Kammergericht 29. November 2010
1 W 455/10
WEG § 8; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2

Kein Zustimmungserfordernis der dinglich Berechtigten bei Aufteilung in Wohnungseigentum durch alleinigen Eigentümer

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Dokumentnummer: 1w455_10
letzte Aktualisierung: 24.1.2011
KG, 30.11.2010 - 1 W 455/10
WEG § 8; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2
Kein Zustimmungserfordernis der dinglich Berechtigten bei Aufteilung in
Wohnungseigentum durch alleinigen Eigentümer
Die Begründung von Wohnungseigentum gem. § 8 WEG durch den Grundstückseigentümer
unterliegt auch im Hinblick auf die Rangklassenprivilegierung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG für
dort genannte Ansprüche der späteren Wohnungseigentümergemeinschaft nicht dem
Zustimmungserfordernis von Grundpfandrechtgläubigern.


Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts TempelhofKreuzberg vom 30.09.2010 zu Ziffer D aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an
das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zurückgegeben.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin, eine Grundstücksgesellschaft b.R., beantragte unter dem 04.08.2010
unter Vorlage der ersten Ausfertigung der notariellen Verhandlung vom 03.08.2010, UR-Nr. R
5…/2010 des Notars U. R., auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl.91 – 117 d.A.),
u.a. das Grundbuch für das Stammgrundstück zu schließen und unter Anlegung entsprechender
Wohnungs-/Teileigentumsgrundbücher die Teilung gemäß § 3 dieser Urkunde durchzuführen.
Mit Zwischenverfügung vom 30.09.2010 wies das Grundbuchamt u.a. auf Folgendes hin:
„...
D. Gläubigerzustimmung
Die Teilung gem. § 8 WEG bedarf der Zustimmung der am Grundstück lastenden
Gläubiger Abt.III/14 bis 16 (Kesseler, NJOZ 2010, 1466, 1467; ders. NJW 2010, 2317,
2318).“
Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 05.10.2010, mit der geltend gemacht wird, dass die
geforderte Zustimmung jedenfalls dann nicht erforderlich sei, wenn es sich um eine Teilung nach
§ 8 WEG handele. Bei einer derartigen Teilung entstehe die Wohnungseigentümergemeinschaft
erst mit der Veräußerung der ersten Einheit. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten keine Ansprüche
im Sinne des 10 Abs.1 Nr. 2 ZVG bestehen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 12.10.2010 nicht abgeholfen.
II. Maßgeblich ist das seit 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht (vgl. Art. 111 Abs. 1, Art. 112 Abs.
1 FGG-RG). Die vom Urkundsnotar namens der Beteiligten zulässig (vgl. § 15 Abs. 2 GBO;
dazu Demharter, GBO, 27. Aufl. § 15 Rn. 20) erhobene Beschwerde (§§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1,
72, 73 Abs. 1, 2 GBO) hat insoweit Erfolg, als die Zwischenverfügung aufzuheben ist.
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GBO liegen für die angefochtene
Zwischenverfügung nicht vor.
Das Grundbuchamt hat zu Unrecht den Eintragungsantrag der Beteiligten dahin beanstandet,
dass die Teilung gem. § 8 WEG „der Zustimmung der am Grundstück lastenden Gläubiger
Abt.III/14 bis 16 (Kesseler, NJOZ 2010, 1466, 1467; ders. NJW 2010, 2317, 2318)“ bedarf.
Nach § 19 GBO ist zu einer Eintragung im Grundbuch die Bewilligung desjenigen erforderlich,
dessen Recht von ihr betroffen wird. Der verfahrensrechtlich erforderlichen (Zustimmungs-)
Bewilligung entspricht materiellrechtlich die Notwendigkeit der Zustimmung nach §§ 876, 877
BGB. Zu Rechtsänderungen im Sinne der §§ 877, 876 Satz 1 BGB ist die Zustimmung eines
Dritten erforderlich, mit dessen Recht das Recht an dem Grundstück belastet ist.
Aus dem Schutzzweck der §§ 877, 876 S. 1, wie er auch in § 876 S. 2 BGB zum Ausdruck
kommt, ist allerdings zu folgern, dass die Zustimmung des Dritten unnötig ist, wenn seine
dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht nachteilig berührt wird. Dabei muss nur eine
sein (BGHZ 91, 343 = NJW 1984, 2409; OLG Hamm, OLGZ 1989, 160; BayObLG, DNotZ
1988, 30).
Im zu entscheidenden Fall tritt mit dem Vollzug der vorliegend in Rede stehenden Urkunde bei
keinem Grundpfandrechtsgläubiger eine rechtliche Beeinträchtigung ein, die zu einer
Schmälerung der Haftungsgrundlage führen könnte. Denn wird das Grundstück, das mit dem
Recht eines Dritten belastet ist, als Ganzes durch den Eigentümer in Wohnungseigentum
aufgeteilt, ist dessen Zustimmung nicht erforderlich, weil sich an dem Haftungsobjekt als
Ganzem nichts ändert (Demharter, a.a.O., Rdn.17 Anhang zu § 3 m.w.N.). Derartige Rechte
werden durch die Aufteilung zu Gesamtrechten (OLG Stuttgart, NJW 1954, 682). Die
Begründung von Wohnungseigentum gem. § 8 WEG an sich ist sachenrechtlich kein
zutreffender Anknüpfungspunkt für ein eventuelles Zustimmungserfordernis Drittberechtigter
(so zu Recht Schneider, ZNotP 2010, 299, 302; Kesseler geht hierauf in seiner Entgegnung,
ZNotP 2010, 335, 336 nicht ein).
Die Problematik eines eventuellen Zustimmungserfordernisses im Hinblick auf die
Rangklassenprivilegierung des Wohngeldanspruchs in § 10 Abs.1 Nr.2 ZVG entsteht frühestens
mit der Veräußerung des ersten Wohnungseigentums, da erst dann begrifflich eine
Wohnungseigentümergemeinschaft entsteht (vgl. Schneider, a.a.O., mit umfangr.Nachw.). Dies
bedarf vorliegend daher keiner Vertiefung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

29.11.2010

Aktenzeichen:

1 W 455/10

Rechtsgebiete:

WEG
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

MittBayNot 2011, 301-303
RNotZ 2011, 178-179
Rpfleger 2011, 202
ZWE 2011, 81-82

Normen in Titel:

WEG § 8; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2