Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
letzte Aktualisierung: 07.12.2022
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 5.8.2022 – 5 W 48/22
Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
1. Zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei schenkweiser Zuwendung der
Todesfallleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag über ein widerrufliches Bezugsrecht (im
Anschluss an BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08,
VersR 2010, 895).
2. Für die Anwendung dieser Grundsätze macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem
Versicherungsvertrag um eine Risiko-Lebensversicherung handelt, die nur im Todesfall Leistungen
an den Bezugsberechtigten erbringt, oder ob der Vertrag auch eine Leistung im Erlebensfall
vorsah.
Gründe
I.
Die Antragstellerin beabsichtigt, gegenüber der Antragsgegnerin klagweise Pflichtteils- bzw.
Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen. Sie ist das einzige Kind des am
1. Dezember 1957 geborenen und am 13. Mai 2017 verstorbenen V. W. B. (im Folgenden:
Erblasser), die Antragsgegnerin ist dessen zweite Ehefrau, sie wurde durch letztwillige
Verfügung vom 12. März 2017 zur alleinigen Erbin eingesetzt. Nach dem Tode forderte die
Antragstellerin die Antragsgegnerin zunächst unter Fristsetzung auf den 15. April 2019 zur
Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und zur Auszahlung des Pflichtteiles auf (Bl. 12
GA). In der Folge wurde ein notarielles Nachlassverzeichnis (UR Nr. 817/2020B des
Notars Dr. J. W. B., V., Bl. 25 ff. GA) angefertigt, das als Aktiva u.a. Bankguthaben in Höhe
von insgesamt 4.907,97 Euro und ein fremdfinanziertes Fahrzeug ausweist, die Passiva mit
9.048,59 Euro beziffert und unter dem Oberbegriff „Forderungen“ den Hinweis auf eine
„Risiko-Lebensversicherung Nr. 10110711405884“ bei der E. V. Lebensversicherung AG
enthält, aus der die Beklagte auf die Todesfallsumme in Höhe von 50.000,- Euro
bezugsberechtigt gewesen sei. Der Versicherungsschein zu diesem Vertrag wurde nicht
vorgelegt, statt dessen der vom Erblasser unter dem 25. Mai 2010 unterzeichnete Antrag zur
vorgenannten Versicherungsnummer im Tarif RISIKO-LEBEN – Tarif M6 (Bl. 97 ff. GA),
die Versicherungsbedingungen dieses Tarifs (Bl. 73 ff. GA) sowie zwei Schreiben des
Versicherers, aus denen hervorgeht, dass es sich bei dem Vertrag um eine „reine
Risikoversicherung“ gehandelt habe und ein Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Todes nicht
vorhanden gewesen sei (Bl. 71, 72 GA).
Die Antragstellerin, die sich Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von
¼ aus der Summe von 53.569,29 Euro errechnet, meint, es müsse neben einem
Aktivnachlass in Höhe von 5.824,49 Euro und Passiva in Höhe von 8.048,59 Euro (Bl. 8
GA) auch ein fiktiver weiterer Nachlass in Höhe von 55.793,39 Euro berücksichtigt werden,
der sich aus der als Schenkung zugunsten der Antragsgegnerin anzusehenden
Lebensversicherungssumme über 50.000,- Euro sowie weiteren, in Ziffer B. II. des
Nachlassverzeichnisses aufgeführten unentgeltlichen Verfügungen über insgesamt 5.793,39
Euro zusammensetze. Die Lebensversicherung müsse mit ihrer Versicherungssumme bei
der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches Berücksichtigung finden (Bl. 8, 44 G).
Selbst für den Fall, dass es sich um eine reine Risikoversicherung gehandelt habe, worauf
trotz unterlassener Vorlage des Versicherungsscheines durch die Antragsgegnerin „einiges“
hindeute (Bl. 110 GA), habe die Antragsgegnerin von der Versicherung erheblich profitiert
und hätten zumindest die monatlichen Raten den Nachlass geschmälert. Die
Antragsgegnerin ist dem Begehren unter Hinweis auf die von der neueren Rechtsprechung
vertretenen Grundsätze zur Bewertung von Lebensversicherungen im Pflichtteilsrecht
entgegengetreten: der Erblasser habe die „reine Risikoversicherung“ abgeschlossen, um ihr
eine gewisse Absicherung im Falle seines Vorversterbens zu gewähren, diese habe bis zum
Eintritt des Leistungsfalles keinen Liquidationswert aufgewiesen (Bl. 38 GA). Der
Versicherungsschein, der im Leistungsfall vorgelegt werden müsse, sei nicht mehr
vorhanden, der Versicherer habe ihr diesen Sachverhalt aber wiederholt schriftlich bestätigt
(Bl. 71, 72 GA). Auch den anderen Zuwendungen hätten Gegenleistungen ihrerseits
gegenübergestanden.
Mit dem angefochtenen Beschluss (Beiheft) hat das Landgericht der Antragstellerin
ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Geltendmachung eines Betrages in Höhe von 521,76 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
16. April 2019 sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Gebühr aus
einem Wert von 521,76 Euro zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer gewährt; den
weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Ausgehend von Nachlassaktiva in Höhe von
4.907,97 Euro und Passiva in Höhe von 9.048,52 Euro hat es die Notwendigkeit gesehen,
über vermeintliche Zuwendungen in Höhe von 6.227,65 Euro Beweis zu erheben, so dass
ein fiktiver Nachlasswert von 2.087,03 Euro und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in
Höhe von 521,76 Euro denkbar sei. Dagegen habe die von der Antragstellerin angesetzte
Versicherungssumme unberücksichtigt zu bleiben, nachdem ausweislich der vorgelegten
Korrespondenz eine Risikolebensversicherung vorgelegen habe, aus der bis zum Tode des
Erblassers kein Rückkaufswert zu realisieren gewesen wäre, der als Zuwendung das
Nachlassvermögen vermindert habe.
Gegen diese Teilabweisung ihres Antrages richtet sich die sofortige Beschwerde der
Antragstellerin, die den Vortrag der Antragsgegnerin mangels Vorlage des
Versicherungsscheins weiterhin für nicht hinreichend glaubhaft gemacht erachtet und im
Übrigen die Auffassung vertritt, es müssten jedenfalls die vom Erblasser geleisteten
Versicherungsbeiträge berücksichtigt werden, um die dieser entreichert worden sei,
nachdem die Antragsgegnerin aufgrund des Todes die Versicherungssumme erlangt habe.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15. Juli 2022 nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.
II.
Die gemäß
eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die
Antragstellerin wendet sich nach teilweiser Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit ihrer
sofortigen Beschwerde vergeblich gegen die Zurückweisung ihres weitergehenden Antrages.
Für die von ihr beabsichtigte Klage besteht im Übrigen, richtigerweise aber auch insgesamt,
keine hinreichende Erfolgsaussicht (
1.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß
Hinsicht grundsätzlich voraus, dass die Klage zulässig und schlüssig ist. In der Sache muss
das Tatsachenvorbringen des Klägers – seine Richtigkeit unterstellt – das daraus hergeleitete
Klagebegehren rechtfertigen. Zudem sind die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten mit
zu berücksichtigen. Dabei muss die Möglichkeit bestehen, dass der Kläger streitige
Behauptungen beweisen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 – VI ZR
235/92,
712; Schultzky in: Zöller, ZPO 34. Aufl., § 114 Rn. 22). An die Voraussetzung der
hinreichenden Erfolgsaussicht sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (BGH,
Beschluss vom 27. August 2019 – VI ZB 32/18,
1993, 1090;
vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht
die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 –
VI ZR 235/92,
Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes hat die beabsichtigte
Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die
Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt; das ist
insbesondere der Fall, wenn der Sache wegen klärungsbedürftiger Fragen des materiellen
Rechts grundsätzliche Bedeutung zukommt (BGH, Beschluss vom 7. März 2007 – IV ZB
37/06,
BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 - III ZB 7/03,
2004, 1789).
2.
Danach kann der beabsichtigten Klage der Antragstellerin, soweit diese zur Berechnung
eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§ 2325 Abs. 1 BGB) auch das der Antragsgegnerin
zugewandte Bezugsrecht heranziehen und daraus einen den Betrag von 521,76 Euro
übersteigenden Anspruch errechnen will, keine hinreichende Erfolgsaussicht im
vorgenannten Sinne beigemessen werden. Sofern hier überhaupt eine pflichtteilsrelevante
Schenkung i.S. des § 516 Abs. 1 BGB (auch: ehebedingte Zuwendung, vgl. BGH, Urteil
vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90,
von der Antragsgegnerin hervorgehobenen Versorgungscharakters der Versicherung schon
gewissen Zweifeln begegnet, die die Antragstellerin ggf. ausräumen müsste (zur Behandlung
von Zuwendungen unter Ehegatten auch Weidlich, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 2325 Rn.
10, m.w.N.), könnte dafür jedenfalls nach Lage der Dinge kein gesonderter Wert angesetzt
und insbesondere, entgegen der Beschwerde, weder auf die ausgezahlte Todesfallsumme
noch auf die vom Erblasser entrichteten Beiträge abgestellt werden.
a)
Ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Versicherungsantrag vom 25. September 2010,
Versicherungsbedingungen zum Tarif M6 – AVB, Bl. 97 ff., 73 ff. GA) hat die
Antragsgegnerin die Todesfallsumme aufgrund eines nach Maßgabe von Ziff. 3.1 AVB
i.V.m.
unterhaltenen Lebensversicherungsvertrag erlangt. Die Grundsätze, nach denen sich der
Wert einer solchen Zuwendung beurteilt, sind in der Rechtsprechung geklärt und vom
Landgericht rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebracht worden. Wendet der Erblasser die
Todesfallleistung aus einem von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen
Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise
zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch weder nach der
Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien. Es
kommt vielmehr allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten seiner
Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven
Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den
Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein –
objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein (zum Ganzen: BGH,
Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08,
12. Februar 2020 – 5 U 59/19,
Bezugsberechtigte hier vor dem Eintritt des Todes noch keinen Anspruch auf die
Versicherungsleistung, nicht einmal eine Anwartschaft erwirbt, sondern lediglich eine
Erwerbshoffnung, die der Erblasser jederzeit durch eine Änderung der Bezugsberechtigung
vernichten kann (BGH, a.a.O.,
8/17,
Todesfallsumme, um die das Vermögen des Bezugsberechtigten vermehrt wird
(Bereicherungsgegenstand), gelangt folglich erst mit Eintritt des Todes und damit zu einem
Zeitpunkt zur Entstehung, in dem das Vermögen des Erblassers und dieser selbst nicht
mehr existieren; sie wird dem Empfänger also nicht unmittelbar aus dem
Erblasservermögen zugewandt, wie es § 2325 Abs. 1 BGB voraussetzt (BGH, Urteil vom
28. April 2010 – IV ZR 73/08,
9. Aufl., § 159 Rn. 545). Ebenso steht erst, wenn die Zuwendung des Bezugsrechts mit dem
Eintritt des Todes unwiderruflich wird, erstmalig fest, dass die vom Erblasser geleisteten
Prämien das Vermögen seinerzeit entreichert haben (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV
ZR 73/08,
und können ebenfalls nicht zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
herangezogen werden (BGH, a.a.O. unter ausdrücklicher Aufgabe der anders lautenden
früheren Rechtsprechung, dazu etwa: RG, Urteil vom 25. März 1930 – VII 440/29, RGZ
128, 187; BGH, Urteil vom 14. Juli 1952 – IV ZR 74/52,
b)
Das Landgericht ist zutreffend von diesen gefestigten Grundsätzen ausgegangen, die auch
im Streitfall zur Anwendung gelangen; danach hat es die von der Antragstellerin vorrangig
unter Heranziehung der Todesfallsumme von 50.000,- Euro vorgenommene Berechnung
des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu Recht für unschlüssig erachtet, weil auf diesen
Betrag schon aus Rechtsgründen mangels lebzeitiger Zuwendung nicht abgestellt werden
darf. Entsprechendes gilt aber auch für die vom Erblasser gezahlten – bis zuletzt auch nicht
einmal konkret bezifferten – Versicherungsbeiträge, um die dieser zu Lebzeiten nicht
entreichert wurde; die abweichende Auffassung der Beschwerde ist seit der dargestellten
Rechtsprechungsänderung im Jahre 2010 (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR
73/08,
streitgegenständliche Vertrag in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens zu
verwerten, ist nicht erkennbar und wird von der Antragstellerin auch nicht behauptet. Nach
sämtlichen vorliegenden Unterlagen, insbes. den beiden Schreiben des Versicherers vom 4.
November 2019 und vom 2. November 2021 (Bl. 71, 72 GA), deren inhaltliche Richtigkeit
sie nicht in Zweifel zieht, wies der Vertrag – als „reine Risikoversicherung“ – keinen
Rückkaufswert auf, den der Verstorbene zuletzt durch Kündigung hätte realisieren können
und der dann den Wert einer etwaigen Zuwendung an die Antragsgegnerin wiederspiegeln
würde. Objektiv belegte Anhaltspunkte dafür, dass eine andere werthaltige Veräußerung
möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich, nachdem für Verträge ohne Rückkaufswert
bekanntermaßen kein Zweitmarkt existiert (vgl. Lange, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl.,
§ 2325 Rn. 45), und werden von Antragstellerin auch mit der Beschwerde nicht vorgetragen.
Ihr bloßer erneuter Verweis auf die unterbliebene Vorlage des Versicherungsscheins, die
von der Antragsgegnerin wiederholt – nachvollziehbar – mit der Verpflichtung zur
Rückgabe bei Auszahlung der Versicherungsleistung erläutert worden ist, die sich aus der
besonderen Funktion des Versicherungsscheins als „qualifiziertes Legitimationspapier“
ergibt (Ziff. 3.4 AVB; § 4 VVG;
IV ZR 16/08,
306), ist dazu nicht geeignet.
c)
Entgegen von der Antragstellerin wiederholt geäußerter Zweifel macht es für die Bewertung
des Bezugsrechts im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus § 2325 Abs. 1 BGB
auch keinen Unterschied, ob es sich bei dem Versicherungsvertrag – wie hier zuletzt
unstreitig – um eine Risiko-Lebensversicherung handelt, die nur im Todesfall Leistungen an
den Bezugsberechtigten erbringt, oder ob im Vertrag auch eine Erlebensfalleistung
vorgesehen war. Wie in der bereits mehrfach erwähnten Leitentscheidung des
Bundesgerichtshofs im Einzelnen dargestellt wird, hätte Letzteres (nur) zur Folge, dass dann
nicht lediglich ein, sondern zwei unterschiedliche Versicherungsfälle – Todesfall während
der versicherten Zeit sowie Erleben eines vereinbarten Endalters – vereinbart worden
wären; dies führte zu zwei Ansprüchen auf die für den jeweiligen Versicherungsfall
versprochene Leistung, die jeweils durch den Eintritt des entsprechenden Versicherungsfalls
(Todes- oder Erlebensfall) aufschiebend bedingt sind (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV
ZR 73/08,
Gegensatz zur reinen Risikoversicherung wird bei Lebensversicherungen, die auch eine
Leistung im Erlebensfall vorsehen (Kapital-, Rentenversicherung), ein Rückkaufswert
gebildet, dessen Höhe freilich von unterschiedlichen Parametern, insbesondere der
Vertragslaufzeit abhängt (§ 169 Abs. 1; zum Ganzen Reiff, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 169
Rn. 20 ff.); infolgedessen besteht für den Versicherungsnehmer hier u.U. die Möglichkeit
einer – freilich immer mit finanziellen Nachteilen verbundenen – lebzeitigen Verwertung
seiner Rechte (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08,
das Bezugsrecht eines widerruflich begünstigten Dritten ändert sich bei all dem aber nichts;
denn im einen wie im anderen Fall entsteht sein Anspruch auf die Todesfalleistung unter
denselben rechtlichen Voraussetzungen mit dem Eintritt des Todes originär in der Person
des Bezugsberechtigten (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185,
252, 266; zur uneingeschränkten Geltung der
Lebensversicherungsverträgen auch Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 159 Rn. 2; BTDrucks.
16/3945, S. 98). Dementsprechend unterliegt dieser Anspruch auch im einen wie
im anderen Fall denselben Modalitäten für die Berechnung von
Pflichtteilsergänzungsansprüchen (vgl. auch Lange, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2325
Rn. 45).
3.
Soweit das Landgericht im Übrigen, ausgehend von weiteren vermeintlichen Zuwendungen
in Höhe von 6.227,65 Euro und einem daraus errechneten fiktiven Nachlasswert von
2.087,03 Euro, Pflichtteilsergänzungsansprüche aus § 2325 Abs. 1 BGB in Höhe von 521,76
Euro für möglich gehalten und die beabsichtigte Klage in dieser Höhe zzgl. anteiliger
außergerichtlicher Kosten für hinreichend erfolgversprechend erachtet hat, bewendet es bei
dieser Entscheidung, die die Antragstellerin nicht angreift und die sie auch nicht
benachteiligt (zum Verschlechterungsverbot in diesen Fällen Schultzky, in: Zöller, a.a.O.,
§ 127 Rn. 40, m.w.N.). Freilich lagen auch insoweit die gesetzlichen Voraussetzungen des
nachdem die von der Erstrichterin in Höhe von 521,76 Euro für erfolgversprechend
erachtete Klage nicht zulässigerweise zum Landgericht erhoben werden könnte und die
Antragstellerin auch deutlich gemacht hat, den Rechtsstreit im Übrigen nicht auf eigene
Kosten führen zu wollen (Schriftsatz vom 8. Juni 2022, Bl. 118 GA). Fehlen nämlich – wie
hier – Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die beabsichtigte Klage ungeachtet der
Rechtsauffassung des Landgerichts in einem für dessen Zuständigkeit ausreichenden
Umfang auf eigene Kosten betreiben wird, und ist eine Verweisung des
Prozesskostenhilfeverfahrens an das zuständige Amtsgericht nicht beantragt oder nicht
möglich, ist an sich die Prozesskostenhilfe mangels sachlicher Zuständigkeit insgesamt zu
verweigern (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 – VI ZB 12/04,
Senat, Beschluss vom 1. August 2006 – 5 W 189/06-58; Schultzky in: Zöller, a.a.O., § 114
Rn. 28).
4.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (
Antragstellerin, die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen, folgt schon aus
dem Gesetz. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2
ZPO) liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:05.08.2022
Aktenzeichen:5 W 48/22
Rechtsgebiete:
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag
BGB § 2325; VVG §§ 159, 169