FG Münster 29. Oktober 2020
8 K 809/18 GrE
GrEStG § 3 Nr. 3

Grunderwerbsteuerbefreiung bei Bildung von Bruchteilseigentum durch Miterben

letzte Aktualisierung: 14.4.2021
FG Münster, Urt. v. 29.10.2020 – 8 K 809/18 GrE

GrEStG § 3 Nr. 3
Grunderwerbsteuerbefreiung bei Bildung von Bruchteilseigentum durch Miterben

Eine (Teil-)Erbauseinandersetzung ist auch dann steuerfrei gem. § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG, wenn
zunächst die Umwandlung des Gesamthandseigentums in Bruchteile und dann die Übertragung auf
einen der Miterben vereinbart wird, sofern diese beiden Schritte als untrennbare Bestandteile eines
Gesamtvertrags zu verstehen sind.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die der Senat gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne
mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet. Der angefochtene
Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und
verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Erwerb des Grundstücks zu
Alleineigentum der Klägerin war nach § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG steuerfrei.

Gemäß § 3 Nr. 3 S. 1 GrEStG ist der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks
durch Miterben zur Teilung des Nachlasses von der Besteuerung ausgenommen. Der
Klägerin und ihre Schwester waren Miterben nach ihrem verstorbenen Vater und ihrer
verstorbenen Mutter. Das Grundstück gehörte zivilrechtlich bis zur Eintragung der
Eigentumsänderung im Grundbuch zum Nachlass. Der Erwerb durch die Klägerin erfolgte
zudem zur Teilung des Nachlasses, weil das Grundstück auch grunderwerbsteuerlich noch
zum Nachlass gehörte. Dabei ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht von Bedeutung,
dass die Bildung von hälftigem Miteigentum an dem Grundstück nach § 6 Abs. 1 GrEStG
steuerfrei gewesen wäre. Dieser Umstand zwingt nicht zu der Annahme, dass § 3 Nr. 3
GrEStG auf die danach vorgenommene Übertragung des Miteigentumsanteils Anwendung
finden müsste (vgl. BFH Urteil vom 07.02.2001 II R 5/99, BFH/NV 2001, 938).
Entscheidend ist vielmehr, dass die unter § 2 und § 3 des Vertrags getroffenen
Vereinbarungen als Bestandteile eines Gesamtvertrags anzusehen sind.

Nach der Rechtsprechung des BFH gehört ein Vermögensgegenstand, wenn mehrere
Erben vorhanden sind, nur solange zum Nachlass, als er den Erben in dieser Eigenschaft
in gesamthänderischer Verbundenheit zusteht. Wird die gesamthänderische Bindung etwa
durch die Umwandlung in Bruchteilseigentum i.S.d. §§ 741 ff., 1008 ff. BGB gelöst, so
verliert der Gegenstand seine Eigenschaft als Teil des Nachlasses. Eine Steuerbefreiung
nach § 3 Nr. 3 GrEStG kommt in einem solchen Fall auch dann nicht in Betracht, wenn die
Miterben die Bildung von Bruchteilseigentum nur als vorläufige Maßnahme ansahen und
von Anfang an die Absicht hatten, durch spätere Vereinbarung die Eigentumsverhältnisse
abweichend zu gestalten, wenn also das Bruchteilseigentum nur als Zwischenlösung auf
dem Weg zur endgültigen Auseinandersetzung (etwa durch den Erwerb von
Alleineigentum) gewollt war (BFH Urteil vom 28.04.1954 II 186/53 U, BStBl. III 1954, 176;
BFH Urteil vom 21.11.1974 II R 19/68, BStBl. II 1975, 271; BFH Urteil vom 07.02.2001 II R
5/99, BFH/NV 2001, 938). Vorliegend wurde tatsächlich kein Bruchteilseigentum an dem
Grundstück gebildet. Voraussetzung hierfür wäre neben der dinglichen Einigung
(Auflassung) eine Eintragung der Klägerin und ihrer Schwester als Miteigentümerinnen im
Grundbuch gewesen. An einer solchen Eintragung fehlt es. Vielmehr wurde die Klägerin
ohne Zwischenschritt als Alleineigentümerin nach ihrem verstorbenen Vater eingetragen.
Festhalten lässt sich dementsprechend, dass das Grundstück sich auch nach Abschluss
der notariellen Vereinbarung am 08.06.2017 noch im Gesamthandseigentum der
Erbengemeinschaft befand.

Der Beklagte stellt daher in seiner Einspruchsentscheidung nicht auf den (dinglichen)
Vollzug der Erbauseinandersetzung, sondern auf die (schuldrechtliche) Verpflichtung zur
Bildung von Bruchteilseigentum ab. Der Beklagte geht insoweit zutreffend davon aus, dass
bereits darin, dass sich die Klägerin und ihre Schwester in § 2 der notariellen Urkunde zur
Bildung von Bruchteilseigentum verpflichtet haben, grunderwerbsteuerliche
Erwerbsvorgänge liegen. Nach Ansicht des Beklagten sind diese Erwerbsvorgänge nach
§ 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei mit der Folge, dass der Befreiungstatbestand hierdurch
verbraucht ist (in diesem Sinne FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 16.04.2015 4 K 1380/13,
EFG 2015, 1295, wobei hier der Auseinandersetzungsvertrag dinglich umgesetzt wurde).
Allerdings setzt ein solcher „Verbrauch“ voraus, dass die an sich grunderwerbsteuerlich zu
berücksichtigende Auseinandersetzungsvereinbarung und die darauffolgend vereinbarte
Grundstücksübertragung nicht als untrennbare Bestandteile eines Gesamtvertrags zu
verstehen sind. Ist dies doch der Fall, so unterfällt der Gesamtvertrag der Steuerbefreiung
nach § 3 Nr. 3 GrEStG. Eine solche Gesamtvereinbarung liegt hier vor. Nach der
Rechtsprechung des BFH kann eine Zusammenschau zweier Unterabschnitte eines
Vertrags geboten sein; denn der Vertrag kommt – mit seinen verschiedenen
Unterabschnitten – zum selben Zeitpunkt (mit der letzten Unterschrift) rechtswirksam
zustande. Die Bindungswirkung der Vereinbarungen tritt zeitgleich ein. Wenn zudem ein
innerer Zusammenhang zwischen den beiden Erwerbsvorgängen besteht, ist davon
auszugehen, dass der eine Teil des Rechtsgeschäfts nicht ohne den anderen
vorgenommen worden wäre und daher ein einheitlicher Vertrag vorliegt (BFH Urteil vom
15.12.1972 II R 123/66, BStBl. II 1973, 363: im Nachlass befindliches Grundstück als
Gegenleistung für die Übertragung des anderen Erbteils; vgl. auch Sächsisches FG Urteil
vom 25.06.2003, 6 K 1625/00, EFG 2003, 1567 mit zustimmender Anmerkung Fumi:
Bildung von Miteigentum und anschließende Teilungserklärung nach § 3 WEG als
einheitliches Rechtsgeschäft). Die Klägerin und ihre Schwester beabsichtigten, die
Erbengemeinschaft (im Hinblick auf das Grundstück) dadurch zu beenden, dass die
Klägerin Alleineigentümerin des Grundstücks wird. Als Gegenleistung sollte die Klägerin
ihrer Schwester einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 31.500 EUR zahlen. Dabei waren
sich die Schwestern einig, dass der Verkehrswert des bebauten Grundstücks 63.000 EUR
und der des hälftigen Anteils somit 31.500 EUR betrug. Zwar haben die Klägerin und ihre
Schwester in § 2 der notariellen Urkunde vom 08.06.2017 zunächst die (Teil-) Aufhebung
der Erbengemeinschaft vereinbart, sich über die Bildung von Bruchteilseigentum geeinigt
und eine entsprechende Eintragung in das Grundbuch bewilligt und beantragt. Dieser Teil
des Vertrags diente allerdings ersichtlich nur der Vorbereitung der Erbauseinandersetzung
in der Art, dass die Klägerin gegen Wertausgleich Alleineigentümerin des in Rede
stehenden Grundstücks werden sollte. Dies ergibt sich daraus, dass die Bildung von
Bruchteilseigentum im weiteren Vertragstext, insbesondere, was die dingliche Umsetzung
angeht, nicht weiter verfolgt wird. Die Auflassung in § 6 der Urkunde bezieht sich
ausschließlich und unmittelbar darauf, dass sich die Klägerin und ihre Schwester darüber
einig waren, dass der hälftige Anteil der Schwester auf die Klägerin als Eigentümerin
übergeht. Nur hierauf bezieht sich auch die grundbuchrechtliche Erklärung in § 6 der
Urkunde. Die Eintragung von Bruchteilseigentum in das Grundbuch wurde gegenüber dem
Grundbuchamt tatsächlich nicht beantragt. Dementsprechend wurden die Klägerin und ihre
Schwester nicht – auch nicht zwischenzeitlich – als Miteigentümerinnen im Grundbuch
eingetragen, sondern allein die Klägerin als Alleineigentümerin. Darüber hinaus besteht –
entgegen der Auffassung des Beklagten – ein innerer Zusammenhang zwischen den in § 2
und § 3 des Vertrags getroffenen Vereinbarungen. Dies folgt aus der Interessenlage der
Vertragsparteien: Die Klägerin wollte Alleineigentümerin der Grundstücks werden und war
bereit, ihrer Schwester hierfür 31.500 EUR zu zahlen. Die Schwester der Klägerin war an
dieser Gegenleistung interessiert und bereit, hierfür ihre Mitberechtigung an dem
Grundstück aufzugeben. Demgegenüber waren weder die Klägerin noch ihre Schwester
daran interessiert, hälftige Miteigentümerinnen des Grundstücks zu werden. Die –
gedankliche – Bildung von Bruchteilseigentum war lediglich vorbereitender
Zwischenschritt. Dabei ist unerheblich, dass es – anders als die Klägerin meint – durchaus
möglich gewesen wäre, dass ihr die Erbengemeinschaft das Grundstück zu Alleineigentum
überträgt. Entscheidend ist, dass die Klägerin und ihre Schwester die notarielle
Vereinbarung nicht unterzeichnet hätten, wenn es nur um die Bildung von Miteigentum
gegangen wäre, die Klägerin das Grundstück also nicht zeitgleich zu Alleineigentum
erworben und die Schwester der Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Gegenleistung
von 31.5000 EUR erlangt hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

FG Münster

Erscheinungsdatum:

29.10.2020

Aktenzeichen:

8 K 809/18 GrE

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer
Sachenrecht allgemein
WEG

Normen in Titel:

GrEStG § 3 Nr. 3