OLG Düsseldorf 14. Oktober 2020
3 Wx 158/20
EuErbVO Art. 68; BGB § 2371

Keine Angabe einzelner Nachlassgegenstände im Europäischen Nachlasszeugnis bei Geltung deutschen Erbrechts

letzte Aktualisierung: 18.3.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.2020 – 3 Wx 158/20

EuErbVO Art. 68; BGB § 2371
Keine Angabe einzelner Nachlassgegenstände im Europäischen Nachlasszeugnis bei
Geltung deutschen Erbrechts

Bei Erbfällen mit Auslandsberührung kommt nach der vom Senat geteilten herrschenden Meinung
(vgl. u. a. OLG München ZEV 2017, 580 f.; OLG Nürnberg ZEV 2017, 579 f.) die Angabe
einzelner Nachlassgegenstände (hier: Eigentumswohnung in Polen) im Europäischen
Nachlasszeugnis unter Anwendung deutschen Erbrechts (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) nicht in
Betracht, insbesondere dann nicht, wenn dem Übergang des gesamten Eigentums ein
Erbschaftskauf zugrunde liegt.

Gründe:

I.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 stellte das Nachlassgericht am 22. Januar 2018 ein für die
Dauer von sechs Monaten gültiges Europäisches Nachlasszeugnis aus, ausweislich
dessen die Beteiligte zu 1 Erbin des Erblassers aufgrund notariell errichteter letztwilliger
Verfügung vom 2. Februar 1973 ist. Als weiterer Erbe zu ½ wurde der Beteiligte zu 2
aufgeführt. Bereits am 15. November 2016 hatte der Beteiligte zu 2 mit notariell
beurkundetem Vertrag seinen Erbanteil auf die Beteiligte zu 1 übertragen.
Zum Nachlass gehört eine Eigentumswohnung in ... in Polen. Den unter Vorlage des
Europäischen Nachlasszeugnisses vom 22. Januar 2018 von der Beteiligten zu 1
gestellten Antrag auf Eintragung als Alleineigentümerin wies das zuständige Gericht in
Polen zurück. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beteiligten zu 1 hätten die
polnischen Behörden den Grundbesitz nicht dem Nachlass zuordnen können.
Um ihre Eintragung in Polen erreichen zu können, hat die Beteiligte zu 1 am15. August
2019 beim Nachlassgericht ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt, das den
Grundbesitz in Polen ausdrücklich als Nachlassgegenstand aufführt. Mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Februar 2020 hat sie diesen Antrag wiederholt und
hilfsweise beantragt, dass zusätzlich zur Angabe ihres Erbteils ein Hinweis auf die
Erbteilsübertragung vom 15. November 2016 und seine dingliche Wirkung auf sämtliche
Nachlassgegenstände im Nachlasszeugnis aufgenommen werde. Sie meint, trotz der
Formstrenge des Europäischen Nachlasszeugnisses sei es möglich und nach Sinn und
Zweck des Zeugnisses – die Erleichterung der Durchsetzung von Rechten bei einem
Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug – auch geboten, im Zeugnis bestimmte
Vermögenswerte anzugeben, die einem bestimmten Erben zustehen sollen. Jedenfalls
diene es dem Zweck des Nachlasszeugnisses, wenn eine Erläuterung über die nach
deutschem Recht unzweifelhaft eintretende Rechtsfolge des
Erbteilsübertragungsvertrages vom 15. November 2016, aufgrund dessen sie auch
dingliche Eigentümerin aller Nachlassgegenstände geworden sei, im Zeugnis
aufgenommen würde.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 9. April 2020 die Anträge vom 13. Februar
2020 zurückgewiesen. Die Aufnahme des Grundbesitzes in das Europäische
Nachlasszeugnis sei nicht zulässig, da entsprechende Angaben nicht in Art. 68 EuErbVO
vorgesehen seien; insbesondere liege kein Fall der Zuweisung eines
Nachlassgegenstandes mit dinglicher Wirkung durch den Erblasser vor, Art. 68 Buchstabe
l) EuErbVO, denn nach deutschem Recht liege eine Universalsukzession vor. Mit dem
Erbteilskauf erwerbe der Erwerber auch lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf
(dingliche) Übertragung des Erbteils im Ganzen. Die Auflistung in Art. 68 EuErbVO sei
abschließend. Das entspreche auch der Ratio der Norm, eine in allen Mitgliedsstaaten
standardisierte Bescheinigung zu schaffen. Die Vermutungswirkung des Art. 69 EuErbVO
gelte für informatorische Angaben im Nachlasszeugnis ohnehin nicht. Es entspreche auch
nicht dem Willen des Verordnungsgebers, einzelne Nachlassgegenstände zur
Bescheinigung ihrer Nachlasszugehörigkeit im Zeugnis aufzuführen (Erwägung Nr. 71
EuErbVO). Auch die hilfsweise beantragte Aufnahme des Erbteilskaufs sei nicht in Art. 68
EuErbVO vorgesehen. Zwar sei es möglich, eine Erbannahme oder eine Ausschlagung
anzugeben; davon unterscheide sich jedoch der Erbteilskauf, der den veräußernden Erben
lediglich mit einer Forderung belaste.

Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 24. April 2020 zugestellten Beschluss
wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer am 25. Mai 2020 eingegangenen Beschwerde, mit
der sie sowohl ihr Haupt- als auch ihr Hilfsbegehren weiter verfolgt. Sie führt aus, das
polnische Gericht habe die Auffassung vertreten, der Erbteilskauf habe die Immobilie in
Polen nicht erfasst. Jene Ansicht widerspreche dem richtigerweise anzuwendenden
deutschen Recht. Der von ihr begehrte Zusatz im Nachlasszeugnis würde entsprechendes
dem polnischen Gericht deutlich machen und die Umschreibung des Eigentums in Polen
ermöglichen bzw. erleichtern.

Das Nachlassgericht hat am 10. Juli 2020 einen Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss
erlassen. Es hat ausgeführt, soweit das polnische Gericht eine dem anzuwendenden
deutschen Recht widersprechende Auffassung vertrete, sei die Beteiligte zu 1 auf das
dortige Rechtmittel zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 ist dem Senat infolge der mit weiterem Beschluss
vom 10. Juli 2020 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, §
68 Abs. 1 Satz, 1, 2. Halbsatz FamFG.

Es ist als befristete Beschwerde nach Maßgabe der §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im
übrigen zulässig. In der Sache bleibt es ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender
Begründung hat das Nachlassgericht sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag der
Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Nachlassgerichts
im angefochtenen Beschluss und im Nichtabhilfebeschluss zu den Gründen, aus denen
die von der Beteiligten zu 1 begehrten Ergänzungen nicht im Europäischen
Nachlasszeugnis aufgenommen werden können, wird zur Vermeidung von
Wiederholungen verwiesen. Veranlasst sind lediglich folgende ergänzende Anmerkungen:

Der vom Nachlassgericht eingenommene Rechtsstandpunkt entspricht der herrschenden
Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach bei Erbfällen mit Auslandsberührung
die Angabe einzelner Nachlassgegenstände im Europäischen Nachlasszeugnis nicht in
Betracht kommt, sofern – wie hier (nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO unterliegt die
Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen
letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hat) – deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt (vgl.
OLG Nürnberg ZEV 2017, 579 f., mit Anmerkung von Weinbeck; OLG München ZEV 2017,
580 f.; Münchener Kommentar/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO Art. 63 Rn. 18 und Art. 68
Rn. 9 m.w.N.; Kroiß/Horn/Solomon-Köhler, Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019, Art. 68 EuErbVO
Rn. 3). Der Senat sieht insbesondere mit Blick auf die Formstrenge des Art. 68 EuErbVO
und die zwingend vorgeschriebene Verwendung des von der EU Kommission
vorgegebenen Formulars (vgl. hierzu: BeckOGK/J. Schmidt, Stand: 1. August 2020, Art. 67
EuErbVO Rn. 13; Kroiß/Horn/Solomon-Köhler, a.a.O., Art. 68 EuErbVO Rn. 1) keinen
Anlass, von der herrschenden Meinung abzuweichen.

Ergänzend zu den vom Nachlassgericht bereits erwähnten und den entgegenstehenden
Motiven des Verordnungsgebers für den Erlass der Erbrechtsverordnung sei auf die
amtlichen Erwägungen unter Ziffern 9, 11, 14 und 15 verwiesen, wonach sich der
Anwendungsbereich der Verordnung nur auf die zivilrechtlichen Aspekte der
Rechtsnachfolge von Todes wegen erstrecken soll (Nrn. 9 und 15). Aus Gründen der
Klarheit ausgenommen sein sollen indes Fragen, die als mit Erbsachen
zusammenhängend betrachtet werden können (Nr. 11); ebenfalls nicht erfasst sein sollen
Rechte oder Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch Rechtsnachfolge von Todes
wegen entstehen oder übertragen werden (Nr. 14).

Bei dem hier in Rede stehenden Erbschaftskauf – und nur dieser kommt hier als
Grundlage für einen Übergang des gesamten Eigentums an der in Polen gelegenen
Wohnung in Betracht – handelt es sich indes nicht um einen Fall der Rechtsnachfolge von
Todes wegen, für den der Anwendungsbereich der EuErbVO eröffnet sein soll. Der
Erbschaftskauf des BGB ist vielmehr ein schuldrechtlicher Kaufvertrag, auf den, soweit
sich aus §§ 2371 ff. BGB nichts anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 433 ff. BGB
anwendbar sind. Der Erbschaftskauf bedarf der sachenrechtlichen Erfüllung. Er ändert
insbesondere nichts an der Erbenstellung des Verkäufers, sondern der Käufer tritt nur
wirtschaftlich und schuldrechtlich an die Stelle des Verkäufers (vgl. statt aller:
BeckOGK/Grigas, Stand: 15. August 2020, § 2371 BGB Rn. 4 ff.). Auch in einem
Erbschein, der in Verfahren ohne grenzüberschreitenden Bezug beantragt wird, kann nur
der veräußernde Erbe eingetragen werden, der Erwerber eines Erbschaftskaufs kann nicht
aufgeführt werden (BEckOGK/Grigas, a.a.aO., § 2371 Rn. 22; BeckOK/Litzenburger, 55.
Edition, Stand: 1. August 2020, § 2371 BGB Rn. 22).

Keine andere Betrachtungsweise rechtfertigt sich nach Auffassung des Senats mit Blick
auf die von der Beteiligten zu 1 zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
(Urteil vom 1. März 2018 – C-558/16 (Mahnkopf), NJW 2018, 1377 ff.). Die Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs betraf die Frage, ob und wie in einem Europäischen
Nachlasszeugnis die aus § 1371 Abs. 1 BGB folgende Erhöhung des Erbteils des
überlebenden Ehegatten aufzunehmen ist. Für diesen besonderen Fall hat der
Europäische Gerichtshof entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB in erster Linie die
Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten betreffe und nicht das eheliche
Güterrecht. Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof den Anwendungsbereich
der EuErbVO für eröffnet gehalten und die Angabe des erhöhten Erbteils des
überlebenden Ehegatten im Europäischen Nachlasszeugnis bejaht. Damit vergleichen
lässt sich der hier in Rede stehende Erbschaftskauf jedoch nicht, denn er berührt nicht die
Frage der Rechtsnachfolge nach dem Tod des Erblassers und die Rechtsstellung eines
Erben sowie seiner Erbansprüche, sondern er begründet ausschließlich ein
Rechtsverhältnis zwischen einem Erben und dem Erwerber seines Erbteils und einen
schuldrechtlichen Anspruch der Erbwerbers gegenüber dem Erben.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten
eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es
eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.
Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht kein
Anlass.

Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 61, 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG und der für die
Wertfestsetzung maßgebliche Nachlasswert errechnet sich auf der Grundlage der
Angaben der Beteiligten zu 1 im Wertermittlungsbogen vom 6. Februar 2018.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

14.10.2020

Aktenzeichen:

3 Wx 158/20

Rechtsgebiete:

Eheliches Güterrecht
Kaufvertrag
Kostenrecht
Erbteilsveräußerung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

RNotZ 2021, 150-153
BWNotZ 2020, 410-412

Normen in Titel:

EuErbVO Art. 68; BGB § 2371