
ist daher, dass die Beteiligte zu 3) Erbe des Erblassers zu ½ und die Beteiligten zu
1) und 4) Erben zu jeweils 1/4 geworden sind, woraus sich zugleich die Richtigkeit des Erbscheins
vom 3. Januar 2008 ergibt. Das Nachlassgericht war entsprechend auch nicht anzuweisen,
den beantragten Erbschein zu erteilen und den bereits erteilten Erbschein gemäß
§ 2361 BGB wegen Unrichtigkeit einzuziehen.
aa) Der von dem Beteiligten zu 1) beantragte Erbschein ist nicht bereits deshalb zu erteilen,
weil der Beteiligte zu 1) gegen die Beteiligte zu 2) ein rechtskräftiges Versäumnisurteil erwirkt
hat, worin festgestellt worden ist, dass die Beteiligte zu 3) Erbin zu ½ und die Beteiligten
zu 1), 3) und 4) Erben zu jeweils 1/6 geworden sind.
Zwar entfaltet ein zivilgerichtliches Feststellungsurteil präjudizielle Rechtskraft für das Erbscheinverfahren
und vermag das Nachlassgericht bei seiner Entscheidung zu binden (vgl.
OLG Frankfurt am Main
BGB, 78. Aufl., § 2353 Rn. 77). Dies gilt auch, wenn es sich dabei um ein Versäumnisurteil
handelt (vgl. OLG Frankfurt am Main
§ 2359 Rn. 38; Zimmermann
nur in den Grenzen der subjektiven und objektiven Rechtskraft des Urteils statt. Kommt neben
den beiden Prozessparteien noch eine andere Person als Erbe in Betracht, so ist das
Nachlassgericht diesem gegenüber in seiner Beurteilung der Rechtslage frei. Es muss die
Rechtsstellung des Dritten auch dann berücksichtigen, wenn dieser sich am Erbscheinverfahren
selbst nicht beteiligt, und deshalb dem Prozesssieger den Erbschein verweigern,
wenn es den Dritten als Erben ansieht oder auch nur das Erbrecht des Prozesssiegers gegenüber
dem Dritten nicht für zweifelsfrei bewiesen hält (vgl. MüKoBGB/J.Mayer, 6. Aufl.,
§ 2359 Rn. 39).
Entsprechendes gilt, wenn - wie vorliegend - der beantragte Erbschein das Erbrecht eines
Dritten entgegen der objektiven Rechtslage einschränkt. Dies findet seine Ursache darin,
dass durch das zivilrechtliche Urteil die Rechtslage nicht gestaltet wird, sondern nur aufgrund
einer prozessrechtlich wirkenden Bindung eine abweichende neue gerichtliche Entscheidung
zwischen den am Zivilprozess beteiligten Parteien ausschließt (vgl.
MüKoBGB/J.Mayer, 6. Aufl., § 2359 Rn. 39; Zimmermann
2016, 233, 234). Diese Bindungswirkung entfaltet das Urteil aber nur zwischen den zivilrechtlichen
Prozessparteien (vgl. Adam
an dem Prozess nicht beteiligte Dritte in ihren Rechten durch das Urteil eingeschränkt, ohne
dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Rechte wahrzunehmen, und ohne dass durch
das Urteil die wahre Rechtslage sich geändert hätte (im Ergebnis ebenso Zimmermann ZEV
2010, 457, 461). In der Konstellation einer Drittbeteiligung kommt regelmäßig wieder der in
§ 352e FamFG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz zum Tragen, wonach die Erbscheinserteilung
allein auf der freien richterlichen Überzeugungsbildung zu beruhen hat (vgl. für die
Vorgängervorschrift Zimmermann
Vorliegend war der Beteiligte zu 4) an dem Zivilprozess nicht beteiligt. Gleichzeitig würde
die Erteilung des Erbscheins den Feststellungen des Prozessgerichts folgend eine Einschränkung
seines Erbrechts nach sich ziehen, da in dem Versäumnisurteil ein Erbanteil des Beteiligten
zu 4) von 1/6 ausgeurteilt worden ist, in dem erteilten Erbschein hingegen ein
Erbrecht von ¼ ausgewiesen worden ist.
Zwar führt dieser Ansatz letztlich dazu, dass der Beteiligte zu 1) auch gegenüber der Beteiligten
zu 2) seine prozessrechtlich erstrittene Feststellung nicht durchsetzen kann. Immerhin
wurde ihr gegenüber rechtskräftig und damit grundsätzlich bindend festgestellt, dass ihr
Erbteil 1/6 beträgt, wohingegen der gegebenenfalls einzuziehende Erbschein keine Erbenstellung
von ihr ausweist. Doch könnte andernfalls trotz seiner Bedeutung für den Rechtsverkehr
überhaupt kein Erbschein ausgestellt werden. Gleichzeitig ist dieser Nachteil für den
Beteiligten zu 1) hinzunehmen, da es in seiner Hand lag, alle in Frage kommenden Erbprätendenten
in den zivilrechtlichen Rechtsstreit mit einzubeziehen. Dieses Versäumnis seitens
des Beteiligten zu 1) geht folgerichtig im Rahmen des erbscheinrechtlichen Verfahrens der
freiwilligen Gerichtsbarkeit zu seinen Lasten (vgl. auch Zimmermann
bb) Entsprechend ist die Entscheidung über die Einziehung des bereits erteilten Erbscheins
sowie die Frage nach der Erteilung des vom Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins anhand
der tatsächlichen Rechtslage zu treffen. Die mangels letztwilliger Verfügung einschlägige
gesetzliche Erbfolge richtet sich nach §§ 1920 ff. BGB. Gemäß
Erben die Kinder des Erblassers zu gleichen Teilen, wobei sich aus
ergibt, dass sie neben der - wie vorliegend - im gesetzlichen Ehestand der Zugewinngemeinschaft
lebenden Ehefrau zusammen zu ½ erben.
cc) Damit kommt es entscheidend darauf an, ob die Beteiligte zu 2) die Erbschaft wirksam
ausgeschlagen hat bzw. die Versäumung der Ausschlagungsfrist gemäß § 1956 BGB wirksam
angefochten hat. Dies ist entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) der Fall.
aaa) Zutreffend hat der Beteiligte zu 1) zwar darauf hingewiesen, dass die von der Beteiligten
zu 1) am 11. Dezember 2007 gegenüber dem Nachlassgericht erklärte Ausschlagung
der Erbschaft nicht formwirksam war. Diese muss nämlich gemäß § 1945 Abs. 1BGB entweder
zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in notariell beglaubigter Form abgegeben
werden. Beide Formerfordernisse wurden nicht erfüllt.
bbb) Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts war die von der Beteiligten zu 2) am 7. Dezember
2016 erklärte Ausschlagung der Erbschaft demgegenüber zwar formwirksam, aber
nicht fristgerecht. Gemäß § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung nur binnen 6 Wochen
erfolgen. Die Frist beginnt gemäß
Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt hat. Die Beteiligte zu 2)
hat spätestens mit dem Schreiben des Nachlassgerichts vom 7. Dezember 2007 Kenntnis
von ihrer gesetzlichen Erbenstellung erlangt, da das Nachlassgericht sie in dem Schreiben
darauf ausdrücklich hingewiesen hat. Diese Kenntnis konnte - anders als das Nachlassgericht
offenbar meint - nicht nachträglich wieder mit der Erteilung des unrichtigen Erbscheins
entfallen.
ccc) Allerdings hat die Beteiligte zu 2) die Versäumung der Ausschlagungsfrist wirksam gemäß
§ 1956 BGB angefochten. Insoweit ist die Erklärung fristgerecht erfolgt. Denn die Anfechtung
kann gemäß
beginnt allerdings erst mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtende Kenntnis von dem
Anfechtungsgrund erlangt hat. Bei dem hier von der Beteiligten zu 2) geltend gemachten
Irrtum hat der Anfechtungsberechtigte Kenntnis vom Anfechtungsgrund, wenn ihm die dafür
maßgeblichen Tatsachen bekannt werden und er erkennt, dass seine Erklärung eine andere
Bedeutung oder Wirkung hatte, als er ihr beilegen wollte (vgl. BGH,
Überzeugung von dem Bestehen des Anfechtungsgrundes ist allerdings nicht erforderlich
(vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 1954 Rn. 7).
Im Rahmen ihrer Anfechtungserklärung vom 20. November 2017 hat die Beteiligte zu 2) angegeben,
sie habe von ihrem Irrtum erst am 17. November 2016 und damit lediglich vier
Tage zuvor Kenntnis erlangt. Dies stimmt mit der Aktenlage überein. So findet sich in der
Akte eine E - Mail mit Datum vom 17. November 2016 des Rechtspflegers an die Beteiligte
zu 2), wonach dieser ihr bestätigt, dass sie auf die Richtigkeit des Erbscheins habe vertrauen
dürfen, und ihr gleichzeitig mitteilt, sie könne die Erbschaft noch ausschlagen, damit also
zu erkennen gibt, dass ohne eine Ausschlagung sie Erbin werde.
Zwar wendet diesbezüglich der Beteiligte zu 1) ein, die Beteiligte zu 2) habe bereits spätestens
seit der Zustellung seines Schreibens vom 15. Juli 2014 (Bl. 91 ff. d. A.) Kenntnis über
die eigene Erbenstellung erlangt, da er in diesem Schreiben auf die Formunwirksamkeit der
früheren Erklärung ausdrücklich hingewiesen habe. Zutreffend ist auch, dass keine volle
Überzeugung von dem Bestehen des Anfechtungsgrundes erforderlich ist. Aber die - wie die
Beteiligte zu 2) zu Recht betont - Mitteilung einer juristisch nicht geschulten Person ist für
eine Beseitigung eines bestehenden Irrtums jedenfalls dann regelmäßig nicht ausreichend,
wenn ein anderslautender Erbschein erteilt worden und bislang nicht eingezogen worden ist.
Ob dies so weit geht, dass der nach § 2365 BGB bestehende öffentliche Glaube des Erbscheins
überhaupt nicht erschüttert werden kann mit der von dem Beteiligten zu 1) dargestellten
Folge des Zirkelschlusses bzw. der mangelnden Einziehbarkeit des Erbscheins in der
vorliegenden Konstellation ist zu bezweifeln, kann aber dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls
führt der erteilte anderslautende Erbschein dazu, dass ein auf Seiten eines Erbprätendenten
bestehender Rechtsirrtum nicht allein durch eine - wenn auch sachlich richtige - Mitteilung
eines Nichtjuristen erschüttert werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass nach
herrschender Auffassung der Erbschein im zivilgerichtlichen Erbenfeststellungsverfahren gegenüber
den Erbprätendenten keine Rechtsvermutung nach § 2365 BGB entfaltet (vgl. BGH
233, 234). Denn in Rede stehen nicht Fragen der Beweislast, sondern allein die Erschütterung
eines Rechtsirrtums auf Seiten der Beteiligten zu 2). Die Erteilung des (damals unrichtigen)
Erbscheins war aber ohne abweichende Auskunft des Gerichts jedenfalls geeignet,
den Irrtum bei der Beteiligten zu 2) über die Wirksamkeit ihrer Ausschlagungserklärung
fortbestehen zu lassen.
Folglich konnte die Beteiligte zu 2) am 7. Dezember 2016 die Versäumung der Ausschlagungsfrist
wirksam anfechten. Dies führte gemäß § 1957 Abs. 1 iVm § 1956 BGB zur Ausschlagung
der Erbschaft, weswegen die Beteiligte zu 2) nicht Erbe des Erblassers geworden
ist. Erben sind allein die Ehefrau des Erblassers zu ½ und die Beteiligten zu 1) und 4) zu jeweils
¼. Der erteilte Erbschein entspricht mithin der Rechtslage und ist nicht einzuziehen,
dem abweichenden Erbscheinantrag des Beteiligten zu 1) hat folglich das Nachlassgericht zu
Recht nicht entsprochen.
2. Da das mit der Beschwerde verfolgte Rechtsbegehren keine Aussicht auf Erfolg hat, ist
dem Beteiligten zu 1) gemäß § 76 Abs. 1 FamFG iVm
zu gewähren.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Da der Beteiligte zu 1) mit seinem
Rechtsmittel unterlegen ist, sind ihm mangels entgegenstehender besonderer Umstände die
Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2) aufzuerlegen. Im
Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen
nicht vor, weshalb ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht statthaft ist.
Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den
Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags
der Beschwerdeführerin dient. Ziel des Antrags des Beteiligten zu 1) ist die Einziehung
des bereits erteilten Erbscheins sowie die damit inhaltlich verbundene Erteilung des hiervon
abweichenden von ihm beantragten neuen Erbscheins. Damit ist für den Geschäftswert auch
des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung betreffend der Verfahren zur Einziehung
eines Erbscheins in
der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist, von dem nur die vom Erblasser
herrührenden Verbindlichkeiten abgezogen werden. Den Wert des Nachlasses bemisst
der Senat auf der Grundlage der Angaben des Beteiligten zu 1) auf knapp 95.000,- Euro (Bl.
174ff. d. A.). Daraus ergibt sich der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:07.05.2019
Aktenzeichen:21 W 42/19
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
ZEV 2019, 555
Zerb 2019, 206-209
BGB § 2353; FamFG § 352; ZPO §§ 322, 325