Kammergericht 05. Juli 2021
1 W 26/21
HGB § 49 Abs. 2

Keine Vertretungsmacht des Prokuristen für Grundstücksgeschäfte

letzte Aktualisierung: 6.8.2021
KG, Beschl. v. 5.7.2021 – 1 W 26/21

HGB § 49 Abs. 2
Keine Vertretungsmacht des Prokuristen für Grundstücksgeschäfte

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht unabhängig
davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (Anschluss an OLG Köln, NJW-RR
2020, 530; entgegen OLG Hamm, DNotZ 2012, 230).

Gründe

I.
Die Beteiligte – eine Aktiengesellschaft – ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass
der 2019 verstorbenen …, zu dem das im Beschlusseingang genannte Grundstück gehört.
In notarieller Verhandlung vom 12. August 2020 bewilligten … und … als gemeinsam
vertretungsberechtigte Prokuristen der Beteiligten die Eintragung einer
Auflassungsvormerkung in das Grundbuch.

Auf den Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt mit der angefochtenen
Zwischenverfügung beanstandet, die Prokuristen könnten die Beteiligte nicht vertreten, da
sie laut Handelsregister nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken
ermächtigt seien. Nachdem der Vorstand der Beteiligten die Erklärungen vom 12. August
2020 genehmigt hatte, ist die Vormerkung eingetragen worden. Die Beteiligte verfolgt ihre
Beschwerde mit dem Antrag weiter, festzustellen, dass die Zwischenverfügung sie in ihren
Rechten verletzt habe. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da in den Nachlass weitere
Grundstücke fielen und beabsichtigt sei, Veräußerungserklärungen durch Prokuristen
abzugeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (Bl. 77 bis 161) Bezug
genommen.

II.
Die Beschwerde nach §§ 71 ff. GBO ist mit dem Ziel des § 62 Abs. 1 FamFG zulässig (vgl.
BGH, FGPrax 2017, 195). Das berechtigte Interesse an der Feststellung ergibt sich gemäß
§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG aus der für die Beteiligte bestehenden Wiederholungsgefahr.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Es liegt keine Rechtsverletzung vor, denn die
Zwischenverfügung war gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst. Das aufgezeigte
Hindernis bestand. Es war nicht in der erforderlichen Form (§ 29 Abs. 1, § 32 GBO)
nachgewiesen, dass die Erklärungen der Prokuristen gemäß § 164 Abs. 1 BGB, § 49 Abs. 1
HGB für und gegen die Beteiligte wirken. Die Bewilligung der Vormerkung (§ 19 GBO,
§ 885 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) ist nach § 49 Abs. 2 HGB nicht von der Prokura erfasst. Die
Vormerkung, Sicherungsmittel eigener Art, ist als Belastung des Grundstücks anzusehen
(Staub/Joost, HGB, 5. Aufl., § 49 Rn. 33; MünchKomm/Krebs, HGB, 5. Aufl., § 49 Rn.
45; vgl. auch BGH, NJW 2014, 2431 Rn. 23 f.). Eine besondere Befugnis zur Veräußerung
und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB („Immobiliarklausel“), die in das
Handelsregister einzutragen wäre (KG, RJA 3, 231 ff.; BayObLG, NJW 1971, 810 f.), ist
den Prokuristen nicht erteilt.

Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht
unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (OLG Köln, NJWRR
2020, 530; LG Freiburg, BWNotZ 1992, 58; Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 31; a.A. OLG
Hamm, DNotZ 2012, 230; LG Chemnitz, NotBZ 2008, 241; MünchKomm/Krebs, a.a.O.,
§ 49 Rn. 42). Zwar dient die Beschränkung nach heutigem Verständnis (vgl. zu den
überholten Erwägungen des historischen Gesetzgebers KG, a.a.O., S. 232; Staub/Joost,
a.a.O., § 49 Rn. 27; MünchKomm/Krebs, a.a.O., § 49 Rn. 36) dem Schutz des Kaufmanns
im Hinblick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die Grundstücksgeschäften
regelmäßig zukommt. Dieser Gesichtspunkt greift aber nicht nur für Grundstücke, die im
Eigentum des Prinzipals stehen. Veräußert ein Prokurist des Komplementärs Grundstücke
der Kommanditgesellschaft, kann dies erhebliche wirtschaftliche Folgen für den
Komplementär haben. Auch soweit der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines
Dritten oder – wie hier – als Träger eines privaten Amtes im eigenen Namen, aber mit
Wirkung für einen Dritten handelt, kommt Grundstücksgeschäften wegen des
Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs
DNotZ 1992, 584 folgt nichts anderes. Das Gesetz schließt den Prokuristen von der
Vertretung bei Grundstücksgeschäften aus, gleichgültig ob diese Grundlagengeschäfte sind
(oder sein können).

Schließlich besteht auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der
Kaufmann hat die Möglichkeit, den Prokuristen gemäß § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung
und Belastung von Grundstücken zu ermächtigen – ggf. nur, soweit diese nicht in seinem
Eigentum stehen, oder soweit der Kaufmann als Testamentsvollstrecker handelt. Den Inhalt
der Erweiterung kann der Kaufmann bestimmen, sofern er dem Rahmen des § 49 Abs. 2
HGB und dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Es steht ihm ferner frei, dem Prokuristen
gesonderte (Einzelfall-)Vollmacht zu erteilen (Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 37, 45).

Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3, § 61 GNotKG. Die Voraussetzungen für die
Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

05.07.2021

Aktenzeichen:

1 W 26/21

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

HGB § 49 Abs. 2