Keine Geltendmachung des (fiktiven) Pflichtteils trotz Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG nach zivilrechtlicher Verjährung
letzte Aktualisierung: 7.1.2021
BFH, Urt. v. 5.2.2020 – II R 1/16
Keine Geltendmachung des (fiktiven) Pflichtteils trotz Fiktion des
zivilrechtlicher Verjährung
1. Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und
Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß
Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des
Pflichtteils fiktiv nachzuholen.
2. Die Fiktion des
Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er
im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG entschieden, dass die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Erbschaftsteuerbescheides rechtmäßig war. Die Geltendmachung eines Pflichtteils nach dem Tod des Pflichtteilsverpflichteten ist zwar auch dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte zugleich der Erbe des Pflichtteilsverpflichteten ist. Der aufgrund Konfusion zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch ist gleichwohl nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung nach zivilrechtlichen Grundsätzen verjährt ist.
1. Zu den nach
a) Dem bloßen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall (
b) Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden (BFH-Urteile vom 19.07.2006 - II R 1/05,
2. Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (
a) Die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils stellt dabei --abweichend vom Zivilrecht-- erbschaftsteuerrechtlich nur dann eine vom Pflichtteilsverpflichteten als Erblasser herrührende Schuld und somit eine gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nach dessen Tod nunmehr geltend macht.
b) Geschieht dies vor der Verjährung des Anspruchs (
c) Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Verpflichtete nicht damit rechnen musste, den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen, und deshalb durch diesen (zunächst) nicht wirtschaftlich belastet war; denn die Geltendmachung des Pflichtteils wirkt, wie bereits dargelegt, auf den Eintritt des ursprünglichen Erbfalls zurück (vgl. BFH-Urteil in
3. Dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn der Pflichtteilsberechtigte zugleich der Erbe des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten ist. Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch ist in diesem Fall jedoch nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.
a) Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den Tod des Pflichtteilsverpflichteten --zivilrechtlich betrachtet-- sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (Konfusion, vgl. dazu z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.04.2009 - IX ZR 19/08, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2009, 1059, Rz 19 f.; BFH-Urteile vom 07.03.2006 - VII R 12/05,
b) Im Erbschaftsteuerrecht hingegen gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß
c) Die Fiktion des
Dem bloßen Entstehen des Pflichtteilsanspruchs kommt --wie bereits ausgeführt-- erbschaftsteuerrechtlich weder für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit noch für die Besteuerung Bedeutung zu. Dies ändert sich erst mit dessen Geltendmachung. Ist zu diesem Zeitpunkt der durch Konfusion zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch bereits verjährt, können aus der Geltendmachung nachträglich nicht die erbschaftsteuerrechtlichen Folgen gezogen werden. Zwar hindert zivilrechtlich die Verjährung einer Forderung grundsätzlich nicht deren Geltendmachung, denn die Forderung ist nur dauerhaft mit der Einrede der Verjährung behaftet; der Schuldner ist berechtigt, die Leistung zu verweigern (
4. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Pflichtteilsanspruch im Streitfall nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar.
Der Pflichtteilsberechtigte (früherer Kläger) konnte den zivilrechtlich bereits erloschenen Pflichtteilsanspruch nachträglich nicht mehr gegen sich selbst als Alleinerben seiner Stiefmutter geltend machen. Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen seine Stiefmutter wegen des Todes seines Vaters im Zeitpunkt der Geltendmachung im August 2013 zivilrechtlich bereits verjährt war. Die Fiktion des
5. Die Kostenentscheidung folgt aus
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:05.02.2020
Aktenzeichen:II R 1/16
Rechtsgebiete:
Erbschafts- und Schenkungsteuer
Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Sonstiges Steuerrecht
Gesetzliche Erbfolge
Pflichtteil
ErbStG § 10 Abs. 3 u. 5; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2