Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewilligungsbefugnis; keine Unrichtigkeit des Grundbuchs aufgrund unterbliebener Eintragung
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 11.9.2015
OLG München , 19.6.2015 - 34 Wx 24/15
BGB §§ 873, 879, 880, 894; GBO §§ 17, 19, 22
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewilligungsbefugnis; keine Unrichtigkeit des Grundbuchs
aufgrund unterbliebener Eintragung
1. Die Bewilligungsberechtigung muss noch in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Eintragung
des Rechts stattfindet.
2. Entsteht das dingliche Recht erst mit der konstitutiven Eintragung im Grundbuch, ist das
Grundbuch nicht deshalb unrichtig, weil eine beantragte Eintragung nicht vorgenommen wird.
3. Ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift des
Grundbuchs zur Folge.
OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 19.06.2015, 34 Wx 24/15
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viechtach vom
8. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte ist aufgrund Auflassung und Messungsanerkennung vom 25.8.1980 als Eigentümer
eines Grundstücks (FlSt 453/2), welches durch Teilung aus dem Stammgrundstück FlSt 453 (alt)
hervorgegangen ist, im Grundbuch eingetragen. In dem zugrundeliegenden notariellen
Überlassungsvertrag vom 3.4.1979 (Ziff. XV.) bestellten die Veräußerer zugunsten des jeweiligen
Eigentümers der Vertragsfläche und zulasten des Restgrundstücks eine Grunddienstbarkeit (Gehund
Fahrtrecht), deren Ausübungsbereich in der der Urkunde beigehefteten Planskizze farblich
markiert ist. Zugleich bewilligten und beantragten sie gemäß Ziff. XV. der Urkunde die Eintragung
der Grunddienstbarkeit im Grundbuch.
Nachdem der Urkundsnotar unter Vorlage des Überlassungsvertrages am 4.4.1979 zunächst nur um
die Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch nachgesucht hatte, wurde am 8.9.1980
unter Verwendung eines Formblattes und Vorlage weiterer Urkunden, unter anderem der Urkunde
vom 25.8.1980 über die Messungsanerkennung und Auflassung der Vertragsfläche, der Vollzug der
„Auflassung“, „Freigabe“, „Grundschuld“, „Dienstbarkeit“ sowie der „gestellten Anträge“
beantragt.
Mit Ausnahme der Grundstücksbelastung durch das Geh- und Fahrtrecht sind die
Rechtsänderungen im Grundbuch eingetragen.
Inzwischen wurde das ehemalige Stammgrundstück (Restgrundstück) erneut geteilt. Der
Ausübungsbereich des mit Vertrag vom 3.4.1979 bestellten Geh- und Fahrtrechts befindet sich nun
auf dem FlSt 453/3 (neu), welches aufgrund Überlassungsvertrag vom 19.5.1995 und Auflassung
sowie Messungsanerkennung vom 29.10.1997 seit 13.11.1997 einem Abkömmling der früheren
Eigentümer des Stammgrundstücks gehört.
Der Beteiligte beanstandete am 7.11.2014 den fehlenden Eintrag der Grunddienstbarkeit und
beantragte Grundbuchberichtigung sowie Eintragung der Grunddienstbarkeit. Zumindest sei ein
Widerspruch im Grundbuch einzutragen, da der Inhalt des Grundbuchs infolge der unterbliebenen
Eintragung unrichtig sei.
Mit Zwischenverfügung vom 28.11.2014 setzte das Grundbuchamt dem Beteiligten eine Frist zur
Beibringung einer Bewilligung der Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks FlSt 453/3,
alternativ eines die Bewilligung ersetzenden rechtskräftigen Urteils. Trotz nachgewiesener
Unrichtigkeit des Grundbuchs komme die Eintragung eines Amtwiderspruchs nach
eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs nach
die hierfür erforderlichen weiteren Voraussetzungen nicht vorlägen.
Nachdem sich der Beteiligte mit rechtlichen Erwägungen gegen die Erforderlichkeit der
angeforderten Unterlagen ausgesprochen hatte, hat das Grundbuchamt vor Ablauf der bis
28.12.2014 gesetzten Frist das Begehren des Beteiligten mit Beschluss vom 8.12.2014 unter
Bezugnahme auf die Zwischenverfügung wegen unterbliebener Behebung der
Eintragungshindernisse zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, mit der er die Entscheidung des
Grundbuchamts als verfrüht beanstandet. Außerdem ist er der Meinung, das Grundbuch sei in
Ansehung seiner dort nicht verlautbarten, aber mit Bestellungsurkunde vom 3.4.1979 erworbenen
Rechtsposition unrichtig, weshalb es durch Nachholung der Eintragung unabhängig vom Vorliegen
einer Bewilligung der Rechtsnachfolgerin zu berichtigen sei. Letztere sei ohnehin als erbrechtliche
Nachfolgerin an die von den Voreigentümern erklärte Bewilligung gebunden.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde am 7.1.2015 nicht abgeholfen.
Zu notarieller Urkunde vom 13.1.2015 bestellte die Eigentümerin des dienenden Grundstücks (FlNr
453/3) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks FlSt 453/2 eine Grunddienstbarkeit mit dem
Inhalt gemäß der Vorurkunde vom 3.4.1979. Die Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs
wurde am 23.2.2015 antragsgemäß an nächstoffener Rangstelle vollzogen. Weil diesem Recht die
zwischenzeitlich in Abteilung III des Grundbuchs vorgenommenen Eintragungen vorgehen und
zudem Gläubiger die Zwangsversteigerung des dienenden Grundstücks betreiben, hält der
Beteiligte an seiner Beschwerde fest; denn das nun nachrangig eingetragene Recht werde mit der
Zuschlagserteilung wieder gelöscht werden. Dem Recht stehe aber - zumindest als Schadensersatz
im Wege der Naturalrestitution - der Vorrang zu.
II.
Das statthafte Rechtsmittel des Beteiligten ist als Beschwerde nach § 71 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2,
Grunddienstbarkeit als vorrangiges Recht) unbeschränkt und hinsichtlich des Hilfsantrags
(Eintragung eines Amtswiderspruchs bzw. eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des
Grundbuchs) insoweit zulässig, als er behauptet, dass ihm die Eintragung des begehrten
Widerspruchs zugute käme.
Die Eintragung des Geh- und Fahrtrechts am 23.2.2015 führt nicht zur Erledigung des
Rechtsmittels. Denn das Beschwerdevorbringen ist ersichtlich darauf gerichtet, der Eintragung des
Geh- und Fahrtrechts an besserer Rangstelle zum Erfolg zu verhelfen oder zumindest die
Eintragung eines Widerspruchs gegen die gegenwärtige nachrangige Darstellung im Grundbuch zu
erreichen.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Den Anträgen auf Eintragung der
Grunddienstbarkeit im Rang vor den inzwischen eingetragenen weiteren Grundstücksbelastungen
und hilfsweise auf Eintragung eines Amtswiderspruchs ist mangels Zustimmung der vorrangig
Berechtigten und mangels Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht zu entsprechen, so dass es bei der
Antragszurückweisung verbleibt.
1. Sowohl die begehrte Eintragung im Wege der Grundbuchberichtigung gemäß
die angeregte Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß
eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs gemäß
Unrichtigkeit des Grundbuchs voraus. Unrichtig ist das Grundbuch, wenn sein Inhalt mit der
materiellen Rechtslage in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem
solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung im Sinne von
Einklang steht (
Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 356; Palandt/Bassenge BGB 74. Aufl. § 894 Rn. 2). Daran fehlt es
hier; die im Grundbuch verlautbarten Rechte und deren Rangverhältnisse (vgl.
entsprechen - soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung - der materiellen Rechtslage.
Auf die übrigen Voraussetzungen der oben genannten Normen ist daher nicht weiter einzugehen.
a) Dahinstehen kann, ob der Notar für die damaligen Beteiligten am 8.9.1980 einen Antrag auf
Eintragung des zu Urkunde vom 3.4.1979 bestellten Geh- und Fahrtrechts gestellt hat. Dies
erscheint jedenfalls nicht zweifelsfrei, denn der hierfür allein in Betracht kommende
Eintragungsantrag vom 8.9.1980 nimmt seinem Wortlaut nach nur mittelbar über die
Messungsanerkennung Bezug auf die Urkunde vom 3.4.1979 und die dort erklärte
Eintragungsbewilligung. Selbst wenn allerdings von einem gestellten Eintragungsantrag
auszugehen wäre, wurde weder infolge des ausgebliebenen grundbuchlichen Vollzugs noch infolge
des dann entgegen
Grundstücksbelastungen, insbesondere zugunsten von Grundschuldgläubigern, das Grundbuch
unrichtig.
b) Gemäß
Recht - hier mit einer Grunddienstbarkeit in Gestalt eines Geh- und Fahrtrechts (
neben der Einigung der Vertragsparteien über die Rechtsänderung auch deren Eintragung in das
Grundbuch voraus. Vor vollzogener Eintragung sind die Beteiligten zwar unter den
Voraussetzungen des
von der Einigung nicht mehr durch einseitige Abstandnahme lösen können. Dies ändert aber nichts
daran, dass das Recht erst mit der konstitutiven Eintragung im Grundbuch entsteht und somit das
Grundbuch durch eine Unterlassung der Eintragung nicht unrichtig wird (BayObLG Rpfleger 1980,
476 zur Bestellung eines Geh- und Fahrtrechts; Kohler in Bauer/v. Oefele GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 38).
c) Auch das Rangverhältnis unter mehreren Rechten, mit denen ein Grundstück belastet wird,
bestimmt sich nicht nach der Reihenfolge des Antragseingangs, sondern gemäß
nach dem Datum der vollzogenen Eintragung. Zwar sind nach der Ordnungsvorschrift des § 17
GBO gerade mit Blick auf die materiell-rechtliche Bedeutsamkeit des Eintragungsdatums die
dasselbe Recht betreffenden Eintragungsanträge in der Reihenfolge ihres Eingangs beim
Grundbuchamt zu erledigen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift, sollte sie hier zu bejahen sein,
berührt jedoch die Wirksamkeit der vorgenommenen Eintragungen nicht. Das durch die
Eintragungsabfolge im Grundbuch ausgewiesene Rangverhältnis stimmt daher mit der materiellen
Rechtslage überein (BayObLG
§ 17 Rn. 27; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 17 Rn. 24; Demharter GBO 29. Aufl. § 17 Rn. 17;
Hügel/Zeiser GBO 2. Aufl. § 17 Rn. 35).
d) Eine Unrichtigkeit des Grundbuchs kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil der
Beteiligte gemäß
eine Anwartschaft (hierzu im Einzelnen:
Grundschuldberechtigten vorrangiges Geh- und Fahrtrecht erworben hätte. Dass sich sein
Anwartschaftsrecht infolge eines - möglichen - Verstoßes gegen
macht das Grundbuch nicht unrichtig, sondern kann allenfalls Schadensersatzansprüche begründen
(BayObLG
Meikel/Böttcher § 17 Rn. 24; Demharter § 17 Rn. 17; Hügel/Zeiser § 17 Rn. 35).
2. Vollzugsreife eines - unterstellten - Eintragungsantrages vom 8.9.1980 besteht auch im Zeitpunkt
der Beschwerdeentscheidung nicht und könnte zudem dem Begehren des Beschwerdeführers nicht
zum Erfolg verhelfen.
War am 8.9.1980 ein Antrag auf Eintragung des zu Urkunde vom 3.4.1979 bestellten und zur
Eintragung bewilligten Geh- und Fahrtrechts gestellt, so war dieser nach wie vor nicht vollzogene
Antrag zwar bis zu der mit der Beschwerde angegriffenen Zurückweisung noch unerledigt (BGHZ
45, 186/191). Eine Aufhebung der Zurückweisung, welche das Wiederaufleben des
Eintragungsantrags zur Folge hätte, kommt jedoch nicht in Betracht, weil die
Eintragungsbewilligung der Betroffenen insoweit weiterhin nicht vorliegt und das Beschwerdeziel,
die Einräumung des Vorrangs, auch rekurrierend auf einen etwaigen Antrag vom 8.9.1980 nicht
erreicht werden kann.
a) Für den Vollzug des - unterstellt - am 8.9.1980 gestellten Eintragungsantrags ist nach
Eigentumswechsel die Bewilligung der Rechtsnachfolgerin als der von der Eintragung nun
unmittelbar Betroffenen (
dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Eintragung des Rechts stattfindet (BayObLG Rpfleger 1980,
476; Demharter § 19 Rn. 44). In die Eintragungsbewilligung ihrer Rechtsvorgänger ist die
Betroffene nicht im Wege der Universalsukzession „eingetreten“, weil sie ausweislich der
Notarsurkunde über die rechtsgeschäftliche Übertragung nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der
bewilligenden Rechtsvorgänger bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgers geworden ist (vgl. auch
BayObLG
Erbauseinandersetzung). Anstelle einer auf die Urkunde vom 3.4.1979 bezogenen Bewilligung der
Betroffenen liegt nun deren Eintragungsbewilligung vor, die sich auf das im Laufe des
Beschwerdeverfahrens neu bestellte Geh- und Fahrtrecht bezieht.
b) Ohnehin aber kann dem Recht des Beteiligten selbst bei Vorliegen einer auf die
Bestellungsurkunde vom 3.4.1979 abstellenden Bewilligung kein Vorrang vor den in der
Zwischenzeit eingetragenen Rechten eingeräumt werden; denn die hierfür gemäß
berechtigten Grundschuldgläubiger, liegen nicht vor.
3. Ein Verstoß gegen
i. V. m.
Grundbuchverfahren geltend gemacht werden. Insbesondere hat das Grundbuchamt keine
Handhabe, um zulasten der vorrangig Berechtigten Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution
zu gewähren.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren und die Bestimmung des
Geschäftswerts beruhen auf § 79 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:19.06.2015
Aktenzeichen:34 Wx 24/15
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
BGB §§ 873, 879, 880, 894; GBO §§ 17, 19, 22