LG Frankfurt 12. Dezember 2019
2-13 S 106/18
WEG § 3

Werdende WEG bei Aufteilung nach § 3 WEG

letzte Aktualisierung: 04.03.2020
LG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2019 – 2-13 S 106/18

WEG § 3
Werdende WEG bei Aufteilung nach § 3 WEG

Bei einer Teilung nach § 3 WEG sind die Grundsätze der werdenden
Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls dann auf die Erwerber des Bauträgers anwendbar,
wenn die Teilung zwischen dem Bauträger und der Ehefrau des Geschäftsführers des Bauträgers
erfolgte.

Gründe

I.

Die Kläger machen mit ihrer Anfechtungsklage die Ungültigkeit von zwei auf der Versammlung
nicht angenommenen Beschlüssen geltend.

Die WEG wurde durch eine Teilung nach § 3 WEG begründet zwischen der Bauträgerin... und der
Ehefrau des Geschäftsführers der vorgenannten Gesellschaft, die das Eigentum an einer Wohnung
erhielt. Die übrigen Wohnungen erhielt die Bauträgerin. Diese errichtete das Gebäude und veräußerte
die Wohnungen. Die Übergabe des Besitzes an Wohnung Nr. 13 an die Kläger ist erfolgt, eine
Vormerkung ist im Grundbuch eingetragen. Die Kläger haben wegen behaupteter Mängel einen Teil
des Kaufpreises zurückgehalten. Eine Eintragung als Eigentümer ins Grundbuch ist nicht erfolgt.
Die Kläger nahmen in der Vergangenheit an Eigentümerversammlungen teil, der Kläger zu 2 wurde
als Beirat gewählt. Auf der hier gegenständlichen Versammlung wurde den Klägern mit Blick auf
die fehlende Eigentumseintragung das Stimmrecht verwehrt, der Kläger zu 2 durfte indes als Beirat
an der Versammlung teilnehmen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, denn die Kläger seien mangels Eigentümerstellung
nicht zur Beschlussanfechtung befugt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger.

II.

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ergebnis zutreffend.
Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass die Kläger zur Anfechtung der getroffenen Beschlüsse
berechtigt sind, da auf sie das Rechtsinstitut der werdenden Wohnungseigentümer anzuwenden
ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist auf das Innenverhältnis einer Wohnungseigentümergemeinschaft
eine vorverlagerte Anwendung der Regelungen des WEG geboten, wenn die Käufer
eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition besitzen und sie infolge des vertraglich vereinbarten
Übergangs der Lasten und Nutzungen der Wohnung ein berechtigtes Interesse daran haben, die
mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnungsanlage
vorzeitig auszuüben (st. Rspr.; zuletzt BGH NZM 2016, 266).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind für die Kläger, worüber die Parteien auch nicht streiten,
an sich erfüllt. Allerdings ist zweifelhaft, inwieweit diese, auf Fälle der Teilung nach § 8 WEG ergangene
Rechtsprechung auch auf Fälle der Teilung nach § 3 WEG – wie hier – anzuwenden ist. Teils
wird dies generell verneint (BayObLG NJW-RR 2000, 623; KG ZMR 2001, 656; Riecke/Schmid/Lehmann-
Richter § 10 Rn. 41; Armbrüster/Witsch ZWE 2019, 386, 388), teils bejaht, wobei vor allem
– zum Streitfall anders gelagerte – Fälle einer ins Stocken geratenen Bauherrengemeinschaft diskutiert
werden (Bärmann/Suilmann § 10 Rn. 20; Staudinger/Rapp, Neubearb. 2018, § 3 Rn. 41; BeckOGK/
Müller § 10 Rn. 83 ff.; Niedenführ/Vandenhouten § 10 Rn. 13).

Jedenfalls in dem vorliegenden Fall, in welchem der Aufteilungsvertrag zwischen einem Bauträger
und einer ihm nahestehenden Person erfolgt, sind nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen
für eine Vorverlagerung der Anwendung der Regelungen der WEG im Innenverhältnis gegeben.
Die besondere rechtliche Behandlung des Erwerbs von Wohnungseigentum als werdender Eigentümer
in der Entstehungsphase der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet der BGH mit der
Überlegung, dass sich die Aufteilung durch den Bauträger grundlegend von dem Eigentumserwerb
in einer bestehenden Gemeinschaft unterscheidet, und zwar wegen der mit der Abwicklung von Gewährleistungsrechten
verbundenen Verzögerungen der Eigentumsumschreibung und wegen der
typischen Interessenkonflikte von Erwerbern und Bauträgern. Für diese Übergangsphase hält der
BGH eine Mitwirkung der Erwerber nach den Regeln sinnvoll, deren Geltung die Beteiligten ohnehin
anstreben (BGH NJW 2015, 2877).

Insoweit macht es aber weder für den Erwerber noch für den Bauträger einen Unterschied, ob das
Grundstück nach § 8 WEG geteilt wird, was zur Vorverlagerung der Regeln des WEG führen würde,
oder aber ein Grundstück, dass im gemeinsamen Eigentum des Bauträgers und einer ihm nahestehenden
Person steht, nach § 3 WEG in der Weise geteilt wird, dass der Bauträger Eigentümer nahezu
aller Wohnungen wird und diese dann in gleicher Weise, wie bei einer Teilung nach § 8 WEG
veräußert. Auch hier kann sich – wie der Fall zeigt – das Problem stellen, dass die Eintragung der
Erwerber erhebliche Zeit in Anspruch nimmt, da die Eigentumsumschreibung erst nach vollständiger
Zahlung des vereinbarten Preises geschuldet ist, den der Erwerber unter Berufung auf Mängel
zurückhält. Auch hier gilt, dass die Wohnanlage schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften
Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden muss (BGH NJW 2008, 2639 Rn. 12), was
sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer und der ihm nahestehenden Person überlassen bleiben
kann, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln des WEG erfolgen sollte.
Auch hier spricht das „Demokratisierungsinteresse“ (BGH NJW 2008, 2639 Rn. 20) für eine vorverlagerte
Anwendung der Regeln des WEG. Die Folge dieser Vorverlagerung ist, dass der werdende
Wohnungseigentümer einerseits die Mitwirkungsrechte ausüben kann, andererseits hat er gemäß
§ 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten zu tragen (BGH NZM 2016, 266 Rn. 7).

Insofern unterscheidet sich der Fall auch deutlich von den Zweiterwerbsfällen, in denen der BGH
stets (st. Rspr., zuletzt BGH NJW 2015, 2877) die vorverlagerte Anwendung des WEG abgelehnt hat.
Denn dort geht es um die Fälle, in denen ein (Erst-)Erwerber die Wohnung an einen Dritten veräußert.

Hierdurch verändert sich die grundsätzliche Interessenlage nicht (BGH aaO), denn hier stehen
dem Bauträger bereits als Miteigentümer die (Erst-)Erwerber gegenüber. Dass insoweit individuell
die Eigentümer vielleicht unterschiedliche Interessen haben, rechtfertigt eine Erweiterung der
Regeln der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft nicht und lässt sich zudem in den Erwerbsverträgen
zwischen Erst- und Zweiterwerber lösen (BGH NJW 2015, 2877 Rn. 14 ff.) Dies ist
bei dem Erwerb vom Bauträger indes grundlegend anders, denn (nur) hier bestehen die vom BGH
beschriebenen Interessenkonflikte, die sich strukturell sinnvoll nur durch eine vorverlagerte Anwendung
der Regeln des WEG auflösen lassen.

Vermieden werden durch diese Lösung auch Friktionen im Mängelgewährleistungsrecht. Denn insoweit
besteht neben der Möglichkeit, dass die Gemeinschaft Rechte an sich zieht, das Problem,
dass für gemeinschaftsbezogene Ansprüche (Minderung und kleiner Schadensersatz) eine geborene
Ausübungsbefugnis beim Verband liegt (BGH NJW 2015, 28874 Rn. 9). Nur eine Vorverlagerung
der Anwendung des WEG sorgt hier dafür, dass die Erwerber an der Willensbildung beteiligt werden
und sich nicht – einerseits kaum lösbare – Fragen der Bindung des Erwerbers, der außerhalb der
WEG steht, an Beschlüsse der – dem Bauträger nahestehenden - Eigentümer stellen und anderer-
seits sich das Problem stellt, inwieweit der außerhalb der WEG stehende Erwerber gegen den Bauträger
vertragliche Ansprüche betreffend das Gemeinschaftseigentum geltend machen kann.

Letztlich ist auch aus Sicht des teilenden Bauträgers eine vorverlagerte Anwendung geboten, da
nun (nur) der werdende Eigentümer gem. § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten zu tragen hat
(BGH NJW 2015, 2877 Rn. 5 mwN).

Ist demzufolge das WEG-Recht bereits vorverlagert anwendbar, haben die Kläger als werdende Eigentümer
das Stimm- und Anfechtungsrecht (vgl. BGH NZM 2016, 266 Rn. 13), so dass die Klage
nicht aus diesem Grund abzuweisen war.

Gleichwohl hat die Berufung keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen (BGH NJW 2006, 1124), woran die Kammer allerdings Zweifel hat, ob ein
Rechtsschutzbedürfnis besteht. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BGH die isolierte Anfechtung
eines Negativbeschlusses möglich, wenn der Antragsteller allein durch die Ablehnung in seinem
Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung verletzt ist (BGH NZM 2010, 205, BeckOK WEG/Bartholome,
38. Ed. 1.8.2019, WEG § 23 Rn. 25). Ob dies allerdings auch dann vorliegt, wenn der Kläger selbst
– zu Recht – davon ausgeht, dass im Falle der Fassung eines Positivbeschlusses, der Beschluss ungültig
oder gar nichtig wäre, erscheint zweifelhaft, denn Aufgabe des Gerichts ist es insoweit nicht,
Rechtsgutachten zu erstellen, auch besteht kein Anspruch der Kläger, dass darüber entschieden
wird, aus welchem Grund ein Beschluss nicht anzunehmen war.

Die Anfechtungsklage ist indes in jedem Falle unbegründet. Mit der Klage werden Negativbeschlüsse
angefochten. Eine derartige Klage ist aber nur begründet, wenn gegen den abgelehnten Positivbeschluss
weder Nichtigkeits- noch Anfechtungsgründe vorliegen und eine Ermessensreduzierung
auf Null vorliegt, also nur die abgelehnte Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen
hätte. Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.

Der Beschluss zu TOP 7 wäre bereits unbestimmt, darüber hinaus sollte offenbar eine Änderung der
Teilungserklärung durch Beschluss erfolgen. Was geändert werden sollte, bleibt allerdings völlig offen,
dazu ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, inwieweit überhaupt eine entsprechende Öffnungsklausel
besteht. Anderenfalls wäre ein gefasster Beschluss ohnehin bereits nichtig.

Auch der Beschluss zu TOP 6 lässt offen, was Ziel des Beschlusses ist und zu welchem Zweck juristischer
Rat eingeholt werden soll. Soweit es – wofür manches spricht – um die Frage der Nutzung
von Gemeinschaftseigentum durch einen Sondereigentümer geht, besteht ohnehin kein Anspruch
darauf, dass die Eigentümer diesen Anspruch vergemeinschaften, so dass für eine Ermessensreduzierung
auf Null ohnehin nichts ersichtlich ist. Dies bereits deshalb nicht, weil ein Rechtsverlust des
Klägers mit der Ablehnung der Vergemeinschaftung nicht verbunden ist, dieser vielmehr vermeintlich
bestehende Ansprüche selbst durchsetzen kann (vgl. BGH NJW 2015, 1020; OLG Frankfurt aM
ZMR 2004, 290; Wenzel in Staudinger, 2005, Vor. § 43 Rn. 73; LG Köln ZWE 2015, 126). Eine positive
Beschlussfassung streben indes die Kläger auch nicht an.

Nach alledem kann die Beschlussanfechtungsklage keinen Erfolg haben. Ohnehin hat ein Negativbeschluss
über die Ablehnung des Beschlusses hinaus keine Rechtswirkungen und hindert die Gemeinschaft
insbesondere nicht, einen inhaltsgleichen Beschluss auf der nächsten Versammlung zu
fassen (vgl. nur Niedenführ § 43 Rn. 98).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit aus §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Zwar kommt der Frage der
Anwendbarkeit der Grundsätze der werdenden WEG auf die Teilung nach § 3 ZPO Grundsatzbedeutung
zu, da die Klage aber ohnehin abzuweisen war, ist diese Frage letztlich nicht entscheidungserheblich.
...

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Frankfurt

Erscheinungsdatum:

12.12.2019

Aktenzeichen:

2-13 S 106/18

Rechtsgebiete:

WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

ZWE 2021, 33-36

Normen in Titel:

WEG § 3