OLG Celle 14. Oktober 2024
7 W 4/24
GNotKG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Einbringung eines Hofs in eine GbR; unmittelbare Fortführung des Betriebs durch Erwerber; Gebührenprivileg

letzte Aktualisierung: 30.12.2024
OLG Celle, Beschl. v. 14.10.2024 – 7 W 4/24

GNotKG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Einbringung eines Hofs in eine GbR; unmittelbare Fortführung des Betriebs durch
Erwerber; Gebührenprivileg

Eine unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst ist auch dann im Sinne von
§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG beabsichtigt, wenn der Hof in eine GbR eingebracht ist, deren
Mitgesellschafter der Erwerber ist, und der Erwerber den Betrieb selbst in Arbeitsteilung mit den
weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 1 war Alleineigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke mit Hofstelle, die er
mit notariellem Hofübergabevertrag vom 30. Juni 2023 an den Beteiligten zu 2, seinen Sohn, im
Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrug. Der Einheitswert des landwirtschaftlichen
Grundbesitzes beträgt 46.885 € (91.700 DM). Der Hof ist eingebracht in die H. GbR.
Gesellschafter der GbR waren die Beteiligten zu 1 und 2 sowie zwei weitere Landwirte. Für die
Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Mit dem notariellen Vertrag vom
30. Juni 2023 übertrug der Beteiligte zu 1 auch seinen Gesellschaftsanteil an den Beteiligten zu 2.
Nachdem das Landwirtschaftsgericht mit Beschluss vom 29. September 2023 den
Hofübergabevertrag genehmigt und dem Beteiligten zu 2 die Kosten auferlegt hatte, hat es mit
Beschluss vom 29. September 2023 den Geschäftswert auf den Verkehrswert des
landwirtschaftlichen Grundbesitzes in Höhe von 3.612.224,90 € festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2, mit der dieser die Herabsetzung des
Geschäftswerts unter Anwendung des landwirtschaftlichen Kostenprivilegs anstrebt. Das
Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.

II.
Der Senat entscheidet - gemäß § 81 Abs. 6 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG ohne
Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter - in der Besetzung gemäß § 2 Abs. 2 LwVG.

III.
Die nach § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist
begründet. Der Geschäftswert für das Verfahren zur Genehmigung des Hofübergabevertrages
(§§ 16, 17 HöfeO) ist gemäß § 48 Abs. 1, 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 GNotKG auf
den vierfachen Einheitswert festzusetzen.

1. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GNotKG beträgt der Wert des land- und forstwirtschaftlichen
Vermögens im Sinne des Bewertungsgesetzes im Zusammenhang mit der Übergabe oder
Zuwendung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle an eine oder mehrere
natürliche Personen höchstens das Vierfache des letzten Einheitswerts, der zur Zeit der
Fälligkeit der Gebühr bereits festgestellt ist, wenn die unmittelbare Fortführung des Betriebs
durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist und der Betrieb unmittelbar nach Vollzug der
Übergabe oder Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des
zukünftigen Inhabers bildet. Nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG sind die Absätze 1 und 2
entsprechend anzuwenden, wenn es um die Bewertung eines Hofs im Sinne der Höfeordnung
geht.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Eine unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den
Erwerber selbst ist auch dann im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG beabsichtigt,
wenn der Hof in eine GbR eingebracht ist, deren Mitgesellschafter der Erwerber ist, und der
Erwerber den Betrieb selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich
bewirtschaftet.

a) Die Kostenprivilegierung setzt nach dem Wortlaut von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GNotKG
unter anderem voraus, dass die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber
selbst beabsichtigt ist. Nach der Gesetzesbegründung ist das der Fall, wenn der Erwerber dem
bisherigen Eigentümer unmittelbar als Bewirtschafter nachfolgt. Diese Voraussetzung ist nach
der Vorstellung des Gesetzgebers nicht erfüllt, wenn der Betrieb für eine Übergangszeit an einen
Dritten verpachtet wird oder ein Betrieb betroffen ist, der im Zeitpunkt der Vornahme des
Geschäfts nicht von dem Eigentümer bewirtschaftet wird, sondern beispielsweise überwiegend
verpachtet ist, brachliegt oder anderweitig genutzt wird (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169). Der
Anwendung des Bewertungsprivilegs steht eine Verpachtung des übergebenen land- oder
forstwirtschaftlichen Betriebs durch den Erwerber aber jedenfalls dann nicht entgegen, wenn
das Pachtverhältnis mit einem nahen Familienangehörigen begründet wird und der Erwerber
den Betrieb mit dem Pächter in Arbeitsteilung gemeinschaftlich bewirtschaftet (vgl. BGH,
Beschluss vom 22. Februar 2024 - V ZB 65/22, NJW 2024, 1423 Rn. 9).

b) Nach diesen Grundsätzen unterfällt die fortgesetzte Bewirtschaftung des in eine GbR
eingebrachten Hofes durch den Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme - wie hier -
selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet,
ebenfalls dem Kostenprivileg des § 48 Abs. 1 GNotKG.

aa) Dass der Hof in eine GbR eingebracht ist, führt nicht zu der Unanwendbarkeit des
Kostenprivilegs (aA Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, § 48 Rn. 15; wohl auch HKNotarR/
Storch, GNotKG, § 48 Rn. 16). Richtig ist zwar, dass die Anwendung des
Kostenprivilegs ausscheiden müsste, wenn Übernehmerin die GbR selbst wäre, weil das Gesetz
nur die Übergabe an eine oder mehrere natürliche Personen privilegiert (vgl. LG Stralsund,
Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 6 OH 15/18, BeckRS 2019, 63362; BeckOK KostR/Soutier
[1.7.2024], § 48 GNotKG Rn. 23; Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, § 48 Rn. 29, 42). Hier ist
Übernehmer aber eine natürliche Person, weil der Beteiligte zu 1 die Grundstücke an seinen
Sohn übergibt.

bb) Die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber wird nicht dadurch in
Zweifel gezogen, dass nach § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaftszweck in der
Bewirtschaftung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes liegt und nach § 9 die
Gesellschafter zur Geschäftsführung nur gemeinsam berechtigt sind. Bei einer überwiegenden
Verpachtung, dem Brachliegen oder einer anderweitigen (landwirtschaftsfremden) Nutzung wird
das mit der Kostenprivilegierung verfolgte Ziel der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger
landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169) verfehlt. Damit ist
die hier gegebene Konstellation nicht vergleichbar, weil der Hof in Familienbesitz bleibt und
von dem Übernehmer - wenn auch mit anderen zusammen, aber in gleicher Weise wie von dem
Übergeber zuvor - selbst weiter bewirtschaftet wird. Wie der Bundesgerichtshof in dem
Zusammenhang mit der Verpachtung des Hofes durch den Übernehmer an einen nahen
Familienangehörigen klargestellt hat, schadet eine arbeitsteilige gemeinschaftliche
Bewirtschaftung mit einer anderen Person selbst dann nicht, wenn nicht der Übernehmer,
sondern die andere Person den Betrieb hauptverantwortlich (dort als Pächter) führt.

cc) Der Entstehungsgeschichte lässt sich nicht entnehmen, dass die Kostenprivilegierung nur
dem einzelunternehmerisch tätigen Landwirt zugutekommen soll. Vielmehr steht es mit dem
Ziel der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in
Familienbesitz (vgl. BT-Drs. 17/11471, 169) in Einklang, die Übergabe eines in eine GbR
eingebrachten Hofes an den Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme selbst in
Arbeitsteilung mit den weiteren Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet, in das
Kostenprivileg des § 48 Abs. 1 GNotKG einzubeziehen. Das trägt der Entwicklung der
Betriebsstrukturen in der Landwirtschaft Rechnung, weil landwirtschaftliche Betriebe
zunehmend in Form von Personengesellschaften geführt werden. Nach dem Agrarpolitischen
Bericht der Bundesregierung 2023 waren 2020 rund 10,9 % aller landwirtschaftlichen Betriebe
als Personengesellschaft organisiert und entscheiden sich immer mehr Landwirtinnen und
Landwirte für diese Rechtsform zur Organisation ihres Unternehmens (vgl. Agrarpolitischer
Bericht der Bundesregierung 2023 S. 14).

dd) Schließlich spricht für diese Sichtweise, dass der Gesetzgeber mit der Kostenprivilegierung
eine übermäßige Belastung der Landwirtschaft mit Notarkosten bei Hofnachfolgeregelungen,
welche die Gefahr in sich birgt, dass der Hofinhaber von einer rechtzeitigen
Hofnachfolgeregelung absieht, vermeiden wollte (vgl. BT-Drs. 11/2343, 6 zu § 19 Abs. 4
KostO; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2024 - V ZB 65/22, NJW 2024, 1423 Rn. 13).
Diesem Ziel liefe es zuwider, fiele die Übergabe eines in eine GbR eingebrachten Hofes an den
Übernehmer, der den Hof nach der Übernahme selbst in Arbeitsteilung mit den weiteren
Gesellschaftern gemeinschaftlich bewirtschaftet, nicht unter das Kostenprivileg des § 48 Abs. 1
GNotKG, weil dann ein erheblicher Teil der landwirtschaftlichen Betriebe in Familienbesitz von
vornherein aus dem Anwendungsbereich ausschiede.

c) Die weitere Voraussetzung des § 48 Abs. 1 GNotKG - der Betrieb bildet unmittelbar nach
Vollzug der Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des
zukünftigen Inhabers - liegt vor.

IV.
Gemäß § 83 Abs. 3 GNotKG ist das Verfahren gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht
statt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Celle

Erscheinungsdatum:

14.10.2024

Aktenzeichen:

7 W 4/24

Rechtsgebiete:

Kostenrecht

Normen in Titel:

GNotKG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1