BGH 23. Januar 2020
III ZR 28/19
BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO §§ 14 Abs. 1 S. 2, 19 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 146, 150 Abs. 1, 308 Nr. 1; ZPO § 287

Notarhaftung; Angebot zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrags; unbefristete Fortgeltungsklausel; haftungsausfüllende Kausalität

BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO §§ 14 Abs. 1 S. 2, 19 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 146, 150 Abs. 1, 308 Nr. 1; ZPO § 287
Notarhaftung; Angebot zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrags; unbefristete Fortgeltungsklausel; haftungsausfüllende Kausalität

a) Bei Verwendung einer (unwirksamen) unbefristeten Fortgeltungsklausel in einem von ihm vorformulierten Angebot zum Kauf einer Immobilie handelt der Zentral- beziehungsweise Vollzugsnotar amtspflichtwidrig, wenn er ohne vorherige Abklärung des Willens der Käufer in Bezug auf das weitere Vorgehen im Rahmen der ihm obliegenden „betreuenden“ Belehrung die Annahme der Verkäuferin beurkundet und den Kaufvertrag vollzieht, insbesondere, indem er die Fälligkeit des Kaufpreises gegenüber den Käufern bestätigt.

b) Da die haftungsausfüllende Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Kaufpreisschaden feststeht, betrifft die hypothetische Frage, ob dieser auch bei pflichtgemäßem Verhalten des beklagten Notars entstanden wäre, weil die Urkundsbeteiligten ungeachtet der ihnen gegenüber offengelegten Zweifel an der fortbestehenden Wirksamkeit ihres Angebots an dem Abschluss des Kaufvertrags festgehalten hätten, eine im Rahmen des haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhangs zu beachtende Reserveursache, für die der Notar nachweispflichtig ist.

BGH, Urt. v. 23.1.2020 – III ZR 28/19

Problem
Im Fall des BGH beurkundete der beklagte Notar ein Angebot der Kläger zum Kauf einer Eigentumswohnung. Der Angebotstext war vom Beklagten als Muster zur Verwendung in einer Vielzahl von Fällen vorformuliert worden. Er enthielt u. a. eine Klausel, wonach das für ca. sechs Wochen bindende Angebot nach Ablauf der Frist nicht erlöschen sollte; vielmehr sollte lediglich die Bindung entfallen und das Angebot bis zum Widerruf durch die Kläger gegenüber dem beklagten Notar unbefristet fortgelten.

Nach Beurkundung der Annahme und Vollzug des Kaufvertrags verlangten die Kläger die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung. Sie führten dazu an, der beklagte Notar habe sie pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass sie zum Zeitpunkt der Beurkundung der Annahme nicht mehr an ihr Angebot gebunden gewesen seien.

Entscheidung
Der BGH sieht in der unterlassenen Belehrung über die fehlende Bindung an das abgegebene Angebot eine pflichtwidrige Amtspflichtverletzung. Das Kaufangebot der Kläger sei ungeachtet der Frage der Angemessenheit seiner Bindungsdauer spätestens mit deren Ablauf und damit vor Beurkundung der Annahme nach § 146 BGB erloschen. Die unbefristete Fortgeltungsklausel sei trotz der Widerrufsmöglichkeit unwirksam gem. § 308 Nr. 1 BGB gewesen.

Obwohl dies zum Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht höchstrichterlich geklärt war, hätte der Urkundsnotar laut BGH in Anbetracht des damaligen breiten Meinungsspektrums zur Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln erkennen müssen, dass die Wirksamkeit der verwendeten Klausel „jedenfalls angesichts ihrer mangelnden Befristung zweifelhaft“ gewesen sei. Hierüber hätte er gem. § 17 Abs. 1 BeurkG und § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO belehren müssen.

Darüber hinaus hätte er ohne vorherige Rücksprache mit den Klägern, die das Angebot abgegeben hatten, die Annahmen nicht beurkunden, jedenfalls aber den Kaufvertrag nicht vollziehen dürfen. Insbesondere hätte er nicht den Eintritt der (Grund-)Voraussetzungen für den Eintritt der Kaufpreisfälligkeit bestätigen dürfen.

Nach Ansicht des BGH hat der Notar dadurch den Schaden kausal verursacht; einen weiteren Nachweis mussten die Kläger nicht erbringen. Der Einwand, die Kläger hätten auch bei Kenntnis der Unwirksamkeit des Angebots am Vertrag festhalten und diesen vollziehen wollen, sei keine Frage des haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhangs, sondern – wie auch beim Unterlassen einer bloßen Aufklärungspflicht – eine solche des Bestehens einer beachtlichen Reserveursache. Dafür sei der Notar darlegungs- und beweisbelastet, wobei § 287 ZPO zur Anwendung komme.

Der beklagte Notar könne sich schließlich nicht auf § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO berufen, soweit er auf einen Anspruch gegen die Verkäuferin verweise. Diese sei nämlich ebenso in den Schutzbereich der verletzten Notarpflichten einbezogen. Hätten die Kläger vorrangig die Verkäuferin in Anspruch nehmen müssen, so wäre der beklagte Notar aufgrund derselben Amtspflichtverletzung gleichfalls – dann gegenüber der Verkäuferin – zum Schadensersatz verpflichtet gewesen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

23.01.2020

Aktenzeichen:

III ZR 28/19

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
AGB, Verbraucherschutz
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 45-46
ZNotP 2020, 221-224
NJW-RR 2020, 626-628

Normen in Titel:

BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO §§ 14 Abs. 1 S. 2, 19 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 146, 150 Abs. 1, 308 Nr. 1; ZPO § 287