BGH 08. September 2021
IV ZB 17/20
BGB § 2353

Keine Angabe des Berufungsgrunds im Erbschein

letzte Aktualisierung: 10.11.2021
BGH, Beschl. v. 8.9.2021 – IV ZB 17/20

BGB § 2353
Keine Angabe des Berufungsgrunds im Erbschein

Im Erbschein ist der Berufungsgrund grundsätzlich auch dann nicht anzugeben, wenn dies beantragt
ist.

Gründe:

I. Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin; ein weiterer Sohn
verstarb 2013 kinderlos.

Mit notariellem gemeinschaftlichen Testament vom 20. Oktober
1982 hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der 1984 verstarb, gegenseitig
als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen
nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet,
dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter
Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne.

Die Erblasserin errichtete am 17. Dezember 2015 ein weiteres notarielles
Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung
der Beteiligten gemäß dem Testament vom 20. Oktober 1982
verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung,
insbesondere im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2 bewohnte Hausgrundstück,
erfolgten. Nach dem Tod der Erblasserin wurden 2018 beide
Testamente eröffnet.

Der Beteiligte zu 1 hat gestützt auf das Testament vom 20. Oktober
1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass er und
der Beteiligte zu 2 aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien.
Er hat behauptet, die Erblasserin sei am 17. Dezember 2015 nicht testierfähig
gewesen.

Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten
der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für
festgestellt erachtet, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem
Testament die Erbfolge beruht. Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde
mit dem Antrag erhoben zu beschließen, dass der Erbschein
aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 20. Oktober 1982 erteilt
werde. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beschluss dahingehend ergänzt,
dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge "aufgrund testamentarischer
Verfügung" festzustellen sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde
zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene
Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seinen Erbscheinsantrag
in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in
ErbR 2020, 571 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Nachlassgericht
habe zu Recht offengelassen, ob es die zur Begründung des Antrags erforderlichen
Tatsachen aufgrund des Testaments vom 20. Oktober 1982
oder aufgrund des Testaments vom 17. Dezember 2015 für festgestellt erachte,
weil nach beiden Testamenten die Beteiligten zu 1/2 Erben geworden
seien. Eine Bindung des Nachlassgerichts an ein bestimmtes Testament
enthalte die gesetzliche Regelung des § 352 FamFG nicht. Dem Beteiligten
zu 1 gehe es um die Klärung der Frage, ob die Teilungsanordnung
im Testament 2015 wirksam sei. Dieses auf die Auseinandersetzung de r
Miterben zielende Rechtsschutzziel sei aber kein tauglicher Gegenstand
des Erbscheinsverfahrens. Der Argumentation des Beteiligten zu 1, er
könne die Beseitigung der aus seiner Sicht aufgrund des Testaments vom
17. Dezember 2015 unrichtig vorgenommenen Grundbucheintragungen
hinsichtlich des Nachlassgrundstücks nur mit der begehrten Angabe im
Beschluss des Nachlassgerichts zum genauen Berufungsgrund erreichen,
könne nicht gefolgt werden. Denn aus dem Erbschein als solchem gehe
auch dann nicht hervor, auf welcher Verfügung er beruhe.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass aus
einem Erbschein nicht hervorgeht, auf welcher letztwilligen Verfügung er
beruht; der Beteiligte zu 1 kann daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den
er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein ist der
Berufungsgrund auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt
wird.

Gemäß § 2353 BGB ist dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis
über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete
Erbe ist, und (gegebenenfalls) über die Größe des Erbteils zu erteilen;
außerdem sind Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl.
§ 2365 BGB. Eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut
dagegen nicht vor. Er ist daher grundsätzlich nicht in den Erbschein
aufzunehmen (vgl. Staudinger/Herzog, BGB (2016) § 2353
Rn. 426; Soergel/Jaspert, BGB 14. Aufl. § 2353 Rn. 29; BeckOK
BGB/Siegmann/Höger, § 2353 Rn. 14 [Stand: 1. Mai 2021]; Kroiß in
Kroiß/Ann/Mayer, BGB 5. Aufl. § 2353 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Grziwotz,
8. Aufl. § 2353 Rn. 46; BayObLGZ 1973, 28 unter II 2 b; Krätzschel in
Firsching/Graf, Nachlassrecht 11. Aufl. § 38 Rn. 115). Nur ausnahmsweise
kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund
(§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig
ist (vgl. OLG Frankfurt am Main Rpfleger 1978, 17 [juris Rn. 6];
Staudinger/Herzog, BGB (2016) § 2353 Rn. 428; MünchKomm-BGB/Grziwotz,
8. Aufl. § 2353 Rn. 26; Krätzschel in Firsching/Graf, Nachlassrecht
11. Aufl. § 38 Rn. 116).

Dieser beschränkte Inhalt entspricht dem Zweck des Erbscheins,
den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 BGB) zu legitimieren
und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366
BGB). Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB
- und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB - gilt positiv
nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die
angegebenen Beschränkungen nicht bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom
26. Mai 1982 - V ZB 8/81, BGHZ 84, 196 unter 2 [juris Rn. 9]). Der gesetzliche
Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht
des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen
hat (vgl. RGZ 64, 173, 178). Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine
Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen
des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat
(vgl. RGZ 64, 173, 178). Ein dennoch angegebener Berufungsgrund nimmt
nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. BGB teil (vgl. Staudinger/
Herzog, BGB (2016) § 2353 Rn. 426; Soergel/Jaspert, BGB 14. Aufl.
§ 2365 Rn. 4; BeckOK BGB/Siegmann/Höger, § 2353 Rn. 14 [Stand: 1. August
2021]; Erman/Simon, BGB 16. Aufl. § 2365 Rn. 4; MünchKomm-
BGB/Grziwotz, 8. Aufl. § 2365 Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert daher auch
eine Bindung an den Erbscheinsantrag keine Angabe des darin genannten
Berufungsgrunds im Erbschein. § 352 FamFG regelt den Inhalt des Antrags,
nicht den Inhalt des Erbscheins. Soweit die herrschende Meinung
davon ausgeht, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt
gegeben werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 1961 - V BLw
13/60, BGHZ 36, 42 unter II 1 [juris Rn. 7]; RGZ 156, 172, 180; BayObLG
FamRZ 2003, 1590, 1592 [juris Rn. 40]; OLG Hamm FamRZ 2013, 1250,
1251 [juris Rn. 5]; OLG Frankfurt am Main Rpfleger 1978, 17 [juris Rn. 5];
MünchKomm-FamFG/Grziwotz, 3. Aufl. § 352e Rn. 6; Erman/Simon, BGB
16. Aufl. § 2353 Rn. 14; Kroiß in Kroiß/Ann/Mayer, BGB 5. Aufl. § 2353
Rn. 102; BeckOGK/Fröhler, BGB § 2353 Rn. 294 [Stand: 15. Mai 2021];
Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl. § 352e FamFG Rn. 176), betrifft
dies nur den gesetzlich bestimmten Inhalt des Erbscheins. Die danach erforderlichen
Angaben müssen dem Antrag entsprechen oder er ist abzulehnen.
Auch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO macht die Angabe des Berufungsgrundes
im Erbschein nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift wird durch
den Erbschein die Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen.
Darüberhinausgehende Nachweise zu Rechtsverhältnissen, die sich aus
der zugrundeliegenden letztwilligen Verfügung ergeben, werden damit
nicht erbracht. Falls der Erbe sein Recht durch Vorlage des Erbscheins
nachweist, wird als Grundlage seiner Eintragung als neuer Eigentümer daher
im Grundbuch auch nur der "Erbschein" und nicht dessen Tenor oder
eine zugrundeliegende letztwillige Verfügung angegeben, § 9 Abs. 1 d)
Grundbuchverfügung.

b) Es kann offenbleiben, ob das Beschwerdegericht zu Recht davon
ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht mit
Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten,
aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann.
Es hat bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen
für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben
zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund
des Testaments vom 20. Oktober 1982 Erben geworden sind. Ein anderer
Berufungsgrund kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit
des Testaments vom 17. Dezember 2015 ankäme.

Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in ihrem gemeinschaftlichen
Testament vom 20. Oktober 1982 die Beteiligten als Erben des Überlebenden
zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hat die Erblasserin
nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament vom
17. Dezember 2015 heißt es vielmehr unter Ziffer III., dass es bei der hälftigen
Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin
diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente
beruht daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden
Erbschein bezeugt werden wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die
sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament sind dagegen nicht
Gegenstand des Erbscheins.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

08.09.2021

Aktenzeichen:

IV ZB 17/20

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 2353